Freitag, 25. August 2017

Wir kamen in der Kinderklinik an (mein Mann war mit dem Auto direkt hinter dem Krankenwagen geblieben und deswegen zeitgleich vor Ort) und wurden sofort in einen Behandlungsraum gebracht. Die Ärztin die Dienst hatte kannte uns schon aus unseren Klinikzeiten, außerdem hatte sich schon herum gesprochen dass wir auf dem Weg waren und so kamen noch zwei Schwestern der Neonatologie vorbei um nach uns zu sehen. Das war wirklich sehr sehr schön und wichtig für mich! Ich fühlte mich mit bekannten Menschen um mich herum gleich viel ruhiger.

Mein Mann kümmerte sich um Jonathan, zog ihn aus und half der Schwester die Dioden und das Gerät zur Messung der Sauerstoffsättigung an ihm zu befestigen. Ich konnte Jonathan nicht anfassen, und auch nicht wirklich ansehen: er hing wie ein kleiner Sack in den Armen meines Mannes – komplett schlaff…die Augen halb offen und verdreht. Dabei gab er leise fiepende Geräusche von sich, als wolle er weinen und es ginge nicht…er sah einfach…geistig schwerstbehindert aus! Und nicht mehr wie mein Sohn der mich wach und neugierig betrachtete. Ich konnte es nicht ertragen ihn so zu sehen…vor allem nicht mit dem Hintergedanken das das Gehirn am Ende Schaden genommen haben und der Zustand dauerhaft so bleiben könnte! 

Ich konnte das Weinen nicht mehr unterdrücken…und ließ einfach los…die Ärztin und die Schwestern kannte ich schon, und es waren nicht die ersten Tränen die ich in dieser Klinik vergoss, also…

Diese Eindrücke und Bilder…bekomme ich bis heute nicht aus meinem Kopf..und bis heute habe ich Angst davor dass das wieder passieren könnte, diese Panik hat sich so in meinem Kopf manifestiert: ich kann bei Hitze nicht mit Jonathan Auto fahren aus Angst das er krampfen könnte…ich kann ihn nicht mit Blitzlicht fotografieren lassen aus Angst das das einen Krampf auslösen könnte…ich kann es nicht ertragen wenn er hysterisch schreit, am Ende bekommt er dann einen Krampf?? Ja: alles das hat dieser eine Abend ausgelöst.

Ich saß der Ärztin gegenüber, weinte und versuchte trotzdem ihre Fragen so genau wie möglich zu beantworten: was hatten wir gemacht als Jonathan anfing zu krampfen? Wie sah der Krampf aus? Wie lange hatte er gedauert?


Das war alles so irreal! War ich wirklich wieder hier? Ging es meinem Kind wirklich schlecht oder würde ich gleich aufwachen und alles war gut und wir zu Hause??

Es war real und man wollte Jonathan über Nacht hier behalten und überwachen. Ich habe meinem Mann gesagt dass ich nicht bleiben kann. Ich konnte Jonathan momentan kaum ansehen, wie sollte ich mich da um ihn kümmern??? Weil ich schon zu Hause gespürt hatte das diese Gefühle in mir waren hatte ich Kleidung für meinen Mann eingepackt – und nicht für mich….Und wieder einmal war es gut das mein Mann so ruhig und gelassen ist: ihm machte es überhaupt nichts aus bei unserem Kleinen zu bleiben. Jonathan war sein Sohn und der brauchte ihn nun – also kümmerte sich mein Mann um ihn. Ohne eine Träne zu vergießen oder zu jammern…

Ich habe die beiden noch auf die Station begleitet und Jonathan einen Kuss  gegeben, dann bin ich gefahren…irgendwie erleichtert das ich diese Mauern der Klinik hinter mir lassen konnte…andererseits auch wie in Trance weil ich nicht fassen konnte das wir schon wieder mit dem Kleinen stationär in der Klinik waren!

Von der Fahrt nach Hause habe ich irgendwie nicht viel mitbekommen. Meine Gedanken schweiften ab…die Eindrücke dieses Abends, das Unverständnis über das was heute passiert war…die Angst wie Marvin das verkraften würde…die Angst ob Jonathan Schaden genommen hatte. Es war sehr viel was auf mich einstürzte….

Zu Hause wartete mein Papa schon ungeduldig auf mich und Neuigkeiten. Ich konnte ihm sagen dass der Krampf vorbei war, dass Jonathan soweit stabil sei. Aber ich musste ihm auch erklären das uns niemand sagen könne ob sein Gehirn Schaden genommen habe – ob er aufwachen würde…und wenn er aufwachte: ob er dann derselbe war wie noch heute Nachmittag. Immerhin: er lebte..und war nun in den besten Händen.
Marvin hatte am nächsten Tag Schule und deswegen nicht auf mich warten dürfen. Doch mein Papa erzählte mir das Marvin sehr mitgenommen gewesen sei, er habe große Angst um seinen Bruder ausgestanden…Angst das sein Bruder sterben könne – wie Marvins Papa ein paar Jahre zuvor.

Deswegen bin ich zu Marvin gegangen, habe ihn geweckt und ihm gesagt das alles gut sei und Jonathan am Leben. Danach konnte mein Großer gut und ruhig schlafen…

Im Gegensatz zu mir..zuerst musste ich das Wohnzimmer aufräumen: die Verpackungen und Materialien die der Notarzt benutzt hatte lagen noch herum…die ganze Situation wurde real für mich, ich hatte die Bilder von vorhin wieder im Kopf…

…ganz ehrlich? Ich habe mir erst mal einen doppelten Whiskey genehmigt und bin dann ins Bett gegangen…aber ich war unruhig…träumte schlecht in dieser Nacht und bin früh aufgestanden weil es nichts mehr gebracht hätte sich weiter im Bett hin und her zu drehen, ich fand ja doch keine Ruhe.

Ich habe Marvin Schulbrote gemacht und als er aufgestanden war habe ich ihm gesagt dass er nach der Schule zu seinen Großeltern ginge weil ich in die Klinik fahren würde.

Als ich grade losfahren wollte Richtung Klinik bekam ich eine SMS von meinem Mann: „Er krampft schon wieder.“ Ich habe auf´s Handy gestarrt und konnte die Worte trotzdem nicht richtig sehen. Habe geantwortet dass ich losfahre, aber im Berufsverkehr sicherlich zwischen 45 und 60 Minuten für den Weg benötigen würde.

Ich war wie in Trance. Und hoffe das niemals ein Polizist diesen Blog liest, denn ich habe während der Fahrt einige SMSen meines Mannes gelesen: „Die Ärzte bringen Jonathan jetzt auf die Intensivstation.“ ..und: „Er krampft immer noch.“……“er krampft jetzt seit fast 45 Minuten“….“Ich wurde aus dem Zimmer geschickt, der Klinikleiter ist bei ihm.“…

Während der Fahrt dachte ich wirklich dass ich mein Kind nicht mehr lebend sehen würde, dass der Kuss am Abend davor der letzte gewesen sei. Diese Fahrt in die Kinderklinik war die Hölle und es kam mir vor als würde ich mit meinem Auto überhaupt nicht vorwärts kommen…

Doch irgendwann war ich da und bin auf die Intensivstation gegangen. Mein Mann war immer noch im Wartezimmer und hatte keine neuen Informationen. Es war eine schreckliche Situation!! Dort zu sitzen, und nicht zu wissen was los war – ob Jonathan überhaupt noch lebte??

Unsere Gedanken standen im Raum und deswegen…so furchtbar das auch ist!...haben mein Mann und ich uns in dieser Situation darüber unterhalten wie weit wir überhaupt gehen wollen: welche Maßnahmen dürfen die Ärzte ergreifen und wo ist für uns der Punkt gekommen Jonathan gehen zu lassen?? Er hat einen lebensverkürzenden Gendefekt, wann sind Maßnahmen zur Wiederbelebung nicht mehr angemessen???

Ich denke kaum jemand kann nachvollziehen wie es sich anfühlt nur wenige Meter von seinem Kind entfernt darüber zu reden wann und wie man es sterben lassen will. Aber dieses Gespräch war notwendig und wir HABEN es geführt. Doch welche Entscheidung wir getroffen haben – bleibt bei uns, das ist zu persönlich um es zu teilen.

Die Minuten dehnten sich und fühlten sich an wie Stunden. Mein Mann ging mehrfach zu den Schwestern und fragte ob es etwas Neues gäbe, doch er bekam immer nur die Antwort dass die Ärzte noch bei Jonathan seien und man uns informieren werde sobald es etwas Neues gab.

