Donnerstag, 30. August 2018


Mittelaltermarkt
Die Anreise war schon ein Abenteuer für sich!!!
Baustellen und Umleitungen. Und wir kannten uns in der Gegend nicht aus. Unser Navi leider auch nicht.

Aber wir sahen Fußgänger in Gewandungen - und die fragten wir. Der Parkplatz zu dem sie uns schickten war gefühlte 2km vom Veranstaltungsort entfernt. Und der Weg dorthin NICHT ausgeschildert…..das Event fand mitten im Ort statt, da hätte ich es NIE vermutet wegen dem Turnierplatz!! Links, rechts…geradeaus…irgendwann hatten wir es gefunden.

Im Gegensatz zu der mühsamen Anreise war der Markt selber aber total schön! Schöne Stände, leckeres Essen….eine super Location!

Nach wenigen Minuten hatten wir schon jemanden entdeckt den wir gut kannten und an den wir uns auch sehr gerne erinnerten: den Minnesänger von unserer Hochzeit!!

Er hatte eine „Band“ für Mittelaltermusik und mit der trat er hier offensichtlich auf.
Mich hat nichts mehr gehalten, ich bin zu ihm hin gestürmt, habe mich vor ihn gestellt und gefragt ob er mich noch kennt (immerhin ist unsere Hochzeit schon 5 Jahre her und wir sind nicht die Einzigen bei denen er als Minnesänger aufgetreten ist!).
Aber…..er kannte mich noch! Sagte mir direkt auf den Kopf zu das er bei unserer Hochzeit gesungen habe und nannte mir auch das Lokal. Naja….auch ER hatte noch nicht viele solche Hochzeiten wie unsere erlebt: 30 Leute in Gewandung, eine Zeitreise ins Mittelalter. UND..ich hatte auch heute wieder mein Brautkleid an: eine Maßanfertigung die man nicht so oft sah….lach…

Als ich ihn um ein Foto gebeten habe das ich bei Facebook posten wollte hat er direkt JA gesagt. Wir haben noch ein wenig gequatscht, wir haben ihm auch Jonathan vorgestellt – von dessen Existenz er natürlich nichts wusste…und ihm später bei seinem Auftritt gelauscht. Ihn wiederzusehen hat mich echt wahnsinnig gefreut, denn er hat nicht geringen Anteil daran das ich mich so gerne an meine Hochzeit erinnere!!!

Mir zauberte es ein Lächeln ins Gesicht unseren Minnesänger getroffen zu haben….und auch für meinen Mann gab es an diesem Tag einen WOW-MOMENT!

Laute Musik kündigte eine Art Parade an….lauter gewandete Menschen zogen über das Festival-Gelände….man fühlte sich hier nicht nur ins Mittelalter versetzt, sondern kam sich ein wenig vor wie bei GAME OF THRONES…lach…

Wir bestaunten die Menschen mit ihren tollen Kleidern und winkten und lachten was das Zeug hielt, als mein Mann voller Inbrunst sagte: „Den Hunnenkönig kenne ich! Das ist ein Bekannter von der Bundeswehr!“..mir ging direkt durch den Kopf: „Ja, neeee! Is klar!“…lach…

Doch der Hunnenkönig (SEHR eindrucksvoll in einem wirklich prächtigen Gewand!) winkte meinem Mann tatsächlich zu und begrüßte ihn mit Handschlag. Wow…..

Als die Parade zu Ende war suchte mein Mann den Hunnenkönig, fand ihn auch…kam zu uns zurück und sagte das wir zum Zeltlager kommen sollten. Dort würde der König uns eine Audienz gewähren…lol…

Wir haben uns also auf den Weg gemacht. Und das Lager direkt gefunden. Allerdings war der König verhindert, er war noch unterwegs. Naja…bei Monarchen gehört es ja zum guten Ton das sie ihr Volk warten lassen.  8o))

Dafür..hatten wir eine Begegnung die mich sehr beeindruckt hat: eine ECHTE Schamanin aus der Mongolei hat uns in Empfang genommen. Sie betrachtete Jonathan sehr eingehend, legte ihm die Hand auf den Kopf und sagte zu mir: „Er schläft schlecht, richtig?“…mir blieb die Spucke weg. Das KONNTE sie nicht wissen, sie hatte überhaupt nicht mit mir geredet….aber sie hatte RECHT!!!

