Freitag, 22. Februar 2019


Aber wie sagt man immer so schön?
„Alles geht irgendwann vorbei!“ ..und das tut es! Sogar die schlimmen Momente.

Zum Glück hatte unser Orthopädietechniker ein Einsehen und hat WIRKLICH alles gegeben um Jonathans Beinschienen so schnell wie möglich fertigzustellen.
Man muss dazu sagen das Jonathan bei einer Orthesenanprobe SO GESCHRIEN hat…..das selbst der Techniker zu uns sagte: „Das ist die PURE PANIK bei ihm, das höre ich!“. Vielleicht hat das den Ausschlag gegeben wirklich alles in Bewegung zu setzen um so schnell wie möglich fertig zu werden.

Ende November durften wir nach Hause.
Nachdem die Ärzte der Klinik uns sagten das sie zufrieden mit den Orthesen seien und wir gehen könnten habe ich bei meinen Eltern angerufen und nur sagen können: „Wir dürfen gehen! Wir dürfen endlich gehen!“, weil ich so weinen musste. Vor Erleichterung. So viel ist in diesem Moment von mir abgefallen, so viel Belastung. So viel Angst.

Wir fuhren heim, zu Marvin.

Versuchten die Erlebnisse zu verarbeiten. Und zur Ruhe zu kommen.

Jonathan war traumatisiert.
Er fand gar nicht mehr in den Schlaf. Schrie nur noch…nickte kurz ein, schreckte hoch und schrie wieder.

Es war für uns alle nicht länger tragbar.

Wir machten einen Termin beim Kinderarzt. Und ich weinte bei ihm…weil ich echt am Ende war. Diese Zeit in der Klinik war so anstrengend gewesen, so belastend.

Aber wie eigentlich immer fand dieser Arzt die richtigen Worte.
Er sagte sinngemäß: „Ja, dann sind Sie jetzt eben mal am Limit angekommen. NACH ÜBER 3 JAHREN!! Andere hätten das so lange gar nicht gepackt ohne zusammenzubrechen. …und hey: schauen Sie sich an wie gerade Jonathans Beine sind! Und er steht!!! Er beginnt zu LAUFEN!!! Sie sehen doch WOFÜR Sie das alles auf sich genommen haben, oder nicht? Es war RICHTIG!“

Es stimmte: zum ersten Mal in seinem Leben konnte Jonathan stehen. Zwar nur dank der Unterstützung der Orthesen. Aber: er stand! An seinem Laufwagen. Und er sah einfach unfassbar glücklich dabei aus!
Außerdem macht er die ersten Schritte, zwar nur mit Hilfe – Gleichgewicht halten ging noch nicht allein. Aber er machte Schritte. Und DAS war ja wieder etwas das er angeblich laut der Ärzte gar nicht können sollte!

Also…JA! Wir wussten wofür wir das gemacht hatten und wir sahen auch dass es sich gelohnt hatte.

Und das war (und ist bis heute!) mein „Anker“ an dem ich mich festhalte wenn mich mal wieder die Gefühle und Ängste aus der Zeit in der Klinik überwältigen.

Trotzdem kamen wir nicht drum herum Jonathan ein Medikament zu verordnen damit er besser schlafen (und im Schlaf sein Trauma verarbeiten) konnte. Denn…Psychotherapie bei Jonathan würde wohl nicht funktionieren, man musste andere Wege gehen.

Man weiß ohnehin dass Kindern mit diesen Gendefekten ein Schlafhormon fehlt und sie schlecht zur Ruhe kommen. DAS zusammen genommen mit dem Trauma ließ den kleinen Mann einfach überhaupt nicht mehr schlafen.

Jonathan bekommt also nun auf ärztliche Verordnung hin ein Schlafhormon. Jeden Abend, in einer geringen Dosierung.
Mein Mann und ich haben uns schon früher mit diesem Thema beschäftigt aber immer dagegen entschieden: jedes Medikament das man nicht gibt, ist gut. Oder?
Aber nun ging es nicht mehr anders. Jonathan MUSSTE zur Ruhe kommen, nicht NUR um zu verarbeiten. Sondern auch weil Schlafentzug ein Trigger für Epilepsie sein kann. Und einen weiteren Anfall …wollten wir nun wahrlich nicht wieder riskieren.


Weihnachtszeit
In diesem Jahr genossen wir die Weihnachtszeit vielleicht noch mehr als sonst.
Wir dekorierten die Wohnung…kauften einen Baum und schmückten ihn: in diesem Jahr „amerikanisch kitschig“, das hatte Marvin sich gewünscht….natürlich besuchte der Nikolaus uns.

Und zwar nicht irgendein Nikolaus, sondern UNSER Nikolaus vom „Mietservice“. Der schon öfter bei uns gewesen war.
An und für sich dann ja nichts Besonderes? Doch, in diesem Jahr schon. Denn unser Nikolaus war im vergangen Jahr schwer erkrankt und das er nun wieder bei uns im Wohnzimmer saß war ein „Wunder“, ein „Weihnachtswunder“? 8o)

Er hatte explizit auf DER Route bestanden die ihn zu uns führte – und wir freuten uns einfach unfassbar ihn zu sehen.

Wir besuchten Weihnachtsmärkte. Und ruhten uns aus: außer der nach der Op dringend notwendigen Physiotherapie machten wir keine weiteren Therapien – um einfach zur Ruhe kommen zu können und um Jonathan nicht zu überfordern.


Heilig Abend wurde nur zu viert gefeiert.

Amerikanisch. Mit Truthahn den mein Papa uns gebracht hatte, peinlichen Weihnachtspullovern und EggNogg (Eierpunsch). Mit Geschenken und selbstgemachter Musik. Und mit einem Matratzenlager unterm Weihnachtsbaum: denn an Heilig Abend schlafen wir immer alle zusammen im Wohnzimmer beim Baum.

Es war gut wieder vereint zu sein. Und es war noch besser dass wir die Op´s nun hinter uns hatten und im neuen Jahr nach vorne sehen konnten!!

Die Weihnachtsfeiertage verbrachten wir mit unseren Familien. Alles ganz ruhig, klein und familiär. Genau das was wir (und vor allem Jonathan!) nun brauchten.

Zwischen den Jahren hatte mein Mann Urlaub.
Freunde kamen vorbei. Mein Mann besuchte mit Marvin eine Zaubershow, „quality time“ für den Großen der schließlich auch unter der ganzen Situation gelitten hatte.

