Convention
von WALKING WITH GIANTS
Es ist
schwierig (vielleicht sogar unmöglich!) jemandem, der nicht „betroffen“ ist, zu
erklären was UNS diese Convention bedeutet hat.
Wenn man
die Diagnose einer so seltenen Krankheit bekommt….dann fällt man in ein Loch.
Man fühlt sich ALLEIN….man fühlt sich UNVERSTANDEN…man hat ANGST.
Angst vor
dem Leben das einen erwartet und für das es keine Vorhersagen gibt. Man weiß
nicht wie das Leben aussehen wird….man weiß nicht wie schwierig es werden
wird….man weiß nicht…wie lange es dauern wird.
NATÜRLICH
haben wir Familie und Freunde!! Und sie stehen VOLLKOMMEN hinter uns – ich
glaube, wenn es anders wäre hätten wir es bis hierher auch gar nicht geschafft.
ABER……trotz
aller Empathie und Liebe die sie für uns empfinden…können sie alle NICHT
komplett nachvollziehen wie unser Leben ist und wie es sich anfühlt - einfach
weil sie nicht SELBER betroffen sind.
DAS….können
eben nur Menschen die unser Schicksal teilen.
Und davon
gibt es nicht sehr viele auf der Welt.
Ich
erinnere mich noch sehr gut an die ersten Monate nach der Diagnose. An die
vielen Tränen die ich vergossen habe…an die Angst vor dem Ungewissen…vor dem
UNBEKANNTEN. Mein Herz hat geschrien dass ich eine andere betroffene Mama
brauche mit der ich reden kann!!! Die mich VERSTEHT. Der ich nichts ERKLÄREN
muss….
Und dann
ist Silke in mein Leben gekommen, Gerrits Mama.
Damals….waren
wir 3 betroffene Familien in Deutschland - und Silke wohnt nur 20km von mir
entfernt. Und hatte dieselbe Physiotherapeutin wie wir. Wie verrückt ist das
bitte???
Ich habe
geweint….und ich habe Gott gedankt das wir uns finden durften.
Bis
heute…ist sie eine der wichtigsten Personen in meinem Leben. Zwar hat Gerrit ganz
andere „Probleme“ als Jonathan….aber wir sind durch unser Schicksal verbunden.
Ich weiß das sie mich VOLLKOMMEN versteht, an guten und an schlechten
Tagen….das ist SO WICHTIG für mich.
Ein Tag
der mein Leben NACHHALTIG verändert hat war der Tag als ich von der
Organisation WALKING WITH GIANTS in Liverpool erfahren habe.
Für
diesen Beitrag hier im Blog…habe ich sehr lange nachgedacht und versucht mich
zu erinnern:
„Wie
wurde ich überhaupt auf diese Organisation aufmerksam?“
…und zu
meiner Schande muss ich gestehen…
ICH KANN
MICH NICHT MEHR ERINNERN!!
Vielleicht
ein Moment der mein Leben verändert hat. Und ich weiß einfach nicht mehr wie
und warum es passiert ist…..
Ich weiß
nur, dass ich schon immer gerne Reportagen über Kinder mit seltenen Erkrankungen
gesehen habe. Ich habe mich für Genetik interessiert.
Vor circa
10 Jahren also hatte ich einen Beitrag gesehen der mich gefesselt hat wie kaum
ein anderer:
„Das
kleinste Mädchen der Welt“. Charlotte Garside.
Ein
rothaariges, lebensfrohes….und einfach unfassbar kleines Mädchen. So klein das
ich nicht glauben konnte das dieser Bericht ECHT ist!!!! Die Bilder…gingen mir
wochenlang durch den Kopf und ich musste immer wieder an dieses faszinierende
Mädchen denken.
Und an
die Eltern. Was durchlebten sie jeden Tag, mit welchen Herausforderungen wurden
sie konfrontiert. Ich war einfach…fasziniert.
Wer hätte
damals ahnen können….das ich einige Jahre später ein Kind bekommen würde das
ebenfalls eine Form von MIKROZEPHALEM PRIMORDIALEM KLEINWUCHS hat???
Wer hätte
damals ahnen können…dass ich Charlotte und ihre Eltern in die Arme nehmen und
mit ihnen reden würde weil sie mein Schicksal teilen???
Dieser
Familie folgten noch andere Familien die ich nur aus dem Fernsehen, oder von
YouTube kannte:
Shelly
und Nick Smith, sowie Christy und Bri Jordan aus den USA….Tea und Nevio Kresnic
aus Kroatien…Robert, Judith und Emma van der Linden aus Holland (die wir bereits
im Sommer „in echt“ kennengelernt hatten).