Diese Zeit der Ungewissheit und der Angst hat sich so in mein Gehirn eingebrannt das ich heute noch das Muster auf der Tapete und jeden Fleck darauf aufmalen könnte. Ich dachte wirklich dass ich mein Kind nicht mehr lebend sehen würde…

Doch dann…teilte man uns mit das wir nun zu Jonathan könnten, er sei stabil. Er hatte einen GRAND MALE ANFALL und der Klinikleiter hatte ihm einen ZVK (einen Zentralen Venenkatheter) über den Hals ins Herz legen müssen um ihm Medikamente zu geben.

Er lebte!!! Ich konnte es nicht glauben!! Allerdings konnte uns nun erst recht niemand sagen ob sein Gehirn Schaden genommen hatte…der Anfall hatte SEHR LANGE gedauert. Man würde mehr wissen wenn Jonathan aufwache…

Wir durften zu ihm: da lag er…so klein und total verkabelt in seinem Bettchen. Hochheben und ihn im Arm halten war nicht möglich wegen des ZVK, wir mussten uns damit begnügen seine Hände festzuhalten oder ihn zu streicheln. Die Schwestern sagten uns das er noch einige Stunden schlafen würde, das Medikament das man ihm zur Krampflösung gegeben habe sei wirklich sehr stark.

Also beschlossen mein Mann und ich uns nach dem Schreck in der Kantine des Krankenhauses zu stärken und auch mal kurz durchzuatmen um den Schreck zu verdauen.

Auf dem Stationsflur begegneten wir dem Chirurgen der Jonathans Hodenhochstand festgestellt hatte. Ich grüßte und wollte weitergehen, doch er hielt mich auf und sagte dass er zu uns wolle. Er hätte auf der Belegungsliste gelesen dass wir da seien und wollte sich mal erkundigen wie es Jonathan gehe.

Das hat mich SCHWER beeindruckt!! Als Chirurg war er bei einem Krampfanfall mit Sicherheit NICHT zuständig, das heißt dass sein Interesse wirklich unserem Sohn galt. In diesem Moment habe ich ihm mein Herz geschenkt! Und es bis heute nicht bereut. Er ist ein ganz toller Mensch und ein wundervoller Arzt. Wenn man ihn kennt ist er weder kühl noch kurz angebunden – eher im Gegenteil! Er ist einer der warmherzigsten Ärzte die wir kennen und hat ein EHRLICHES Interesse an unserem Sohn. Ich bin sehr froh dass wir ihn kennengelernt haben!! Und gestehe an dieser Stelle reuevoll ein dass mich mein erster Eindruck SEHR getäuscht hat!!

Wir haben also kurz mit diesem Arzt geredet und ihm alles erzählt, ihm auch unsere Ängste darüber mitgeteilt das Jonathan einen bleibenden Hirnschaden davon getragen haben könnte. Er versprach am nächsten Tag erneut bei uns vorbeizukommen und nach uns zu sehen.

Mein Mann und ich machten eine Pause, aßen und tranken etwas und gingen danach wieder auf die Station -  Jonathan schlief.

Zwei Damen der Neurologie kamen vorbei um ein EEG zu machen. Sie „verkabelten“ Jonathan und begannen die Auswertung. Leider durften sie keine Aussagen zu den Ergebnissen treffen, „das würde dann ein Arzt mit Ihnen besprechen“. Furchtbar wenn man als Eltern so im Ungewissen gelassen wird!!! In so einer beängstigenden Situation will man alles – aber nicht noch WARTEN auf neue Befunde!!

Immerhin konnte ich Hirnströme auf dem EEG sehen, das hieß das Hirnaktivität vorhanden war und das war doch schon mal eine Erleichterung!

Es wurde Nachmittag: Jonathan schlief immer noch und wir konnten hier momentan nichts weiter für ihn tun, also beschlossen wir nach Hause zu fahren und mit Marvin zu grillen. Für ihn war es auch ein Schock gewesen als Jonathan so unverhofft in die Klinik gekommen war und wir wollten Zeit mit ihm verbringen.

Mit den Schwestern haben wir vereinbart das sie sofort anrufen würden wenn Jonathan aufwache: einer von uns würde dann in die Klinik zurückkommen. Wir wollten Jonathan in die Augen sehen um zu beurteilen ob er noch genauso war wie vorher – oder eben nicht. Denn das war etwas das uns große Sorgen und Angst machte. Ich hatte mich ja mittlerweile mit der Tatsache arrangiert das ich ein behindertes Kind habe – aber ein geistig SCHWERST behindertes Kind…das war weiterhin eine Horrorvorstellung für mich und ich wollte so schnell als möglich wissen woran ich war.

Wir fuhren heim und grillten mit Marvin. Aber ich war mit meinen Gedanken woanders: wie ging es Jonathan? War er wach? Warum riefen die Schwestern nicht an? Schlief er etwa immer noch??

Nach dem Essen meinte mein Mann das ich doch in der Klinik anrufen und nachfragen solle, sonst hätte ich sowieso keine Ruhe. Also habe ich das gemacht. Und die Antwort bekommen das Jonathan immer noch schlafe. Ich war entsetzt: er schlief immer noch? Seit heute MORGEN? War das normal oder ein Zeichen für einen Hirnschaden?? War es ein Koma? Würde er überhaupt jemals wieder aufwachen???

Und dann hatte ich einen Nervenzusammenbruch. Glaube ich. Ich habe geweint, gebrüllt und geschrien: „Ich will das er bei mir ist. Ich will mein Baby. MEIN BABY!! SOFORT!“ Habe mich auf dem Boden zusammen gekrümmt…konnte nicht aufhören zu heulen und zu schreien. Es war einfach alles zu viel in diesem Moment. Die Anspannung und die Belastung brach sich Bahn.

Mein Mann hat mich ins Bett gebracht und mir eine Schlaftablette gegeben so dass ich wenigstens etwas Ruhe finden konnte.

Am nächsten Morgen ging es mir besser. Wir haben in der Klinik angerufen und man teilte uns mit das Jonathan eben ganz kurz wach gewesen sei und ein wenig Milch getrunken habe. Das war doch schon mal ein gutes Zeichen!!!

Mein Mann und ich machten uns auf den Weg ins Krankenhaus, wir wollten Jonathan selbst in die Augen sehen.

Als wir dort ankamen schlief er wieder. Aber einige Elektroden waren entfernt worden und die Schwestern sagten uns wenn wir auf den ZVK aufpassten könnten wir ihn ruhig auf den Arm nehmen und wecken. Jetzt hielt mich nichts mehr! Ich habe ihn hochgenommen, er war in Decken und Tücher gewickelt und nackt bis auf die Windel. Endlich durfte ich mein Baby wieder in den Armen halten und seine Wärme spüren.

Ich habe ganz leise mit ihm geredet und seinen Namen gesagt um ihn zu wecken. Er schlug die Augen auf und…sah mich genauso aufmerksam und wach an wie immer! Das war derselbe Blick aus seinen grau-blauen Augen wie immer!! Mir kamen die Tränen, ich war SO erleichtert!!

Nicht nur das uns Zeit mit ihm geschenkt worden war – uns war Zeit mit demselben Kind geschenkt worden wie vorher. Offensichtlich hatte sein Gehirn keinen weiteren Schaden genommen…(das teilte uns an diesem Tag dann auch ein Arzt mit: die Auswertung des EEG habe ergeben das die Krampfanfälle keine weiteren Schädigungen ausgelöst hätten.)

Allerdings war Jonathan müde und erledigt, das sah man ihm an. Er konnte die Augen nur wenige Minuten offen halten und schlief dann direkt wieder ein.

Ich war glücklich und unendlich erleichtert. Während ich dort saß und mein schlafendes Baby in den Armen hielt habe ich mir geschworen alles klaglos anzunehmen was mich mit Jonathan erwartet…denn ich hatte gespürt wie groß meine Angst war ihn zu verlieren…

Wie versprochen kam der Chirurg vorbei und erkundigte sich nach uns. Ich denke auch er war erleichtert uns so glücklich und zuversichtlich vorzufinden. Dass er sein Versprechen hielt und sich die Zeit nahm nach uns zu sehen hat mir wirklich sehr viel bedeutet!!