Und dann…einen Tag vor Silvester….passierte etwas das wir NIE vergessen werden!! Etwas SO SCHÖNES!!!


GROSSER Besuch
Seit fast einem Jahr machte Jonathan nun eine Reittherapie. Und die Therapeutin war für mich mittlerweile viel mehr als nur eine Therapeutin geworden: sie war mehr schon eine Freundin.

In der Zeit in der Klinik hatte ich so oft mit ihr geredet, bei ihr geweint. Sie informiert wie es lief…wie schlecht es uns allen ging. Sie war da, hörte zu, gab Ratschläge – versuchte zu helfen.

Jonathan konnte in der momentanen Situation keine Reittherapie machen, es würde noch eine ganze Zeit dauern bevor der Arzt das „OK“ geben konnte – einfach um das Operationsergebnis nicht zu gefährden.

Und dann hatte die Therapeutin eine so dermaßen verrückte Idee. Lach.

Sie brachte das Pony einfach ZU UNS.

Kein Scherz. Sie verlud das Pony in einen Anhänger, fuhr mit Mann und Sohn circa 40 Minuten mit dem Auto und stellte das Pony in unseren Garten.

Ich kann euch sagen: Jonathan machte vielleicht Augen als mein Mann mit ihm nach draußen kam. 8o))

Wir alle wussten von der Aktion, denn schließlich wäre es ja doof gewesen den Aufwand zu betreiben wenn wir am Ende gar nicht zu Hause gewesen wären. Jonathan aber wusste von nichts und staunte als seine BELLA auf einmal bei uns war.

Eine Stunde lang stand sie im Vorgarten. Fraß sich an unserem Gras satt, ließ Dünger da…lach…und Jonathan streichelte sie, saß auch mal auf ihr…und laberte dem armen Pony ein Ohr ab vor lauter Aufregung…

So eine Wahnsinnsaktion!!! So ein Aufwand nur um meinem kleinen Sohn eine Freude zu machen. Das rührte mich zu Tränen. Und tut es immer noch - jedes Mal wenn ich mir die Fotos anschaue….

Besonders dankbar bin ich in diesem Zusammenhang auch dem Verein „Menschen für Kinder e.V.“ die uns die Reittherapie in voller Höhe bezahlen. Ohne diesen Verein hätten wir unsere Reittherapeutin nie kennengelernt – sie wäre nie unsere Freundin geworden.
Mit Tränen in den Augen habe ich dem Verein eine Sprachnachricht und Fotos dieses unfassbaren Erlebnisses geschickt und mich bedankt.
Was wiederum den Verein so gerührt hat…das dieses Erlebnis nun auf der Homepage des Vereins für die Ewigkeit festgehalten worden ist.
(Und ein Vögelchen hat mir gezwitschert das wir sogar Erwähnung bei der diesjährigen Mitgliederversammlung finden werden.)



Das Jahr endete dann aber recht unspektakulär für uns:
Silvester haben wir mit Jonathans Patentante und ihrer Familie ganz ruhig mit einem Raclette und einem Spieleabend gefeiert.

Jonathan selbst war um Mitternacht beim Feuerwerk dabei und hatte RIESIGEN SPASS! Er hat ganz viel gelacht und euphorisch „DADAAAAA!“ gerufen als die bunten Raketen explodiert sind.

Und wie jedes Jahr an Silvester fragte ich mich was das neue Jahr wohl alles für uns bereithalten würde??

Donnerstag, 14. Februar 2019


Meine Angst vor einer „nekrotisierenden Enzephalitis“ bei Jonathan stand im Raum.

Ich wusste gar nicht richtig ob ich es gut oder schlecht finden sollte dass die Neurologin (die uns im Kreiskrankenhaus betreute) mich ernst nahm und mir Fragen über den Krankheitsverlauf bei der kleinen Lotta stellte. Irgendwie hätte ich wohl in diesem Moment lieber gehört: „Machen Sie sich nicht verrückt, das kann es auf KEINEN FALL sein!“. Aber das sagte sie erstmal nicht.

Allerdings erklärte sie mir dass man bei Jonathan nun ein EEG schreiben würde – in erster Linie um herauszufinden ob der Krampfanfall das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen habe. Sollte Jonathan aber an einer Hirnhautentzündung oder einer Meningitis leiden und DAS der Grund für den Krampf gewesen sein: dann würde man das am EEG sehen können. In beiden Fällen seien die Ausschläge ganz spezifisch.

Das wusste ich bis dahin noch nicht. Aber das beruhigte mich! Denn in wenigen Minuten wüssten wir mehr….

Die Elektroden wurden angeschlossen, Jonathan schlief. Man begann das EEG zu schreiben und auch eine Kamera wurde aufgebaut um währenddessen ein Video von Jonathan zu drehen das dann bei der Auswertung helfen sollte. Ich unterhielt mich mit der Neurologin, als…Jonathan schon wieder einen Krampfanfall hatte.

Aber nur einen kleinen, sehr kurzen. Trotzdem…es war furchtbar.

Immerhin…wir hatten nun zum ersten Mal einen Krampfanfall von Jonathan aufzeichnen können. Und so erfuhren wir später im Gespräch mit der Neurologin einige wichtige Dinge.

Zum einen das der Anfall sich angekündigt hat. Anhand der Hirnströme konnte man eindeutig sehen dass sich etwas „aufbaute“. Das brachte uns im täglichen Leben aber gar nichts! Denn Jonathan war zu Hause ja nicht permanent am EEG angeschlossen.
Zum anderen aber erklärte uns die Neurologin das Jonathan einen „vokalen“ Anfall gehabt habe. Ein epileptischer Anfall ist im Endeffekt eine Entladung von Energie. Und bei Jonathan hatte sich diese Energie nur in einem kleinen Bereich des Gehirns (also vokal) entladen. Dieser Bereich…war NICHT das Bewusstseinszentrum gewesen. Und das bedeutete…das Jonathan den Anfall bei vollem Bewusstsein miterlebt und mitbekommen hatte – ohne das er etwas dagegen tun konnte.

Als ich schon Tränen in den Augen hatte bei der Vorstellung was Jonathan da wohl durchgemacht hatte erklärte die Neurologin dass ein Epileptiker IMMER dieselbe Art von Anfällen habe. Und wenn Jonathan jetzt einen vokalen Anfall gehabt habe, dann habe er Anfälle immer in dieser Art. Also sollten wir uns beim nächsten Mal vor Augen führen das er alles bewusst miterlebte, sollten ihm sagen das alles wieder gut würde – das er einen Anfall habe – das es dasselbe sei wie Bauchweh und vorüber gehe – wir würden einen Arzt rufen der ihm helfen könnte.