Alle
diese Familien hatten –genau wie wir- den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt
und zeigten sich. Ließen andere Menschen an ihrem Schicksal und ihrem Leben
teilhaben. Gaben so viel Hoffnung und Mut. So viel Kraft.
Die
beeindruckensten Menschen für mich aber waren…SUE und JOHN CONNERTY aus
Liverpool. Die Gründer der WALKING WITH GIANTS FOUNDATION.
Ich weiß
nicht wie viele hunderte Male ich mir einen Bericht über eine Convention mit einem
Interview der beiden angesehen habe – und immer und immer wieder geweint habe. Vor
Glück diese beiden Menschen „gefunden“ zu haben…..
Sie
teilten unser Schicksal, das ist klar…aber es war auch etwas anderes das mich
so sehr berührte: die beiden hatten den MUT gehabt sich selber und ihr Kind in
den Fokus der Öffentlichkeit zu stellen…und diese Organisation zu gründen! Mit
diesem Schritt haben sie HUNDERTEN VON FAMILIEN HOFFNUNG und HILFE gegeben….in
unserer Situation unschätzbare Güter.
Niemand von
uns muss mehr allein sein oder Angst vor dem Unbekannten haben – wir haben
EINANDER.
Niemand
von uns muss mehr ohne ärztlichen Rat bleiben – wir haben die besten Ärzte auf
dem Gebiet in unseren Reihen und jeder von uns darf sie kontaktieren.
Niemand
von uns muss mehr Sorgen um finanzielle Probleme haben die sich mit einem
behinderten Kind stellen – die Organisation hilft in persönlichen
Krisenmomenten.
Ohne Sue
und John….würde es auch UNS heute nicht so gut gehen, weil wir keinen Austausch
hätten. Vielleicht hätte ICH meine innere Ruhe nicht gefunden ohne diese vielen
Gespräche mit Müttern aus aller Welt.
Dazu kommt
noch etwas anderes. Von dem ich nicht weiß wie ich es beschreiben soll…
Wenn ich
Sue in Videos anschaute, ihr beim Reden zuhörte, ihren Worten lauschte…dann
dachte ich…ich schaue in einen Spiegel. Sie ist wie ICH. Sie wird von denselben
Dingen im Leben angetrieben, hat dieselben Gedanken im Kopf und dieselben Ziele….sie
ist mein Seelenzwilling.
(In
nächtelangen Gesprächen auf der Convention sollten wir beide feststellen dass
auch unsere Lebensläufe fast identisch sind. Total verrückt!
Sue sagte
in den Tagen in Liverpool sehr oft: „You are my sister from another mister!“
(Du bist meine Schwester von einem anderen Vater). Und so stellte sie mich auch
ihren Eltern vor….lach…)
Mit allen
diesen Menschen also, die wir nur aus dem Internet kannten, redeten wir seit
knapp einem Jahr per Mail oder Facebook – fast täglich. Wir ließen sie in unser
Innerstes, teilten alle Sorgen und Ängste, aber auch Freude mit ihnen. Sie
waren unsere FAMILIE….
Und nun…würden
wir die meisten von ihnen in live sehen. Wir könnten sie umarmen und in Ruhe
von Angesicht zu Angesicht reden. ICH WAR SO AUFGEREGT!!!
Die
Convention würde montags starten, aktuell war es Samstag. Wir waren mit Absicht
zwei Tage früher angereist um Jonathan (und uns) die Chance zu geben in Ruhe
anzukommen…die erste gemeinsame Flugreise zu verkraften..und um nicht SOFORT im
größten Trubel zu sein. Immerhin wurden dieses Jahr 46 Familien mit annähernd
200 Personen erwartet!!
Ich wusste
von Sue das einige Familien früher anreisen würden, auch der führende Forscher
aus Amerika war schon da. Im Hotel schaute ich mich also ständig um ob ich
jemanden von Fotos aus dem Internet erkennen würde…nun ja: unsere KINDER zu
erkennen ist NICHT besonders schwer. Lach….und wo waren Sue und John? Sie
hatten gesagt dass sie nachmittags im Hotel wären…mein Herz klopfte weil ich es
einfach nicht erwarten konnte die beiden zu umarmen.
Die erste
Familie die wir trafen war aus Australien. Ein kleines Mädchen mit MOPD Typ2
war mit Mutter und Schwester angereist.
Wir saßen
gemeinsam in der Lobby und redeten, ich noch etwas gehemmt weil mein Englisch
über die Jahre doch ein wenig eingerostet war….ich war also hochkonzentriert,
dachte über meine Worte nach – versuchte die Grammatik korrekt hinzubekommen…..schaute
hoch…und da stehen Sue und John mit ihrem Sohn Alex direkt vor mir….
