Mittelaltermarkt
Die Anreise war schon ein Abenteuer für sich!!!
Baustellen und Umleitungen. Und wir kannten uns in
der Gegend nicht aus. Unser Navi leider auch nicht.
Aber wir sahen Fußgänger in Gewandungen - und die
fragten wir. Der Parkplatz zu dem sie uns schickten war gefühlte 2km vom
Veranstaltungsort entfernt. Und der Weg dorthin NICHT ausgeschildert…..das
Event fand mitten im Ort statt, da hätte ich es NIE vermutet wegen dem
Turnierplatz!! Links, rechts…geradeaus…irgendwann hatten wir es gefunden.
Im Gegensatz zu der mühsamen Anreise war der Markt
selber aber total schön! Schöne Stände, leckeres Essen….eine super Location!
Nach wenigen Minuten hatten wir schon jemanden
entdeckt den wir gut kannten und an den wir uns auch sehr gerne erinnerten: den
Minnesänger von unserer Hochzeit!!
Er hatte eine „Band“ für Mittelaltermusik und mit
der trat er hier offensichtlich auf.
Mich hat nichts mehr gehalten, ich bin zu ihm hin
gestürmt, habe mich vor ihn gestellt und gefragt ob er mich noch kennt
(immerhin ist unsere Hochzeit schon 5 Jahre her und wir sind nicht die Einzigen
bei denen er als Minnesänger aufgetreten ist!).
Aber…..er kannte mich noch! Sagte mir direkt auf
den Kopf zu das er bei unserer Hochzeit gesungen habe und nannte mir auch das
Lokal. Naja….auch ER hatte noch nicht viele solche Hochzeiten wie unsere
erlebt: 30 Leute in Gewandung, eine Zeitreise ins Mittelalter. UND..ich hatte auch
heute wieder mein Brautkleid an: eine Maßanfertigung die man nicht so oft sah….lach…
Als ich ihn um ein Foto gebeten habe das ich bei
Facebook posten wollte hat er direkt JA gesagt. Wir haben noch ein wenig
gequatscht, wir haben ihm auch Jonathan vorgestellt – von dessen Existenz er
natürlich nichts wusste…und ihm später bei seinem Auftritt gelauscht. Ihn
wiederzusehen hat mich echt wahnsinnig gefreut, denn er hat nicht geringen
Anteil daran das ich mich so gerne an meine Hochzeit erinnere!!!
Mir zauberte es ein Lächeln ins Gesicht unseren
Minnesänger getroffen zu haben….und auch für meinen Mann gab es an diesem Tag
einen WOW-MOMENT!
Laute Musik kündigte eine Art Parade an….lauter
gewandete Menschen zogen über das Festival-Gelände….man fühlte sich hier nicht
nur ins Mittelalter versetzt, sondern kam sich ein wenig vor wie bei GAME OF
THRONES…lach…
Wir bestaunten die Menschen mit ihren tollen
Kleidern und winkten und lachten was das Zeug hielt, als mein Mann voller
Inbrunst sagte: „Den Hunnenkönig kenne ich! Das ist ein Bekannter von der
Bundeswehr!“..mir ging direkt durch den Kopf: „Ja, neeee! Is klar!“…lach…
Doch der Hunnenkönig (SEHR eindrucksvoll in einem
wirklich prächtigen Gewand!) winkte meinem Mann tatsächlich zu und begrüßte ihn
mit Handschlag. Wow…..
Als die Parade zu Ende war suchte mein Mann den
Hunnenkönig, fand ihn auch…kam zu uns zurück und sagte das wir zum Zeltlager kommen
sollten. Dort würde der König uns eine Audienz gewähren…lol…
Wir haben uns also auf den Weg gemacht. Und das
Lager direkt gefunden. Allerdings war der König verhindert, er war noch
unterwegs. Naja…bei Monarchen gehört es ja zum guten Ton das sie ihr Volk
warten lassen. 8o))
Dafür..hatten wir eine Begegnung die mich sehr
beeindruckt hat: eine ECHTE Schamanin aus der Mongolei hat uns in Empfang
genommen. Sie betrachtete Jonathan sehr eingehend, legte ihm die Hand auf den
Kopf und sagte zu mir: „Er schläft schlecht, richtig?“…mir blieb die Spucke
weg. Das KONNTE sie nicht wissen, sie hatte überhaupt nicht mit mir geredet….aber
sie hatte RECHT!!!