Mein Verhalten während seines Anfalls, ihn anzusehen und heulend wegzurennen, hatte ihm vermutlich noch VIEL MEHR Angst gemacht. Ich hatte es in diesem Moment einfach nicht besser gewusst…aber als ich nun erfuhr das ich mein eigenes Kind noch mehr verängstigt hatte als es das sowieso schon war….das war so schlimm für mich. Da liefen ein paar Tränen.

Überhaupt waren die Tage im Kreiskrankenhaus für MICH die Hölle.

Wir hatten dort ein Einzelzimmer bekommen damit Jonathan sich ausruhen konnte und auch nicht mit Keimen/Bakterien der anderen Kinder in Kontakt kam. Aber das Zimmer….war im Endeffekt mehr eine Abstellkammer. Winzig klein, mit alten Möbeln die quasi den kompletten Platz einnahmen so dass man sich hier nicht bewegen konnte.

Am ersten Nachmittag dort…heulte ich wie ein Schlosshund und sagte nur immer wieder: „Ich kann hier nicht bleiben, ich bekomme hier keine Luft!“. Zum Glück ist mein Mann sehr viel härter im Nehmen als ich: er blieb bei Jonathan und ich pendelte zwischen Pension und Klinik.

Außerdem war es natürlich einfach fürchterlich nach über 2 Jahren wieder in der Situation „Krampfanfall“ zu sein.
Damals hatte ich SO LANGE gebraucht um meine Angst zu verlieren das es wieder passieren könnte. Wochenlang hatte Jonathan bei uns im Bett geschlafen, in meinem Arm…weil ich Angst hatte.

Und nun waren wir wieder in dieser Situation angekommen.

Ja: ich weiß…es gibt so viele Epileptiker. Und es gibt so viele die jeden Tag Anfälle haben, mehrere unter Umständen.
Aber jeder Mensch hat etwas das er NICHT ertragen kann – und bei mir sind es epileptische Anfälle. Ich ertrage alles für und mit Jonathan: Medikamente, Blutabnehmen, Untersuchungen, Operationen – kann den Ärzten assistieren und viel sehen. Aber einen epileptischen Anfall…halte ich nicht aus. Das ist Höchststrafe für mich.

Nun ja, um das Thema abzukürzen: Jonathan hatte keinen weiteren Anfall mehr und nach drei Tagen wurden wir freitags entlassen. Und sollten eigentlich zurück in die Kinderorthopädie gehen.

Doch wir telefonierten mit der Orthopädie und teilten ihnen mit (wir fragten gar nicht, wir stellten fest!) das wir am Wochenende mit Jonathan in unserer Pension und nicht in der Klinik wohnen würden. An diesem Wochenende war ein Besuch meiner Eltern bei uns geplant und natürlich würden sie Marvin mitbringen. Das wollten wir genießen: abschalten, runterkommen, verarbeiten.

Und genau das haben wir am Wochenende gemacht. Allerdings etwas anders als geplant weil Marvin krank wurde: er bekam eine Bronchitis.

Aber wir saßen zusammen, redeten, schauten fern. Bestellten uns Pizza. Und es war ein bisschen wie gemeinsamer Urlaub.

Doch montags mussten wir wieder in die Klinik und mit den Ärzten darüber sprechen wie es weitergehen sollte.

Nachdem Jonathan am Wochenende so entspannt und fröhlich gewirkt hatte gab es für MICH überhaupt keine Alternative: wir würden mit Jonathan in der Pension bleiben und die Behandlung ambulant fortsetzen. Aus orthopädischer Sicht war die Behandlung abgeschlossen, lediglich der Gips musste „gesandwicht“ (also aufgetrennt) werden damit die Orthesenanprobe beginnen konnte. Und DIE konnten wir nun wahrlich auch ambulant machen.

Das sahen die Ärzte zum Glück genauso.
Überhaupt muss ich sagen…dass sie alle SEHR GESCHOCKT waren von den Entwicklungen. Die Betroffenheit darüber das Jonathan so einen schlimmen Krampfanfall gehabt hatte war groß.

Vielleicht war die Betroffenheit AUCH deswegen so groß weil es genau das war wovor ich nach dem ersten Aufenthalt in meiner Beschwerde gewarnt hatte!! Stress und tagelanges Schreien war für Jonathan gefährlich.

Klar HÄTTE ich nun darauf herumreiten können nach dem Motto „Ich habe es Ihnen ja gesagt!“….aber ich habe das NICHT gemacht. Warum auch? Ich denke das jeder es auch so verstanden hatte…..

Das Einzige WAS ich erwähnte war eine Aussage der Neurologin: „Jeder Krampfanfall kann bei einem Kind wie Jonathan (der schon Hirnfehlbildungen hat) zum Tod führen.“ Und um an der Stelle nichts zu riskieren würden wir nicht in die Klinik zurückgehen und Jonathan noch mehr Stress aussetzen.

Soweit, so gut…
Wir zogen also um mit dem kleinen Mann und bekamen jeden Tag einen Termin zur Physiotherapie und einen zur Orthesenanprobe.

Womit wir nur NICHT gerechnet hatten:
Dass Jonathan sich in der Pension nun nachts genauso in Rage brüllte wie in der Klinik. Lag es daran weil sein Bruder nicht mehr dabei war? Registrierte der kleine Mann dass das hier KEIN Urlaub war?

Keine Ahnung. Es war jedenfalls SCHLIMM. RICHTIG SCHLIMM.
In einer Nacht hat Jonathan nur 1,5 Stunden geschlafen – und die nicht mal am Stück. Den Rest der Nacht hat er gebrüllt.
Und mein Mann und ich fingen auch irgendwann an uns gegenseitig zu beschimpfen. Der Druck der auf uns lastete war einfach zu hoch….das permanente Schreien…und die Angst das Jonathan wieder einen Anfall bekommen könnte.

Nach dieser Nacht waren wir alle fix und fertig.

Die nächste Nacht…begann genauso schlimm. Sobald es Zeit war schlafen zu gehen ging bei Jonathan die Sirene an. Aber wie!!
Diesmal haben wir nicht gezögert - wir konnten nicht mehr anders vor Angst. Wir haben im Kreiskrankenhaus angerufen und gefragt ob wir kommen können, ob sie Jonathan helfen damit er zur Ruhe findet.

