Freitag, 7. Dezember 2018


Convention von WALKING WITH GIANTS
Es ist schwierig (vielleicht sogar unmöglich!) jemandem, der nicht „betroffen“ ist, zu erklären was UNS diese Convention bedeutet hat.

Wenn man die Diagnose einer so seltenen Krankheit bekommt….dann fällt man in ein Loch. Man fühlt sich ALLEIN….man fühlt sich UNVERSTANDEN…man hat ANGST.

Angst vor dem Leben das einen erwartet und für das es keine Vorhersagen gibt. Man weiß nicht wie das Leben aussehen wird….man weiß nicht wie schwierig es werden wird….man weiß nicht…wie lange es dauern wird.

NATÜRLICH haben wir Familie und Freunde!! Und sie stehen VOLLKOMMEN hinter uns – ich glaube, wenn es anders wäre hätten wir es bis hierher auch gar nicht geschafft.

ABER……trotz aller Empathie und Liebe die sie für uns empfinden…können sie alle NICHT komplett nachvollziehen wie unser Leben ist und wie es sich anfühlt - einfach weil sie nicht SELBER betroffen sind.

DAS….können eben nur Menschen die unser Schicksal teilen.

Und davon gibt es nicht sehr viele auf der Welt.

Ich erinnere mich noch sehr gut an die ersten Monate nach der Diagnose. An die vielen Tränen die ich vergossen habe…an die Angst vor dem Ungewissen…vor dem UNBEKANNTEN. Mein Herz hat geschrien dass ich eine andere betroffene Mama brauche mit der ich reden kann!!! Die mich VERSTEHT. Der ich nichts ERKLÄREN muss….

Und dann ist Silke in mein Leben gekommen, Gerrits Mama.

Damals….waren wir 3 betroffene Familien in Deutschland - und Silke wohnt nur 20km von mir entfernt. Und hatte dieselbe Physiotherapeutin wie wir. Wie verrückt ist das bitte???

Ich habe geweint….und ich habe Gott gedankt das wir uns finden durften.

Bis heute…ist sie eine der wichtigsten Personen in meinem Leben. Zwar hat Gerrit ganz andere „Probleme“ als Jonathan….aber wir sind durch unser Schicksal verbunden. Ich weiß das sie mich VOLLKOMMEN versteht, an guten und an schlechten Tagen….das ist SO WICHTIG für mich.


Ein Tag der mein Leben NACHHALTIG verändert hat war der Tag als ich von der Organisation WALKING WITH GIANTS in Liverpool erfahren habe.

Für diesen Beitrag hier im Blog…habe ich sehr lange nachgedacht und versucht mich zu erinnern:
„Wie wurde ich überhaupt auf diese Organisation aufmerksam?“
…und zu meiner Schande muss ich gestehen…
ICH KANN MICH NICHT MEHR ERINNERN!!

Vielleicht ein Moment der mein Leben verändert hat. Und ich weiß einfach nicht mehr wie und warum es passiert ist…..

Ich weiß nur, dass ich schon immer gerne Reportagen über Kinder mit seltenen Erkrankungen gesehen habe. Ich habe mich für Genetik interessiert.

Vor circa 10 Jahren also hatte ich einen Beitrag gesehen der mich gefesselt hat wie kaum ein anderer:
„Das kleinste Mädchen der Welt“. Charlotte Garside.
Ein rothaariges, lebensfrohes….und einfach unfassbar kleines Mädchen. So klein das ich nicht glauben konnte das dieser Bericht ECHT ist!!!! Die Bilder…gingen mir wochenlang durch den Kopf und ich musste immer wieder an dieses faszinierende Mädchen denken.
Und an die Eltern. Was durchlebten sie jeden Tag, mit welchen Herausforderungen wurden sie konfrontiert. Ich war einfach…fasziniert.

Wer hätte damals ahnen können….das ich einige Jahre später ein Kind bekommen würde das ebenfalls eine Form von MIKROZEPHALEM PRIMORDIALEM KLEINWUCHS hat???

Wer hätte damals ahnen können…dass ich Charlotte und ihre Eltern in die Arme nehmen und mit ihnen reden würde weil sie mein Schicksal teilen???


Dieser Familie folgten noch andere Familien die ich nur aus dem Fernsehen, oder von YouTube kannte:
Shelly und Nick Smith, sowie Christy und Bri Jordan aus den USA….Tea und Nevio Kresnic aus Kroatien…Robert, Judith und Emma van der Linden aus Holland (die wir bereits im Sommer „in echt“ kennengelernt hatten).
Alle diese Familien hatten –genau wie wir- den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt und zeigten sich. Ließen andere Menschen an ihrem Schicksal und ihrem Leben teilhaben. Gaben so viel Hoffnung und Mut. So viel Kraft.

Die beeindruckensten Menschen für mich aber waren…SUE und JOHN CONNERTY aus Liverpool. Die Gründer der WALKING WITH GIANTS FOUNDATION.
Ich weiß nicht wie viele hunderte Male ich mir einen Bericht über eine Convention mit einem Interview der beiden angesehen habe – und immer und immer wieder geweint habe. Vor Glück diese beiden Menschen „gefunden“ zu haben…..

Sie teilten unser Schicksal, das ist klar…aber es war auch etwas anderes das mich so sehr berührte: die beiden hatten den MUT gehabt sich selber und ihr Kind in den Fokus der Öffentlichkeit zu stellen…und diese Organisation zu gründen! Mit diesem Schritt haben sie HUNDERTEN VON FAMILIEN HOFFNUNG und HILFE gegeben….in unserer Situation unschätzbare Güter.

Niemand von uns muss mehr allein sein oder Angst vor dem Unbekannten haben – wir haben EINANDER.
Niemand von uns muss mehr ohne ärztlichen Rat bleiben – wir haben die besten Ärzte auf dem Gebiet in unseren Reihen und jeder von uns darf sie kontaktieren.
Niemand von uns muss mehr Sorgen um finanzielle Probleme haben die sich mit einem behinderten Kind stellen – die Organisation hilft in persönlichen Krisenmomenten.