Es war Nachmittag geworden auf der Intensivstation der Kinderklinik. Wir hatten Jonathan beide gekuschelt, wir hatten ihm zu essen gegeben, wir hatten beide gesehen das der Blick aus seinen Augen derselbe war wie vorher. Er hatte keinen weiteren Krampfanfall mehr gehabt, seine Werte waren alle stabil. Die Auswertung der Blutuntersuchung lag vor: Jonathan hatte tatsächlich eine sehr starke Impfreaktion. Im Klartext gesagt: er hatte Masern, Röteln und Windpocken…und zwar alles gleichzeitig!!

Die Frage die wir uns seit damals immer wieder stellen: kam der Krampfanfall von seinem fehlgebildeten Gehirn??? Oder war er eine Reaktion auf die Impfung??? Laut Aussage unseres Kinderarztes tritt ein      (Fieber-)Krampf nach dieser Impfung nur im Verhältnis 0,7 zu 1000 auf – das heißt, noch nicht einmal 1 von 1000 geimpften Kindern durchlebt das. Aber wir??? Die Krankheit selbst war schon so selten, sollten wir dann auch noch zu dem verschwindend geringen Kreis der Personen gehören die als Reaktion krampften??? Wir wissen bis heute nicht was der Auslöser war…

Aber: mittlerweile war der Ausschlag rückläufig, auch Fieber hatte Jonathan nicht mehr. Nun stellte sich die Frage: wie lange müssen wir noch hierbleiben??? Denn dieser Tag…war der Tag vor Jonathans erstem Geburtstag.








Freitag, 18. August 2017

Eineinhalb Wochen vor Jonathans erstem Geburtstag stand eine große Impfung an: MMRV, also Mumps/Masern/Röteln/Varizellen (Varizellen = Windpocken). Es war nicht seine erste Impfung und so rechnete ich mit Fieber für ein oder zwei Tage. Als ich mich auf den Weg zum Kinderarzt machte hatte ich schon den Medikamentenschrank kontrolliert: waren noch fiebersenkende Mittel da?? Und waren sie noch haltbar und voll?

Schon am Abend des Impftages hat Jonathan hohes Fieber bekommen und war schlapp und erschöpft. Aber wir waren ja darauf eingestellt und haben ihm gleich Medikamente gegeben. Ich weiß nicht mehr ob es am nächsten oder übernächsten Morgen war…aber er hat an Brust und Rücken Ausschlag bekommen…

Sofort habe ich beim Kinderarzt angerufen und bin zu ihm gefahren. Er schaute Jonathan an und fragte wie hoch das Fieber sei und ob es sinke wenn ich Medikamente geben würde – das tat es nur unwesentlich… Jonathan hatte eine Impfreaktion: bei 2 von 100 Kindern treten nach dieser Impfung Fieber und Ausschlag auf…also weiter Medikamente geben, schauen das er ordentlich trinkt und ausreichend schläft und dann einfach abwarten. Okay…ich war etwas beruhigt.

Es vergingen dann noch ein oder zwei Tage…der Ausschlag wurde immer stärker. Breitete sich über den ganzen Körper und das Gesicht aus. So etwas hatte ich noch nicht gesehen! Es waren rote Flecken mit unregelmäßigen Rändern, manche flach und manche etwas erhaben, schorfig und/oder pickelig.

Jonathan hat nur noch geschrien. Das Fieber war nicht unter 39 Grad Celsius zu bekommen und er wollte weder essen noch trinken. Vormittags lag er in meinem Arm und weinte so furchtbar, er klang einfach gequält. Ich sah dass er schlafen wollte aber immer wieder wachte er auf und schrie wie am Spieß. Nach einer Stunde wurde ich total unruhig. Mir war schlecht und ich bekam Angst. Ich wollte SOFORT mit meinem Kinderarzt sprechen, irgendwas stimmte da nicht.

Ich habe in der Praxis angerufen und bin sofort losgefahren. Vorher habe ich noch meinem Mann eine SMS geschrieben, dass er früher Feierabend machen und heimkommen soll denn irgendwas sei ganz und gar nicht in Ordnung.

Mein Kinderarzt warf einen Blick auf Jonathan und sagte dass dies eine so starke Impfreaktion sei wie er sie seit bestimmt 10 Jahren nicht mehr gesehen habe.

Ich sollte weiterhin viel zu trinken anbieten und die Räume in denen wir uns aufhalten abdunkeln: Jonathan würden die Augen wehtun wenn es zu hell sei. Wir bekamen eine Creme mit der ich den Ausschlag eincremen sollte damit er nicht juckt. Auch weiterhin Fiebersenkende Medikamente geben - Ibuprofen und Paracetamol immer im Wechsel und das alle paar Stunden. Wenn das Fieber nicht sinken würde: Brustwickel. Und zur Not erneut beim Kinderarzt anrufen.  

Jetzt wusste ich was mit Jonathan los war und ich konnte etwas dagegen unternehmen. Ich war erleichtert und ruhig als ich nach Hause fuhr. Das würden wir schon überstehen: in eine paar Tagen war der Spuk vorbei!

Mein Mann kam trotzdem früher von der Arbeit nach Hause. Wir haben zu Abend gegessen. Ich habe noch ein paar Fotos von Jonathan gemacht weil ich dachte das ich den Ausschlag dokumentieren muss: damit ich später anderen Eltern von MOPD-Kindern nahe legen kann diese Impfungen einzeln durchführen zu lassen um das Risiko einer so starken Reaktion zu minimieren….

Dann hat mein Mann Jonathan genommen und ist mit ihm kuscheln gegangen während ich in der Küche für Ordnung gesorgt habe. Und plötzlich…

(..ich bekomme immer noch Gänsehaut und es ist SEHR schwer für mich diese Momente noch einmal zu durchleben während ich sie aufschreibe…dieser heutige Bericht ist für MICH der emotionalste den ich bisher geschrieben und veröffentlicht habe…und ich habe für diese wenigen Seiten fast zwei Wochen gebraucht - weil ich oftmals nicht mehr in der Lage war weiter zu schreiben und mich in diese Momente zurückzuversetzen….auch Korrektur lesen war mir nicht möglich, deswegen entschuldigt Grammatik und/oder Rechtschreibfehler…)

…schrie mein Mann: „Komm schnell! Ich glaube er hat einen Krampf!“…ich dachte zuerst an einen Krampf im Bein, einen Wadenkrampf..ich habe mir gar nichts schlimmes dabei gedacht. Aber da mein Mann so laut und vehement gerufen hat bin ich aus der Küche Richtung Wohnzimmer gelaufen, mein Mann kam mir schon entgegen und hielt mir unseren Sohn hin. Ich habe ihn genommen und betrachtet: er war schlaff, die Augen waren verdreht und schauten nach rechts oben – es war fast nur weiß zu sehen, dabei zuckte er unkontrolliert mit dem Kopf und reagierte nicht auf Ansprache.

Mir wurde flau….die Ärzte in der Klinik hatten uns wegen der Hirnfehlbildungen Krämpfe prophezeit. Unser Kinderarzt hatte zu Anfang immer wieder heruntergebetet wie ich reagieren solle wenn Jonathan einen Krampf bekäme. Aber mit der Zeit hatten wir alle verdrängt dass so etwas passieren könnte!!! Wenn die Monate ins Land gehen und nichts Schlimmes passiert dann wähnt man sich auf der sicheren Seite und vergisst die Gefahr.

Jetzt hieß es aber einen kühlen Kopf bewahren und sich daran erinnern was der Kinderarzt gesagt hatte….

Ich habe meinem Mann Jonathan zurückgegeben und gesagt dass er ihn in die stabile Seitenlage bringen soll. Auf Jonis Zunge und ein mögliches Erbrechen achten soll und ich in der Zeit den Notarzt rufen würde.

Für mich wäre es in diesem Moment nicht möglich gewesen mich mit Jonathan zu befassen. Sein Gesichtsausdruck, das Zucken…ich konnte das NICHT ertragen!! Und wollte das auch nicht anschauen müssen. Zum Glück war DAS für meinen Mann ok, er hätte aber nicht die richtigen Worte gefunden um dem Notarzt deutlich zu machen was bei uns grade geschah. Wir machten also Teamwork…

Ich sagte dem Notruf genau das was mein Kinderarzt mir aufgetragen hatte zu sagen: „Hallo, mein Kind hat einen extrem seltenen Gendefekt. Er hat eine Lissenzephalie (das bedeutet: glattes Gehirn, ohne Windungen) und die Neigung zu Krämpfen. Er krampft grade und wir brauchen sofort einen Arzt.“

Gefühlte Ewigkeiten vergingen…in dieser Zeit habe ich meinen Vater angerufen und im Kasernenhof-Ton erklärt: „Jonathan hat einen Krampf, der Notarzt kommt, wir müssen in die Klinik. Komm bitte her und kümmere Dich um Marvin!“ …und die Tasche für die Klinik gepackt: für meinen Mann und auch für Jonathan. All das konnte ich tun. Aber mein Kind ansehen konnte ich nicht. Ich habe es nicht ertragen ihn so zu sehen. Unter Krämpfen, das Gesicht entstellt, unkontrolliert zuckend und nicht ansprechbar.