Ich bejahte und war schon mal beeindruckt. Sie fragte ob sie Jonathan auf den Arm nehmen und mitnehmen dürfte, sie wolle „mit ihm reden“. Mein Mann und ich haben zugestimmt, WENN Jonathan mit ihr gehen würde ohne zu weinen. Das tat er.

Komisches Gefühl.

Noch nie…hatte jemand FREMDES…unser Kind mitgenommen.. Ich drehte mich dauernd um und schaute wo sie mit Jonathan war, suchte seinen Blick – versuchte herauszufinden ob es ihm gut ging. Das schien so, er wirkte entspannt…weinte nicht, zappelte nicht…

Sie war eine Schamanin, vielleicht konnte sie wirklich etwas bewirken und unsere Nächte ruhiger werden lassen?
Ich kannte Schamanen nur aus Büchern, hatte noch nie einen in Echt getroffen. Fand es super spannend!! Und dachte dass es einen Versuch wert war. Denn schlimmer konnten die Nächte ja nicht werden…

Im Lager der Hunnen entstand Aufregung. Es war Mittagszeit und es wurde Essen gebracht…von…unserem NIKOLAUS….lach…kein Scherz!!
Der Mann der bei uns in den letzten beiden Jahren als Nikolaus aktiv gewesen war lieferte grade Essen für die „Hunnenhorde“. …weil: seine Tochter Teil des aktiven Lagers war. Wie klein ist die Welt bitte manchmal? Verrückt….8o))

Natürlich wollte der Nikolaus Jonathan sehen und deshalb: haben wir ihn von der Schamanin zurückgeholt. Vielleicht ist DAS der Grund…denn…das Zwiegespräch mit dieser „Medizinfrau“ hat leider nichts gebracht: Jonathan schläft noch genauso schlecht wie schon immer…

Dafür hatte der Nikolaus Spaß mit ihm. Jonathan hat ihn nicht erkannt, natürlich: denn er hatte auch kein „Kostüm“ an. Und es war auch gut das er ihn nicht erkannt hat…sonst hätten wir dieses Jahr im Dezember ein Problem…lach…

Ein letzter Höhepunkt im Lager der Hunnen war, das der König sich auf seinen Thron setzte und Jonathan auf den Schoß nahm damit ich Fotos machen konnte.
Sowohl der Thron als auch der Wandteppich, der aus echtem Haar und zwar in 3D-Optik (!) gewebt war, stammten aus der Mongolei und waren ein Geschenk der „echten“ Hunnen gewesen. Denn der Bekannte meines Mannes wurde offiziell zum „KHAN“ ernannt….das ist so krass, diese Ehre gebührt nicht vielen! Er erzählte uns das er mehrere Male im Jahr in die Mongolei reist, das er dort immer Geschenke erhält (Pferde, Schmuck, Kleider….) und ein anerkannter/berühmter Mann dort ist.
Und Jonathan saß mit ihm gemeinsam auf dem Thron!!! Was für eine Ehre.

Wir waren uns einig: dieses Mittelalterfest zu besuchen hatte sich für uns auf voller Länge gelohnt. 8o))

Mittlerweile merkten wir auch auf unseren Ausflügen dass Jonathan viel mehr „teilnahm“, viel mehr mitbekam. Er schaute sich um, betrachtete alles, wollte vieles anfassen…saugte jede „Information“ in sich auf.
Schwierig war (und ist) für uns das er uns kein Feedback gibt – weil er nicht reden kann. Wir können also immer nur vermuten was er möchte, wohin er möchte…was er nicht möchte und wann es ihm vielleicht auch „zu viel“ wird. Wir müssen ihn genau beobachten und versuchen seine Stimmungen und Wünsche in seinen Augen zu erkennen.

Allein deswegen…steht Jonathan meist im Mittelpunkt unserer Familie. Ohne genaues Beobachten ist es ja momentan nicht möglich ihn zu „verstehen“. Dass macht es für Marvin oft etwas schwer, denn er hat nicht unsere ungeteilte Aufmerksamkeit – oder nur die von einem von uns.

Wir versuchen unser Bestes um auch angemessen auf ihn eingehen zu können: oft fährt einer von uns mit Marvin allein weg, oder wir machen einen Ausflug der für Jonathan eigentlich „nicht geeignet“ ist – aber für Marvin….
Ich freue mich jedenfalls sehr auf den Tag an dem der kleine Mann sich uns mitzuteilen in der Lage ist! Das wird es für uns alle sehr viel einfacher machen.