Ohne Sue und John….würde es auch UNS heute nicht so gut gehen, weil wir keinen Austausch hätten. Vielleicht hätte ICH meine innere Ruhe nicht gefunden ohne diese vielen Gespräche mit Müttern aus aller Welt.

Dazu kommt noch etwas anderes. Von dem ich nicht weiß wie ich es beschreiben soll…
Wenn ich Sue in Videos anschaute, ihr beim Reden zuhörte, ihren Worten lauschte…dann dachte ich…ich schaue in einen Spiegel. Sie ist wie ICH. Sie wird von denselben Dingen im Leben angetrieben, hat dieselben Gedanken im Kopf und dieselben Ziele….sie ist mein Seelenzwilling.
(In nächtelangen Gesprächen auf der Convention sollten wir beide feststellen dass auch unsere Lebensläufe fast identisch sind. Total verrückt!
Sue sagte in den Tagen in Liverpool sehr oft: „You are my sister from another mister!“ (Du bist meine Schwester von einem anderen Vater). Und so stellte sie mich auch ihren Eltern vor….lach…)



Mit allen diesen Menschen also, die wir nur aus dem Internet kannten, redeten wir seit knapp einem Jahr per Mail oder Facebook – fast täglich. Wir ließen sie in unser Innerstes, teilten alle Sorgen und Ängste, aber auch Freude mit ihnen. Sie waren unsere FAMILIE….

Und nun…würden wir die meisten von ihnen in live sehen. Wir könnten sie umarmen und in Ruhe von Angesicht zu Angesicht reden. ICH WAR SO AUFGEREGT!!!

Die Convention würde montags starten, aktuell war es Samstag. Wir waren mit Absicht zwei Tage früher angereist um Jonathan (und uns) die Chance zu geben in Ruhe anzukommen…die erste gemeinsame Flugreise zu verkraften..und um nicht SOFORT im größten Trubel zu sein. Immerhin wurden dieses Jahr 46 Familien mit annähernd 200 Personen erwartet!!

Ich wusste von Sue das einige Familien früher anreisen würden, auch der führende Forscher aus Amerika war schon da. Im Hotel schaute ich mich also ständig um ob ich jemanden von Fotos aus dem Internet erkennen würde…nun ja: unsere KINDER zu erkennen ist NICHT besonders schwer. Lach….und wo waren Sue und John? Sie hatten gesagt dass sie nachmittags im Hotel wären…mein Herz klopfte weil ich es einfach nicht erwarten konnte die beiden zu umarmen.

Die erste Familie die wir trafen war aus Australien. Ein kleines Mädchen mit MOPD Typ2 war mit Mutter und Schwester angereist.
Wir saßen gemeinsam in der Lobby und redeten, ich noch etwas gehemmt weil mein Englisch über die Jahre doch ein wenig eingerostet war….ich war also hochkonzentriert, dachte über meine Worte nach – versuchte die Grammatik korrekt hinzubekommen…..schaute hoch…und da stehen Sue und John mit ihrem Sohn Alex direkt vor mir….

Ich sah sie an und….ich sah sie zum ersten Mal in ECHT, nicht nur über den Bildschirm eines PCs oder Fernsehers….außer „O MEIN GOTT!“ konnte ich nichts sagen…stand einfach auf und nahm Sue in den Arm. Und dann kamen die Tränen und sie hörten nicht mehr auf. Sue sagte nur immer wieder das alles gut sei …aber ich konnte nicht aufhören zu weinen. Diese Erleichterung die mich durchströmte weil ich nun endlich unter WIRKLICH Gleichgesinnten war….das kann man einfach NICHT in Worte fassen…

Zudem ist es ein sehr komisches Gefühl jemanden in den Arm zu nehmen und anzufassen den man nur aus dem „Netz“ kennt. Es ist fast wie einen Prominenten kennenzulernen…lach…

Eine entsprechende Aussage von mir zu dem Thema führte auf der Convention dann auch zu einem running gag. 8o)

Wie schon gesagt: der führende Forscher aus den USA war während der kompletten Convention anwesend, und das nicht nur für Arztgespräche – er war einfach immer mitten zwischen uns Familien, trank mit uns an der Bar….quatschte mit uns allen…spielte mit den Kindern…und nahm an unseren Ausflügen teil. Total cool…und gar nicht wie ein Arzt. Mehr wie ein Kumpel…

Für mich aber…war dieser Arzt eine Koryphäe…DER ARZT schlechthin auf dem Gebiet des MPD. Der führende Forscher eben. Über den ich alles was es zu finden gab im Internet gelesen hatte…den ich UNBEDINGT treffen und ihm Löcher in den Bauch fragen wollte…unvorsichtigerweise habe ich John Connerty das erzählt und ihm gesagt das der Arzt einfach…MEIN ROCKSTAR!!!...ist. Darüber haben sich 5 Tage alle kaputt gelacht, am meisten der Arzt selber. 8o))

Diese ganzen Tage in Liverpool waren einfach nur ÜBERWÄLTIGEND. Ich glaube ich könnte 25 Beiträge darüber schreiben – und könnte meine Gefühle trotzdem nicht korrekt wiedergeben. Deswegen lasse ich es einfach, sonst langweile ich euch noch...
Jedenfalls: wir hatten eine VERDAMMT GUTE ZEIT!!!

Die Convention ist keine Veranstaltung bei der man sich gegenseitig bedauert oder Trübsal bläst. Im Gegenteil!!! Wir haben SPASS zusammen!! Wir lachen, wir halten uns in den Armen…wir bauen uns auf, wir geben uns Tipps und Kraft. Wir brauchen einander. Und unsere Kinder brauchen andere Kinder….FREUNDE!!! Hier auf der Convention sind ALLE GLEICH. Kein Kind wird angestarrt oder ausgegrenzt, kein Kind wird gefragt warum es ANDERS ist. Hier sind einfach alle FREUNDE!!