Und dann sind wir hingefahren.

Wir fragten nach Beruhigungsmitteln….
Beruhigungsmittel? Bei einem so kleinen Kind? Diazepam? In welcher Dosierung? Die Ärztin wollte erst Rücksprache mit der Neurologin halten und die war jetzt nicht zu erreichen. Aber sie würde uns morgen im Laufe des Tages anrufen.

Okay, mehr war wohl nicht zu machen. Wir setzten uns also wieder ins Auto um zurückzufahren.
Kaum waren wir ein paar Kilometer gefahren sagte mein Mann: „Er ist eingeschlafen. Der Tank ist voll. Fahr Frau….fahr einfach, egal wohin – Hauptsache er schläft!“

Und ich bin gefahren. Bis München und zurück. Über 200 Kilometer.

Am nächsten Tag bekamen wir Diazepam in einer sehr geringen Dosierung. Naja, was soll ich sagen?
Es hat nicht gewirkt. Jonathan schrie trotz des Medikamentes weiterhin die Nächte durch.

WIR fuhren in den Nächten Auto. Damit er schlief und sich erholte.

Ich wusste dass wir dringend nach Hause mussten. DRINGEND. Jonathan brauchte sein gewohntes Umfeld, seinen Bruder. Aber die Orthesen waren noch nicht fertig.

…unser Kinderarzt hat mir vor längerer Zeit mal ein Kompliment gemacht. Er hat so in etwa gesagt:
„Wie Sie dieses Leben meistern und dabei trotzdem noch so viel lachen….Sie sind SO UNGLAUBLICH STARK. Andere hätten schon mehrfach heulend hier bei mir gestanden und SIE…lächeln einfach und packen es an. Sie haben das Talent in dieser Situation NUR das positive zu sehen und nutzen es FÜR SICH. Ich habe das Gefühl das man Ihnen noch zusätzliche 20 Kilo auf die Schultern legen kann und Sie brechen trotzdem nicht zusammen!“
…ja…vielleicht hat er ein stückweit Recht mit dieser Einschätzung….
Jedenfalls schrieb ich ihm nun eine E-Mail:
„Ich fühle mich als hätte ich aktuell MEHR als 20kg zusätzlich auf den Schultern. Ich bin am Limit angekommen: ich kann nicht mehr.“

An einem Abend sagte ich zu meinem Mann dass ich jetzt einfach ins Auto steige und nach Hause fahre, ihn und Jonathan allein in der Pension lassen werde.
…was ich natürlich nicht gemacht habe! Aber ich hätte es so sehr gewollt….
Das alles…diese gesamte Situation war einfach der HORROR schlechthin.

Für uns alle.

Freitag, 8. Februar 2019


Zu Hause
Mitten in der Nacht kamen wir zu Hause an. Es war so wundervoll wieder hier zu sein!!

Jonathan wurde wach als wir ihn aus dem Auto holten und er war total aufgeregt als wir mit ihm ins Haus gingen. Natürlich hat er sofort gemerkt wo er ist!!

Wir haben noch über eine Stunde mit ihm Fernsehen geschaut, er war total aufgedreht und offensichtlich gar nicht müde. Und wir…wollten erstmal in Ruhe an- und runterkommen.

Die Nacht war…nicht besonders gut. Jonathan ist sehr oft aufgewacht und hat geweint. Aber gut: das kennen wir ja schon mit ihm. Und im Gegensatz zu den Nächten in der Klinik war es ein Fortschritt.

In den kommenden Tagen „normalisierte“ sich Jonathans Zustand wieder: er aß und trank als wäre nie etwas gewesen. Wir nahmen unsere Therapien wieder auf und besuchten sein Therapiepferd BELLA. Reiten ging mit dem Gips leider nicht (weil er die Beine nicht spreizen konnte), aber er konnte Bella streicheln und riechen…das hat ihm sehr gut gefallen und ihm ein Stück „Normalität“ vermittelt!!

Für uns kehrte aber keine Normalität ein. Leider.

Ich verfasste (wie ich es schon geschrieben hatte) eine Beschwerde an die Geschäftsleitung der Klinik.
Das hat mich mehrere Tage gekostet: die Formulierungen sollten stimmen, ich wollte ja niemanden beleidigen oder diskreditieren – aber trotzdem auf die Missstände in der Organisation hinweisen und deutlich machen das es für Jonathan lebensgefährlich sein kann wenn er sich über Wochen in Rage schreit.

Bis heute….haben wir KEINERLEI REAKTION auf diese Beschwerde bekommen - auch das habe ich schon erwähnt, aber es ärgert mich einfach maßlos. Es ist ein UNDING. Eine UNVERSCHÄMTHEIT. Und RESPEKTLOS.

Davon mal abgesehen möchte ich aber an dieser Stelle BETONEN: MEDIZINISCH waren wir in dieser Klinik SEHR ZUFRIEDEN!!! MEDIZINISCH kann vermutlich keine andere Klinik in Deutschland das leisten was hier geleistet wurde und jeden Tag geleistet wird.
Leider ist DAS aber nicht alles! Auch das „drum herum“ muss stimmen damit man wiederkommen möchte. Und WIR….werden sehr gut überlegen ob wir wieder in diese Klinik gehen, sollte irgendwann eine andere/weitere Operation bei Jonathan nötig sein.

Womit besonders ICH in diesen Wochen zu Hause auch beschäftigt war ist: telefonieren. Und zwar mit der Klinik!
Ich weiß nicht genau warum….aber aus irgendwelchen Gründen rief man uns alle 2-3 Tage an und versuchte den zweiten Op-Termin von Anfang November auf Mitte Dezember zu verlegen – und das mit fadenscheinigen und ABSURDEN Begründungen.