Für meinen Mann war das kein Problem. Er lag mit Jonathan auf dem Boden, hat ihn in der Seitenlage gehalten und gesungen…ich hätte keinen einzigen Ton herausbekommen!!

Dann steht mein Mann plötzlich auf und sagt: „Es ist vorbei, er krampft nicht mehr!“ Ich renne hin, es stimmt. Jonathan ist entspannt und sieht mich an. Erleichterung!!! Uffff….zum Glück!!

Und dann ging es direkt wieder los….er zuckte…die Augen verdreht…bekam nichts mehr von seiner Umgebung mit.

Mein Mann hat sich mit ihm wieder auf den Boden gelegt und zum Glück kam dann auch der Notarzt. Ich habe alles heruntergebetet was der Kinderarzt mir aufgetragen hat: welche Medikamente er bekommt und was das Problem mit seinem Gehirn ist…der Arzt solle bitte einfach direkt etwas Entkrampfendes spritzen. Zum Glück hat der Arzt meine Aussagen auch nicht in Frage gestellt. Aber er hat vorher noch in unserer betreuenden Kinderklinik angerufen: Jonathans Größe und Gewicht haben ihm Sorgen gemacht, er wollte wissen wie viel Milligramm Medikament er ihm geben darf.

Auf dem Boden im Wohnzimmer lagen nun mein Mann und Jonathan, der immer noch krampfte, der Notarzt und zwei Sanitäter. Damit die zwischendurch mal ans Auto gehen konnten stand die Haustür offen. Und auf einmal stand mein Vater im Raum…er blickte auf die Szene: die ganzen Menschen, Müll von medizinischem Material, Geräte und zwischendrin sein Enkel. Mein Vater war sehr betroffen und musste erstmal feste schlucken.

Mittlerweile hatten wir auch Marvin, der im Obergeschoss in seinem Zimmer gewesen war, gerufen und ihm erklärt was hier grade passierte. Ich machte mir große Sorgen um ihn: würde ihn das sehr schocken seinen Bruder so zu sehen?? Würde er es verkraften?? Zudem hatte ich zu diesem Zeitpunkt Angst, das Jonathan sterben könnte – und Marvin wäre dann live dabei. Aber…was sollte ich tun? Ich musste es dem Großen ja sagen! Ich konnte ja schlecht einfach ins Krankenhaus verschwinden und ihn allein und im Ungewissen lassen….das wäre mit Sicherheit noch schlimmer als ihn mit der Wahrheit zu konfrontieren. Zumal wir Marvin von Anfang an immer die Wahrheit gesagt hatten was seinen Bruder betraf.

Nun saßen Marvin und mein Papa also auf der Couch. Der Notarzt hatte mittlerweile mit dem Krankenhaus telefoniert und sogar eine Ärztin erreicht die uns noch aus Krankenhauszeiten kannte, er musste also nicht viel zum Krankheitsbild erklären. Er bekam das OK für DIAZEPAM, und zwar 5mg rektal. Jeder, der medizinisch etwas versiert ist, weiß das diese Dosis auch für Kinder mit 20/25 Kilogramm Körpergewicht ausreicht – und Jonathan hatte zu diesem Zeitpunkt etwas über 3kg Gewicht.

Dementsprechend war Jonathan kurz nach der Medikamentengabe mehr als benommen, sozusagen „komplett weg geschossen“…aber der Krampfanfall war vorbei und er stabil genug zum Transport. In „unsere“ Kinderklinik, man hatte uns dort schon angekündigt.

Ich bin mit dem Krankenwagen mit gefahren weil ich mich nicht in der Lage fühlte jetzt ein Auto zu steuern. Mein Mann kam mit dem Auto hinterher. Und mein Vater blieb bei Marvin, mit „open end“: wir hatten keine Ahnung wie lange es dauern würde…welche Untersuchungen notwendig sein würden. Ob ein neuer Krampfanfall kommen würde….

Ich muss jetzt mal einen Dank loswerden - speziell an meinen Papa….er ist wirklich IMMER da!! IMMER! Sei es der Notkaiserschnitt spät am Abend oder der Krampfanfall: er kommt zu uns und bleibt wenn nötig die halbe Nacht bei uns sitzen damit Marvin nicht allein ist. In den Ferien unternimmt er mit Marvin und einem oder zwei seiner Freunde sehr viel, damit der Große auch was von den Ferien hat. Wenn Marvin den Schulbus verpasst oder nachmittags zu Freunden in einem anderen Ort möchte: mein Papa fährt ihn. Außerdem kauft er mir ein wenn Not am Mann ist und kümmert sich um unseren Garten. Oftmals kocht er auch mittags für uns wenn ich es nicht geschafft habe weil ein langer Termin mit Jonathan anstand. Alles in allem: mein Papa ist mit Gold nicht aufzuwiegen!! Ich bin so dankbar ihn zu haben…DANKE PAPA! FÜR ALLES!!

So, das musste jetzt mal gesagt werden!

Aber zurück zur Fahrt in die Kinderklinik. Der Arzt ist im Krankenwagen mit gefahren und hat abwechselnd mit mir Jonathan in der Seitenlage festgehalten – um ihn zu fixieren war der kleine Mann viel zu klein, selbst die Baby-Gurte waren für ihn meilenweit zu groß! Wir waren circa 40 Minuten unterwegs und bei  mir kamen schon die ersten Fragen nach den Konsequenzen auf: hatte Jonathans Hirn durch den Anfall Schaden genommen?? Sein Gehirn war ja sowieso schon nicht gesund, wenn jetzt noch durch den Anfall etwas kaputt gegangen war??? Außerdem lag Jonathan vor mir als sei er im Koma: würde er wieder aufwachen??? So viele Fragen die mich beschäftigten und mir RIESIGE ANGST machten…..

Echt unfassbar für mich ist: ich saß noch nicht richtig im Krankenwagen als mich schon die erste SMS erreichte in der ich gefragt wurde was denn der Krankenwagen bei uns macht…und diese SMS kam von jemandem der keinen direkten Blick auf unsere Hofeinfahrt hatte. Das bedeutet wohl dass unmittelbar nach Eintreffen des Notarztes schon herum telefoniert wurde um diese „Neuigkeit“ zu verbreiten! Aus Neugier?? Es zuerst zu wissen und  weiter erzählen zu können???

Vielleicht..denn ehrlich: jemand der WIRKLICH Anteil nimmt und sich Sorgen macht…der belästigt die Betroffenen in so einem Moment sicherlich NICHT mit Fragen!!

Ich kenne die Gründe für diese „Aktion“ nicht und es ist mir auch egal: ich habe diese SMS erst viele Stunden später gelesen. Aber selbst wenn ich sie zeitnah gelesen hätte glaube ich nicht dass ich darauf reagiert hätte weil ich es einfach MEHR als unangemessen fand.





Freitag, 11. August 2017

Frühförderung
Anfang des Jahres haben wir uns an unsere zuständige „Lebenshilfe“-Stelle gewandt: wir hatten erfahren das wir wegen Jonathans Gendefekt/Behinderung Anrecht auf „Frühförderung“ hatten.

Am Telefon hatte ich erklärt das wir nicht in die Frühförderstelle kommen könnten sondern die Stunden bei uns zu Hause in Anspruch nehmen müssten, Jonathans Immunsystem ließe es nicht zu das wir mit anderen Kindern in einem Gruppentermin seien. Mir wurde mitgeteilt dass das überhaupt kein Problem darstelle, was mich sehr erleichterte. Hatte ich doch die Befürchtung gehabt das keine „Hausbesuche“ möglich seien und wir diese Fördermaßnahme eventuell gar nicht in Anspruch nehmen könnten.