Trotzdem…sind wir unfassbar froh dass unser Leben momentan so ist wie es ist. Wir hatten nach den Prognosen der Ärzte nie zu hoffen gewagt das Jonathan in dieser Form an unserem Leben teilhaben würde…das er Spaß an Ausflügen haben würde!!!
Denn auch wenn unsere Ausflüge nicht mehr sind „wie früher“, weil man immer auf Jonathan eingehen und auf die Uhr schauen muss wegen Medikamenten und Essen...so sind es doch AUSFLÜGE, und wir haben uns unser „altes“ Leben damit ein Stückchen zurückerobert.

Außerdem glauben mein Mann und ich auch ganz fest dass es Jonathan in seiner Entwicklung voran bringt wenn man ihm „die Welt zeigt“. Er kommuniziert zwar nicht mit uns, aber er beobachtet und wir denken dass er dadurch auch viel lernt…


Stationäre Aufnahme in der Kinderorthopädie
Kurz nach Ostern waren wir zu einer kleinen Bestandsaufnahme in der Kinderorthopädie gewesen und hatten damals einen stationären Aufenthalt für mehrere Tage vereinbart um eingehendere Untersuchungen machen zu können.

Nun war es so weit: ein viertägiger Aufenthalt in der Klinik stand bevor.

Das Auto wurde beladen. Neben Kleidern, Essen und Medikamenten für Jonathan und was man sonst noch so alles für ein kleines Kind benötigt…sollten wir auch unsere Hilfsmittel (wie Buggy und Stehtrainer) mitbringen damit diese in der Klinik auf ihre Funktionalität überprüft werden konnten.

Nur einer von uns würde in der Klinik bei Jonathan bleiben dürfen, für den anderen hatten wir ein Pensionszimmer im Nachbarort gebucht. Wir würden uns aber in der Klinik abwechseln, damit jeder von uns mal zum Schlafen käme. 8o)

Marvin konnte nicht mit uns fahren: es war Schule. Er würde….das erste Mal allein zu Hause bleiben!!!
Okay…nicht so GANZ allein. Die Großeltern würden sich um ihn kümmern, ihm nach der Schule etwas kochen und mit ihm zu Abend essen. ABER…Marvin hatte sich in langen Diskussionen mit mir die Erlaubnis „erkämpft“ allein zu Hause zu übernachten. Naja…irgendwie war er ja alt genug dafür. Und es gab Telefon, Oma und Opa waren nur einen Katzensprung entfernt. Also….wohl war mir trotzdem irgendwie nicht bei dem Gedanken…ich bin eine Glucke….lach…
Und grade deswegen war Marvin (glaube ich) froh das er mal allein bleiben und machen durfte was er wollte…..8o))

Während Marvin also nun sein Teenie-Leben zu Hause genoss…kamen wir in der Klinik an. Und waren direkt überwältigt.

Die Schwestern waren alle unfassbar freundlich. Die Klinik hatte einen tollen Aufenthaltsbereich. Alle Zimmer hatten einen riesigen Balkon mit freiem Blick auf die Berge.
Und das BESTE -das hatten wir wirklich noch in keiner Klinik so erlebt!!!-: die Abläufe hier waren total gut geplant, die Wartezeiten gering. Wenn man gesagt bekam das man um eine bestimmte Uhrzeit beim Röntgen oder bei der Physiotherapie sein sollte: dann war man auch um diese Uhrzeit dran.
Außerdem…und das ist etwas das ICH als extrem wertvoll und wichtig erachte! Wird hier interdisziplinär gearbeitet. Das heißt dass alle zusammen arbeiten und sich austauschen. Bei der Visite stand ein Team von circa 20 Menschen vor uns, das hat uns im ersten Moment erschlagen. Aber dann haben wir gemerkt das hier der Klinikleiter und die Oberärztin zusammen mit Stationsärzten und Schwestern ihre Abläufe besprachen, gleichzeitig war das Team der Physiotherapeuten, das Team der Ergotherapeuten und eine Abordnung des REHA-Zentrums im Zimmer. Und da alle anwesend waren: wusste auch hinterher jeder was zu tun war ohne Rückfragen zu stellen.

