Freitag, 29. September 2017

Mein Mann und Jonathan warteten in Jonathans Zimmer auf Station auf mich. Was mich direkt überraschte war: Jonathan war gar nicht weinerlich, OBWOHL er seine gewohnte nächtliche Flasche UND sein Frühstück nicht bekommen hatte!! Ich war erleichtert. Denn das ich gestresst, aufgeregt und ängstlich war brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Die Vorstellung dann auch noch ein schreiendes, hungriges Kind in der Klinik vorzufinden war schon schlimm gewesen…

Ich habe versucht so normal wie möglich zu sein damit Jonathan nicht merkt das etwas anders ist als sonst. So ganz geglückt ist mir das nicht, denke ich…aber ich habe mich bemüht!

Jonathan hatte seinen (extra aus diesem Anlass gekauften) Jogginganzug an…so würden es die Ärzte im OP leichter haben ihn auszuziehen UND später könnten die Kabel des Überwachungsmonitors einfach zwischen dem Reißverschluss ihren Platz finden.

Für mein Empfinden hatte ich noch nicht genug Zeit mit meinem Jungen verbracht als die Schwester kam und sagte uns das es nun losginge…wir sollten Jonathan in sein Bettchen legen, das würde dann von ihr geschoben werden und wir dürften nebenher laufen – bis zum OP, dann müssten wir uns verabschieden.

Mein Mann wollte ihn gerne bis zum OP auf dem Arm tragen, aber leider: „Klinikvorschriften“. Jonathan musste in seinem Bett liegen…das war alles so unwirklich für mich! Mein klitzekleines Baby…in diesem RIESIGEN Bettchen…und dann schaute er uns auf dem ganzen Weg so durchdringend an. Als wüsste er was ihn erwartet, als wollte er uns bitten ihn nicht dorthin zu bringen…GANZ furchtbar!! Und dann musste ich „gute Laune“ verbreiten und durfte vor ihm nicht weinen…

Viel zu schnell waren wir im OP-Bereich angekommen. Nun ging es also wirklich los. Wir durften (ausnahmsweise sogar beide!!) noch mit in den Aufwachraum, hier wurde Jonathan von den Anästhesisten (ein Mann und eine Frau) in Empfang genommen. Die Frau kannte ich und das habe ich ihr auch gesagt: sie war auch bei Marvins OP vor einigen Jahren schon die betreuende Anästhesistin gewesen, was mich etwas beruhigte.

Ich habe erklärt das es etwas knifflig ist bei Jonathan einen Zugang zu legen: zum einen hat er sehr dünne Venen, die zu treffen selbst für einen erfahrenen Arzt eine Herausforderung ist…zum anderen sind seine Venen schon stark vernarbt weil sie sehr oft punktiert wurden. Eigentlich wollte ich beim Legen des Zugangs gerne dabei bleiben um ihn zu trösten. Doch leider durfte ich das nicht: der Zugang konnte aus hygienischen Gründen nicht im Aufwachraum gelegt werden und ich durfte aus hygienischen Gründen nicht mit in den OP.

Die Anästhesistin versprach mir aber das Jonathan eine Maskennarkose bekommen würde wenn man feststellte das der Zugang schwieriger zu legen war: dann würde er schlafen und es ihm nicht so weh tun. Damit musste ich mich wohl für den Moment zufrieden geben.

Wir haben unserem kleinen Jungen also „Tschüss“ gesagt, haben ihn gedrückt und geküsst und sind aus dem Raum gegangen. Meine Knie wackelten, mir war schlecht – ich hatte Angst…was, wenn ich ihn nie wieder sehen würde?? Was, wenn er das nicht überlebte??? Wenn irgendwas schief ging?? Auf der Frühchenintensivstation hatte Jonathan oft Herzfrequenzabfälle gehabt – was, wenn sein Herz die Narkose nicht mitmachte und einfach stehenblieb???

Die OP sollte circa 3 Stunden dauern. Wir hatten gesagt bekommen, das wir in die Cafeteria oder auf Station gehen sollten: man würde uns anrufen wenn Jonathan im Aufwachraum sei.

Aber ich wollte nicht weg gehen. Ich habe meinem Mann gesagt das ich mich in den Flur vor den OP setzen möchte: dort gab es Stühle und da würde ich bleiben – so nah wie möglich bei meinem Baby.

Mein Mann hat mich aber überredet mit ihm erst einmal frühstücken zu gehen, denn wir hatten beide noch nichts gegessen. Ich bin also wie in Trance hinter ihm hergelaufen Richtung Cafeteria. Eigentlich wollte ich gar nicht weg gehen, jeder Schritt fiel mir schwer und kam mir wie Verrat vor: ich lasse meinen Kleinen hier wirklich allein, ich gehe weg…

Appetit hatte ich keinen, ich habe einfach irgendetwas aus der Auslage genommen weil mein Mann das von mir verlangt hat. Dann habe ich mir einen Platz gesucht. Und bin während des ganzen Frühstücks unruhig auf meinem Stuhl hin und her gerutscht. Mein Essen habe ich einfach hinunter geschlungen, es hätte auch ein Pappdeckel sein können und ich hätte es nicht gemerkt.

Dann habe ich aus dem Fenster gestarrt und das Kopfkino begann: was alles passieren könnte…was wäre wenn…mein Mann hatte die Ruhe weg beim Essen: genüsslich hat er ein Brötchen gegessen und dann noch einen Kakao getrunken…und ich war unruhig und wollte wieder in den OP-Bereich. Am Ende habe ich es nicht mehr ausgehalten und ihn gebeten den Kakao (er war im Tetrapak) doch einfach mitzunehmen. Das hat er auch getan.

Ich bin fast gerannt. Blöd eigentlich: die OP war lange noch nicht fertig, ich konnte also dort nur genauso nutzlos sitzen wie auch in der Cafeteria. Aber ich fühlte mich hier besser.

Ja, da saßen wir nun und warteten. Zum Glück ist mein Mann alles andere als ungeduldig: warten macht ihm nichts aus. Aber irgendwann fiel uns ein, dass die Ärzte ja gar nicht wussten dass wir hier saßen. Die dachten wir wären auf Station und würden nach der OP sicherlich dort anrufen.

Da es sonst nichts zu tun gab ist mein Mann auf die Station gegangen um dort Bescheid zu geben das wir vor dem OP sitzen und warten würden bis man uns hole. Als er zurück kam hat er erzählt was die Schwester auf Station gesagt hatte: „Das ist aber nicht üblich das Eltern vor dem OP warten.“ Na und??? Es ist ein frei zugänglicher Flur mit Stühlen. Warum sollte ich nicht dort warten??? Wenn es mir dabei besser ging?? „Normalerweise warten die Eltern auf Station. Wir können jetzt nicht versprechen, dass wir daran denken den Ärzten auszurichten wo sie sind!“…okay: dann halt nicht! Ich war winsch (wie wir bei uns zu Hause, im Westerwald, sagen).

Ich darf ja wohl allein entscheiden wo ich die Zeit der OP meines Kinders verbringe, oder nicht? Mir ging es hier besser!! Hier, auf diesem Flur und auf genau demselben Stuhl!, hatte ich einige Jahre zuvor auch stundenlang gesessen während Marvin notoperiert worden war. Und hier, auf diesem Flur und auf genau diesem Stuhl, hatte ich die Nachricht bekommen das es ihm gut geht und er alles gut überstanden hat.

Wenn ich also jetzt genau hier sitzen bleiben würde…dann müsste doch auch diesmal alles gut gehen! Dachte ich mir so….

Mein Mann hatte keine Probleme mit meiner Entscheidung, er sagte es sei ihm egal wo er sitzt und wartet. Aber ein Problem blieb: wie sollten wir die Ärzte informieren wo wir waren? Klar, irgendwann würde man uns schon finden. Aber wir wollten ja so schnell als möglich nach der OP zu Jonathan!!

Der Zufall kam uns zu Hilfe!! Der Anästhesist, mit dem wir am Tag zuvor im Vorgespräch zusammen gesessen hatten, kam vorbei. Offensichtlich auf dem Weg in den OP, denn er trug schon die entsprechende Kleidung. Ich habe ihn kurz aufgehalten und ihn gebeten unseren Operateuren zuzurufen das wir hier seien: das  hat er uns versprochen. Na also: wer sagt es denn! Problem gelöst! 8o)

Die Zeit verging. Wir saßen und warteten. Haben Sie eine Ahnung wie das ist?? Wie lang sich die Minuten hinziehen können?? Was einem alles durch den Kopf geht?? Schrecklich…

Ich stand auf, ging den Gang auf und ab. Schaute auf die Uhr. Sollte nicht eigentlich die OP schon zu Ende sein??? Warum meldete sich keiner bei uns?? Handys kontrollieren: Akkus noch voll? Haben wir Empfang?? Ist vielleicht der Ton auf lautlos gestellt???

Und wieder den Gang hoch…und runter…und dann wieder hinsetzen…es war einfach nur furchtbar! Ich fühlte mich als würde mir ein Arm fehlen…oder ein Bein.

Plötzlich kamen zwei Männer den Flur heruntergelaufen. Der eine war der Arzt der Augenklinik den wir am Vortag zum Gespräch getroffen hatten, den anderen kannten wir nicht. Aber wir hörten das der, den wir kannten, zu dem anderen sagte: „Jonathan Kremer….MOPD 1…selten…“, und schauten ihn freundlich an. Da verstummte er, als sei er ertappt worden. Er hat auch nicht gegrüßt und ist einfach mit dem anderen Arzt weiter gegangen. Sie hatten einen großen Koffer dabei und waren schon in OP-Kleidung.

Nun ja: das hieß dann wohl dass nun die Augenklinik anwesend war und die Untersuchung beginnen konnte. Und DAS hieß dann wohl dass die OP des Hodenhochstands und Leistenbruchs vorbei und gut ausgegangen war. Ich war unendlich erleichtert. Die längste Zeit des Wartens war damit wohl vorbei. Tief durchatmen…ein ganzes Gebirge fiel mir vom Herzen!!

Nach circa 15 Minuten passierte plötzlich alles Schlag auf Schlag: unser Augenarzt kam mit dem anderen Arzt um die Ecke…das Handy meines Mannes klingelte…mein Handy klingelte…

Auf meinem Handy rief die Station an, das konnte ich an der Nummer sehen. Ich bin nicht dran gegangen: denn schließlich standen die Ärzte ja schon vor mir, ich wusste das die OP beendet war. Und ob alles gut gegangen war würde ich gleich erfahren.

Zuerst einmal stellte sich der mir noch unbekannte Arzt vor: er war der Sektionsleiter der Glaukom- und Hornhautchirurgie. Also derjenige, den der Anästhesist am Vortag informieren wollte. Später habe ich erfahren dass dieser Arzt eine wahre KORYPHÄE auf dem Gebiet der Glaukomforschung und –behandlung ist. Für uns sehr beruhigend da MOPD I-Patienten zu Glaukomen neigen und es gut zu wissen ist, das Jonathan sich mit diesem Problem in so guten Händen befindet.