Ich bejahte und war schon mal beeindruckt. Sie
fragte ob sie Jonathan auf den Arm nehmen und mitnehmen dürfte, sie wolle „mit
ihm reden“. Mein Mann und ich haben zugestimmt, WENN Jonathan mit ihr gehen
würde ohne zu weinen. Das tat er.
Komisches Gefühl.
Noch nie…hatte jemand FREMDES…unser Kind
mitgenommen.. Ich drehte mich dauernd um und schaute wo sie mit Jonathan war,
suchte seinen Blick – versuchte herauszufinden ob es ihm gut ging. Das schien
so, er wirkte entspannt…weinte nicht, zappelte nicht…
Sie war eine Schamanin, vielleicht konnte sie
wirklich etwas bewirken und unsere Nächte ruhiger werden lassen?
Ich kannte Schamanen nur aus Büchern, hatte noch
nie einen in Echt getroffen. Fand es super spannend!! Und dachte dass es einen
Versuch wert war. Denn schlimmer konnten die Nächte ja nicht werden…
Im Lager der Hunnen entstand Aufregung. Es war
Mittagszeit und es wurde Essen gebracht…von…unserem NIKOLAUS….lach…kein
Scherz!!
Der Mann der bei uns in den letzten beiden Jahren
als Nikolaus aktiv gewesen war lieferte grade Essen für die „Hunnenhorde“. …weil:
seine Tochter Teil des aktiven Lagers war. Wie klein ist die Welt bitte manchmal?
Verrückt….8o))
Natürlich wollte der Nikolaus Jonathan sehen und
deshalb: haben wir ihn von der Schamanin zurückgeholt. Vielleicht ist DAS der
Grund…denn…das Zwiegespräch mit dieser „Medizinfrau“ hat leider nichts
gebracht: Jonathan schläft noch genauso schlecht wie schon immer…
Dafür hatte der Nikolaus Spaß mit ihm. Jonathan hat
ihn nicht erkannt, natürlich: denn er hatte auch kein „Kostüm“ an. Und es war
auch gut das er ihn nicht erkannt hat…sonst hätten wir dieses Jahr im Dezember
ein Problem…lach…
Ein letzter Höhepunkt im Lager der Hunnen war, das
der König sich auf seinen Thron setzte und Jonathan auf den Schoß nahm damit
ich Fotos machen konnte.
Sowohl der Thron als auch der Wandteppich, der aus
echtem Haar und zwar in 3D-Optik (!) gewebt war, stammten aus der Mongolei und
waren ein Geschenk der „echten“ Hunnen gewesen. Denn der Bekannte meines Mannes
wurde offiziell zum „KHAN“ ernannt….das ist so krass, diese Ehre gebührt nicht
vielen! Er erzählte uns das er mehrere Male im Jahr in die Mongolei reist, das
er dort immer Geschenke erhält (Pferde, Schmuck, Kleider….) und ein
anerkannter/berühmter Mann dort ist.
Und Jonathan saß mit ihm gemeinsam auf dem Thron!!!
Was für eine Ehre.
Wir waren uns einig: dieses Mittelalterfest zu
besuchen hatte sich für uns auf voller Länge gelohnt. 8o))
Mittlerweile merkten wir auch auf unseren Ausflügen
dass Jonathan viel mehr „teilnahm“, viel mehr mitbekam. Er schaute sich um,
betrachtete alles, wollte vieles anfassen…saugte jede „Information“ in sich
auf.
Schwierig war (und ist) für uns das er uns kein
Feedback gibt – weil er nicht reden kann. Wir können also immer nur vermuten
was er möchte, wohin er möchte…was er nicht möchte und wann es ihm vielleicht
auch „zu viel“ wird. Wir müssen ihn genau beobachten und versuchen seine
Stimmungen und Wünsche in seinen Augen zu erkennen.
Allein deswegen…steht Jonathan meist im Mittelpunkt
unserer Familie. Ohne genaues Beobachten ist es ja momentan nicht möglich ihn
zu „verstehen“. Dass macht es für Marvin oft etwas schwer, denn er hat nicht
unsere ungeteilte Aufmerksamkeit – oder nur die von einem von uns.
Wir versuchen unser Bestes um auch angemessen auf
ihn eingehen zu können: oft fährt einer von uns mit Marvin allein weg, oder wir
machen einen Ausflug der für Jonathan eigentlich „nicht geeignet“ ist – aber für
Marvin….