Diese Tatsache hat uns so oft Tränen in die Augen getrieben…
Jonathan war zum ersten Mal dabei. Und bis auf ein Kind das wegen seiner geistigen Behinderung gar nicht laufen kann – sind hier alle gelaufen. Nur Jonathan nicht, der ist gekrabbelt.
Abends auf der Tanzfläche…ein GEWUSEL, ein GERENNE….und Jonathan: MITTENDRIN, auf dem Boden. Mein Mann hat zuerst Angst gehabt und wollte ihn weg holen. Aber…kein Scherz! ALLE Kinder haben auf Jonathan aufgepasst! Er wurde NIE getreten oder gestoßen, sie waren VORSICHTIG. Weil er einer von ihnen ist und sie Rücksicht aufeinander nehmen.
Und wenn Joni allein am Rand der Tanzfläche lag und einfach alles beobachtet hat….dann hat es nicht lange gedauert bis ein Kind kam und ihn gestreichelt oder ihm die Hand gehalten hat.

Es war einfach der PURE WAHNSINN!!!

Mir ist in diesen Tagen bewusst geworden…WIR brauchen diese Kommunikation mit anderen Eltern, sie ist für uns sehr wichtig. Aber vielleicht noch wichtiger ist für Jonathan der Kontakt zu anderen Kindern die genauso sind wie er!!!

Ein Vater hat es in einem Film der über die Convention für das englische Fernsehen gedreht wurde schön zusammengefasst:
„Hier sind wir genau da wo wir hingehören.“

Freitag, 26. Oktober 2018


Auf geht´s zur „Walking with giants“-Convention in Liverpool
Normalerweise bin ich vor Urlaubsreisen ja das reinste Nervenbündel. Zicke und schreie nur rum….motze….bin im Streß. Weil mir keiner beim Packen und Organisieren hilft…..
…lehne aber auch jegliche Hilfe beim Packen und Organisieren ab. Weil es dann vielleicht nicht „richtig“ gemacht wird.
Eine Zwickmühle. Lach….

Nun ja….vor der Convention war ich relativ entspannt. Finde ich. Was mein Mann dazu sagt weiß ich nicht.….ich frage ihn auch lieber nicht.

Das Packen jedenfalls war schon eine Herausforderung: das erste Mal würden wir FLIEGEN und da gibt es eine Höchstgrenze was das Gepäck wiegen darf – das ist anders wenn man mit dem Auto fährt. Außerdem wollten wir nach ENGLAND und dass das Wetter dort unbeständig ist wissen wir alle. Es musste also vorausschauend und gut gepackt werden.

Mein Mann sagte dass wir Jonathans Inhalator mitnehmen sollten. Ich fragte seufzend ob er das wirklich für nötig erachtet denn es sei kein Platz mehr im Koffer. Mein Mann bestand aber darauf – die richtige Entscheidung wie sich herausstellen sollte!

Unser „Abenteuer“ startete auch abenteuerlich. Am Flughafen, mit der Sicherheitskontrolle.

ICH hatte die meiste Angst davor dass man die im Handgepäck mitgeführten Medikamente beanstanden würde, das das Dokument des Kinderarztes nicht ausreichend wäre ODER das die mehr als 100ml großen Medikamentenflaschen dann DOCH NICHT mit an Bord des Flugzeuges durften.

Aber etwas ganz anderes war Grund für eine Beanstandung und DARAUF wäre ich NIE gekommen!
Mein Mann ging durch die Kontrolle, alles war ok. Ich reichte ihm Jonathan durch die Schleuse und schob den Buggy hinterher. Dann ging ich durch die Kontrolle. Na klar: wie immer musste ICH zum Bodycheck. Hmpf….

Dort gab es aber keine Beanstandungen, ich trat also aus der Kabine und…mein Mann rief:
„Wo sind unsere Dokumente, Jonathans Pass und das alles?“

….ich lief zu ihm und kramte die Unterlagen aus dem Rucksack, fragte ihn dabei warum er das brauchte. Er sagte….“Jonathan ist positiv auf Sprengstoff getestet worden!“…ich fing schallend an zu lachen und amüsierte mich königlich…bis mich eine Angestellte des Flughafens darauf aufmerksam machte dass es KEIN SCHERZ war und mir einen herbeieilenden Polizisten zeigte.

Ein Polizist in kompletter Montur: mit Schusssicherer Weste, Pistole, Schlagstock…was weiß ich noch alles. Und einem SEHR ERNSTEN GESICHTSAUSDRUCK.

O man.

Nun ja…der Polizist warf nur einen Blick auf unseren kleinen Joni und fragte: „Haben Sie ihn mit Bodylotion eingerieben?“ …ich bejahte und erklärte ihm das wir das sogar mehrfach am Tag machen müssten wegen der extrem trockenen Haut.

Daraufhin erfuhren wir das sich in Bodylotion Glycerin befindet – was auch ein Bestandteil von Sprengstoff ist. Und das die Tests nach Sprengstoff so sensibel sind das sie wegen Creme schon ausschlagen - oder auch wegen eines Labello….krass! Ich sagte direkt voller Inbrunst: „Ich benutze nie wieder Bodylotion wenn da Teile von Sprengstoff drin sind!“

Wir durften gehen. Unser Jonathan hat zwar einen explosiven Charakter, aber er ist nicht gefährlich für den Flugverkehr…lach….

Wir haben bis heute viel über diese Episode am Flughafen gelacht! In DEM MOMENT war es zwar nicht ganz so angenehm, aber mit Abstand betrachtet dann doch lustig. 8o))

Und uns ist noch etwas echt KRASSES am Flughafen passiert! Das hätte ich auch NIE für möglich gehalten…

Alle die unseren Blog komplett gelesen haben (oder uns bei Facebook folgen) wissen, wir hatten im letzten Jahr einige Zeitungsartikel und auch einen Fernsehbericht.
Hört sich jetzt zwar etwas eingebildet an…aber danach wurden wir in unserer kleinen Stadt schon des Öfteren mal auf der Straße erkannt – und auch angesprochen.