Ich sah
sie an und….ich sah sie zum ersten Mal in ECHT, nicht nur über den Bildschirm
eines PCs oder Fernsehers….außer „O MEIN GOTT!“ konnte ich nichts sagen…stand
einfach auf und nahm Sue in den Arm. Und dann kamen die Tränen und sie hörten
nicht mehr auf. Sue sagte nur immer wieder das alles gut sei …aber ich konnte
nicht aufhören zu weinen. Diese Erleichterung die mich durchströmte weil ich
nun endlich unter WIRKLICH Gleichgesinnten war….das kann man einfach NICHT in
Worte fassen…
Zudem ist
es ein sehr komisches Gefühl jemanden in den Arm zu nehmen und anzufassen den
man nur aus dem „Netz“ kennt. Es ist fast wie einen Prominenten kennenzulernen…lach…
Eine entsprechende
Aussage von mir zu dem Thema führte auf der Convention dann auch zu einem
running gag. 8o)
Wie schon
gesagt: der führende Forscher aus den USA war während der kompletten Convention
anwesend, und das nicht nur für Arztgespräche – er war einfach immer mitten
zwischen uns Familien, trank mit uns an der Bar….quatschte mit uns allen…spielte
mit den Kindern…und nahm an unseren Ausflügen teil. Total cool…und gar nicht
wie ein Arzt. Mehr wie ein Kumpel…
Für mich
aber…war dieser Arzt eine Koryphäe…DER ARZT schlechthin auf dem Gebiet des MPD.
Der führende Forscher eben. Über den ich alles was es zu finden gab im Internet
gelesen hatte…den ich UNBEDINGT treffen und ihm Löcher in den Bauch fragen
wollte…unvorsichtigerweise habe ich John Connerty das erzählt und ihm gesagt
das der Arzt einfach…MEIN ROCKSTAR!!!...ist. Darüber haben sich 5 Tage alle
kaputt gelacht, am meisten der Arzt selber. 8o))
Diese
ganzen Tage in Liverpool waren einfach nur ÜBERWÄLTIGEND. Ich glaube ich könnte
25 Beiträge darüber schreiben – und könnte meine Gefühle trotzdem nicht korrekt
wiedergeben. Deswegen lasse ich es einfach, sonst langweile ich euch noch...
Jedenfalls:
wir hatten eine VERDAMMT GUTE ZEIT!!!
Die
Convention ist keine Veranstaltung bei der man sich gegenseitig bedauert oder
Trübsal bläst. Im Gegenteil!!! Wir haben SPASS zusammen!! Wir lachen, wir
halten uns in den Armen…wir bauen uns auf, wir geben uns Tipps und Kraft. Wir
brauchen einander. Und unsere Kinder brauchen andere Kinder….FREUNDE!!! Hier
auf der Convention sind ALLE GLEICH. Kein Kind wird angestarrt oder
ausgegrenzt, kein Kind wird gefragt warum es ANDERS ist. Hier sind einfach alle
FREUNDE!!
Diese
Tatsache hat uns so oft Tränen in die Augen getrieben…
Jonathan
war zum ersten Mal dabei. Und bis auf ein Kind das wegen seiner geistigen
Behinderung gar nicht laufen kann – sind hier alle gelaufen. Nur Jonathan
nicht, der ist gekrabbelt.
Abends
auf der Tanzfläche…ein GEWUSEL, ein GERENNE….und Jonathan: MITTENDRIN, auf dem
Boden. Mein Mann hat zuerst Angst gehabt und wollte ihn weg holen. Aber…kein
Scherz! ALLE Kinder haben auf Jonathan aufgepasst! Er wurde NIE getreten oder
gestoßen, sie waren VORSICHTIG. Weil er einer von ihnen ist und sie Rücksicht
aufeinander nehmen.
Und wenn
Joni allein am Rand der Tanzfläche lag und einfach alles beobachtet hat….dann
hat es nicht lange gedauert bis ein Kind kam und ihn gestreichelt oder ihm die
Hand gehalten hat.
Es war
einfach der PURE WAHNSINN!!!
Mir ist
in diesen Tagen bewusst geworden…WIR brauchen diese Kommunikation mit anderen
Eltern, sie ist für uns sehr wichtig. Aber vielleicht noch wichtiger ist für
Jonathan der Kontakt zu anderen Kindern die genauso sind wie er!!!
Ein Vater
hat es in einem Film der über die Convention für das englische Fernsehen
gedreht wurde schön zusammengefasst:
„Hier
sind wir genau da wo wir hingehören.“