Die Physiotherapeutin sagte dann zum Beispiel zu uns: „Ich habe die Röntgenbilder von heute Morgen schon gesehen!“..keine weiteren Erklärungen notwendig! Jeder passte seine Arbeit an die anderen behandelnden Menschen an. Hammer! Warum läuft das nicht immer so? Das ist doch viel einfacher! Für alle Beteiligten.

Alle vier Tage in der Klinik minutiös zu schildern würde hier den Rahmen sprengen….8o) Deswegen nur so viel:
Wir hatten eine super Zeit! Es war fast ein bisschen wie Urlaub. Zwischen unseren Terminen konnten wir die Klinik verlassen, in den Biergarten gehen, auf den Spielplatz oder spazieren. Das Wetter war top und wir hatten ein paar schöne, entspannte Tage. Mit den Bergen direkt vor der Nase. Ein Traum!

Natürlich waren wir aber nicht nur zum Vergnügen hier und Jonathan wurde eingehend untersucht und auch geröntgt.

Das positive zuerst: entgegen aller bisherigen Annahmen hat Jonathan KEINE Hüftdysplasie! Was der Knaller ist, denn eigentlich sind Hüftdysplasien bei Kindern mit MOPD1 sehr häufig zu finden. Und alle Ultraschalluntersuchungen der Hüften sahen bei ihm auch danach aus. Aber: nein, die Hüften sind ok!!!

Dafür…sind die Knie das Problem. Das überraschte uns nicht, das hatten wir geahnt. Jonathans Kniescheiben sitzen tatsächlich außen am Bein. Durch die Fehlhaltung der Beine die dadurch entsteht sind nun auch die Sehnen und Muskeln im Oberschenkel verkürzt. Das ist mit „normaler“ Therapie nicht mehr behandelbar, auch nicht mit dauerhaftem Tragen von Schienen. Hier hilft nur noch eine Operation.

Wir hatten damit gerechnet, aber …naja. Will man halt nicht hören…

In der Op würden Jonathans Sehnen und Muskeln im Oberschenkel „angeritzt“ um mehr Spielraum zu erhalten, danach würde er neue Beinschienen bekommen die einen Druckpunkt genau auf der Kniescheibe hätten und diese dann mit der Zeit wieder nach vorne in ihre ursprüngliche Position drücken würden.

Die Ärzte sagten uns ganz klar das Jonathan nie laufen können würde wenn wir nichts unternahmen… Die Beine waren zu schief, durch die Belastung beim Stehen und Laufen in Verbindung mit den außen sitzenden Kniescheiben würde Jonathan Schmerzen bekommen…(die er übrigens aktuell NICHT hat, das habe ich sofort gefragt.)

Wir haben also keine Wahl! Wir müssen diese Op durchführen lassen – auch wenn wir eine wahnsinnige Angst haben.

Der Narkosearzt hat während dieses Aufenthaltes auch schon mit uns geredet. LANGE. Mehr als eine Stunde. Sich viele Notizen gemacht, viele Fragen gestellt. Unterlagen „angefordert“: von der Op an Hodenhochstand und Leistenbruch die Jonathan im Alter von etwas mehr als einem Jahr hatte. Damals hatte der kleine Mann grade mal 3 Kilo und hat eine mehr als 3stündige Operation ohne Probleme überstanden. Heute hat er knapp 5 Kilo, die Op wird annähernd genauso lange dauern.

Der Narkosearzt hat keine Bedenken und keine Einwände gegen die Op.
Wir haben Angst.

Aber….Jonathan macht so viele Fortschritte in den letzten Monaten, er ist mittlerweile sicher im Kniestand UND…er beginnt sich hochzuziehen. Das heißt: er MÖCHTE stehen…aber er kann nicht. Ihm rutschen die Beine weg. Und mir tut jedes Mal das Herz weh wenn ich das sehe.
Unser Kinderarzt hat gesagt… klar könnten wir warten bis Jonathan 8 Kilo wiegt! Aber das würde ewig dauern weil er so langsam zunimmt. Und bis dahin könne er weder stehen noch laufen…und würde die Lust und die Motivation verlieren. Das ist natürlich auch nicht sinnvoll…also…haben wir die Operation auf Anfang Oktober geplant. Für die Herbstferien, wenn Marvin mit den Großeltern im Urlaub ist.