Irgendwann habe ich Marvin dann –mehr aus Scherz!- gefragt: „Sind wir jetzt berühmt?“…. und Marvin antwortete, ganz der Jugendliche der heutigen Zeit: „Mamaaaaaaaa, berühmt ist man wenn man auf der Straße um ein Selfie gebeten wird!“….da weißte Bescheid! So läuft das heute…

In MEINER JUGEND…gefühlt in der STEINZEIT..wussten wir gar nicht was SELFIES sind. Da hat man berühmte Leute um ihre Unterschrift gebeten, hieß damals AUTOGRAMM.
Und da es auch (nach Marvins Aussage!) in meiner Kindheit keine Autos gab weil die noch nicht erfunden waren…kam man nicht von A nach B. Man hat also sein Idol… PER POST und mit FRANKIERTEM RÜCKUMSCHLAG…!!!...um ein Autogramm gebeten und ist dann WOCHENLANG jeden Tag zum Briefkasten gelaufen um zu schauen ob schon Antwort da ist. Naja…ich schweife ab.

Heute jedenfalls läuft das alles digital und man muss SELFIES mit Promis machen. Ok….DAS hatte uns noch niemand gefragt.


Aber dann…stehen wir am Gate des wohl größten deutschen Flughafens und warten aufs Boarding. Weil Jonathan ein „Baby“ ist durften wir VOR die Absperrung und würden als Erste in den Shuttle-Bus zum Flugzeug steigen: damit niemand den kleinen Mann beim Drängeln verletzte.

Plötzlich….kommt eine Frau hinter der Absperrung zu uns und spricht mich auf Englisch an. Sie fragt ob das Jonathan sei. Und ich lache und sage sie hätte wohl seine Schuhe gesehen – Lederpuschen mit seinem Namen drauf. Doch sie sagt: „NEIN. Ich folge Ihnen schon sehr lange auf Facebook und habe Sie erkannt. Darf ich bitte ein Selfie mit Jonathan machen?“….

Also….mir ist ALLES aus dem Gesicht gefallen. ICH SCHWÖRE.

Am größten deutschen Flughafen werden WIR erkannt. Und um ein Selfie gebeten. UNFASSBAR.

Später hat sich dann rausgestellt das diese Dame die Freundin einer Bekannten von mir ist. Doch das hat dieses Erlebnis für mich nicht geschmälert. Ich gebe jetzt mal offen zu: DAS WAR SCHON EIN TOLLES GEFÜHL SICH MAL KURZE ZEIT BERÜHMT ZU FÜHLEN….lach… 
(…ach so: die Dame hat natürlich ihr Selfie bekommen…)

Mit diesem „Hochgefühl“ durften wir dann an Bord gehen. Und es war auch gut dass ich ein wenig euphorisch war – denn ich habe Flugangst. Normalerweise nehme ich Tabletten damit ich nicht haltlos anfange zu weinen im Flieger, doch die machen mich so schläfrig und benommen: das wollte ich bei Jonathans allererstem Flug auch nicht. Ich wollte doch alles mitbekommen, Fotos machen und einfach sehen ob es Jonathan gefällt zu fliegen - oder nicht.

Wir haben aber schon im Vorfeld beschlossen das mein Mann sich während des Fluges um den kleinen Mann kümmern würde, denn meine Nervosität würde sich bestimmt auf ihn übertragen – und das würde die Situation nicht besser machen.

Meine Flugangst vergaß ich aber erst einmal…denn ich regte mich haltlos auf als wir an Bord gingen!

Wir hatten die Flüge über ein Reisebüro gebucht. Dieses Reisebüro hatte bei der Fluglinie –in meinem BEISEIN!- angerufen und gesagt das Jonathan sehr klein sei und das man ihn mit einem Gurt auf den Bauch schnallen könne, er würde eigentlich keinen eigenen Sitz benötigen.

Eigentlich.

Denn die Fluglinie teilte mit: Jonathan ist älter als 3 Jahre und wegen der Versicherung müsse er einen eigenen Sitzplatz haben – unabhängig davon wie groß er sei. Wenn er nicht allein auf dem Sitz sitzen könnte: dann müsste er eben in einer geeigneten Babyschale angeschnallt werden.

Wir hatten das im Vorfeld so hingenommen. 200€ für Hin- und Rückflug für Jonathan bezahlt. Zum Glück hatten wir auch die Babyschale noch: sonst hätten wir ja noch eine kaufen müssen.

Und dann kommen wir in den Flieger, gehen zu unseren Plätzen und direkt kommt die Flugbegleiterin angeschossen – freundlich war sie ja, das muss ich sagen. Sie wolle die Babyschale kontrollieren – ob die denn überhaupt für ein Flugzeug zugelassen war.
(Da gibt es Unterschiede zum Auto? Das war MIR nicht bewußt!)
Die Schale war für Flugzeuge geeignet, stand drauf. So weit, so gut. Leider hatte die Airline aber keinen entsprechenden Gurtadapter an Bord um die Schale korrekt verankern zu können. WIE BITTE???

Ich möchte an der Stelle erwähnen das wir NICHT mit einer BILLIG-AIRLINE geflogen sind, sondern mit der wohl größten deutschen Airline überhaupt: der Kranich-Flotte.

Okay. Kein Gurtadapter also.
Die Flugbegleiterin erklärte uns dann auch dass sie es sowieso unverantwortlich finden würde wenn Jonathan „bei seiner Körpergröße“ allein auf einem Sitz sitzen würde – ob mit oder ohne Schale. Sicherer wäre er ja wohl wenn er bei einem von uns auf den Bauch geschnallt würde.

Ach neeeee: NICHT ihr Ernst!!!