Wir wussten das wir bei der zweiten Op zwischen 3 und 4 Wochen (!!!) in der Klinik bleiben mussten: wegen der Orthesenversorgung. Denn diesmal WÜRDEN wir mit Beinschienen heimgehen.
Wenn man uns also einen Termin Mitte Dezember aufdrängen wollte bedeutete das: wir wären Weihnachten und Silvester im Krankenhaus. DAS WAR MIT UNS ABER NICHT MACHBAR. Generell nicht und auch nicht wegen Marvin!
Ursprünglich waren wir mal davon ausgegangen nur einmal in die Klinik zu müssen, jetzt waren wir gezwungen Marvin 3-4 Wochen in der Obhut der Großeltern zu lassen (er musste ja zur Schule) – wir würden ihn NICHT an Weihnachten und Silvester allein lassen ODER mit ihm gemeinsam in der KLINIK feiern! AUF GAR KEINEN FALL.
Zumal es MEDIZINISCH überhaupt keine wirkliche Notwendigkeit gab Jonathans Op noch einmal um 6 Wochen nach hinten zu verschieben! (Natürlich habe ich alle Gespräche die mit der Klinik stattgefunden haben auch mit unserem Kinderarzt erörtert und ihn um seine Meinung dazu gebeten. Er hat ALLES ad absurdum geführt und mir Begründungen dafür geliefert.
Überhaupt ein HOCH auf unseren Kinderarzt! Er war in dieser Zeit IMMER erreichbar: auch am Wochenende und abends….ohne ihn hätte ich diese Diskussionen mit der Klinik nicht geschafft.)

Diese STÄNDIGEN Gespräche mit der Klinik haben mich so viel Kraft gekostet…
Es war zwar wie ein „Running Gag“ in unserer Familie: „Die Klinik hat angerufen….“…mein Vater lachte dann schon immer und sagte: „Was für einen Scheiß haben sie diesmal erzählt?“…aber eigentlich war es gar nicht lustig. Sondern nur anstrengend. Und unnötig.

Ich ließ mich nicht beirren, der Termin wurde NICHT verlegt. Und so packten wir wieder Koffer - denn nur 3 Wochen zu Hause waren uns gegönnt bevor wir uns auf den Weg machten für die zweite Op.


Die zweite Operation in der Kinderorthopädie
Wir wussten was auf uns zukommen würde…dachten wir zumindest.
Packten die Koffer ganz anders weil wir aus der Erfahrung wussten das wir andere Spielsachen brauchten um ein Kind mit Gipsbein zu beschäftigen….das wir andere Kleidung brauchten….
Dachten wir wären gewappnet uns nicht wie beim ersten Aufenthalt alles gefallen zu lassen und Zeit zu vergeuden. Einige Menschen aus unserem Umfeld hatten gesagt dass die Klinik uns einen „roten Teppich“ ausrollen würde weil sie nach Erhalt der Beschwerde nun wussten dass wir uns nicht alles gefallen lassen. Dass man in der Klinik bestimmt versuchen würde dieses Mal alles besser zu machen…

Je näher wir dem Ort (und damit der Klinik) kamen…umso übler wurde mir. Als wir dann in die Straße einbogen hatte ich das Gefühl heulen zu müssen. Es gab keinen Ort an dem ich grade weniger sein wollte als hier. Wir sind direkt vor den Haupteingang gefahren um auszuladen. Und in dem Moment wollte ich wegrennen…einfach nur wegrennen…ich hatte ein total ungutes Gefühl: Panik…das etwas schlimmes passieren würde. (Ich hatte eine Ahnung, aber das wusste ich damals noch nicht.)

Ich sagte mir selbst nur dass ich spinne und mich zusammenreißen muss. Was ich auch so gut es geht getan habe. Denn eins stand ja fest: Jonathan BRAUCHTE diese Op wenn er laufen lernen sollte!!

Nun ja…
Zuerst einmal sei gesagt: das Klinikteam gab sich TATSÄCHLICH mehr Mühe als beim ersten Aufenthalt hier!
Termine wurden vereinbart und eingehalten. Wenn sie sich DOCH verschoben: bekamen wir umgehend eine Information und einen neuen Termin.
Die Abläufe waren besser organisiert, die Zusammenarbeit mit dem Reha-Team für die Anpassung der Orthesen funktionierte.
Die Op des zweiten Beins war erfolgreich. Jonathan weinte danach auch nicht mehr so stark wie beim ersten Mal: vermutlich weil es für IHN kein großer Unterschied war ob er an einem Bein oder an ZWEI Beinen Gips hatte – er hatte sich an die Einschränkungen gewöhnt die damit einhergingen….

Es hätte alles so gut sein können. …

Aber zwei Tage nach der Op bekam Jonathan Fieber. Die Ärzte sagten das das eine Reaktion auf die Op sei, aber ich glaubte das nicht: er hatte das beim ersten Mal doch auch nicht gehabt!!!
Ich glaubte eher an einen Infekt im Rachenbereich: er wehrte sich dagegen zu schlucken, hustete komisch. Ein Arzt schaute nach, konnte aber nichts erkennen.
Wir begannen mit Jonathan zu inhalieren, er bekam Fiebersenkende Medikamente.

Aber die Situation besserte sich nicht.

Also fuhren wir mit ihm zu einem HNO-Arzt.
Der nahm einen Abstrich und verschrieb weitere Medikamente: Jonathan hatte einen stark geröteten Hals, aber keine Mandelvereiterung. Ein Abstrich wurde genommen, die Vermutung war – Kehlkopfentzündung.

Eigentlich ging es dem kleinen Mann recht gut….doch an diesem Abend…ich war grade in der Pension angekommen und hatte mich fürs Bett fertig gemacht…rief mein Mann mich an.

Jonathan hatte einen Krampfanfall gehabt.

Der erste seit über 2 Jahren.

Ich zitterte am ganzen Körper und sagte dass ich sofort in die Klinik komme. Und da bin ich auch die ganze Nacht geblieben. Auf einem Beistellbett das wir freundlicherweise bekommen hatten – wir durften beide bei Jonathan bleiben. Die Schwestern hatten Verständnis.
(Dafür möchte ich mich an dieser Stelle auch noch einmal offiziell bedanken!)

Geschlafen habe ich in dieser Nacht nicht.
Der Anfall war zwar nur kurz gewesen und Jonathan war auch alleine wieder „rausgekommen“, er hatte keine Medikamente benötigt. Aber…irgendwie hatte ich Angst. Bekam kaum Luft und musste immer an das ungute Gefühl denken das ich schon bei der Anreise hierher gehabt hatte.

Jonathan lag bei mir und jedes Mal wenn er im Schlaf zuckte schreckte ich hoch aus Angst das er wieder einen Anfall hatte…..

Morgens habe ich dann zu meinem Mann gesagt das ich schnell in die Pension duschen gehe und dann wiederkomme, er solle mit Jonathan einfach noch weiterschlafen damit der kleine Kerl sich erholen könnte.