Die Untersuchung war gut gelaufen, man hatte alle Daten ermitteln können die man brauchte. Der Arzt klärte mich darüber auf das Jonathans Augen gar nicht zu groß seien – wie man ja meint wenn man ihn anschaut. (Mein Mann hat mal gesagt: „Die Augen sind nicht zu groß, der Kopf muss nur noch drum herum wachsen!“)

Also kein Buphtalmus (vergrößerte Augäpfel) wie wir vermutet hatten und wie es auch für das Krankheitsbild typisch ist. Im Gegenteil: „eigentlich waren Jonathans Augen für sein ALTER  sogar zu klein…nur für den Kopf eben zu GROSS.“ (Originalaussage des Arztes)

Der Augeninnendruck war perfekt. Kein Grund zur Besorgnis also.

Ein Glaukom war nicht gefunden worden. Aber der Arzt sagte mir, dass wir diese Untersuchung in regelmäßigen Abständen wiederholen würden um sofort reagieren zu können FALLS eines auftreten sollte. Heilbar war ein Glaukom nämlich, WENN man es früh genug feststellte.

Das waren doch schon mal gute Neuigkeiten! Und was hatte mein Mann in Erfahrung gebracht???

Beim ihm hatte der „Medizinstudent“ angerufen und mitgeteilt das zum einen die OP erfolgreich und ohne Komplikationen abgelaufen sei. Wir würden gleich in den Aufwachraum geholt, er selber würde im Laufe des Tages auf Station noch einmal nach uns sehen. Zum anderen teilte er uns mit, dass sich der zweite Chirurg auf den Weg zu einem Kongress gemacht habe und deswegen leider nicht mehr mit uns sprechen könnte. Eigentlich hätte er schon längst unterwegs sein sollen, doch die OP von Jonathan hätte er unbedingt noch selbst machen wollen.

Super!! Alles gut gegangen!! Ich hätte weinen können vor Freude!! Diese Erleichterung kann ich gar nicht beschreiben. Schon wieder war mir Zeit geschenkt worden mit meinem Kind…

Nach einigen Minuten ging dann auch die Tür zum Aufwachraum auf und die Schwester sagte dass einer von uns beiden zu Jonathan dürfte. Ich habe meinen Mann angesehen und musste gar nichts sagen: mich hielt hier nichts mehr, ich wollte mein Baby sehen und im Arm halten. Aber ich habe meinem Mann versprochen dass ich in ein paar Minuten wiederkommen würde damit er hinein könnte.

Und da lag unser kleiner Wurm…in seinem Jogginganzug…mit einem Verband um den Fuß und war noch gar nicht richtig wach – wohl noch desorientiert von der Narkose. Aber er hat arg gewimmert.

Ich habe ihn sofort in die Arme genommen. War DAS SCHÖN ihn zu fühlen!!! Jonathan fing nach ein paar Minuten an extrem zu weinen und sich zu krümmen. Er hatte vermutlich Schmerzen???? Eine OP an den Hoden tut bestimmt weh…. Außerdem hatte er pupillenerweiternden Tropfen in die Augen bekommen damit die Augenärzte ihre Untersuchungen machen konnten. Das hieß aber, das er momentan kaum etwas erkennen konnte: er sah alles nur verschwommen.

Aus einem Schlaf aufzuwachen, nicht mehr richtig zu sehen, Schmerzen zu haben und nicht zu wissen warum das alles passierte – das würde einen Erwachsenen sicherlich auch ängstigen. Und dann erst Recht mein Kind das sowieso nicht alles verstand.

Was konnte er dagegen tun: weinen. Und das tat er eben auch. Lautstark….

Ich habe echt alles versucht um ihn zu beruhigen: streicheln, küssen, reden, auf dem Arm schaukeln. Aber es half nichts. Die Schwester die Aufsicht im Aufwachraum hatte kam zu mir und hat gefragt ob alles ok sei. Ich habe ihr erklärt das Jonathan sich von seinem Papa in der Regel besser und schneller beruhigen ließ als von mir. Und dann hat die Schwester etwas sehr liebes gemacht: sie ist zur Tür gegangen und hat meinen Mann hereingeholt – obwohl ich AUCH im Raum war und eigentlich immer nur EIN Elternteil hier sein darf. Aber: außer uns war nur noch ein anderes Kind hier und sie meinte dass es sich bei Jonathan ja schon um einen besonderen Fall handeln würde. Da könnte man doch mal eine Ausnahme machen!! 8o))
DANKESCHÖN AN DER STELLE AN DIESE LIEBE SCHWESTER!!!

Mein Mann kam herein und hat Jonathan sofort genommen, gekuschelt und mit ihm geredet. Und wie es wirklich IMMER bei uns ist: beim Papa beruhigt er sich viel schneller und besser als bei der Mama.
(Vielleicht liegt das daran das ich so ein „aufgedrehtes Hinkel“, also hektisch und mitunter sehr laut, bin??? Und mein Mann eher der ruhige Typ??? Oder aber es ist eine besondere Bindung die die beiden Männer aneinander haben. Ich weiß es nicht, aber der „Papa-Effekt“ funktioniert.)

Die Anästhesistin kam dann zu uns und hat erklärt dass es nicht einfach gewesen war einen Zugang zu legen (das hatte ich ihr ja schon im Vorfeld gesagt!). Und das man Jonathan eine Maskennarkose hatte geben müssen und einen Zugang nur im Fuß gefunden habe. In den Händen hätte es nicht funktioniert. Ansonsten wären unter der Narkose keine Probleme aufgetreten: keine Herzfrequenzabfälle, keine Atemaussetzer oder sonstiges. Alles problemlos und gut verlaufen.

War das nicht toll??? Endlich mal eine gute Nachricht!! Und wie so oft denkt man sich hinterher: die ganze Aufregung war umsonst!! Aber das weiß man ja vorher nicht.

Eine Weile mussten wir noch im Aufwachraum bleiben, Jonathan wurde überwacht und er sollte auch noch ein wenig Wasser oder Tee zu sich nehmen.

Der kleine Mann war wirklich ganz schön dösig, er bekam die Augen nicht richtig auf. Aber was ich sehen konnte war: die Pupillen waren echt RIESIG!! Von dem Medikament. Ich selber habe auch schon einmal eine Untersuchung unter Anwendung von Pupillenerweiternden Tropfen hinter mich gebracht und weiß dass es SEHR unangenehm ist. Man sieht echt nichts!! Die Augen sind offen und  man kann trotzdem einfach nichts erkennen. Mein armer kleiner Zwerg, er tat mir so leid – zumal man ihm auch nicht begreiflich machen konnte das dieser Zustand wieder weg ging.

Jonathan hat noch viel geschlafen im Aufwachraum, aber wenn er wach war hat er geweint. Wir haben ihn überredet nach einiger Zeit mal ein paar Schlucke Wasser zu trinken und als die drin blieben durften wir zurück auf Station.

Dort haben wir dann erst mal eine Milch „bestellt“: der arme kleine Mann war total ausgehungert!! Er hat eine große Flasche getrunken und ist dann zufrieden eingeschlafen.

Mein Mann und ich haben die Gunst der Stunde genutzt und sind in die Cafeteria Mittag essen gegangen.

Danach sind wir aber zügig wieder auf die Station zurückgekehrt: wir wollten ja nicht das Joni wach wird und Angst bekommt weil keiner mehr bei ihm ist. Er hat aber noch eine ganze Weile geschlafen vor Erschöpfung.

Als er dann nachmittags zu sich kam fiel mir auf das bei einem Auge die Pupille wieder normal groß war – bei dem anderen aber nicht. Dort war die Pupille immer noch RIESIG. Es war sehr irritierend ihn anzusehen: im ersten Moment wusste ich auch gar nicht was nicht stimmte, nur das irgendwas anders aussah. Ein ganz komischer Anblick: ein Auge normal und eines fast schwarz weil die Pupille nahezu die komplette Iris bedeckte.

Mir war ein wenig mulmig deswegen. Jonathan hatte schon einige Male diese Augentropfen bekommen und IMMER, wirklich IMMER, waren die Pupillen gleichermaßen „normal“ geworden. Aber diesmal eben nicht.

Sofort hatte ich den Gedanken dass dies verursacht worden sein könnte durch eine Hirnblutung. 
Also habe ich der Schwester Bescheid gegeben das sie doch mal die Augenärzte fragen möchte ob das normal sei.

Es dauerte seine Zeit bis die Schwester sich wieder bei uns meldete. Leider seien alle Ansprechpartner der Augenklinik schon im Feierabend.
Na prima!!! Und jetzt?? Ich hatte Panik.













Donnerstag, 21. September 2017

Nachdem wir uns auf Station eingerichtet hatten sollten wir zum Gespräch mit unseren Chirurgen gehen. Ja: CHIRURGEN, Mehrzahl. Ursprünglich war ja unser Wunsch gewesen das der Arzt Jonathan operieren sollte den ich versehentlich für einen Medizinstudenten gehalten hatte. Aber nachdem der andere Kinderchirurg der Klinik sich so liebevoll immer wieder nach uns erkundigt hatte und bei einem Gespräch auch den Wunsch geäußert hatte Jonathan operieren zu wollen…hatte man sich verständigt das eben einfach BEIDE die OP GEMEINSAM durchführen würden. 8o))

Also haben wir die beiden in ihrem Büro aufgesucht. Sie haben Jonathan untersucht und mit uns die Modalitäten der OP besprochen: was wird genau gemacht, wie lange wird es dauern, wo liegen die Risiken…mir war ja nicht so ganz wohl bei der Vorstellung das mein kleines Würmchen eine Vollnarkose und eine circa 3stündige OP haben würde. Aber wie mir schon bei der Voruntersuchung erklärt worden war: es war wirklich notwendig. Da musste ich wohl oder übel die Zähne zusammen beißen!!

Nach diesem Gespräch sollten wir zur Augenklinik gehen und auch dort alles besprechen.

Augenklinik…bis heute ein Reizwort bei mir! Denn diese Augenklinik in unserem Krankenhaus ist zwar bestens für uns geeignet weil alle notwendigen „Geräte“ für unseren kleinen Mann zur Verfügung stehen und man bestimmte Untersuchungen hier auch ohne großen Aufwand in Vollnarkose durchführen kann….aber!!

1. sind (zumindest einige) der Damen am Empfang unmöglich: sie sind inkompetent, oft unfreundlich und SEHR langsam…
2. sind die Wartezeiten hier schlichtweg unverschämt!!! Es muss ja nicht sein das man mit einem Baby einen Termin ausmacht und dann trotzdem 3 Stunden in einem total überfüllten Wartezimmer ausharren muss, oder??? Na gut…vielleicht liegt das auch einfach an den Damen am Empfang die nicht in der Lage sind Termine ordentlich zu koordinieren…

Auf jeden Fall war es eine größere Herausforderung unser Gespräch mit einem Arzt der Augenklinik bezüglich der OP zu bekommen.