Zum ersten Kennenlernen kam die Leiterin der Frühförderstelle zu uns nach Hause. Sie erklärte uns was Frühförderung überhaupt bedeutet: abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes und unter Einsatz von verschiedenen Materialien oder Musikinstrumenten werden genau die Punkte unterstützt und gefördert an denen die Probleme des Kindes liegen. Also bei uns würde die Motorik als erstes im Vordergrund stehen da Jonathan sich auch mit 10 Monaten noch immer nicht allein drehen konnte.

Und dann wurde ein Termin vereinbart für einen ersten Frühfördertermin.

Ich hatte schon Bedenken. Man hatte uns erklärt das die Frühforderung bis zur Schulzeit durchgeführt werden kann und das man uns eine Dame zuteile die uns dann über die ganzen Jahre betreuen würde. Was ja Sinn macht weil man dann „zusammen wächst“ und ein Vertrauensverhältnis aufbaut. Aber was würde passieren wenn diese Frau mir unsympathisch wäre? Oder ich ihr? Wenn bei uns die Chemie einfach nicht stimmen würde? Wie sollte in so einem Falle eine optimale Förderung meines Kindes stattfinden können??

Ich war ein wenig nervös als der erste Termin nahte. Und dann klingelte es. Als ich öffnete lächelte mich eine junge Frau freundlich an und stellte sich mir gut gelaunt vor. Der erste Eindruck war positiv und ich atmete auf.

Ganz toll fand ich das sie dann sofort nach dem Badezimmer fragte um sich vor dem Kontakt mit Jonathan die Hände zu waschen – das machen die wenigsten Menschen unaufgefordert obwohl wir immer wieder auf sein schlechtes Immunsystem hinweisen.

Sie hatte die Unterlagen der Leiterin der Frühförderstelle bekommen aus denen hervorging wie klein Jonathan war, aber ich habe sie trotzdem noch einmal vorgewarnt bevor ich sie mit ins Wohnzimmer genommen habe wo der kleine Mann auf dem Boden lag. Wenn sie sich erschrocken hat über die geringe Körpergröße - dann hat sie es sich zumindest nicht anmerken lassen! 8o))

Wir haben erst ein wenig geredet, uns beschnuppert. Sie hat mir Fragen gestellt über Jonathan, über das was er kann. Und Fragen über das was ich von ihr erwarte, über die Punkte die gefördert werden sollen. Ich habe dann erfahren dass wir auch mehrmals im Jahr gemeinsam einen „Frühförderplan“ machen indem wir alles festhalten was wir vereinbaren: was also gemacht wird, mit welchen Materialien, auf welches Ziel wir hinarbeiten usw.

Seit damals findet einmal in der Woche, zu einem festen Termin, eine Zeitstunde Frühförderung bei uns zu Hause statt. Immer hat sie einen großen Korb voller Spielsachen und Materialien dabei den sie jede Woche morgens neu für uns zusammenstellt. Und mittlerweile weiß Jonathan auch: wenn der Korb auf den Boden gestellt wird darf er gleich „spielen“. Dann freut er sich und klatscht! 8o)

Auch unsere „Frühförder-Frau“ erkennt er wenn sie die Wohnung betritt und er ist jede Woche aufs Neue aus dem Häuschen sie zu sehen.

Ganz viele Spielsachen oder Musikinstrumente die wir im Rahmen der Frühförderung gesehen haben….haben wir mittlerweile selber gekauft. Weil sie Jonathan extremen Spaß gemacht haben und/oder perfekt für seine sehr kleinen Hände geeignet waren.

Am liebsten bringt die Dame von der Frühförderung allerdings…Materialien mit die SCHWEINEREI machen…8o))) Sie liebt Fingerfarben und Rasierschaum. Und matscht mit Jonathan damit. Am Esstisch. Ausgiebig. Und freut sich dabei dass sie bei MIR zu Hause ist und ICH putzen muss! 8o))) Aber: sie kündigt das immer eine Woche vorher an und so kann ich den Tisch mit einer abwaschbaren Tischdecke bedecken und Jonathan alte Kleidung anziehen bei der Flecken nichts ausmachen. Und: nach anfänglichem Zögern mag Jonathan Fingerfarben und Rasierschaum sehr gerne!!! Er ist mit Freude und großem Enthusiasmus dabei. Dass er allerdings mit den Fingerfarben auch ein Bild malen könnte – versteht er nicht. Matschen und in den Händen knatschen ist besser!  (Er durfte mittlerweile auch ein Osterei mit Fingerfarben bemalen!)

Auch beliebt bei ihr sind Kirschkerne, Erbsen oder Linsen: die befinden sich zu Anfang der Stunde in einer kleinen Kiste. Doch wenn Jonathan dann mit den nackten Füßen in der Kiste war, oder sogar darin gesessen hat…befinden sich die kleinen Dinger ÜBERALL!!!! In der Windel…zwischen den Zehen…in der Kleidung..und auch überall im Wohnzimmer…8o)) Aber auch diese Erfahrung: macht Jonathan so viel Spaß und deswegen ist es mir egal das ich später staubsaugen muss.

Die wohl schönste Erfahrung für Jonathan im Rahmen der Frühförderung ist jedoch sicherlich…(alle die uns bei Facebook „verfolgen“ haben schon Fotos davon gesehen!) ..schwimmen!!

Aufgrund seines schlechten Immunsystems und seiner EXTREM trockenen Haut darf Jonathan nur sehr bedingt ins Schwimmbad. Zum einen ist das Chlor nicht förderlich für das Hautbild, zum anderen sind im warmen Schwimmbadklima und in der Umkleide/Dusche auch sehr viele Keime unterwegs. Deswegen: schwimmen nur selten und dann auch nur allein, ohne andere Badegäste.

Für mich war schwimmen gehen deswegen lange Zeit ein unerfüllbarer Traum: wo findet man schon ein Bad ohne andere Gäste??? Eben…aber wir haben nun Frühförderung, da eröffnen sich ganz neue und ungeahnte Möglichkeiten! Verfügt unsere Frühförderstelle doch über ein eigenes Schwimmbad! Na gut: ein eigenes Therapiebecken. Aber für Jonathan ist es so groß wie für andere Leute ein Schwimmbad. Und hier macht man es uns möglich ein paar Mal im Jahr schwimmen zu können – allein. Dann sind nur wir und unsere Frühförder-Dame im Bad.

Bislang ist Jonathan nach dem schwimmen nie krank geworden. Und er hat einen wahnsinnigen Spaß! Wasser: ein Element das er lange Zeit nicht in der Form kannte und das ihn jetzt umso mehr fasziniert.

DAS IST NUN DIE PASSENDE STELLE UM DANKE ZU SAGEN: SIE MACHEN SICH IMMER UNGLAUBLICH VIEL ARBEIT FÜR UNS, GRADE MIT DEM SCHWIMMEN! ABER WENN ICH IN JONATHANS GESICHT SEHE WÄHREND WIR PLANSCHEN DANN WEISS ICH DAS ES DIE MÜHE WERT IST: SIE MACHEN IHN GLÜCKLICH. VIELEN DANK DAFÜR…AN SIE UND ALLE ANDEREN DIE AN DIESER ERFAHRUNG BETEILIGT SIND.


Die Taufe
Als ich 14 war ist meine Mutter gestorben. Viele wenden sich in solch einer Situation von Gott ab…doch ich habe erst durch diesen Schicksalsschlag zur Kirche und zum Glauben gefunden. Ich bin gläubig - so gläubig das ich sogar mal Pfarrerin werden wollte. Deswegen stand von Anfang an fest das Jonathan getauft werden würde. Ich brauche das Wissen „das Gott seine Hand über mein Kind hält“.

Mein Mann und ich gehören verschiedenen Glaubensrichtungen an (er ist katholisch und ich evangelisch), doch da mein Mann weiß WIE wichtig Religion und Glaube für mich sind: durfte ich über die Taufe entscheiden. Also sollte Jonathan evangelisch getauft werden.

Normalerweise hätte ich bevorzugt das Jonathan in den ersten drei Lebensmonaten getauft wird – doch da er in dieser Zeit im Krankenhaus war und eine „schöne“ Feier hier nicht möglich gewesen wäre..habe ich schweren Herzens mit der Planung abgewartet.

Jonathan wurde im September aus der Klinik entlassen und bis wir dann in den Alltag gefunden hatten…kam schon Weihnachten und Silvester…das alles war nicht der richtige Zeitpunkt für eine Taufe – die mir so viel bedeutete! Jetzt war das neue Jahr auch schon einige Wochen alt und ich begann zu überlegen wann der geeignete Termin sein könnte…

Und auf einmal kam mir ein Gedanke…der mich nicht mehr los ließ! Ich wusste GENAU SO sollte es gemacht werden, GENAU DAS passte zu Jonathan und uns!!