In der Pension…wurde mir so übel!!! Keine Ahnung warum. Aus Angst? Vielleicht…mir war so schlecht dass ich mich minutenlang übergeben musste und dabei liefen die Tränen. In was für einer BESCHISSENEN Situation steckten wir hier nur fest!!

Ich duschte und ging wieder zur Klinik, stand schon vor der Tür als mein Handy klingelte. Mein Mann. Mir sackten die Beine weg, denn ich ahnte es schon. Aber es war eine Schwester dran die sagte: „Frau Kremer, Sie müssen sofort kommen. Jonathan hat einen schlimmen Krampfanfall – schon seit einer halben Stunde- und die Medikamente wirken nicht!“
(……der Krampf hatte begonnen als ich im Bad stand und mich übergeben musste…Zufall?? Oder Mama-Gespür??)

Ich raste in Jonathans Zimmer. Mein Mann trug den kleinen Kerl auf dem Arm. Einen Blick auf ihn habe ich geschafft, dann musste ich haltlos weinen und weggehen.
Er zuckte unkontrolliert….war kalkweiß im Gesicht. Ich konnte das nicht ertragen.

Ein Anästhesist kam ins Zimmer gespurtet, legte einen Zugang am Arm -am krampfenden Arm!!!-, in SEKUNDEN!! Bei Jonathan ist es NIE einfach einen Zugang zu legen und jetzt wo er sich auch noch „schüttelte“…dieser Arzt hat meinen VOLLSTEN RESPEKT!!! Er hat das UNFASSBAR gut gemacht.

Die Medikamente die Jonathan über den Zugang bekam änderten nichts an seinem Zustand. Zur Sicherheit wurde er bebeutelt, die Sauerstoffsättigung zu messen ist bei ihm nicht leicht und man wollte nichts riskieren.

In der Zwischenzeit rief ich unseren Kinderarzt an der sofort einen Notfallplan auf mein Handy schickte: Anweisungen welche Medikamente in welcher Dosierung zu geben waren.   

Ein Team von Rettungssanitätern und ein Notarzt kamen dazu.
Ich sah an den besorgten Blicken des Arztes dass wir uns grade in einer kritischen Situation befanden. Sie wollten uns in eine Spezialklinik fliegen –bzw nur Jonathan sollte fliegen und wir müssten mit dem Auto hinterher fahren. Aber in dem Zustand in dem er sich momentan befand - konnte man ihn nicht transportieren.

Der Krampf dauerte mittlerweile fast eine Stunde.
Ich bin kein Arzt. Aber ich bin nicht dumm. Ein Krampfanfall der so lange dauert….kann Hirnschäden hervorrufen. Eigentlich….war ich schon überzeugt das es welche geben würde.

Diese Szenen in diesem Zimmer….die werde ich NIE vergessen! Das waren mit die dunkelsten Minuten die wir bisher mit Jonathan erleben mussten.

Irgendwann…hörte der Krampf auf….ansprechbar war Jonathan nicht, man hatte ihm gegen den Krampf ein Schlafmittel gegeben. Es hatte gewirkt, er entspannte sich und schlief. Nun konnten wir transportiert werden, sogar im Krankenwagen: es bestand keine Notwendigkeit mehr sich „zu beeilen“.

Ich fuhr im Rettungswagen mit, mein Mann mit dem Auto hinterher.
Im Rettungswagen sagte der Notarzt mir dass er große Angst bekommen habe als er zu uns ins Zimmer gekommen sei. Ein so langer und heftiger Krampf der sich nicht lösen ließ bei einem Kind mit solchen Hirnfehlbildungen…er habe „SCHWERE BEDENKEN“ gehabt.

Nun…bei mir kamen während der Fahrt so viele Gefühle und Ängste hoch, ich weinte durchgehend.
Zum einen..klar: Jonathan im Krampf zu sehen und Angst zu haben was nun mit dem Gehirn ist….
Zum anderen…hatten wir erst vor wenigen Tagen die Mitteilung bekommen das ein weiteres deutsches Kind mit MOPD1 (Lotta) nach einem Krampfanfall im Krankenhaus lag. Bei ihr hatte man nun eine „Nekrotisierende Enzephalitis“ -eine Hirnhautentzündung bei der Teile des Hirns absterben- diagnostiziert.

Wenn Jonathan das nun auch hatte????

Mir schnürte sich der Hals zu. Ich hatte solche ANGST!!! Die kleine Lotta kämpfte um ihr Leben und zu diesem Zeitpunkt war nicht sicher ob sie das überlebt – und wenn ja in welchem geistigen Zustand…

Müssten WIR dasselbe nun auch ertragen…..???

Freitag, 1. Februar 2019


Veranschlagt waren für den Klinikaufenthalt 8 Tage, gedauert hat es …13 Tage.

Und zwar NICHT weil Jonathan nach der Op Probleme bekommen hätte (Entzündungen, Fieber o.ä.) – dann hätten wir ja Verständnis gehabt!, sondern schlichtweg weil die Organisation in der Klinik einfach mehr als UNTERIRDISCH war.

Das war etwas was wir definitiv NICHT erwartet hatten!! Bei unserem Aufenthalt im Frühsommer lief hier alles so reibungslos und wir waren voll des Lobes für dieses Haus und die toll organisierten Abläufe. Ganz anders jetzt…

Termine zum „quengeln“, also zum begradigen des Beins, wurden anberaumt – und nicht eingehalten.
Wir saßen den ganzen Tag auf dem Zimmer und warteten darauf dass man Jonathan Beruhigungsmittel gab und uns zum Gipszimmer schickte. Trauten uns nicht einmal über die Flure der Klinik zu laufen um bloß nicht den Moment zu verpassen wenn man uns holen wollte. Wir warteten, fragten immer wieder nach….warteten weiter.

KEIN TERMIN wurde pünktlich eingehalten, mancher Termin ÜBERHAUPT NICHT! Einmal kam AM ABEND GEGEN 20 UHR die Info das der Arzt „das passende Zeitfenster nicht gefunden habe und man es am nächsten Tag machen würde“. Einmal trafen wir den Arzt auf dem Flur und er sagte dass die Schwestern Jonathan jetzt das Beruhigungsmittel geben sollten, er würde uns in 15 Minuten im Gipsraum treffen. Wir erbaten uns 30 Minuten damit der kleine Mann noch etwas trinken konnte. Doch als wir dann das Beruhigungsmittel holen wollten teilte man uns mit das der Arzt im Op - und mindestens die nächsten drei Stunden nicht verfügbar sei.