Hatte das nicht unser Reisebüro bereits im Vorfeld telefonisch angesprochen?????  
Ich erklärte ihr dass wir das von Anfang an auch so gewollt hätten, aber die Hotline uns da etwas anderes gesagt habe. Und das wir nun wohl 200€ völlig umsonst ausgegeben hätten! Die Flugbegleiterin schaute betreten….aber klar: sie konnte ja nichts dafür.

Ein Sitz blieb also frei. Auch gut: hatten wir eben mehr Platz für unser Handgepäck.

Mein Mann schnallte sich Jonathan auf den Bauch, beim Start gaben wir ihm –wie der Kinderarzt gesagt hatte- Nasenspray, und: er machte das alles ganz hervorragend!! Er weinte nicht…weder beim Start noch bei der Landung. Na ok: letztere hat er auch komplett VERSCHLAFEN….ich dachte für einen kurzen Moment schon das er ohnmächtig sei, aber er hat einfach nur ganz tief geschlafen.

Während des Fluges (der nur knapp 1,5 Stunden dauerte) konnten wir ihn gut ablenken: mit Büchern….aus dem Fenster schauen…der Flug war insgesamt sehr entspannt.

Entspannt für meine Männer. Die zusammen in einer Dreierreihe über den Gang von mir entfernt saßen. Nicht entspannt für MEINEN Sitznachbarn. Beim Start habe ich dann nämlich doch Panik bekommen und mich in seinen Arm gekrallt. Ich kannte den Mann vor dem Flug nicht. Total peinlich also. Er schaute mich auch sehr irritiert an, sah aber die zwei/drei Tränchen kullern und dachte sich dann vermutlich auch: „Besser nichts sagen….ein falsches Wort – und heulende Frauen können zu Furien werden!“

Wir kamen jedenfalls alle heil in England an – auch mein Sitznachbar. Wobei ich nicht weiß ob er nicht blaue Flecken oder blutende Wunden von meinen Fingernägeln davon getragen hat. Für die ich mich hier an dieser Stelle sehr herzlich entschuldigen möchte!!!

Bis auf die Tatsache das ICH beim Fliegen ohne Beruhigungstabletten einfach nicht so gut klarkomme….hatten wir durch diesen Flug doch zwei Dinge gelernt: die Formalitäten mit den Medikamenten waren ein Klacks… und Jonathan kam mit dem Fliegen gut zurecht….

Das hieß für uns:
Wieder ein Stück Freiheit zurückerobert!!

Nun wäre es möglich auch mal eine Städtereise mit dem Flugzeug zu machen: London, Paris, Rom….alles Städte in die wir unbedingt (erneut) wollten!!!
Jetzt…nicht mehr unmöglich oder umständlich zu erreichen, sondern im Bereich des Machbaren.

Ich strahlte bei der Ankunft in England. Und das lag nicht NUR daran das wir gelandet waren.

Freitag, 19. Oktober 2018


Der Sommer vergeht….
Und WAS WAR das in diesem Jahr für ein Sommer!!
Temperaturen weit über 30 Grad, für WOCHEN am Stück. GENAU mein Wetter! (Die Liebe zur Hitze habe ich von meinem Vater geerbt.)

Leider konnte ich nicht so viel draußen in der Sonne sein wie es mir gefallen hätte, doch mit Jonathan war es einfach nicht möglich den ganzen Tag im Garten zu bleiben.

Aber….wir waren viel auf seiner Rutsche…im Planschbecken..und auch mal im Sandkasten unterwegs. Und der kleine Mann hatte einen riesigen Spaß dabei!

Außerdem machte Jonathan in diesem Sommer einen riesigen Entwicklungssprung!

Fast täglich lernte er etwas Neues - oft waren es nur Kleinigkeiten…doch uns fiel alles auf und wir freuten uns über jeden noch so kleinen Schritt! 8o))
Doch es gab auch große Dinge die er lernte wie Kniestand…oder…richtig KRABBELN!!!

Seinerzeit von den Ärzten nicht für möglich gehalten….hüpfte Jonathan nun auf allen Vieren wie ein kleiner Frosch durch die Wohnung. Und hatte sichtlich Spaß dabei!!

Weinen musste ich als er es das erste Mal schaffte sich auch allein hinzusetzen. Sah zwar etwas anders aus….aber er saß!! Unfassbar!!!

Wieder einmal trotzte er den Prognosen der Ärzte….und es freute mich einfach so sehr für IHN: er wurde selbstständiger… er konnte nun selber entscheiden was er spielen wollte – durch den Sitz und Kniestand reichte er nun an Dinge heran an die er vorher nicht herankam.

Mit über 3 Jahren eroberte sich der kleine Mann nun eine „neue Ebene“ in unserer Wohnung, eine Sicht auf sein Zuhause die er vorher nicht gehabt hatte.

Bei Marvin war es mir gar nicht so bewusst gewesen…bei ihm passierte in der Entwicklung ja alles mehr oder weniger „von allein“. Aber mittlerweile habe ich gelernt dass Kinder durch den „aufrechten Gang“ und die damit verbundenen neuen Eindrücke der Umwelt sich auch geistig weiterentwickeln. Sie BRAUCHEN das Laufen um dem Gehirn neue Informationen zu geben und es dadurch zu stimulieren.

Okay, Jonathan läuft noch nicht. Aber er krabbelt und ist im Kniestand. Fast ausschließlich. Er liegt so gut wie gar nicht mehr auf dem Rücken auf dem Boden. Also….vielleicht rührt der Entwicklungsschub ja auch ein bisschen von der „neuen Welt“,  die der kleine Mann sich nun erobert hat???

Auf jeden Fall war es sehr schön ihn so zufrieden und …ja: auch stolz!...zu sehen.


Dieser Sommer war so vollgepackt mit tollen Eindrücken und Erlebnissen!!