Die Osternacht!!

In der evangelischen Kirche ist Ostern der höchste und wichtigste Feiertag. Das Fest der Auferstehung Jesu…ein Fest das Christen Hoffnung schenkt, beginnt doch in diesem Moment etwas neues, etwas Besonderes: das Leben nach dem Tod - der nicht das Ende, sondern ein Anfang ist.

Könnte es einen schöneren Moment als diesen geben um Jonathan in den Schoß der Kirche zu übergeben??? Jonathan würde nicht so lange leben, war es nicht ein starkes Symbol ihn in dieser Nacht Gott anzuvertrauen wo wir das ewige Leben feierten und den Neuanfang den der Tod brachte???

Für mich war das DER EINE Moment den ich wollte.

Also habe ich mit unserem Pfarrer telefoniert und einen Termin für ein Gespräch vereinbart. In unserer Gemeinde wird die Osternacht tatsächlich NACHTS gefeiert: in einem Gottesdienst der in den frühen Morgenstunden beginnt. Ich war nicht ganz sicher ob in diesem Gottesdienst auch Taufen durchgeführt werden…

Doch in einem persönlichen Gespräch beruhigte mich der Pfarrer: er würde Jonathan in der Osternacht taufen, auch wenn er noch nie ein so kleines Baby mitten in der Nacht getauft habe – es hatte ihn noch niemand darum gebeten, weil den Eltern das frühe Aufstehen mit einem Säugling vermutlich zu anstrengend sei. Das machte uns aber überhaupt keine Sorgen!! Jonathan war schon von jeher eine kleine Nachteule, die Schwestern der Frühchenstation können davon ein Lied singen! 8o))

Jetzt musste ich nur noch Patentante und Patenonkel klarmachen dass sie zu nachtschlafender Zeit in der Kirche sitzen sollten…doch zum Glück waren die beiden überhaupt nicht geschockt, fanden die Idee im Gegenteil sehr schön!!

Und es war ein WUNDERSCHÖNER Gottesdienst!! Unsere Kirche ist aus dem Jahr 1791: sie ist innen vorwiegend aus Holz und von der Grundfläche her klein, dafür aber über 3 Etagen gebaut. Während des gesamten Gottesdienstes brannte in der Kirche kein Licht, nur hunderte von Kerzen. Als die Taufe begann kamen von der obersten Empore Pfarrer und Gemeindemitglieder langsam herunter – und zwar singend und mit brennenden Kerzen in den Händen. Jeder Kirchenbesucher hatte eine kleine Kerze im Glas erhalten die nun auch entzündet wurden, um das neue Gemeindemitglied mit Licht zu begrüßen – quasi um „das Licht für es leuchten zu lassen“. Grade für mich war das ein so bewegender Moment!! Gänsehaut und Tränen in den Augen. Wir standen mit den Paten und dem Pfarrer am Taufbecken und blickten in die Kirche die von hunderten Lichtern erleuchtet wurde. Unfassbar schön!

In diesem Moment war ich froh dass ich so lange gewartet hatte Jonathan taufen zu lassen…



Jede Menge Klinikaufenthalte
Der erste Krampfanfall
Es war 2016 und nicht mehr lange bis zu Jonathans erstem Geburtstag. Wir freuten uns alle riesig darauf!! War es für uns doch nicht nur ein „normaler“ Geburtstag, sondern auch ein gefühlter Neubeginn: zum einen waren wir grade in mein Elternhaus eingezogen (meinen Eltern war es mittlerweile -wo meine beiden Geschwister und ich aus dem Haus waren- zu groß, sie hatten es uns übergeben und sich eine Mietwohnung genommen), zum anderen würden wir an diesem Tag das erste Lebensjahr das so unschön und psychisch belastend gewesen war hinter uns lassen und könnten uns dann voll und ganz auf das konzentrieren was vor uns lag. Durchatmen und ein Stück weit vergessen. Grade ich fieberte diesem Tag so sehr entgegen: ab dann würde ich alles mit Jonathan zu Hause erleben, alle Daten die vorher mit Erinnerungen an Untersuchungen oder Gespräche belastet waren würden eine neue und schönere Erinnerung bekommen.

Wir wollten einen Ausflug an Jonathans Geburtstag machen: es war ein Samstag und so hatten mein Mann und Marvin auch frei. Ein nahegelegener Zoo sollte es werden. Da gab es Elefanten und Giraffen und ich war gespannt wie deren Größe auf Jonathan wirken würde…

Allerdings hatte Jonathan jetzt die 3kg-Marke erreicht und wir vereinbarten ein Gespräch mit den Chirurgen unserer Klinik um einen Termin festzulegen für die Operation am Leistenbruch.

Leicht gefallen ist mir das nicht. Ich hatte Angst…wahnsinnige Angst die mir den Hals zuschnürte. Keiner wusste wie Jonathan auf eine Narkose reagieren würde. Er HATTE Hirnfehlbildungen und litt unter Elektrolytverlust: was wäre wenn er nicht mehr aufwachen würde??? Am liebsten hätte ich ihn gar nicht operieren lassen und dauerhaft den Leistenbruch reponiert…aber das war natürlich keine Option!!

Also sind wir in die Klinik gefahren um die Vorbesprechung zu machen. Wir hatten einen Termin mit dem Chirurgen vereinbart den ich fälschlicherweise für einen Studenten gehalten hatte, er war uns nämlich total sympathisch und schien fachlich sehr kompetent. Diesen Arzt wollte ich unbedingt als Operateur für Jonathan haben, denn ich hatte Vertrauen zu ihm.

Wir kamen in der Klinik an (ich MEGA aufgeregt und mein Mann wie immer die Ruhe selbst) und wurden direkt in eine Behandlungszimmer gebracht damit wir nicht mit Jonathan im Wartezimmer sitzen mussten. Nach einiger Wartezeit ging die Tür auf und ein uns unbekannter Arzt betrat den Raum. Er hat sich uns vorgestellt und gesagt dass er sich Jonathan mal ansehen würde. Ich muss zugeben dass ich etwas irritiert war: wir hatten eigentlich einen anderen Arzt erwartet…dazu kam das der erste Eindruck nicht so ganz perfekt war: mein Mann und ich haben den Arzt als etwas kurz angebunden und auch kühl/distanziert empfunden.

Er hat Jonathan untersucht und festgestellt das der kleine Mann auch noch einen einseitigen Hodenhochstand hat der ebenfalls bei der Operation beseitigt werden sollte. Das bedeutete natürlich einen größeren Eingriff und eine längere OP-Zeit. Jetzt hatte ich erst Recht Angst. Und habe gefragt wie dringend es sei den Hodenhochstand zu operieren? Was hatte es für Konsequenzen wenn man es nicht machen ließe?? Aber der Arzt hat mich darüber aufgeklärt das bei Jonathan ein Hoden gar nicht mehr tastbar sei, das heißt er liege in der Bauchhöhle. Und wenn man das wiederum zu lange unbehandelt lässt steigt das Risiko von Hodenkrebs. Also hatte ich wohl keine Wahl: auch der Hodenhochstand musste direkt korrigiert werden.  

Wir haben einen Termin für Ende Mai vereinbart, nach seinem Geburtstag - und unserer kirchlichen Hochzeit. Denn das beides ordentlich zu feiern wollte ich mir nicht nehmen lassen!


Aber es kam alles anders…

Freitag, 4. August 2017

Zurück zur Weihnachtszeit. 8o)

Eigentlich hatten wir beschlossen nur EINEN Weihnachtsmarkt zu besuchen weil wir Jonathan keinem gesundheitlichen Risiko aussetzen wollten. Aber nach der Erfahrung die wir gemacht hatten reichte uns ein Besuch auch erstmal VOLLKOMMEN aus!!!

Aber wie war der Spruch doch gleich? DAS LEBEN IST KEIN PONYHOF, und deswegen versuchten wir das zu vergessen und die Zeit bis Weihnachten trotzdem zu genießen.

Weil Jonathan in seinem zarten Alter noch nicht so viel mitbekam legten wir Orangenscheiben auf die Heizung die den Raum mit Duft erfüllten: riechen konnte er ja schließlich! Wir hängten glitzernde Lamettaketten auf und zeigten sie ihm immer wieder oder gaben sie ihm auch in die Hand damit er damit spielen konnte. Eine Lichterkette mit Weihnachtsmännern war sein Highlite: ich glaube ich hätte zwei Stunden mit ihm auf dem Arm davor stehen können und er hätte immer noch nicht genug gehabt.