Eigentlich war ja alles schon besprochen, angekündigt und auch geplant. EIGENTLICH. Aber die Dame am Empfang mit der ich gesprochen habe um mich anzumelden wusste überhaupt nicht um was es geht. Oder wollte es nicht verstehen. Ich habe ihr erklärt das ich einen Zettel von der Kinderklinik dabei habe in dem ich gebeten werde JETZT in der Augenklinik zu erscheinen und über die anstehende OP zu reden.

Das reichte der Dame aber nicht als Information: sie habe keine Akte von uns. Gut…das ist aber eigentlich nicht mein Problem, schließlich waren wir schon zu einer Untersuchung mit Jonathan in der Augenklinik, die anstehende OP war mit den Augenärzten geplant worden und wenn dort keine Akte angelegt worden war, war das sicherlich nicht MEIN Versäumnis.

Ich habe ihr dann den Vorschlag gemacht dass sie ja wegen der medizinischen Unterlagen in die Akte der Kinderklinik schauen könnte??? Aber das war technisch nicht möglich, sie habe keinen Zugriff. Okay….von unseren Chirurgen hatten wir einen Bogen mit Aufklebern (typische Krankenhausaufkleber mit Name, Geburts-Datum und Patientennummer von Jonathan) und weitere „Laufzettel“ bekommen die wir in der Augenklinik abgeben sollten: also habe ich diese Sachen auf den Tresen gelegt und gemeint das diese Unterlagen uns von Dr. …. ausgehändigt worden seien. Daraufhin wurde ich gefragt wer dieser Arzt sei??? Ich antwortete dass es der Chirurg ist. Leider war es aber auch mit diesen Unterlagen nicht möglich uns zu unserem Gespräch vorzulassen.

Wir bräuchten von der Kinderklinik weitere Unterlagen, erst dann könne in der Augenklinik eine Akte angelegt werden.

Langsam wurde ich ungehalten!! Wenn es gar keine Akte gab, wieso hatte ich dann JETZT einen Termin zum Gespräch bekommen???

Also habe ich noch einmal versucht der Dame zu erklären dass wir Unterlagen von den Chirurgen bekommen hätten und die OP doch schon gemeinsam mit der Augenklinik geplant sei. Daraufhin wurde ich von ihr zum zweiten Mal gefragt wer denn Dr….sei. „Immer noch der Chirurg der Kinderklinik!“ konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen. So eine Unfähigkeit machte mich echt rasend! Und langsam ließ auch der Ton der Dame zu wünschen übrig. Sie beharrte darauf das sie weitere Unterlagen benötige sonst könne sie uns nicht aufnehmen.

Gut, da war wohl nichts zu machen. Also sind mein Mann, Jonathan und ich wieder zurück zu den Chirurgen gelaufen und haben bei ihnen geklopft. Wir haben erklärt dass wir nicht vorgelassen werden und nicht verstehen wo das Problem genau liegt? Eine Akte MUSSTE doch existieren!! Und die Unterlagen die die Chirurgen uns mitgegeben haben reichten offensichtlich nicht aus.

Mein „Medizinstudent“ meinte dann wir sollten uns entspannen und Platz nehmen, er gehe jetzt zur Augenklinik und kläre das für uns.

Keine 10 Minuten später war er wieder da, hat mit den Augen gerollt und gesagt das wir nun einen zweiten Versuch starten und uns dort anmelden gehen könnten.

Ich weiß nicht was er dort gesagt oder gemacht hat, aber so freundlich und zuvorkommend wie die Dame am Empfang urplötzlich war habe ich sie bis heute nicht wieder erlebt. Auf einmal waren die Unterlagen ausreichend, die Anmeldung kein Problem und scheinbar war auch die Akte wieder aufgetaucht. Warum war es plötzlich so einfach? Keine Ahnung, ich möchte es auch gar nicht wissen….egal!! Wir waren nun im Wartezimmer und das war ja das Wichtigste!!

Nach geraumer Wartezeit wurden wir dann auch ins Sprechzimmer gerufen. Der Arzt ist mit uns noch mal im Detail durchgegangen was am kommenden Tag für Untersuchungen in der Narkose gemacht würden: der Augendruck würde noch einmal genauer gemessen werden und man würde sich den Augenhintergrund anschauen. Maximale Dauer der Untersuchung: 15 Minuten. Danach würden wir sofort das Ergebnis erhalten.

Hörte sich gut an. Und nun.. der letzte Punkt auf der To-Do-Liste: Gespräch mit dem Narkosearzt.

Also haben wir uns auf den Weg gemacht. Gar nicht so einfach sich in dieser Klinik nicht zu verlaufen! Alles sehr verwinkelt gebaut und die Anästhesie ist auch noch in einem anderen Stockwerk.

Aber wir haben es gefunden und uns angemeldet. Dann wurden wir in den Wartebereich gebeten, aber außer uns war niemand da: es würde also nicht so lange dauern. Und das hat es auch nicht. Schon nach wenigen Minuten wurden wir vom Anästhesisten abgeholt (ich kannte ihn sogar: Marvin war vor einigen Jahren auch schon mal in dieser Klinik operiert worden und damals war er auch derjenige der mit mir das Narkosegespräch führte).

In seinem Büro angekommen haben wir dann kurz besprochen was genau operiert werden würde, wo die Risiken der Narkose lagen und wie lange es in etwa insgesamt dauern würde. Wir haben ihn dann darauf hingewiesen das Jonathan unter einem sehr seltenen Gendefekt leidet. Natürlich war ihm diese Erkrankung nicht bekannt und er wollte nähere Informationen darüber haben. (Es war zudem auch unsere erste OP und niemand wusste ob und was für Auswirkungen die Narkose haben würde. Da war es sinnvoll in der Literatur zu stöbern!)

Ich schweife mal kurz ab: wir haben einen Leitz-Ordner voller Unterlagen über Jonathan – Arztbriefe, Untersuchungsergebnisse und auch alle Informationen die es über MOPD I im Netz gibt. Inklusive der Unterlagen die unsere Humangenetikerin uns zur Verfügung gestellt hat. Dieser Ordner war…zu Hause. Blöderweise. Wir hatten SO VIEL Gepäck dabei für diesen Klinikaufenthalt: Klamotten, Spielzeug, Bücher, Kuscheltiere und ein Kopfkissen für Jonathan…und natürlich hatte mein Mann auch eine Tasche für sich dabei. Wir hatten den Ordner schlichtweg vergessen…

..und ärgerten uns jetzt maßlos darüber! Denn wir hätten alle gewünschten Informationen mit einem Handgriff liefern können…aber ok: es war jetzt nun mal wie es war. (Seitdem haben wir den Ordner aber NIE mehr vergessen wenn wir einen Arzttermin hatten!)

Da wir uns intensiv mit dem Krankheitsbild beschäftigt hatten, konnten wir einige Internetadressen mit Informationen auch auswendig benennen. So suchte der Narkosearzt sich die Infos zusammen. Das dauerte natürlich ein wenig. Naja: es dauerte ein wenig länger…wir hatten nicht gedacht das wir SO LANGE hier sitzen würden. Jetzt war die Zeit gekommen zu der Jonathan Hunger bekommt. Zum Glück hatten wir den Wickelrucksack mit allem nötigen dabei. 8o)

Also habe ich ihm eine Flasche gemacht während mein Mann und der Arzt im Internet surften. Aber Jonathan fand das alles hier viel zu SPANNEND um anständig zu essen. Wir würden es dann später noch einmal versuchen, wir wollten sehen das er über den Tag ein wenig mehr aß als sonst: er musste ja 6 Stunden vor der OP nüchtern bleiben und das bedeutete, das er seine gewohnte Flasche in der Nacht nicht trinken dürfte.

Mir machte es schon ein wenig Sorgen wie er damit klarkommen würde: würde er in der Nacht sehr schlimm schreien vor Hunger? Oder würde die ungewohnte Umgebung ihm sowieso den Appetit verderben?

Immerhin versprach der Anästhesist das Jonathan ganz früh am Morgen operiert würde: Kinder seien immer die ersten im OP damit sie nicht unnötig lange ihren Hunger aushalten müssten.

Außerdem wollte der Anästhesist alle ausgedruckten Unterlagen einem Spezialisten der Augenklinik vorlegen. Vermutlich würde dieser bei einem so seltenen Krankheitsbild selbst mal vorbeikommen wollen.

Wir hatten damit kein Problem: seit wir wussten welche Diagnose Jonathan hat, haben wir immer deutlich zum Ausdruck gebracht das die Ärzte gerne über Jonathan veröffentlichen und in Medizinerkreisen berichten dürfen. (Wenn Bilder von ihm gezeigt oder gedruckt werden sollen werden wir vorher immer um unser Einverständnis gebeten.)

Wir denken dass es hilfreich sein kann so einen seltenen Fall in Medizinerkreisen bekannter zu machen. Ohne den Bericht der Mutter des Mädchens mit Elektrolytverlust hätten wir vielleicht unser Medikament nicht bekommen und ohne dieses Medikament..wäre Jonathan heute vermutlich nicht mehr da. Also: wer weiß wem es mal hilft medizinische Details über Jonathan zu finden!!! Und deswegen stimmen wir immer gern zu wenn ein Arzt sich Jonathan genauer anschauen möchte.

ABER: und das ist mir an der Stelle wichtig zu erwähnen!! Wir möchten nicht das Jonathan ein „Versuchskaninchen“ wird und wägen deswegen schon ab ob die durchgeführten Untersuchungen notwendig sind und ob sie einen Nutzen haben. Wir würden zum Beispiel nie einer invasiven Untersuchung zustimmen wenn sie nicht absolut notwendig erscheint!

Ein Beispiel: Kinder mit dem Gendefekt MOPD Typ 2 (der sich etwas anders darstellt und auch etwas anders verläuft als Typ 1, aber trotzdem in vielen Punkten identisch ist) haben eine sehr große Neigung zu Aneurysmen. Ein Aneurysma ist laienhaft gesagt eine sackartige Erweiterung einer Schlagader in Folge einer „Verstopfung“: zum Beispiel ausgelöst durch eine Trombose. Die Gefahr hierbei besteht in der Ruptur, also in einem Riss der Schlagader. Erkennt man ein Aneurysma im Gehirn rechtzeitig, besteht die Chance es zu „clippen“ - es also zu entfernen.

Es ist nicht so genau bekannt ob auch Kinder mit MOPD Typ 1 diese Neigung zu Aneurysmen haben – bei so wenigen Fällen, die auch noch sehr früh verstorben sind, kann man es nicht mit Sicherheit sagen. Um zu erfahren ob hier eine Gefahr droht müsste man in regelmäßigen Abständen ein MRT des Kopfes machen – natürlich in Vollnarkose, denn Jonathan würde nicht lange genug still halten um die Untersuchung durchführen zu können. Und: um die Adern wirklich sichtbar zu machen und kontrollieren zu können müsste man auch ein Kontrastmittel ins Gehirn einbringen.