Jonathan hat seine Liebe zum Fahrradfahren entdeckt – natürlich nicht SELBER, so weit sind wir dann doch noch nicht. Aber im Fahrradsitz am Lenker von Papas Rad. Jeden Abend wenn Papa nach Hause kam und wir ihn an der Haustür empfangen haben hat Jonathan direkt euphorisch auf das Garagentor gezeigt und „DAAA!“ gesagt. Und der Papa ist mit ihm losgeradelt. 8o))

Wir waren so gut wie jede Woche (außer im Urlaub) bei der Reittherapie und auch hier hat Jonathan so viele Fortschritte gemacht!! Er hat sich getraut Bella (sein Therapiepferd) zu streicheln….ihre Nüstern berührt. Klar: das sind eigentlich nur „Kleinigkeiten“ und den meisten Eltern mag es „ganz normal“ vorkommen das Kinder Pferde berühren – doch für Jonathan war es eine große Herausforderung und es hat lange gedauert. Umso stolzer waren wir dann aber!

Ebenfalls jede Woche gingen wir zur Logopädie. Und auch hier erzielte Jonathan Fortschritte mit denen wir in dieser Form nicht gerechnet hätten!! Die Logopädin setzte „CrossTapes“ in der Therapie ein: das sind kleine Pflaster die (bei Jonathan) auf den Kaumuskeln geklebt werden. Dadurch entspannte er diesen und das hatte wirklich einen RIESIGEN ERFOLG!! Er hörte auf mit den Zähnen zu knirschen….benutzte endlich seine Zunge (ich glaube er ist das einzige Kind auf der Welt das AUFGEFORDERT wurde „Streck doch mal die Zunge raus!“… lach)… und begann zu kauen!!! Okay: wir sind noch nicht so weit das er sich an einem Brot „satt essen“ kann. Aber er beginnt zu kauen. Und das ist für uns schon ein wahnsinniger Erfolg.
Außerdem plappert er nun viel mehr….er sagt zwar weiterhin am liebsten „DA“, aber das nun in allen Stimmvariationen und Tonlagen…lach…

Wir machten auch ein paar „kleine Ausflüge“:
Einen Zoobesuch mit Marvins (Halb-)Schwester und ihrer Pflegefamilie – den ich SEHR genossen habe!! Ist diese Familie mir doch sehr ans Herz gewachsen, aber seit Jonathans Geburt können wir uns leider viel zu selten sehen. Umso schöner war es einfach mal einen kompletten Tag ganz entspannt zusammen zu verbringen!
Und NATÜRLICH genieße ich es immer so sehr „meine“ 3 Kinder beisammen zu haben und sie zusammen zu erleben. Diese Stunden sind rar…und deswegen so kostbar für mich.


Wir besuchten auch Jonathans Fußballmannschaft im Trainingslager. Jene Mannschaft die für uns ein Benefizturnier ausgerichtet und uns versprochen hatte: „WIR SIND JONATHAN“. Diesen Tag habe ich auch ungemein genossen!!

Zum einen haben wir so viel gelacht! 8o))
Als die Männer von ihrem morgendlichen Lauf zurückkamen und sich auf dem Sportplatz an der Umrandung noch dehnten….setzte ich Jonathan genau vor sie ins Gras, eigentlich nur damit er ihnen zusehen konnte. Doch einer des Teams sagte dann: „Männer, unser EL CAPITANO kniet: wir knien auch!“..und alle knieten nieder.
Jonathan schaute verwundert und wedelte mit der Hand. Das wurde dann als Aufforderung zum Liegestütz interpretiert: und alle Männer machten Liegestütz für meinen kleinen Jungen. Lach….es war echt so lustig anzuschauen.
Aber auch so ergreifend!!! Diese Männer hatten nicht einfach nur GESAGT das Jonathan ihr EL CAPITANO ist: sie zeigten das sie voll hinter dieser Aussage stehen. Mich hat das so sehr gerührt. Dieser Verein…ist eine ganz ganz tolle Truppe!!!
Dieser Verein..ist das was ein Verein sein sollte: sie halten zusammen und stehen für andere ein. Sie sind ein TEAM. Ich bin wirklich sehr stolz das dieser Verein nun UNSER VEREIN ist!!

Zum anderen haben wir auch sehr viel geredet an diesem Tag.
Seit dem Benefizspiel hatte es einige Neuzugänge in der Mannschaft gegeben und einer von ihnen, er war vielleicht 18-20 Jahre alt, stellte mir so viele Fragen. Intelligente und vorausschauende Fragen! Ich muss gestehen dass ich sehr verwundert war wie ein SO JUNGER MANN sich solche Gedanken machen kann. Das hätte ich nie erwartet! Aber es hat mich gefreut und ich habe versucht ihm alles zu beantworten.

Der Abschluss des Tages war auch sehr emotional!
Es sollte ein Mannschaftsfoto gemacht werden – für Facebook und die Homepage…und als die Mannschaft sich im Tor platzierte sagte man uns das Jonathan bitte mit aufs Bild müsste! Schließlich wäre er ja der EL CAPITANO.
Ich fand das so süß…so rührend….das hätte nicht sein MÜSSEN, und doch war es dem Team wichtig.
Und so…sitzt Jonathan auf dem Mannschaftsfoto auf dem Schoß eines der beiden Torhüter – und ehrlich: man muss ganz genau hinschauen um ihn zu sehen! Lach…

WALKING WITH GIANTS CONVENTION LIVERPOOL
Ende Juli wurden Koffer gepackt. Wofür?
Sicherlich für das größte Abenteuer das wir bisher mit Jonathan unternommen hatten!!

Schon vor circa einem Jahr haben wir uns einer Organisation in Liverpool angeschlossen: der WALKING WITH GIANTS FOUNDATION. Einer Organisation die sich ausschließlich um Kinder mit MPD (Mikrocephalem Primordialem Dwarfism/Kleinwuchs) kümmert. Die den Familien die Chance gibt sich einmal im Jahr auf einer Convention zu treffen und auszutauschen. Doch nicht nur andere betroffene Familien würde man dort treffen können: sondern auch die einzigen Forscher die es in diesem Krankheitsbereich gab. Einen Arzt aus Amerika und einen aus Schottland, die den Eltern die Möglichkeit gaben alle Fragen zu stellen und die Jonathan auch begutachten und uns sagen würden welche Untersuchungen für uns wichtig und notwendig wären.