Nikolaus
Und natürlich gehört zur Vorweihnachtszeit auch ein Besuch des „richtigen“ Nikolaus.

Wir leben in einem großen deutschen Bistum und haben einen „Nikolausservice“. Dort kann man anrufen und für seinen Wunschtermin (bei uns ist es immer der 5.Dezember, denn wir sind Protestanten und feiern traditionsgemäß Nikolaus am Vorabend des 6.Dezember) einen Nikolaus bestellen. Die Geschenke und ein Zettel mit den positiven –und auch ein oder zwei negativen! 8o)- Eigenschaften der Kinder hinterlegt man an der Haustür.

Von klein auf hatte Marvin immer einen Nikolaus. Mittlerweile weiß er natürlich das der Mann der im wundervollen (und echten!) Ornat der Kirche vor ihm steht nur ein „Schauspieler“ ist – trotzdem besteht er jedes Jahr wieder darauf dass ich dort anrufe und den Nikolaus bestelle. Es ist eine Tradition bei uns geworden die er nicht mehr missen möchte.

In diesem ersten Jahr mit Jonathan hatte Marvin eine perfekte Ausrede: „Mama, wir müssen da anrufen weil JONATHAN unbedingt den Nikolaus sehen soll!“… 8o))) Wofür kleine Brüder doch immer herhalten müssen!!

Aber: ich habe sehr gern dort angerufen und einen Termin vereinbart.

Und dann kam der Nachmittag des 5.Dezember, wir hatten extra einen nicht so späten Termin genommen damit Jonathan auch noch wach sein würde, und es klingelte. Herein kam ein Nikolaus der selbst mich sprachlos machte: ER WAR RIESIG!!! Er musste sich bücken um überhaupt durch die Tür zu passen! Da hatten wir aber mit Sicherheit den größten Nikolaus erwischt den das Bistum zu bieten hatte….

Ein wundervolles Gewand hatte er an: es war rot und mit viel Glitzer und Litzen bestickt. Einen Bischofsstab und einen Knecht Ruprecht hatte er auch dabei und…sein goldenes Buch aus dem er vorlas. Jonathan saß auf dem Schoß meines Mannes und starrte den Nikolaus mit offenem Mund an: ich glaube den Bart fand er besonders faszinierend, trägt doch niemand aus unserer Familie sonst einen Bart! Natürlich gab es über unsere Kinder nicht wirklich etwas Negatives zu sagen…8o))…und seinen Schock über unser Mini-Baby hat der Nikolaus auch gut unter Kontrolle gehabt. So lief dieser Besuch sehr harmonisch und zur Freude aller ab.


Das erste Fotoshooting
Vor ungefähr 20 Jahren wollte ich ein paar „richtige“ Fotos von mir verschenken und bin mehr durch Zufall auf ein ortsansässiges Fotostudio gestoßen. Ich habe einen Termin vereinbart und bin völlig unvoreingenommen dort erschienen. Was ich zuerst bemerkte war die „Promi-Wand“: hier hingen Fotos von prominenten Personen des öffentlichen Lebens, nicht wenige und nicht die unbedeutendsten. Als ich auf die Wand zeigte erklärte mir die Fotografin dass sie alle diese Menschen in ihrem Studio fotografiert habe, viele von ihnen kämen regelmäßig. Bei einigen erstelle sie Pressemappen, bei anderen Buchumschläge. Ich war schon mal beeindruckt!

Das Shooting damals dauerte vielleicht 1,5 Stunden. Was ich sofort bemerkte: die Fotografin ging wirklich TOTAL in ihrem Beruf auf! Hatte sie einmal die Kamera in der Hand sprühte sie vor Ideen…“Jetzt könnten wir das mal so machen“ oder: „..und dann könnten wir noch mit diesem Hintergrund…“…und: „ach, Moment: dieser Winkel wäre doch auch super!“…sie fand gar kein Ende. 8o))

Die Fotos die mir dann circa zwei Wochen später vorgelegt wurden waren WELTKLASSE!!! Profifotografien…so etwas hatte ich nicht erwartet: ich war wirklich begeistert!!

Warum erzähle ich das???

Weil ich mich in der Schwangerschaft mit Marvin entschieden habe zu dieser Fotografin zu gehen und „Bauch-Bilder“ machen zu lassen. Auch diese Fotos haben meine Vorstellungen wieder übertroffen! Und deswegen habe ich mit ihr eine Vereinbarung getroffen: ich würde alle 6 Monate zu ihr kommen und Marvin fotografieren lassen. Sie sollte seinen Weg fotografisch festhalten, als Erinnerung für mich.

(Und da ein Termin im Sommer und einer vor Weihnachten stattfindet habe ich auch immer gleich ein wunderschönes Geschenk für die Großeltern!! 8o) …)

Jetzt war Jonathan zu Hause und natürlich: sollte sie auch ihn begleiten.

Über die Jahre war zwischen uns eine sehr enge Freundschaft entstanden. Sie hatte mich begleitet als Marvins Papa gestorben war. Ich hatte ihre Krebserkrankung „miterlebt“. Sie war meine Hochzeitsfotografin gewesen. Ich hatte ihr zu ihrer ersten Buchveröffentlichung gratuliert. Meine schwierige Schwangerschaft war Thema zwischen uns gewesen. Und nun vereinbarte ich einen Termin zum Shooting für meine BEIDEN Jungs. Ich hatte ihr schon erklärt was das Besondere an Jonathan war und sie gebeten unseren Termin abzusagen falls sie krank sein sollte. Ein schwaches Immunsystem und die damit verbundenen Risiken waren ihr durch ihre Krebserkrankung nicht fremd. Tatsächlich mussten wir den ersten geplanten Termin verschieben weil sie einen Schnupfen hatte. Doch dann kam der große Tag!

Wie immer reiste ich mit „großem“ Gepäck im Fotostudio an: ein Korb mit Utensilien – Wechselklamotten (damit die Kinder nicht auf jedem Bild dasselbe anhaben), Spielzeug und/oder „Dekoartikel“. Unsere Ideen sind uns über die Jahre nicht ausgegangen, im Gegenteil: ich glaube ich könnte auch viermal im Jahr kommen und wir würden Motive finden! 8o)

Und dann ging´s los. Ich muss auch nach so langer Zeit immer noch grinsen wenn meine Fotografin den Fotoapparat in die Hand nimmt – dann ist sie nämlich wie im Rausch. Sie hat einen „Flow“ sage ich dann immer. Hat tausend Ideen und hört gar nicht mehr auf zu knipsen! 8o))

Eigentlich wollte ich nur zwei oder drei Bilder von Jonathan: wusste ich doch nicht wie er das Shooting so mitmachen würde! Still halten, in die Kamera blicken und am besten noch lächeln…ein bisschen viel verlangt für einen so kleinen Wurm, oder??

Aber er machte SUPER mit! Wie ein kleines Fotomodell – ein sehr kleines, zugegebenermaßen. 8o))

Es war eigentlich gar nicht angedacht, aber unsere Fotografin wollte dann unbedingt noch Familienaufnahmen. Jonathan mit seinen Eltern, Jonathan mit seinem Bruder und wir alle zusammen. (Ich sage ja: wenn bei ihr der Flow einsetzt ist alles zu spät!) Zuerst wollte ich mich ja drücken: ich war nicht geschminkt und hatte einen „Bad-Hair-Day“, aber dann dachte ich mir „was soll´s!“ Und die Aufnahmen sind auch trotzdem (wieder mal!) traumhaft geworden!

Einige der Fotos von diesem Shooting können ab sofort in der Rubrik FOTOS bewundert werden. 8o)))


Neuer Christbaumschmuck
Mitte Dezember hat mein Mann beschlossen dass es Zeit für neuen Christbaumschmuck sei! Schließlich müssten wir Jonathan ja DEN Weihnachtsbaum schlechthin präsentieren zu seinem ersten Weihnachtsfest. Also haben wir uns am Wochenende alle wieder ins Auto gesetzt und sind in die nächstgrößere Stadt gefahren: da gab es ein riesiges Gartencenter das in der Weihnachtszeit eine Weihnachtsbaumausstellung mit Dekobeispielen hatte. Ein Traum für Jonathan! Ich glaube es waren sechs leuchtende, SEHR üppig dekorierte Bäume die sich gegenüberstanden und um die Wette gefunkelt haben. Der kleine Mann wusste gar nicht wohin er zuerst schauen sollte. 8o))

Die Entscheidung für eine Deko fiel uns nicht leicht. Aber wir haben uns dann für eine rote Deko entschieden mit verschieden großen und verschieden farbigen Kugeln. Plus Lametta. Und Lichterketten. Eiszapfen. Lamettaketten. Holzfiguren. Und was weiß ich noch alles.