Ich freue mich jedenfalls sehr auf den Tag an dem
der kleine Mann sich uns mitzuteilen in der Lage ist! Das wird es für uns alle
sehr viel einfacher machen.
Trotzdem…sind wir unfassbar froh dass unser Leben
momentan so ist wie es ist. Wir hatten nach den Prognosen der Ärzte nie zu
hoffen gewagt das Jonathan in dieser Form an unserem Leben teilhaben würde…das er
Spaß an Ausflügen haben würde!!!
Denn auch wenn unsere Ausflüge nicht mehr sind „wie
früher“, weil man immer auf Jonathan eingehen und auf die Uhr schauen muss
wegen Medikamenten und Essen...so sind es doch AUSFLÜGE, und wir haben uns
unser „altes“ Leben damit ein Stückchen zurückerobert.
Außerdem glauben mein Mann und ich auch ganz fest
dass es Jonathan in seiner Entwicklung voran bringt wenn man ihm „die Welt
zeigt“. Er kommuniziert zwar nicht mit uns, aber er beobachtet und wir denken
dass er dadurch auch viel lernt…
Stationäre Aufnahme in der Kinderorthopädie
Kurz nach Ostern waren wir zu einer kleinen
Bestandsaufnahme in der Kinderorthopädie gewesen und hatten damals einen
stationären Aufenthalt für mehrere Tage vereinbart um eingehendere
Untersuchungen machen zu können.
Nun war es so weit: ein viertägiger Aufenthalt in
der Klinik stand bevor.
Das Auto wurde beladen. Neben Kleidern, Essen und
Medikamenten für Jonathan und was man sonst noch so alles für ein kleines Kind
benötigt…sollten wir auch unsere Hilfsmittel (wie Buggy und Stehtrainer)
mitbringen damit diese in der Klinik auf ihre Funktionalität überprüft werden
konnten.
Nur einer von uns würde in der Klinik bei Jonathan
bleiben dürfen, für den anderen hatten wir ein Pensionszimmer im Nachbarort
gebucht. Wir würden uns aber in der Klinik abwechseln, damit jeder von uns mal
zum Schlafen käme. 8o)
Marvin konnte nicht mit uns fahren: es war Schule.
Er würde….das erste Mal allein zu Hause bleiben!!!
Okay…nicht so GANZ allein. Die Großeltern würden
sich um ihn kümmern, ihm nach der Schule etwas kochen und mit ihm zu Abend
essen. ABER…Marvin hatte sich in langen Diskussionen mit mir die Erlaubnis „erkämpft“
allein zu Hause zu übernachten. Naja…irgendwie war er ja alt genug dafür. Und
es gab Telefon, Oma und Opa waren nur einen Katzensprung entfernt. Also….wohl
war mir trotzdem irgendwie nicht bei dem Gedanken…ich bin eine Glucke….lach…
Und grade deswegen war Marvin (glaube ich) froh das
er mal allein bleiben und machen durfte was er wollte…..8o))
Während Marvin also nun sein Teenie-Leben zu Hause
genoss…kamen wir in der Klinik an. Und waren direkt überwältigt.
Die Schwestern waren alle unfassbar freundlich. Die
Klinik hatte einen tollen Aufenthaltsbereich. Alle Zimmer hatten einen riesigen
Balkon mit freiem Blick auf die Berge.
Und das BESTE -das hatten wir wirklich noch in
keiner Klinik so erlebt!!!-: die Abläufe hier waren total gut geplant, die
Wartezeiten gering. Wenn man gesagt bekam das man um eine bestimmte Uhrzeit
beim Röntgen oder bei der Physiotherapie sein sollte: dann war man auch um
diese Uhrzeit dran.
Außerdem…und das ist etwas das ICH als extrem
wertvoll und wichtig erachte! Wird hier interdisziplinär gearbeitet. Das heißt
dass alle zusammen arbeiten und sich austauschen. Bei der Visite stand ein Team
von circa 20 Menschen vor uns, das hat uns im ersten Moment erschlagen. Aber
dann haben wir gemerkt das hier der Klinikleiter und die Oberärztin zusammen
mit Stationsärzten und Schwestern ihre Abläufe besprachen, gleichzeitig war das
Team der Physiotherapeuten, das Team der Ergotherapeuten und eine Abordnung des
REHA-Zentrums im Zimmer. Und da alle anwesend waren: wusste auch hinterher
jeder was zu tun war ohne Rückfragen zu stellen.