Wir waren hier in einer Klinik in der es eigentlich KEINE NOTFÄLLE und KEINE NOT-Ops gab. Also fragten wir uns ob der Arzt VERGESSEN hatte das er in den Op musste?! Hmmm….

Dieses Vorgehen der Klinik führte dazu das wir mehrere Tage dort verbrachten an denen einfach KEINE BEHANDLUNG stattgefunden hat. Verschwendete Tage. Und das führte dazu dass der ursprünglich anberaumte Zeitrahmen von 8 Tagen nicht eingehalten werden konnte.

Das wiederum führte dazu dass wir uns ein neues Pensionszimmer suchen mussten weil die erste Pension nach der ursprünglich vereinbarten Zeit ausgebucht war. Mein Mann telefonierte mit der Arbeit: auch sein Urlaub war zu Ende. ZUM GLÜCK hat sein Chef Homeoffice genehmigt!! Ansonsten hätten wir ein RICHTIGES PROBLEM gehabt!!! Die neue Pension war teuer, aber wir brauchten zwingend WLAN damit mein Mann arbeiten konnte und die Auswahl an Pensionen war gering – um genau zu sein haben wir nach 2 Stunden am Telefon nur diese eine gefunden und mussten in den sauren Apfel beißen hier für 4 Nächte mehr zu zahlen als in der ersten für 8 Nächte!!

Am allermeisten hat uns aber aufgeregt das wir offensichtlich vom Ärzteteam auch noch angelogen wurden. Um das zu erzählen muss ich etwas weiter ausholen….

Jonathan hatte Wut über den Gips und er hat mehr Kraft als man denkt, also hat er es geschafft und seinen mineralischen Gips zerbrochen. Man hat den Gips dann mit Kunststoffbinden ausgebessert um ihm wieder Halt zu geben. War alles in der Akte vermerkt.

Nun stand wieder ein Termin zum „quengeln“ an und nachdem wir uns beschwert hatten weil die anderen Termine nicht eingehalten worden waren, trafen wir uns schon am Morgen mit dem Arzt – bevor er in den Op musste. Jonathan war sehr früh von uns geweckt worden: Medikamente, Essen, Trinken…das musste ja alles erledigt werden bevor er sein Beruhigungsmittel bekam. Dass er auch bekam und das ihn dösig machte…dann standen wir im Gipsraum und der Arzt kam rein, warf einen Blick auf Jonathan und teilte uns mit das er da jetzt nichts machen könne: Kunststoff könne man nicht quengeln. Da müsste ein neuer –mineralischer- Gips dran. Das würden wir dann morgen machen….
Mein Mann, der sonst immer sehr ruhig ist, flippte aus. Wir hatten schon mehrere Tage hier „verschwendet“ und wir würden nicht tolerieren das noch mehr Zeit ins Land ging in der wir nur sinnlos hier herumsaßen! Er hat VERLANGT dass noch am selben Tag der Gips erneuert würde. Außerdem fanden wir es eine bodenlose Frechheit das der Arzt sich nicht in der Akte kundig gemacht hatte wie der Gips aussah (wir als Laien mussten ja wohl nicht wissen ob man so quengeln kann oder nicht!) ….und man Jonathan nun VÖLLIG UMSONST sediert hatte!!!

Der Arzt wurde zwar selbst pampig…sagte uns aber den Gipswechsel für den Nachmittag zu. Was er auch eingehalten hat, das muss ich der Fairness halber erwähnen.

Nun hatte Jonathan wieder einen mineralischen Gips.

Bei der Visite am nächsten Morgen, bei der auch Mitarbeiter des Sanitätshauses anwesend waren haben wir nachgefragt wann man mit der Orthesenversorgung starten würde und wie lange diese dauerte? Wir waren mittlerweile ja schon fast eine Woche hier, hatten aber die Info des operierenden Arztes das wir AUF JEDEN FALL mit Orthesen und nicht mit Gips heimgehen würden.

Der Chef des Sanitätshauses teilte uns mit das die Herstellung der Orthesen MINDESTENS ZWEI WOCHEN dauern würde. Und man hatte damit noch nicht begonnen.

Mir ist echt alles aus dem Gesicht gefallen!
Diese Klinik arbeitet JEDEN TAG mit dem Sanitätshaus zusammen, hier werden sicherlich tausende von Orthesen pro Jahr in gemeinsamer Arbeit hergestellt. Wie KONNTE es sein das der Arzt offensichtlich überhaupt keine Ahnung davon hatte WIE LANGE das dauerte und uns etwas versprach was nicht einzuhalten war??

Ich habe direkt gesagt dass das nicht akzeptabel ist. An der Stelle muss ich noch einmal betonen das Jonathan PERMANENT geschrien hat! Wir mussten nach Hause und zwar DRINGEND! Wir hatten die permanente Angst das er einen epileptischen Anfall erleiden könnte und haben das auch mehrfach dem Klinikpersonal gegenüber geäußert, haben darauf gedrängt das man die Behandlung beschleunigte um die Gesundheit des kleinen Mannes zu schützen.

Nun ja.
Die Orthesenversorgung konnte nicht beschleunigt werden. Also schlug der Arzt uns vor das man bei Jonathan einen Kunststoffgips anlegen würde (den er nicht kaputt bekommen könnte und der auch leichter war) und uns eben mit diesem nach Hause entlassen würde.

Wir hätten uns zwar etwas anderes gewünscht, aber wir stimmten zu. Wir wollten so schnell als möglich nach Hause.

Die Ärzte legten den Freitag für den Gipswechsel fest, er musste unter Vollnarkose im Op stattfinden. Also Donnerstag Gespräch mit der Anästhesie, eine Menge Papierkram usw.

Am Donnerstag gegen Nachmittag suchte ein Arzt uns auf und teilte uns mit das man den Gipswechsel am Freitag leider nicht machen könne. Die Anästhesisten würden darauf bestehen das Jonathan nach der Narkose ins Überwachungszimmer kam und DAS…sei am Freitag leider nicht besetzt. Am Montag…sei das Überwachungszimmer schon voll, also…..es tue ihm ja leid, aber wir müssten bis Dienstag bleiben.

Also mir fiel schon wieder alles aus dem Gesicht.