Diese Untersuchung war eigentlich für den Zeitpunkt um seinen 2ten Geburtstag herum geplant. Gleichzeitig wollte man dabei kontrollieren wie, und ob, sich seine Hirnwindungen verändert haben.

Einige Monate vor der geplanten Untersuchung erhielten wir einen Anruf von unserer Humangenetikerin. Sie hatte mit der zuständigen Neurochirurgin gesprochen und diese meinte dass man bei Jonathans Kopfgröße ein Aneurysma nicht operieren könnte. Selbst mit den kleinsten ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten würde sie bei einer OP vermutlich noch mehr kaputt machen. Fazit: sollte beim MRT ein Aneurysma gefunden werden – könnte man es nicht operieren ohne noch größeren Schaden anzurichten. Mein Mann und ich haben uns intensiv unterhalten und entschieden dass wir in dem Falle gar kein MRT durchführen lassen werden. Denn diese Untersuchung hätte keinen Nutzen: sollte etwas gefunden werden, könnte man es nicht operativ beheben. Wir würden mit dem Wissen um ein Aneurysma das jederzeit rupturieren könnte nur unruhig werden…besser dann gar nichts zu wissen!!

Das in dem Falle die Ärzte auch nicht erfahren werden wie die Hirnwindungen heute aussehen - ist für uns nebensächlich.


Mit dieser kleinen „Geschichte“ habe ich jetzt aber circa ein Jahr vorgegriffen. Wir befinden uns ja eigentlich kurz nach Jonathans erstem Geburtstag in der Klinik und warten auf die OP am kommenden Tag.

Nachdem wir beim Narkosearzt fertig waren hatten wir alle Termine „abgearbeitet“ und konnten zurück auf Station. Jetzt hieß es noch ein wenig spielen, das Abendritual so gut wie möglich so wie zu Hause durchzuführen und Jonathan noch zweimal zu füttern bevor er nichts mehr zu sich nehmen durfte.

Alle diese Aufgaben lagen jetzt bei meinem Mann, ich verabschiedete mich und fuhr nach Hause um mich um Marvin zu kümmern.

An diesem Abend war ich sehr nervös. Ich hatte extreme Angst vor der Narkose: Jonathan hatte Bluthochdruck und Epilepsie, er war sehr klein und wog sehr wenig…ich hatte solche Angst das er aus der Narkose nicht mehr aufwachen würde, das irgendwas schief gehen würde.

Die Bilder des Krampfanfalls suchten mich wieder heim…die Angst und die Unruhe die ich verspürt hatte als ich glaubte mein Kind nicht mehr lebend zu sehen waren auch wieder da…mein Hals war eng, 1000 Schmetterlinge in meinem Bauch. Aber trotzdem musste ich äußerlich cool bleiben und Marvin davon überzeugen das alles gut gehen würde: „Das ist gar kein Problem: so eine OP machen die täglich! In ein paar Tagen ist Dein Bruder wieder zu Hause!“…glaubte ich das auch??? Ich MUSSTE es glauben, oder?? Selbsterfüllende Prophezeiung und so….

Irgendwann in dieser schlaflosen Nacht war ich kurz davor in die Klinik zu fahren und meinen Mann zu Marvin nach Hause zu schicken weil bei mir das Kopfkino einsetzte und ich mir vorstellte das dies die letzte Nacht von Jonathan auf Erden war – und die wollte ICH mit ihm verbringen…ich habe unfassbar doll und lange geweint. Und bin dann doch zu Hause geblieben weil ich mir selbst gesagt habe dass ich mich am Riemen reißen muss!!

Auch diese Nacht ging vorbei, der Wecker klingelte. Ich machte mich fertig, habe Marvin Schulbrote gemacht und ihm Frühstück hingestellt, ihn geweckt und bin losgefahren. Ich wollte pünktlich sein, denn es ging ganz früh in den OP.













Freitag, 15. September 2017

In den nächsten Tagen ging es Jonathan zunehmend besser: der Durchfall wurde seltener und ließ nach. Der kleine Mann war munter, hatte kein Fieber. Die Ärzte teilten uns bei der Visite mit, dass wir am kommenden Tag nach Hause dürften - wenn alles so blieb wie es jetzt war. Das waren gute Nachrichten!! Besonders für meinen Mann: er war jede Nacht in der Klinik geblieben. Ich löste ihn morgens ab und dann ging er arbeiten, um danach wieder in die Klinik zu kommen. Er freute sich also bald wieder in seinem eigenen Bett schlafen zu können!!

Doch dann machte Jonathan uns fast einen Strich durch die Rechnung!! Denn er aß und trank nicht richtig…er nahm nur winzige Portionen zu sich, selbst mit seinem Lieblingsessen konnte man ihn nicht locken. Wir waren ratlos: es ging ihm doch wieder recht gut, warum hatte er dann keinen Appetit??

Ich habe es schon in einem vorangegangenen Beitrag erwähnt…HOSPITALISIERUNG. Auch wenn Jonathan SEHR klein gewesen war und man immer meint, dass so kleine Babys nichts um sich herum mitbekommen…tun sie das sehr wohl! Und zwar mehr als wir uns vorstellen können. Die Monate auf der Neonatologie haben Spuren hinterlassen, nicht nur bei uns – auch bei Jonathan. Bis heute hat er RICHTIGE Panik wenn er einen Menschen mit Mundschutz und/oder Einweghandschuhen sieht: er schreit, dreht sich weg und fängt an zu zappeln…und sobald er stationär in einem Krankenhaus ist: stellt er die Nahrungsaufnahme fast komplett ein. Und das tat er nun auch…

Das Problem war: seine Blutwerte wurden schlechter weil er zu wenig aß und trank. Die diensthabende Ärztin kannte uns nicht und konnte die Situation somit auch nicht einschätzen. Sie teilte uns am kommenden Vormittag mit, dass die Blutwerte nicht gut seien und wir „lieber noch einige Tage bleiben sollten“. Was ich vehement ablehnte weil ich wusste, dass sich an den Werten nichts ändern würde: Jonathan würde hier in der Klinik nicht richtig essen. Das habe ich ihr auch erklärt…aber sie glaubte mir nicht. (Im Entlassungsbericht hat sie mich richtiggehend als hysterisch dargestellt und betont das ICH auf eine Entlassung gedrängt hätte die SIE nicht befürwortet weil es NICHT GUT für das Kind sei.)

Wir haben uns zuerst auf einen Kompromiss geeinigt: wir würden bis zum Nachmittag bleiben und dann erneut eine Blutkontrolle durchführen. Dann würden wir weiter sehen.

Der Tag verging, Jonathan aß nicht. Eine Schwester erzählte uns das es in jedem Drogeriemarkt einen „Heilschleim“ geben würde: hochkalorisch und geeignet bei und gegen Durchfallerkrankungen. Also bin ich losgefahren und habe eine Packung besorgt. Davon hat Jonathan wenigstens eine kleine Menge getrunken. Ein Anfang!

Aber leider war es nicht genug, denn die Blutwerte am Nachmittag waren unverändert schlecht. Die Ärztin wollte uns also definitiv nicht entlassen. Meine Einwände dass ich mein Kind besser kenne als sie und WEISS das er zu Hause ausreichend essen und trinken wird, ließ sie nicht gelten. Es wäre LEBENSGEFÄHRLICH mit ihm so nach Hause zu gehen und sie würde noch nicht einmal unterschreiben wenn wir auf eigene Gefahr gehen wollten – mussten wir uns dann anhören. Daraufhin habe ich angefangen mit der Ärztin zu streiten, allerdings in einem auf meiner Seite normalen Tonfall.

Ich habe ihr erklärt dass es auch lebensgefährlich ist wenn mein Kind nicht genug isst und trinkt! Eine Sondenernährung bringt hier auch nur kurzfristige Hilfe weil es an der Situation grundsätzlich ja nichts ändern wird: Jonathan ist hospitalisiert. Dieses Wort war der Ärztin leider scheinbar fremd, ihre Kommentare und ihr Tonfall mir gegenüber ließen mittlerweile auch zu wünschen übrig. Irgendwann reichte es mir und ich habe ihr erklärt das die Klinik kein Gefängnis sei, in dem sie uns festhalten könne wie es ihr beliebe und wir bitte ihren Vorgesetzten sprechen möchten um die Thematik mit ihm zu erläutern.

An der Stelle möchte ich allen denen die mich nicht persönlich kennen sagen das Jonathans Wohlergehen für mich IMMER an erster Stelle steht! Und wenn ich spüre das ein Krankenhausaufenthalt notwendig und wichtig ist: dann wird dieser von mir NIE in Frage gestellt. Aber ich kenne meinen Jungen besser als alle Ärzte und merke deswegen auch genau wann ein Krankenhausaufenthalt mehr kaputt als heil macht! Und dann werde ich zur Löwenmutter die die Klauen ausfährt und kämpft…ich lasse mir dann auch nicht alles bieten nur weil jemand der vor mir steht studiert hat und einen weißen Kittel trägt.

Vermutlich war es unser Glück das der diensthabende Vorgesetzte an diesem Tag unser behandelnder Neurologe war. Er kam nicht persönlich zu uns, ein Blick in die Akte und auf den Namen des Patienten genügte ihm um der Ärztin zu erklären dass wir als Eltern die Situation einzuschätzen in der Lage seien, das wir ein sehr gutes Gespür für unser Kind hätten und – sollte es die Situation erfordern!- auch wiederkommen würden - falls die Entlassung nicht den gewünschten Erfolg bringe.

Alles das teilte uns die Ärztin durch zusammen gebissene Zähne mit. Den Entlassungsbericht würde sie uns zuschicken und wir könnten nun gehen, aber sie möchte noch einmal betonen dass sie findet dass es die falsche Entscheidung ist.

Aber: es war die richtige Entscheidung! Wir waren noch keine Stunde zu Hause in Jonathans gewohnter Umgebung als er eine große Milchflasche trank und danach glücklich einschlief.

Ok: der Korrektheit halber muss ich auch sagen dass er sich an diesem Tag erneut übergeben hat. Und das er auch weiterhin Durchfall hatte – doch nicht mehr so schlimm. Er trank und aß und man merkte ihm an das er glücklich war…er war wieder zu Hause!!

Die Entlassung aus der Klinik war samstags, und montags bin ich zur Sicherheit zu unserem Kinderarzt gefahren. Nur mal nachschauen lassen ob auch WIRKLICH alles ok ist und es Joni gut geht.

Das war der Fall. Er war nicht mehr dehydriert und der Arzt war zufrieden mit seinem Aussehen und dem was ich über seinen Zustand zu berichten hatte. Ich habe ihm dann erzählt das die Ärztin es als „lebensgefährlich“ beschrieben hat nach Hause zu gehen, worüber er sich maßlos aufregte und sagte das das total übertrieben war und uns vermutlich nur dazu bewegen sollte in der Klinik zu bleiben.