Der Baum war am Ende stolze 2,20m hoch und von oben bis unten geschmückt. 8o)




Bestätigung der vermuteten Diagnose
Etwa 10 Tage vor Weihnachten rief unsere betreuende Kinderklinik bei uns an um einen Termin zu vereinbaren: das Ergebnis der Genanalyse lag vor und unsere Humangenetikerin wollte es mit uns besprechen.

(So ganz tief in mir wusste ich schon das Jonathan MOPD Typ 1 hatte, auch wenn es bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bestätigt war. Aber ich brauchte mir doch nur die wenigen Texte und Fotos im Internet durchzulesen und anzuschauen: es passte alles auf meinen Sohn.)

Die Kinderklinik fragte ob es uns möglich sei noch vor Weihnachten vorbeizukommen. Na klar! Wir wollten es ja auch endlich bestätigt bekommen…

Also sind wir nur wenige Tage vor Weihnachten mit Jonathan in die Klinik gefahren und wurden von unserer Humangenetikerin empfangen. Sie nahm uns mit in ihr Büro und sagte das sie uns gar nicht länger auf die Folter spannen wollte: die Genanalyse hatte bestätigt das Jonathan unter MOPD Typ 1 leide. Das war jetzt nicht wirklich eine Überraschung für uns und auch kein Schock: es war das was wir erwartet hatten. Eigentlich war es zu diesem Zeitpunkt für uns auch nicht mehr so wichtig es schwarz auf weiß zu sehen: wir hatten uns sowieso schon damit abgefunden und arrangiert. Das äußerten wir auch beide so.

Die Humangenetikerin sagte uns das sie selbst es ja nicht für möglich gehalten habe in nur 2 Jahren ZWEI Kinder mit diesem extrem seltenen Gendefekt zu betreuen – aber so sei es nun mal. Und zuerst habe sie auch überlegt ob sie uns das Resultat der Untersuchung noch vor Weihnachten präsentieren sollte – doch so wie sie uns kennengelernt habe hätte sie schon gewusst dass uns das nicht in eine Sinnkrise stürzen würde!

Und das stimmte auch. Für uns war es ok es nun definitiv zu wissen, aber eigentlich hatten wir nie daran gezweifelt.

Weil ich schon in der Vergangenheit den Wunsch geäußert hatte mehr über diese Krankheit und die anderen (leider nur circa 30) Fälle wissen zu wollen bekam ich nun einen Packen Papier in die Hand: Ausdrucke aus medizinischen Fachzeitschriften und aus dem Internet. Fallbeispiele von circa 20 MOPD-Kindern: jeweils eine Beschreibung ihres Phenotyps (also der äußeren Erscheinung), die Ergebnisse der inneren Untersuchung von Knochen und Organen, eine Auflistung von Größe und Gewicht in verschiedenen Altersstufen, eine Auflistung dessen was sie kognitiv und körperlich konnten oder eben nicht – und der Grund ihres Todes sowie das Alter zum Zeitpunkt des Todes.

Alle Studien waren auf Englisch, was mir zum Glück keine großen Schwierigkeiten bereitet. Ich bin alles in einer ruhigen Minute zu Hause durchgegangen und es war niederschmetternd was ich dort gelesen habe. Keines dieser Kinder, KEINES!!, ist älter als 5 Jahre geworden. Alle sind an Fieber, Magen-Darm-Infekten oder Schnupfen gestorben.

Körperlich und geistig waren diese Kinder so schlecht entwickelt, das ihre Eltern zu erkennen und den Kopf allein halten zu können schon das Beste war was man dort zu lesen bekam.


Ich musste schlucken. Wow!! Das waren keine schönen Aussichten…aber dann blickte ich in Jonathans Augen: und die blickten mich wach und neugierig an. Außerdem konnte er schon so viel mehr als die Ärzte vorausgesagt hatten. Und da habe ich beschlossen dass ich mich von diesen Prognosen nicht verrückt machen lassen würde! Vielleicht musste man einfach nur ein wenig Vertrauen und Hoffnung entwickeln…


Heiligabend
Und dann kam der große Abend, Heiligabend. Selbst ich hatte rote Backen und strahlte mit der Lichterkette um die Wette.

Es gab ein frühes Abendessen damit Jonathan während der Bescherung nicht schon müde wurde. (Ich glaube Marvin war es nicht ganz unrecht dass die Bescherung in diesem Jahr schon etwas früher stattfand als sonst immer.)

Wie jedes Jahr wurde nach dem Abendessen ein Weihnachtslied gesungen und dieses Mal haben Marvin und ich sogar Flöte zusammen gespielt: Jonathan hat allerdings wegen der quietschenden Geräusche mehr als befremdet aus der Wäsche geschaut. …oder war es wegen dem Gesang meines Mannes??? 8o)))

Danach war die Zeit gekommen die Geschenke auszupacken. Marvin hat endlich den lang ersehnten Nintendo bekommen!  Gewünscht hatte er ihn sich allerdings nicht weil er weiß das ich gegen jegliche Art von Spielekonsolen bin – aber ich wusste natürlich auch das es sein Herzenswunsch war und bin in diesem Jahr über meinen Schatten gesprungen. Marvin hatte wirklich genug ausgehalten (und würde auch noch in Zukunft viel aushalten müssen), da konnte man auch mal ein Auge zudrücken!!

Jonathan hat ein Xylophon bekommen. Und zwar das Xylophon das ich bei Gerrit gesehen hatte und mit dessen Klängen er mich zu Tränen gerührt hatte. Natürlich konnte Jonathan noch nicht darauf spielen, aber so hatte ich wieder ein Ziel mit ihm!

(Heute…spielt er darauf!! Mit viel Leidenschaft und großer Kraft…und einem Strahlen im Gesicht! Musik verzaubert ihn…er kann ja nicht wirklich viele Dinge, schon gar nicht solche die seine Altersgenossen können, aber Musik machen kann er! Und wenn er in der Lage ist ein Instrument in die Hand zu nehmen und Töne damit zu erschaffen, dann strahlt er so sehr das mir ganz oft die Tränen in den Augen stehen. Deswegen sind wir auch immer auf der Suche nach neuen Instrumenten die für seine kleinen Hände geeignet sind.)

Der ganze Abend war sehr aufregend für den kleinen Mann und so ist er relativ früh eingeschlafen. Wir konnten uns dann ungestört Marvin widmen – alles in allem: war es ein traumhaftes Weihnachtsfest für uns!!! Wir waren komplett…


Silvester
Natürlich konnte Jonathan nicht bis Mitternacht aufbleiben um das Feuerwerk zu sehen, aber wir haben eine kleine Silvesterparty für ihn veranstaltet:
Nach dem unumgänglichen „Dinner for one“ (bei dem Jonathan übrigens an der Stelle als der Butler aus dem Stand über den Tigerkopf hüpft gelacht hat – ich SCHWÖRE!) hatten wir verschiedenes selbst gemachtes Fingerfood. Und bunte Partyhütchen, auch Jonathan hatte eins auf. Außerdem Tröten, Luftschlangen und Konfetti und wieder mal: die Wohnung dekoriert. Girlanden hingen quer durch die Küche, Glücksklee und kleine Schornsteinfeger sowie Schweinchen zierten den Tisch. Nach dem Essen haben mein Mann und Marvin auf dem Balkon Wunderkerzen angezündet: ein „Feuerwerk“ für Jonathan!

Das volle Programm eben, für unsere Kinder. Alles soll unvergessen sein und ausgelebt werden als gebe es kein Morgen. So soll das Leben doch sein: jeden Tag genießen als wäre es der letzte. Das ist etwas was Jonathan uns gelehrt hat.

Gute Vorsätze für das kommende Jahr?? Natürlich! Genießen das Jonathan bei uns ist und wir dem Krankenhaus endlich den Rücken gekehrt haben!!

Es ist schon gut dass man nicht in die Zukunft blicken kann…sonst hätten wir diesen Abend vermutlich nicht so freudestrahlend und optimistisch verbracht….