Was war DAS bitte alles für eine Organisation???? Im Endeffekt 4 Tage an denen wir hier rumsitzen und warten würden? Mit einem SCHREIENDEN KIND??? SUPER!!!

Aber was wollten wir machen? Sicherheit geht vor und wenn Jonathan ins Überwachungszimmer sollte – dann war das so.
Schlussendlich konnte der Gipswechsel dann doch schon am Montag gemacht werden. Und so fand das Gespräch mit der Anästhesie am Sonntag statt. Mein Mann war mit Jonathan in der Pension (der neuen Pension, in die wir nun schon umgezogen waren) und ich führte das Gespräch.

In dessen Verlauf ich fragte wie lange Jonathan denn ins Überwachungszimmer gehen müsste? Verständnislose Blicke der Anästhesistin. „Wieso Ü-Zimmer? Es ist doch nur eine kurze Narkose und er hat das doch beim letzten Mal gut vertragen. Er geht direkt auf sein Zimmer.“…..ich sah rot. Sagte nur durch zusammengepresste Zähne: „Gleich raste ich aus!“. Dann erklärte ich dass wir den Gipswechsel schon am Freitag hätten machen können WENN Jonathan gar nicht ins Ü-Zimmer soll!!!

Die Ärztin lief rot an und meinte nur dann habe sicherlich ihr Chef dieses Vorgehen angeordnet, denn ihm gehe Sicherheit immer vor. Okay, ich beruhigte mich und kam ein wenig runter.

ABER…als wir Jonathan am Montag früh zur Schleuse brachten erwartete uns der Chef der Anästhesie um den kleinen Burschen in Empfang zu nehmen. Auf meine Frage wie lange Jonathan ins Ü-Zimmer soll reagierte dieser Arzt genau wie seine Kollegin: er bräuchte da gar nicht hin. Ich fragte nur noch: „Haben denn SIE das nicht angeordnet?“ …und er sagte „NEIN!“. Tja, es gibt nur drei Anästhesisten im Haus und auch der dritte hat es NICHT angeordnet.

Da frage ich mich doch ernsthaft: WAS SOLLTE DER SCHEISS DEN MAN UNS ERZÄHLT hat? Und der uns 3 Tage und eine Menge Geld gekostet hat??? Ich weiß es bis heute nicht…als wir zu Hause waren haben wir eine mehrseitige Beschwerde an die Geschäftsleitung verfasst in der wir zum Beispiel darauf hingewiesen haben wie GEFÄHRLICH es für Jonathan sein kann sich über so einen langen Zeitraum in Rage zu schreien (dieser Punkt sollte später übrigens noch wichtig werden!).

Fakt ist aber…wir haben auch heute, über 3 Monate später, KEINE REAKTION der Geschäftsleitung erhalten. KEINE. Einfach NICHTS. Und das ist eine BODENLOSE FRECHHEIT und spricht in keinster Weise FÜR dieses Haus!!!

Aber zurück zum Tag des Gipswechsels. Denn der war noch NICHT vorbei und sollte noch spannend werden!

Ansage des Operateurs war: wenn Jonathan gegessen und getrunken hat und die Anästhesie uns entlässt – dann können wir nach Hause fahren. Also circa 4 Stunden nach der Narkose.

Dem kleinen Mann ging es gut. Er hatte gegessen, getrunken und war fit. Die Anästhesistin hatte keine Bedenken, gab mir die Hand und sagte nur „Gute Heimfahrt!“.
Wir sagten dass wir die Stationsärztin sprechen wollten, denn sie musste uns noch offiziell entlassen.

Wir warteten. Und warteten. Keiner kam. 

Mein Mann schnappte sich Jonathan und ging mit ihm auf dem Flur spazieren und ich machte mich (mal wieder) zum Schwesternpunkt auf um zu fragen WANN die Ärztin denn mal kommen würde? Schließlich lagen noch knapp 600km Fahrt vor uns.

Die Ärztin kam grade über den Flur, ob sie zu uns wollte weiß ich nicht. Ich hielt sie auf jeden Fall an und sagte ihr dass wir gerne entlassen werden würden.

Darauf sagte sie…..
„Ja, da wird nichts draus werden! Jonathan muss vorher noch geröntgt werden!“…“Dann machen wir das eben jetzt!“ sagte ich….“Es tut mir leid, aber jetzt ist beim Röntgen keiner mehr!“ sagte SIE: die uns hatte stundenlang warten lassen!! „Wir machen das morgen früh und dann können Sie gehen!“

Ich eskalierte. Auf dem Flur vor einigen Zuhörern. Ich war laut, sehr bestimmt und warf ihr einige unschöne Sachen an den Kopf. Aber mir reichte es!!! Hier wusste der eine nicht was der andere sagte und man wurde angelogen!
DAS habe ich ihr übrigens auch gesagt: „Der eine behauptet hier die Anästhesie ordnet das Ü-Zimmer an, die Anästhesie sagt sie habe es nie angeordnet. Also einer LÜGT hier! Wer, ist mir mittlerweile scheißegal: ich komme mir hier vor wie im Irrenhaus!“ Von ihr kam nur das ich mich mäßigen soll und das die Anästhesie das angeordnet habe. Egal. Mir war es echt egal!! Ich hatte SOLCHE WUT…ich kann es nicht in Worte fassen….

Nach langen, erhitzten Diskussionen und meiner Aufforderung sofort den Geschäftsführer zu holen….durften wir um 20 Uhr abends mit ärztlichem Segen das Haus verlassen.
Angeblich hatte man unseren Operateur angerufen und er habe gesagt dass Röntgen nicht nötig sei.

Schön das hier einer wusste was der andere tat!! Dieser Aufenthalt hat uns so viele Nerven gekostet…..ich habe kein einziges Mal zurückgeschaut als wir die Klinik verließen und einfach nur noch im Auto Gas gegeben um so schnell als möglich nach Hause zu kommen.

Die Tränen konnte ich nicht zurückhalten bis wir endlich auf der Autobahn Richtung „nach Hause“ waren. Ich kann gar nicht genau sagen WAS alles in mir vorging als wir ENDLICH diesen Ort und diese Klinik hinter uns lassen konnten. GRENZENLOSE ERLEICHTERUNG. Aber auch ANGST. Denn ich wusste das wir WIEDERKOMMEN mussten…

Und zu dem Zeitpunkt wusste ich noch NICHT einmal dass der Aufenthalt sechs Wochen später noch um Längen SCHLIMMER werden sollte!!!