An der Stelle kann ich wirklich nur allen Eltern sagen: hört auf euren Bauch!! Sagt eure Meinung! Ärzte wissen auch nicht alles und IHR kennt euer Kind VIEL BESSER als jeder andere….


OP von Hodenhochstand und Leistenbruch
Jetzt hatte eine neue Woche begonnen, wir waren grade aus der Klinik nach Hause gekommen – und sollten noch diese Woche wieder einrücken zur OP. Das war alles ganz schön viel für mich! Ich schlief schlecht und hatte Magenprobleme…

Am Dienstag vormittag, wir waren zu Hause und hatten alle Termin abgesagt damit Jonathan sich erstmal erholen konnte, klingelte das Telefon. Unser „Lieblingschirurg“ war dran. Er wollte wissen wie es uns, vor allem aber Jonathan, gehe. Ich habe ihm erklärt wie die Situation ist und das er die Rota-Viren hat/hatte.

Daraufhin beschloss der Arzt dass die OP verschoben werden würde. Es sei zu riskant zu operieren wenn Jonathan noch so geschwächt sei. Die Kinderklinik würde sich bei uns melden um einen neuen Termin zu vereinbaren.

Ich war erleichtert. Unendlich erleichtert! Ein Aufschub! Dann konnten wir alle erstmal den letzten Klinikaufenthalt verkraften und durchatmen. Neue Kraft tanken!!....

Und uns um eine andere „Baustelle“ kümmern….
Diejenigen die meinen Blog schon länger verfolgen wissen dass wir mit Jonathan in einem Augenärztlichen Zentrum waren und unser Besuch dort nicht von Erfolg gekrönt war: sein Augeninnendruck, seine Netzhaut und der Augenhintergrund waren immer noch nicht kontrolliert worden. Wir hatten das die ganze Zeit über im Hinterkopf, aber noch keinen Augenarzt gefunden der in der Lage gewesen wäre die notwendigen Untersuchungen bei Jonathan durchzuführen.

Als wir mit dem Rota-Virus stationär in der Klinik waren, fielen uns dort Umbaumaßnahmen auf: im Foyer der Klinik war ein Ladengeschäft geschlossen worden, dort eröffnete einige Zeit später eine Augenklinik! Nach Aussage der Schwestern die wir befragten, zwar eigenständig und nicht eine Station des Krankenhauses, aber trotzdem im Haus und mit Zugang zu OP´s und Instrumenten für Kinder von Jonathans Körpergröße.

Da die OP verschoben worden war nutzten wir die Zeit und vereinbarten in der Augenklinik einen „Kennenlern-Termin“. Wieder sagte ich am Telefon worum es mir ging und wo die Probleme bei Jonathan lagen, doch nun konnte ich hinzufügen das die Augenklinik sich bitte die Unterlagen der Kinderklinik aushändigen lassen sollte um sich einen Überblick zu verschaffen.

Das wurde mir zugesagt und ein Termin vereinbart.

Der Termin verlief auch völlig unproblematisch. Der Arzt der uns erwartete hatte sich in groben Zügen über das Krankheitsbild informiert. Er teilte uns mit das er versuchen würde den Augendruck in diesem Termin zu messen, während Jonathan wach sei. Und es klappte auch: Jonathan machte gut mit und ließ sich die Untersuchung ohne zu meckern gefallen. Auch das Ergebnis war super: der Augendruck lag im normalen Bereich.

Nun wollte der Arzt noch einen Blick auf den Augenhintergrund werfen: dazu nahm er eine Art Prisma und eine Lampe in die Hand, strahlte mit der Lampe auf das Prisma und hielt letzteres vor Jonathans Augen. Das gefiel dem kleinen Mann nun allerdings ÜBERHAUPT nicht und er fing an sich zu winden und zu beschweren. Diese Untersuchung verlief demnach ohne Ergebnis: der Arzt konnte so überhaupt nichts erkennen. Im Grunde hatte er das schon erwartet, verriet er uns – aber einen Versuch war es wert gewesen.
Der Arzt erklärte uns, das man den Augenhintergrund definitiv noch einmal genauer ansehen sollte, dies sei dann wohl aber nur mit einer kurzen Vollnarkose möglich. Während dieser Narkose hätte man aber die Möglichkeit auch den Augendruck noch einmal mit einem anderen, besseren!, Gerät zu ermitteln und das Ergebnis sozusagen zu verifizieren.

Wer nun genau auf die Idee kam weiß ich heute nicht mehr…aber irgendwann stand die Idee im Raum, nach der Operation von Leistenbruch und Hodenhochstand die Kollegen der Augenklinik in den OP zu holen, damit sie die notwendigen Untersuchungen durchführen könnten während Jonathan in Narkose lag. Dann hätte man die Augenärztliche Untersuchung „in einem Aufwasch“ mit erledigt: Jonathan müsste nur EINE Narkose für zwei Untersuchungen bekommen!! Die Narkose würde maximal 15 Minuten länger andauern müssen als es ohne die Augenärztliche Untersuchung der Fall wäre.

Für mich hörte sich das nach einem guten Plan an!!!

Aber die Organisation gestaltete sich schwierig….

Die Kinderklinik hatte mit uns telefoniert um einen neuen Termin für die Operation zu vereinbaren. In diesem Telefonat hatte ich darauf hingewiesen das auch die Kollegen der Augenklinik mit ins Boot geholt werden müssten zwecks Terminabsprache. Daraufhin teilte man mir mit das man Rücksprache mit den Chirurgen, der Augenklinik und auch unserem Kinderarzt halten wolle und sich wieder melden werde.

Das hat die Kinderklinik auch getan: man hat uns einen Termin mitgeteilt an dem wir stationär aufgenommen würden. An diesem Tag sollten Gespräche mit den Chirurgen, mit der Augenklinik und mit dem Narkosearzt zwecks Narkoseaufklärung stattfinden – einen Zettel mit den Uhrzeiten zu denen wir bei den verschiedenen Ärzten erscheinen sollten hatte man uns mitgeschickt. Nachdem wir diese Termine wahrgenommen hatten würde einer von uns (mein Mann) mit Jonathan in der Klinik übernachten, damit man überwachen könne dass der kleine Mann auch nüchtern bliebe und am nächsten Morgen finde dann die OP statt. Die Kollegen der Augenklinik kämen dann gegen Ende der OP dazu und würden ihre Untersuchungen durchführen. Danach sollten wir, wenn alles komplikationslos verlaufe, noch einen oder zwei Tage stationär bleiben und könnten dann nach Hause gehen.

Das hörte sich gut an. Wenn es denn so einfach gelaufen wäre! Was natürlich nicht der Fall war…

Wir kamen am Tag der Aufnahme in der Klinik an und meldeten uns in der Kinderklinik. Wir wurden aufgenommen und auf Station geschickt wo man uns unser Zimmer zeigte und wir uns ein wenig „einrichteten“. Und nun fingen schon die ersten Probleme an: wir hatten die Elektrolyte die Jonathan täglich benötigte nicht mitgebracht – schließlich befanden wir uns in einer Klinik und es waren keine seltenen oder außergewöhnlichen Medikamente, also hatten wir gedacht das es sicherlich kein Thema wäre sie für uns dort zu besorgen. Aber weit gefehlt: die aufnehmende Schwester fand es mehr als problematisch diese Substanzen zu organisieren und hat uns sehr vehement erklärt das wir in Zukunft ALLES mitbringen müssten was Jonathan an Medikamenten benötige. Okay: wir werden es beherzigen!

Zum Glück hatten wir alle anderen Medikamente (gegen die epileptischen Anfälle, gegen den Bluthochdruck und zum Speichern der Elektrolyte dabei: bei diesen Medikamenten hatten wir nicht gewusst ob sie vorrätig waren).

Um es vorweg zu nehmen: die Elektrolyte wurden für uns besorgt, aber wir durften sie nicht mit in unser Zimmer nehmen. Wir mussten immer wenn eine Gabe anstand zu den Schwestern gehen, diese zogen dann die Dosis auf und brachten es uns - irgendwann wenn sie Zeit dafür hatten. So lange diese Medikamente nicht gegeben waren konnte Jonathan aber auch nichts essen: erst essen und dann Elektrolyte führt bei ihm zu Erbrechen….das ganze Vorgehen war lachhaft: wir machten das zu Hause ja auch immer allein und ohne Überwachung und das seit fast einem Jahr!! Und: über alle Medikamente die wir dabei hatten mussten wir die Schwestern NICHT informieren!!

Am zweiten Tag des Klinikaufenthaltes habe ich alles von zu Hause mitgebracht damit wir „autark“ handeln konnten. Und das haben wir auch genauso kommuniziert.

Aber zurück zum Tag der Aufnahme.


Freitag, 8. September 2017

Die ersten Tage nach dem Krampfanfall zu Hause waren sehr schlimm für mich: ich hatte Angst, eher schon richtige Panik!, das es wieder passieren könnte.

Ich habe Jonathan den ganzen Tag auf meinem Arm herumgetragen, die Hausarbeit blieb liegen…wenn er geschlafen hat dann auch tagsüber meist in meinem Arm. War ich gezwungen ihn doch mal in sein Bett zu legen (weil ich duschen oder kochen musste), dann bin ich alle paar Minuten in sein Zimmer gerannt um nach ihm zu sehen.

Mein Mann hat in dieser ersten Zeit komplett im Homeoffice gearbeitet weil ich den Gedanken nicht ertragen konnte das er tagsüber stundenlang circa 90 Kilometer entfernt ist. (DANKE AN DIESER STELLE AN MAX DAFÜR DAS DIES ÜBERHAUPT MÖGLICH WAR!
MAX: THANK YOU FOR BEING SO GENEROUS AT THIS TIME!)

Aber mit jedem Tag der verging gewann ich ein Stückchen „Vertrauen“ zurück und es ging mir besser. Auch Jonathan ging es zunehmend besser: die Wirkung der krampflösenden Medikamente verging und er war nicht mehr so müde und schlapp, der Ausschlag verblasste.

Die Wochen vergingen und wir feierten unsere kirchliche Hochzeit in ganz kleinem Rahmen: 1.war es für uns ein sehr „intimer“ Tag an dem es uns ausschließlich darum ging Gottes Segen zu erhalten für unseren Weg mit Jonathan - dieser Weg würde schwierig werden und wir könnten jede Hilfe gebrauchen die wir bekommen konnten. Und 2.wäre uns eine große Feier mit Jonathan auch zu anstrengend gewesen. Wir wollten es in diesen Wochen ein bisschen „ruhiger“ angehen lassen aus Angst dass erneut ein Krampfanfall entstehen könnte wenn der kleine Mann zu sehr unter Stress stand.