Die Physiotherapeutin sagte dann zum Beispiel zu
uns: „Ich habe die Röntgenbilder von heute Morgen schon gesehen!“..keine
weiteren Erklärungen notwendig! Jeder passte seine Arbeit an die anderen
behandelnden Menschen an. Hammer! Warum läuft das nicht immer so? Das ist doch
viel einfacher! Für alle Beteiligten.
Alle vier Tage in der Klinik minutiös zu schildern
würde hier den Rahmen sprengen….8o) Deswegen nur so viel:
Wir hatten eine super Zeit! Es war fast ein bisschen
wie Urlaub. Zwischen unseren Terminen konnten wir die Klinik verlassen, in den
Biergarten gehen, auf den Spielplatz oder spazieren. Das Wetter war top und wir
hatten ein paar schöne, entspannte Tage. Mit den Bergen direkt vor der Nase.
Ein Traum!
Natürlich waren wir aber nicht nur zum Vergnügen
hier und Jonathan wurde eingehend untersucht und auch geröntgt.
Das positive zuerst: entgegen aller bisherigen
Annahmen hat Jonathan KEINE Hüftdysplasie! Was der Knaller ist, denn eigentlich
sind Hüftdysplasien bei Kindern mit MOPD1 sehr häufig zu finden. Und alle Ultraschalluntersuchungen
der Hüften sahen bei ihm auch danach aus. Aber: nein, die Hüften sind ok!!!
Dafür…sind die Knie das Problem. Das überraschte
uns nicht, das hatten wir geahnt. Jonathans Kniescheiben sitzen tatsächlich
außen am Bein. Durch die Fehlhaltung der Beine die dadurch entsteht sind nun
auch die Sehnen und Muskeln im Oberschenkel verkürzt. Das ist mit „normaler“
Therapie nicht mehr behandelbar, auch nicht mit dauerhaftem Tragen von
Schienen. Hier hilft nur noch eine Operation.
Wir hatten damit gerechnet, aber …naja. Will man halt
nicht hören…
In der Op würden Jonathans Sehnen und Muskeln im
Oberschenkel „angeritzt“ um mehr Spielraum zu erhalten, danach würde er neue
Beinschienen bekommen die einen Druckpunkt genau auf der Kniescheibe hätten und
diese dann mit der Zeit wieder nach vorne in ihre ursprüngliche Position
drücken würden.
Die Ärzte sagten uns ganz klar das Jonathan nie
laufen können würde wenn wir nichts unternahmen… Die Beine waren zu schief,
durch die Belastung beim Stehen und Laufen in Verbindung mit den außen
sitzenden Kniescheiben würde Jonathan Schmerzen bekommen…(die er übrigens
aktuell NICHT hat, das habe ich sofort gefragt.)
Wir haben also keine Wahl! Wir müssen diese Op
durchführen lassen – auch wenn wir eine wahnsinnige Angst haben.
Der Narkosearzt hat während dieses Aufenthaltes
auch schon mit uns geredet. LANGE. Mehr als eine Stunde. Sich viele Notizen
gemacht, viele Fragen gestellt. Unterlagen „angefordert“: von der Op an
Hodenhochstand und Leistenbruch die Jonathan im Alter von etwas mehr als einem
Jahr hatte. Damals hatte der kleine Mann grade mal 3 Kilo und hat eine mehr als
3stündige Operation ohne Probleme überstanden. Heute hat er knapp 5 Kilo, die
Op wird annähernd genauso lange dauern.
Der Narkosearzt hat keine Bedenken und keine
Einwände gegen die Op.
Wir haben Angst.
Aber….Jonathan macht so viele Fortschritte in den
letzten Monaten, er ist mittlerweile sicher im Kniestand UND…er beginnt sich
hochzuziehen. Das heißt: er MÖCHTE stehen…aber er kann nicht. Ihm rutschen die
Beine weg. Und mir tut jedes Mal das Herz weh wenn ich das sehe.
Unser Kinderarzt hat gesagt… klar könnten wir
warten bis Jonathan 8 Kilo wiegt! Aber das würde ewig dauern weil er so langsam
zunimmt. Und bis dahin könne er weder stehen noch laufen…und würde die Lust und
die Motivation verlieren. Das ist natürlich auch nicht sinnvoll…also…haben wir
die Operation auf Anfang Oktober geplant. Für die Herbstferien, wenn Marvin mit
den Großeltern im Urlaub ist.