Und genau für diese Convention packten wir nun unsere Koffer!!

Wir kannten zwar bereits zwei deutsche Familien mit Kindern mit MOPD Typ1…aber zum ersten Mal würden wir auf SO VIELE Familien treffen, auch mit anderen Krankheitsbildern. Und zum ersten Mal würden wir auch die führenden Forscher in diesem Bereich persönlich treffen können, ihre Meinung und Ratschläge hören und ihnen unsere Fragen stellen können.

Und zum ersten Mal…würden wir auch mit Jonathan fliegen!! Es war ein „Test“: denn im nächsten Jahr würde es nach Curacao gehen und DER Flug war ein wenig länger als einer nach Liverpool/Manchester.

Ich kann gar nicht in Worte fassen wie wir uns in den Tagen vor der Abreise fühlten…
Aufgeregt…ängstlich…freudig…gespannt……irgendwie von allem etwas!

Aufgeregt waren wir natürlich vor dem „unbekannten“ das uns erwartete. Theoretisch wussten wir wie die Convention ablaufen würde….aber wir hatten eben noch nie teilgenommen. In diesem Jahr…würden 226 Personen – 46 Familien- aus aller Welt vor Ort sein….das war schon eine Hausnummer!! Wir waren mehr als froh dass wir im Sommer in Holland schon einige Familien kennengelernt hatten und dann nicht über 200 Fremden gegenüberstehen würden…

Angst hatte ich vor allem vor dem Flug. Weil ich nicht wusste wie Jonathan das mitmachen würde. Und..um ehrlich zu sein..hatte ich Angst dass er im Flieger einen epileptischen Anfall bekommen würde.
Über dieses Thema hatte ich mit unserem Kinderarzt geredet und er meinte nur: „Warum sollte Jonathan im Flugzeug eher einen Anfall bekommen als auf der Erde?“…ja, keine Ahnung?? Ich war ein wenig beruhigt – aber nicht vollkommen. Mag auch daran liegen dass ich SELBER Flugangst habe.

Voller Freude war –zumindest- ich weil ich ENDLICH die Gründerin der Organisation und ihren Mann treffen würde. Wir hatten schon so viele Nachrichten ausgetauscht und uns über so viel unterhalten – sie war mir vertraut auf einer ganz besonderen Ebene wie ich es vorher ehrlich gesagt noch nie erlebt hatte: ich hatte das Gefühl einfach genau wie sie zu sein. (In Liverpool hat SIE es auf den Punkt gebracht: „You are my sister from another mister!“ ..Du bist meine Schwester von einem anderen Vater!....) Ich fieberte dem Moment entgegen in dem ich sie endlich in die Arme nehmen könnte und mein Herz klopfte vor Aufregung!

Gespannt waren wir vor allem auf das Gespräch mit den Ärzten. Was würden sie uns sagen können? Was für „Aufgaben“ würden sie uns für das kommende Jahr an die Hand geben? Einen der Forscher, Dr Michael Bober, kannte ich bereits aus einigen Fernsehberichten. Für MICH…war ER…die Koryphäe in diesem Bereich schlechthin! Er war mein „Rockstar“. Ich war aufgeregt wie ein Teenager der sein großes Idol treffen darf. (Über den Ausdruck ROCKSTAR haben sich in Liverpool dann übrigens fast ALLE lustig gemacht, inklusive Dr Bober. Es war der Running Gag der Convention!)

Gespannt waren wir aber auch auf die vielen anderen Familien. Ich würde mal behaupten dass wir 80% der Familien schon aus dem Internet kannten. Wir haben eine geschlossene Gruppe bei Facebook und wir hatten uns schon mit vielen anderen ausgetauscht.
Außerdem gab es über EINIGE Familien Fernsehberichte/Reportagen: auch diese waren uns bekannt.
Es ist schwer zu beschreiben wie es sich anfühlt jemanden aus dem Fernsehen/Internet zu kennen und zu wissen das er das eigene Schicksal teilt und das man ihn bald in live treffen wird. Auf jeden Fall freuten wir uns sehr darauf….

Die Flüge hatten wir über ein Reisebüro gebucht, weil wir nicht so genau wussten wie das mit der Medikamentenanmeldung ging. Die wollten/mussten wir ins Handgepäck nehmen und dachten das es einfacher für uns sei wenn das Reisebüro sich um die Abwicklung kümmern würde.

Weil eine Freundin uns von einem Buggy erzählt hatte den man so klein zusammenfalten kann das er im Flugzeug ins Handgepäck passt kümmerten wir uns noch um die Anschaffung. Ich wollte gerne Abstand davon nehmen den Reha-Buggy mitzunehmen: er war riesig und müsste als Sondergepäck aufgegeben werden, das würde bedeuten das wir Jonathan am Flughafen noch eine ganze Zeit lang tragen müssten. Und, viel wichtiger, was wäre wenn der Buggy kaputt gehen würde!!??

Auch den Kauf des Buggys haben wir rechtzeitig hinbekommen: Jonathan konnte darin gut sitzen und zusammengefaltet war der so klein…das hätte ich nie für möglich gehalten!!

Die Koffer waren gepackt…der Tag der Abreise rückte näher…und wir starteten in unser bis dahin wohl größtes Abenteuer als vierköpfige Familie!

Freitag, 28. September 2018


Der Aufenthalt im Playmobil-Park war trotz der Gedanken die mir immer wieder durch den Kopf schwirrten sehr schön.
Wenn auch Marvin nicht mehr so stark für den Park zu begeistern war wie noch vor einigen Jahren, so war es Jonathan umso mehr!!