Die OP an Leistenbruch und Hodenhochstand rückte näher, in circa zwei Wochen sollte sie durchgeführt werden - und mir graute schon sehr davor!!!  Um auf andere Gedanken zu kommen beschlossen wir Jonathans Geburtstagsausflug nun endlich nachzuholen! 8o)

Also haben wir samstags alles zusammen gepackt und sind in den Zoo gefahren. Hach, was waren wir aufgeregt! 8o))

Auch an diesem Tag wurden wir wieder einige Male angesprochen in der Art: „Wie alt ist denn das Kleine? Bestimmt noch ganz frisch, oder?“. Und wir mussten uns wieder einige Male vehement dagegen wehren wenn jemand Jonathan einfach anfassen wollte. Okay: das würde nun also unser Leben sein wenn wir in die Öffentlichkeit gingen! Wir mussten uns wohl oder übel daran gewöhnen…

Was mir von diesem Tag in Erinnerung geblieben ist, weil es mir sehr wehgetan hat, war die Aussage eines kleinen Mädchens.
Wir saßen beim Mittagessen, Jonathan schaute über meine Schulter zum Nachbartisch und dort saß das Mädchen –sie war vielleicht 2 oder 3- mit ihren Eltern und aß zu Mittag. Sie schaute Jonathan sehr intensiv an und sagte dann: „Papa schau mal, das Baby ist SOOO HÄSSLICH!“….ihren Eltern war das offensichtlich sehr peinlich, hatten die doch sofort bemerkt das Joni nicht gesund ist. Ich war nicht böse oder sauer..das war die Aussage eines Kindes, Kinder reden wie sie denken und das ist auch gut so! Trotzdem.. ich hatte dicke Tränen in den Augen und musste mehrfach schlucken. Ich weiß das mein Sohn „anders“ aussieht, ich sehe es ja selbst..aber es ausgesprochen zu hören war schon schlimm.

Aber bis auf diese Punkte: war der Ausflug in den Zoo genau so toll wie wir ihn uns ausgemalt hatten! Natürlich hat Jonathan nicht über den ganzen Zoobesuch hinweg aufmerksam alle Tiere angeschaut – das kann man ja noch nicht mal von einem gesunden Einjährigen erwarten, also erst Recht nicht von ihm! Aber er hat Giraffen, Zebras und besonders die Elefanten bestaunt! Ein Elefant stand direkt vor uns und hat mit dem Rüssel gewedelt: Jonathan war völlig weggetreten vor Faszination über dieses große Tier! Deswegen hat er als Erinnerung auch einen Mini-Elefanten aus Plüsch bekommen. 8o)

In den nächsten Tagen erzählten wir jedem wie toll unser Ausflug gewesen war. Wie sehr wir es genossen hätten etwas „normales“ zu tun und einfach mal gemeinsam Spaß zu haben!

Allerdings schlief ich trotz dieses schönen Erlebnisses jede Nacht ein bisschen schlechter, mir drehte sich der Magen um und ich hatte das Gefühl nicht mehr atmen zu können: der OP-Termin kam näher…


Rota-Viren
Und dann saßen wir abends mit Jonathan auf der Couch und gaben ihm die letzte Milchflasche des Tages. Er trank – und spuckte die Milch wieder aus. Naja, ab und an passiert das ja mal. Aber irgendwie…hatte ich auf einmal ein komisches Gefühl! Ich sagte zu meinem Mann das er auch mittags nach dem Gläschen gespuckt habe und nun schon wieder? Komisch…aber ok.

Wir haben nicht weiter darüber nachgedacht und ihn gekuschelt damit er einschlafen konnte. Aber er setzte sich hoch und…spuckte schon wieder. Hmmm…also jetzt wurde es mir mulmig! Das hatte er ja noch nie gemacht!

Um es kurz zu machen: das war erst der Anfang. In dieser Nacht hörte Jonathan nicht mehr auf sich zu übergeben und bekam auch Durchfall. Er trank zwischendurch immer wieder Milch und auch Tee, Flüssigkeit nahm er also auf – aber er erbrach alles wieder. Immer und immer wieder…er war völlig erschöpft und gegen Morgen war keine Flüssigkeit mehr da die er hätte ausspucken können, aber er würgte sich trotzdem unfassbar stark. Ich war nun soweit den Notarzt anzurufen.

Und in diesem Moment ging es ihm augenscheinlich besser: weder Erbrechen noch Durchfall, er entspannte sich und konnte ein wenig schlafen. Das habe ich auch getan. Aber kaum öffnete der Kinderarzt, habe ich dort angerufen und geschildert wo das Problem lag. Ich solle sofort in die Praxis kommen bekam ich gesagt.

Jonathan ist mein zweites Kind und man entwickelt ja schon ein Gespür dafür wann eine Erkrankung schlimmer ist…an diesem Morgen habe ich ernsthaft überlegt schon eine Tasche mit Klamotten für die Klinik zu packen und mit zum Arzt zu nehmen. Aber dann habe ich gedacht: das ist dann die SELBSTERFÜLLENDE PROPHEZEIHUNG! Das kann ich nicht machen, denn sonst lande ich auf jeden Fall im Krankenhaus…

Also bin ich ohne Tasche zum Arzt gefahren.

Jonathan war munter und hat geplappert und gestrampelt. Der Arzt kam und ich habe erzählt wie die Nacht so war. Er hat sich alles angehört, dabei gefragt was wir vor 2-3 Tagen gemacht hätten (ich sagte das wir im Zoo waren) und Jonathan dann ausgezogen bis er den nackten Bauch vor sich hatte. Dann hat er vorsichtig eine Hautfalte zwischen die Finger genommen, hochgezogen, losgelassen und ein niederschmetterndes Urteil gefällt:

„Es tut mir wirklich total leid. Aber Sie müssen in die Klinik fahren. Jonathan ist dehydriert und braucht vermutlich eine Infusion. Ich weiß das ist schwer für Sie…aber wir bekommen das jetzt nicht alleine hin, es ist notwendig! Ok? Ich telefoniere mit der Klinik und melde Sie an, Sie fahren heim und packen ein paar Sachen ein. Aber dann fahren Sie bitte SOFORT los. Es könnte sein das Jonathan die Rota-Viren hat. Ich melde mich in den kommenden Tagen bei Ihnen, in Ordnung?“

Ich weiß nur noch dass ich genickt und „Ok“ gesagt habe. Ich vertraute unserem Arzt, wenn er sagte das es NOTWENDIG war: dann war es das auch…aber mir gingen tausend Gedanken durch den Kopf: da hatte ich so lange von der Feier zum ersten Geburtstag geträumt und dann hatten wir den Tag nicht so feiern können wie wir wollten. Bald sollte die OP durchgeführt werden und wir würden für einige Tage in der Klinik bleiben müssen. Und JETZT sollte ich da auch hinfahren und wir würden sicherlich über Nacht bleiben müssen?? Allein beim Gedanken an die Geräusche und Gerüche ging mir der Hals zu…

Ich konnte meine Tränen nicht mehr unterdrücken. War mir peinlich, aber ließ sich nicht ändern. Die Vorstellung das Jonathan heute Abend nicht zu Hause sein würde war nun mal schlimm für mich. Und auch für Marvin würde das schlimm sein! Als Jonathan die ersten fünf Monate seines Lebens in der Klinik verbracht hatte war das für uns „normal“: wir kannten es ja nicht anders. Doch als er dann wegen der Krampfanfälle einige Tage nicht bei uns war…war das Haus auf einmal so leer und so still. Das hatten wir alle gespürt und ich hatte wenig Lust darauf das in den kommenden Tagen schon  wieder zu erleben!

Mir blieb aber keine Wahl, der Kinderarzt sagte zwar nicht dass Lebensgefahr bestehe – bat mich aber mich so schnell als möglich auf den Weg zu machen und im Krankenhaus auf einem Test nach Rota-Viren zu bestehen.

Also bin ich heimgefahren um die Tasche zu packen und habe mich nun doch geärgert das ich morgens nicht auf mein Bauchgefühl vertraut und sie schon fertig gemacht hatte. Beim Packen habe ich dann meinen Mann angerufen und auf den neuesten Stand gebracht. Er war betroffen und meinte das er leider nicht sofort in die  Klinik kommen könnte: er habe noch ein paar wichtige Meetings, käme aber am Nachmittag. Und weil er mich kennt…sagte er auch direkt das er mit seinem Chef sprechen und diesem mitteilen würde das er morgen nicht zur Arbeit käme, denn sicherlich sollte er bei Jonathan in der Klinik bleiben??? Ich solle dann gleich ein paar Sachen für ihn mit einpacken. Große Erleichterung meinerseits…spätestens seit den fünf Monaten Neonatologie sind Kliniken nicht meine Welt. Und dort zu übernachten ist für mich eine Horrorvorstellung. Wenn ich müsste würde ich es tun – aber wenn ich nicht muss, bin ich sehr froh.

Dann noch meinen Vater anrufen: er musste bei Schulschluss an der Schule stehen und Marvin abholen, ihm erklären das Jonathan in der Klinik sei. Ich würde mich melden und Marvin dann später bei meinen Eltern abholen. 

Danach habe ich also alles gepackt, vor allem die Medikamente!, und bin losgefahren. Nach 45 Minuten waren wir da und sind in die Kinderklinik gegangen. Wie versprochen hatte unser Arzt uns schon angekündigt und auch erwähnt das wir bitte NICHT im Wartezimmer sitzen sollten – also hat man uns in ein Sprechzimmer gebracht.

Jonathan meckerte ein bisschen und ich dachte das ich die Wartezeit ja damit überbrücken könnte das ich ihm ein wenig Tee gäbe. Er trank…und trank…und trank…am Ende waren es 170ml Tee, quasi in einem Zug. Das war das Vielfache von dem was er sonst trank. Und in diesem Moment war mir klar: hier stimmt etwas ganz und gar nicht!!

Der Arzt kam und ich schilderte ihm die Situation. Er stellte Fragen und machte sich Notizen. Begutachtete Jonathan und nahm ihm schließlich Blut für ein Blutbild und eine BGA (Blutgasanalyse) ab. Das Ergebnis kam schon nach kurzer Zeit: Jonathan war immens dehydriert und benötigte SOFORT eine Infusion. Also SOFORT. Ein paar Stunden später…und es wäre nichts mehr zu machen gewesen.

Vielleicht wäre ein gesundes und normal gewachsenes Kind nach einer Nacht nicht so ausgetrocknet, aber Jonathan ist eben anders. Viel kleiner und nicht so widerstandsfähig. Zudem leidet er an diesem unkontrollierten Elektrolytverlust der das Ganze nicht besser macht.

Wir wurden also auf Station geschickt. Dort legte man Jonathan einen Zugang in den Arm und er bekam Kochsalzlösung sowie ein Medikament gegen Übelkeit/Durchfall. Weiterhin wurde eine Stuhlprobe genommen um auf Rota-Viren zu testen.

Ja: da waren wir nun. Im Krankenhaus. Schon wieder. Ich konnte es nicht fassen. Wenigstens hatten wir ein Einzelzimmer. Immerhin!!

Ich habe ein wenig mit Jonathan gespielt und dann hat er geschlafen: klar, er war müde weil er in der Nacht kaum zur Ruhe gekommen war. Irgendwann kam dann mein Mann und hat „übernommen“. Ich bin nach Hause gefahren um mich um Marvin zu kümmern.

Die Wohnung fühlte sich genauso leer und still an wie ich mir das gedacht hatte. Und Marvin hatte Angst, auch das hatte ich vorausgesehen. Wie ging es seinem Bruder? Würde er wieder nach Hause kommen? Dieser Abend war nicht schön…

Mein Mann meldete sich zwar und sagte das es Jonathan so weit gut gehe: er habe noch Durchfall, aber sich nicht mehr erbrochen und sei ansonsten recht fit. Die Angst blieb trotzdem.

Am nächsten Morgen bin ich in die Klinik gefahren, auch an diesem Tag würde Marvin nach der Schule zu seinen Großeltern gehen. Mein Mann erzählte das die Nacht recht ruhig gewesen sei, Jonathan gehe es soweit gut. Die Ärzte würden Tests machen um zu schauen warum Jonathan diesen Brech-Durchfall hatte. Und ansonsten würde mein Mann jetzt gerne heimfahren und duschen - denn die Dusche in der Klinik…war nicht besonders hygienisch. (Wir haben im Nachgang dieses Klinikaufenthaltes der Klinikleitung eine Beschwerde per Email zukommen lassen, mehr möchte ich zu diesem Thema an der Stelle nicht erläutern.) Wir vereinbarten dass ich tagsüber bei Jonathan bleiben würde, dann könnte mein Mann auch noch ein wenig arbeiten, er würde gegen Abend wiederkommen.

Also habe ich Jonathan gekuschelt, mit ihm gespielt, ihn gefüttert: er aß recht gut. Hatte aber immer noch Durchfall. Sehr stark sogar. Ansonsten war er fit.

Nach dem Mittagessen wurde Jonathan müde. Da wir ein Einzelzimmer hatten stand das Klappbett meines Mannes noch aufgeklappt im Raum und ich habe mich mit Jonathan zusammen zu einem Mittagsschlaf hingelegt. Mit ihm im Arm habe ich die nötige Ruhe gefunden um zu schlafen.

Doch auf einmal wurde ich wach weil jemand den Raum betrat. Ich blickte verschlafen hoch und sah…den Chirurgen der Jonathans Hodenhochstand festgestellt und uns auf der Intensivstation besucht hatte. „O, hallo! Was machen SIE denn hier?“ fragte ich ihn. Und er sagte: „Ich wollte Sie nicht wecken, aber ich habe gelesen das Jonathan schon wieder hier ist und wollte nach Ihnen sehen.“. Er ist einfach so ein toller Mensch!! Wir haben geredet und er meinte das wir in Kontakt blieben wegen der geplanten OP: wir müssten ja erst schauen was nun bei den Tests herauskäme und wie es Jonathan in den nächsten Tagen gehen würde – eventuell müssten wir die OP auch verschieben.

An diese Möglichkeit hatte ich noch gar nicht gedacht…

Nachmittags kam eine Schwester zu uns und verkündete das die Ergebnisse der Tests vorlägen: Jonathan habe den Rota-Virus. Ich konnte es nicht fassen! Das war doch ein voll schlimmer Virus, oder?? Aber die Schwester beruhigte mich: ganz ohne sei es für Personen mit schlechtem Immunsystem natürlich nicht, aber Jonathan sei ja schon unter Beobachtung. Man könne regelmäßig kontrollieren dass er nicht dehydriere. ABER: wir stünden nun unter „Quarantäne“. Heißt: beim Betreten und Verlassen der Station mussten wir uns EXTREM gut die Hände und Unterarme desinfizieren. Wenn wir auf Station waren durften wir nicht ins Gemeinschaftszimmer für die Eltern gehen, alles was wir benötigten würden uns die Schwestern bringen. Okay: das hatte ja ein wenig den Anschein von Luxusurlaub! 8o))

Und wie lange würden wir hier bleiben müssen?, habe ich sofort gefragt. Denn mit solch einem Virus war doch vermutlich wieder ein längerer Krankenhausaufenthalt vorprogrammiert!! Aber die Schwester beruhigte mich: nur ein paar Tage bis der Durchfall besser sei, dann könnten wir gehen. Ansteckend sei Jonathan nur während des akuten Durchfalls, danach nicht mehr.

Diese Aussagen beruhigten mich. Durchfall, Erbrechen…Flüssigkeitsverlust und das in Verbindung mit dem ohnehin bestehenden Elektrolytverlust: da waren schon Ängste hochgekommen…solche Erkrankungen haben schon mehr als ein Kind mit MOPD I das Leben gekostet! Doch was die Schwester sagte hörte sich vernünftig und beruhigend an…dann wollten wir mal die „paar Tage“ in Angriff nehmen bis wir wieder nach Hause konnten!!












Freitag, 1. September 2017

Bevor wir mit den zuständigen Stationsärzten die Frage nach der Entlassung klären konnten kam ein Arzt zu uns der sich als Jonathans behandelnder Neurologe vorstellte.

…als riesiger GREYS ANATOMY FAN hatte ich direkt ein Bild vor Augen und das habe ich auch kundgetan: „Aaaaa, wie Dr. Derek Sheppard!“ Worauf unser Arzt mir mitteilte dass er kein Neurochirurg sei, sondern „nur“ Neurologe und auch nicht so gut aussähe. Da musste ich das erste Mal herzhaft über ihn lachen!

Dieser Arzt sieht vielleicht nicht so aus wie der Schauspieler von Dr. Sheppard, aber er hat eine Ausstrahlung und einen Humor die einfach ganz GROSSE KLASSE sind! Mein Mann und ich mögen ihn unheimlich gern weil er die Wahrheit sagt, schonungslos und grade heraus: genau das, was wir an Ärzten mögen und schätzen.

Der Arzt hat mit uns besprochen das Jonathan ab sofort ein weiteres Medikament benötigen würde um zukünftigen Krampfanfällen vorzubeugen: Cepra, zweimal am Tag. Bei zunehmendem Gewicht müssten wir auch immer die Dosierung des Medikaments anpassen.

Der Arzt teilte uns seine Vermutung mit, dass die Krampfanfälle ausgelöst würden durch die Hirnfehlbildungen - und die seien einfach vorhanden und gingen ja nicht mehr weg. Leider ist in so einem Fall das Medikament nicht in der Lage die Anfälle komplett zu unterbinden, also müssten wir trotz des Medikaments auch zukünftig mit Krämpfen rechnen. Und deswegen bekämen wir auch noch ein Notfallmedikament das wir Jonathan unverzüglich verabreichen müssten sollte ein neuer Krampf auftreten.

Dieses Medikament wird mittels einer Spritze und eines speziellen Aufsatzes in die Nase gespritzt. Wir tragen es seit diesem Tag in einem kleinen Döschen IMMER UND ÜBERALL mit uns herum – haben es aber noch nie gebraucht. (Dreimal auf Holz geklopft!) Jonathan hatte seit damals keine weiteren Krampfanfälle und ich bin sehr dankbar dafür, denn schön war es nicht.

Doch das wussten wir an diesem Tag noch nicht, also haben wir ganz genau hingeschaut wie das mit dem Medikament funktionieren soll und haben das Aufziehen der Spritze geübt – und dabei lauter Kochsalzlösung durchs Krankenzimmer gespritzt! Woran unser Neurologe MINDESTENS so viel Spaß hatte wie wir. Es hat wirklich richtig Spaß gemacht nach diesen Tagen mal wieder herzhaft zu lachen!!!

Um sicher zu sein das wir es auch wirklich konnten haben mein Mann und ich zum Schluss noch einmal jeden einzelnen Schritt der Gabe des Notfallmedikaments langsam ausgeführt und dabei erläutert was wir tun. Ich gebe das Gespräch mal kurz wieder:
„Ich packe die Spritze aus.“
„EEEEEEXAKT!“
„Ich zerbreche die Ampulle.“
„EEEEEEXAKT!“
„Ich stecke die Nadel auf die Spritze um das Medikament aufzuziehen.“
„EEEEEEXAKT!“

…ich denke Sie ahnen wie das Gespräch weitergeht. 8o) Wir LIEBEN dieses EEEEEXAKT und es ist ein „running gag“ in unserer Familie geworden und wird bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit angewendet. Eine SCHÖNE ERINNERUNG an unsere Erlebnisse im Krankenhaus, und davon gibt es weiß Gott nicht viele!

Der Nachmittag wurde zum Abend und auch an diesem Tag ist mein Mann bei Jonathan in der Klinik geblieben. Zum Glück war die Intensivstation nicht so stark belegt in diesen Tagen, wir hatten einen Raum für uns allein und die Schwestern haben meinem Mann ein Klappbett neben Jonathans Bett gestellt.

Normalerweise ist es nicht üblich das Eltern auf der Intensivstation übernachten: die Überwachung durch das Personal ist dort so engmaschig das eine Betreuung durch einen Elternteil nicht notwendig ist. Aber man kam uns entgegen und wir sind sehr dankbar dafür: so musste Jonathan nicht komplett allein in einer fremden Umgebung sein die ihn unter Umständen auch ängstigte.

Zum Thema Entlassung…man war sich unschlüssig ob man uns nach Hause gehen lassen konnte. Zwar hatte Jonathan keine weiteren Krampfanfälle gehabt und sein Fieber wegen der Impfreaktion war auch abgeklungen. Aber er trank noch sehr wenig, wurde dabei immer wieder müde und schlief ein. Die Ärzte waren sich zwar bewusst das dieses Verhalten eine ganz normale Reaktion auf die starken Medikamente war, die Jonathan zur Krampflösung bekommen hatte – aber sie sagten das trotzdem das Risiko einer Unterzuckerung bestand wenn er zu wenig aß. Und DAS könnten wir zu Hause nicht kontrollieren: wohl aber im Krankenhaus. Und dort wäre man auch in der Lage ihm zur Not wieder eine Sonde zu legen und ihn darüber zu ernähren. (Das war für mich allerdings nicht wirklich ein Grund in der Klinik zu bleiben: denn Sonden legen konnten WIR ja auch!)

Wir vereinbarten also mit den Schwestern das ich am nächsten Morgen bevor ich Richtung Klinik aufbrechen würde, anrufen solle: dann könne man mir sagen ob Jonathan entlassen werde oder noch bleiben müsse. Im letzteren Fall würde ich dann seine Geschenke und seine Geburtstagstorte mit in die Klinik bringen.

Ich hoffte aber sehr dass es nicht dazu kommen würde denn die Torte hatte eine Tante meines Mannes, eine selbstständige Konditormeisterin, gebacken und sie war mit Marzipan überzogen und dekoriert mit WinniePooh-Figuren. Eine wunderschöne Torte mit der wir diesen für uns so wichtigen Tag abrunden wollten – aber eben auch eine Torte die sich nicht gut transportieren ließ ohne das die Figuren um- oder abfielen oder das Marzipan flüssig wurde…

Am Geburtstagsmorgen rief ich mit klopfendem Herzen in der Klinik an: ich wollte hören das ich meine Männer gleich abholen kommen dürfte. Doch leider teilte man mir mit das noch keine Entscheidung getroffen worden sei, die Visite käme am späten Vormittag und ich sollte doch lieber alles mitbringen.

Mit Tränen in den Augen habe ich dann die Geschenke (einen Autotransporter von den TutTut-Babyflitzern sowie einen Marienkäfer von Playmobil 1-2-3 den Marvin seinem Bruder schenken wollte) und die Torte eingepackt und bin losgefahren. Wenigstens hatte man uns zugestanden das Marvin mitkommen durfte: WENN er sich vor dem Betreten der Station komplett untersuchen ließe und wir seinen Impfausweis mitbringen würden. Ich danke an der Stelle den Ärzten und Schwestern der Intensivstation für Ihre Großzügigkeit. Mir ist bewusst dass es nur möglich war weil wir ein Einzelzimmer hatten mit direktem Zugang zum Flur, so dass Marvin die Station nicht betreten musste. Trotzdem: vielen Dank das wir wenigstens zusammen sein konnten an diesem Tag!!

Nachdem Marvin dann untersucht und für komplett gesund befunden wurde durften wir zu Jonathan. Er lag in den Armen meines Mannes und war so schlapp und müde…es war furchtbar!! Hatte ich mich doch so lange auf diesen besonderen Tag gefreut weil ich die Klinikzeiten vergessen wollte und nun waren wir GENAU HIER wo alles angefangen hatte. Wieder die Maschinen und Geräusche und Gerüche…GANZ FURCHTBAR, mir war der Hals so eng!!! Marvin und ich haben versucht Jonathan ein wenig zu knuddeln und ihn zu küssen, doch immer noch hingen Elektroden an ihm und er hatte immer noch den ZVK, deswegen gestaltete sich das alles sehr schwierig.

Geschenke auspacken….wir haben es versucht. Doch Jonathan war viel zu schwach und hat die Sachen auch nur lustlos betrachtet. Dabei hatten wir uns diesen Moment so oft vorgestellt und in den schönsten Farben ausgemalt…nun war alles anders und nicht schön. Ich wurde von Minute zu Minute trauriger.

Irgendwann habe ich Jonathan dann gehalten und ihn angesehen. Mir kamen die Tränen: es war wie eine Dauerschleife in meinem Kopf „heute ist sein 1.Geburtstag und er ist wieder im Krankenhaus“…“Der Tag ist nicht so wie wir ihn gestalten wollten und diesen Tag kann man auch nicht mehr zurückholen“..

Genau in dem Moment als ich merkte dass ich gleich das Schluchzen nicht mehr würde unterdrücken können – kam die Visite. Ich weiß gar nicht mehr genau wer alles dabei war, ich weiß nur noch das der Klinikleiter der Kinderklinik dabei war und er mich fragte wie es Jonathan und mir ginge. Oje…das war der falsche Moment für so eine Frage!! Ich fing an lauthals zu weinen und habe ihm gesagt dass Jonathan heute Geburtstag hat und ich mir diesen Tag ganz anders vorgestellt hatte! Das wir eigentlich heute einen Ausflug in den Zoo machen wollten um mit der langen Zeit in der Klinik abzuschließen, um nach vorne zu blicken und zu vergessen was alles gewesen ist – und nun seien wir ausgerechnet wieder HIER!! ..außerdem habe ich ihm gesagt das ich zwei Tage zuvor einen Zusammenbruch hatte und keine Ahnung hätte wie ich es in diesen vier Wänden nun WIEDER aushalten sollte, ich hätte einfach keine Kraft mehr für den Klinikalltag.

Dann habe ich Luft geholt und ….mich richtig geschämt. Dieser Ausbruch von Worten und Tränen war mir so peinlich! Wusste ich doch das die Ärzte, und grade der Klinikleiter, so viel für uns getan hatten und uns hier so gut betreuten. Und ich konnte nur „meckern“. Aber es war geschehen: das alles war einfach aus mir rausgebrochen. Ich wischte mir also energisch die Tränen ab, sah ihn an und hoffte dass er nicht sauer war.

War er nicht…überhaupt nicht! Er hat mich angesehen und mir gesagt dass er mich SO GUT verstehen und total nachempfinden kann was ich fühle! Schließlich kannten wir uns schon seit Beginn unserer Klinikzeit und er wusste wie anstrengend die Monate auf der Neonatologie für uns gewesen waren.

Und dann sagte er: „Na, dann packen Sie mal alles zusammen und fahren Sie mit Ihrem Geburtstagskind heim! Einen Ausflug können Sie heute vielleicht nicht machen, aber wenigstens ein paar Stunden zu Hause feiern und gemeinsam Kuchen essen!“…Ich blickte ihn sprachlos an und…heulte los. Schon wieder!! Meine Güte, ich kam mir vor wie eine Heulboje!! Schlimm! Denn normalerweise habe ich NICHT so nah am Wasser gebaut. Ich habe dann noch zweimal nachgefragt ob er das ernst meint oder mich veräppeln will, aber er sagte dass er es genauso meint. Die Ärzte könnten jetzt auch nicht mehr tun als wir zu Hause und wenn ein neuer Krampfanfall kommen sollte, dann müssten wir eben wieder den Notarzt rufen.

Also haben wir alles zusammen gepackt: aber nicht ohne den Schwestern und Ärzten noch ein paar Stücke Kuchen da zu lassen. 8O))

Zuhause angekommen haben wir uns erstmal alle zusammen an den Tisch gesetzt und Kuchen gegessen, auch Jonathan hat ein wenig Schokoladencreme bekommen. Allerdings hing er wie ein kleiner nasser Sack auf meinem Schoß und ich habe ein wenig Bedenken bekommen ob es das Richtige war ihn mit nach Hause zu nehmen. Hatten wir das nur aus Egoismus getan diesen Tag mit ihm feiern zu wollen und dabei vielleicht zu wenig an ihn und sein Wohlergehen gedacht? Wäre es nicht doch besser gewesen ihn noch in der Klinik überwachen zu lassen?

Aber einige Stunden später wurde ich eines Besseren belehrt: Jonathan aß mit einem Appetit der sagenhaft war! Die Sorge der Ärzte dass er nicht genug essen könnte war also unbegründet.

Heute wissen wir das es die sogenannte HOSPITALISIERUNG gibt: Jonathan hat ein Trauma durch den langen Klinikaufenthalt zurückbehalten. Und mag er auch behindert sein und deswegen seine Umwelt vielleicht nicht so wahrnehmen wie andere Kinder, so versteht er sehr wohl wenn er sich in einem Krankenhaus befindet. Das mag er nicht, vielleicht macht es ihm Angst: vielleicht weiß oder ahnt er das ihm hier immer wieder Schmerzen zugefügt werden. Aus diesen Gründen stellt er die Nahrungsaufnahme ein. Und trinkt auch nicht. Kontraproduktiv wenn man entlassen werden möchte und das Kind ein Verhalten zeigt als sei es nicht in der Lage allein zu essen und zu trinken!!

Aber jetzt waren wir erst mal zu Hause und haben den Geburtstag dann doch noch IRGENDWIE gefeiert. Zwar nicht so wie wir uns das vorgestellt hatten, aber ein ganz furchtbarer Tag war es am Ende dann auch nicht…

Irgendwann wurde es aber Zeit für Jonathan ins Bett zu gehen, er war noch ganz schön geschlaucht von den ganzen Medikamenten und der Aufregung. Tja…an der Stelle muss ich mich nun als Glucke outen. Allein die Vorstellung das Jonathan in seinem eigenen Bett liegen würde -und zwar in seinem eigenen Zimmer!- bescherte mir Schweißausbrüche!! Was wäre wenn er wieder einen Krampfanfall hätte und wir das nicht mitbekommen würden???

Ich wollte ihn bei mir haben, ganz eng…also habe ich meinem Mann meine Ängste gebeichtet und gesagt das ich Jonathan mit in unser Bett nehmen und die ganze Nacht festhalten möchte – sonst würde ich wohl keine Ruhe finden.

Also haben wir es genauso gemacht. Er ist im Arm meines Mannes eingeschlafen und dort geblieben bis wir ins Bett gegangen sind. Dann habe ich ihn die komplette Nacht im Arm gehalten, ganz eng an mich gedrückt.

Vielleicht sagen jetzt einige „Erziehungsexperten“ dass dieses Vorgehen GANZ SCHLECHT war…aber das ist mir egal!! Für mich war es in diesem Moment das Richtige, ich habe dadurch die nötige Ruhe gefunden. Außerdem finde ich dass sich Eltern viel mehr auf ihr Bauchgefühl und viel weniger auf Erziehungsratgeber verlassen sollten!! Ist doch jeder Mensch ein Individuum mit eigenen Bedürfnissen – wie soll EIN Buch alle diese einzigartigen Eigenschaften über einen Kamm scheren??

Ich scheue mich jetzt auch nicht zu sagen das Jonathan noch für mehrere Wochen jede Nacht in meinem Arm geschlafen hat bevor ich innerlich so weit war ihn ein Stückchen loszulassen…dann hat er in der Mitte des Bettes gelegen…wieder eine Weile später ist er in einen Stubenwagen in unserem Schlafzimmer umgezogen..und sehr viel später auch zurück in sein eigenes Bett.

Diese Zeit habe ich gebraucht um die Angst und die Eindrücke des Krampfanfalls zu verarbeiten. Es war ein Gefühl von Sicherheit wenn ich ihn ganz eng an mir gespürt habe weil ich mir eingebildet habe dann rechtzeitig mitzubekommen wenn ihn ein erneuter Krampf ereilt.

Eigentlich wollten wir uns ja nicht gegenseitig danken in diesem Blog, aber….trotzdem ein großes Dankeschön an meinen Mann….er hat diese ganzen langen Wochen nie gemeckert oder in Frage gestellt das Jonathan bei uns schläft…er hat nur immer gemeint das ich mir Zeit nehmen soll, wenn es das ist was ich brauche – dann sei es so…
DANKE MANN! FÜR DEINE GEDULD… UND FÜR ALLES ANDERE: DU LIEBST JONATHAN UND HADERST NIE MIT UNSEREM SCHICKSAL. DU UNTERSTÜTZT MICH BEI ALLEM WAS ICH MACHE – UND OBWOHL DU MANCHE WEGE NICHT IN DERSELBEN FORM GEHEN WÜRDEST SAGST DU MIR DAS DU STOLZ AUF MICH BIST.
ICH GLAUBE ES GIBT NUR WENIGE MÄNNER DIE SO SIND WIE DU, UND ICH BIN FROH DAS WIR UNS GEFUNDEN HABEN. ICH LIEBE DICH.