Die Wasserspielplätze fand er bei über 30 Grad Außentemperatur besonders toll!! Aber auch den RIESIGEN Sandkasten…die Schaukeln und Rutschen…die neue „Feen-Welt“ mit ihren rosa und lila Einhörnern…lach…die „Indoor-Spielhalle“ wo alles aus der Welt von Playmobil für die Kinder zum Spielen bereitsteht….

Wir waren noch nie so lange im Park wie dieses Jahr: 4 Tage!!
Dass es etwas mehr gekostet hat…versteht sich von selbst. Aber wir hatten beschlossen uns darüber KEINE GEDANKEN zu machen, sondern die Zeit einfach in vollen Zügen zu genießen!! Die Sache ist ja immer die: WER WEISS OB WIR ES NÄCHSTES JAHR NOCH MACHEN KÖNNEN!...also: nicht drüber nachdenken…

An meinem Geburtstag haben wir uns traditionell mit Freunden getroffen die in der Nähe des Parks wohnen – von ihnen habe ich hier auch schon öfter erzählt: wir haben uns mal in der Kur kennengelernt. Ich freue mich immer das ganze Jahr darauf sie zu sehen, und so war es auch diesmal!! ABER…diesmal haben die Freunde es sogar möglich gemacht das wir uns während unseres Aufenthaltes ZWEIMAL gesehen haben!!! Einmal waren wir mit den Kindern gemeinsam abends essen und an meinem Geburtstag waren wir (dann ohne Marvin) bei ihnen zu Hause und sie haben uns zu Pizza eingeladen….8o)) Es waren zwei so schöne Abende! Und immer wenn wir wieder nach Hause fahren würde ich mir wünschen dass wir näher beieinander wohnen und uns öfter sehen könnten. Aber es gibt ja Telefon und WhatsApp, auch wenn das nicht dasselbe ist….

Eine weitere wunderschöne Begegnung hatten wir IM PARK.
Manchmal ist das Leben wirklich verrückt!! Lach….
Vor etwas mehr als einem Jahr, glaube ich…hatte ich in einem Online-Forum Klamotten für Jonathan gekauft und ich kam mit der Verkäuferin (sie kommt ganz aus der Nähe des Playmobil-Parks!) ins Gespräch. Habe ihr erzählt das Jonathan kleinwüchsig ist und auch von seiner Prognose. Habe ihr Bilder geschickt von uns.

Sie war begeistert von Jonathan und hat….sowas habe ich noch nie erlebt!!!...ein PAKET geschickt in dem fast viermal so viele Klamotten waren als die, die ich gekauft hatte. Weil sie uns einfach eine Freude machen wollte.

Wir sind in Kontakt geblieben, irgendwann haben wir dann auch Handynummern ausgetauscht.

Ich möchte an der Stelle sagen das ich das NICHT mit jedem mache bei dem ich etwas kaufe oder der etwas bei mir kauft. Aber manchmal passt es einfach, und ich denke das ich eine ausgeprägte Menschenkenntnis habe um zu wissen bei wem die Chemie stimmt.

Diese Frau jedenfalls war mir direkt so sympathisch und ich habe mich bei jeder Nachricht mit ihr einfach….wohl gefühlt. Wir haben begonnen uns mehr und mehr aus unserem Leben zu erzählen. Sie folgt uns bei Facebook, hat uns schon mehr als einmal sehr hilfreiche Tipps gegeben…und ich weiß dass sie auch immer fleißig meinen Blog liest!!
(JA….JETZT BIST DU AUCH BESTANDTEIL DAVON….8o)) …)

Als unsere Reise in den Park dann näher rückte habe ich sie gefragt ob sie nicht in den Park kommen kann damit wir uns „in live“ sehen. Es war schwierig für sie das möglich zu machen, weil sie eigentlich andere Termine hatte….aber sie hat die Termine verlegt und sie kam!! Mit ihren beiden Kindern und ihrem Mann.

Ich habe mich so gefreut als sie am Playmobil-Bauernhof einfach vor mir stand!! Sie war mir so vertraut und doch fremd…wisst ihr was ich meine? Klingt bescheuert…ist es vielleicht auch. Lach…

Jedenfalls mochte ich sie in echt genauso gerne wie per Handy/Facebook (und das hätte ja auch anders sein können!). Auch ihre Familie war ganz fantastisch. Als wir uns nach ein paar Stunden voneinander verabschiedeten dachte ich so: „Sie habe ich wegen Jonathan als Freundin gewonnen. Wenn ER nicht da wäre…wäre der Kontakt zwischen uns NIE zustande gekommen!“…und da sieht man mal wieder was der kleine Mann in unserem Leben für eine Bereicherung darstellt!!! Wir haben auf einmal Freunde, wahnsinnig tolle Menschen, die wir ohne ihn NIE hätten….

Wir haben wirklich durch Jonathan sehr viele glückliche und schöne Momente…sehr viele Erlebnisse und auch Freunde die wir ohne ihn sicherlich nicht hätten. Aber…die Kehrseite der Medaille sind die traurigen Momente die wir durch/mit ihm haben.

Und auch solche hat es im Playmobil-Park gegeben. Und die beschäftigen mich bis heute – obwohl es schon über 2 Monate her ist.

Bis vor einigen Monaten hat Jonathan sich nicht für andere Kinder interessiert. Er ist zwar schon fast 3,5 Jahre alt – aber seine geistige Entwicklung entspricht nicht seinem tatsächlichen Alter. Andere Kinder waren ihm also egal.

Doch seit einiger Zeit: beobachtet Jonathan andere Kinder sehr aufmerksam. Das war auch im Park so.
Natürlich schauen auch andere Kinder IHN sehr interessiert an: er ist vermutlich das kleinste Kleinkind das sie je gesehen haben. Dazu ist er noch süß und das führt grade bei kleinen Mädchen sehr oft zu Euphorie und man muss ein wenig aufpassen das sie ihn nicht mit ihren Puppen verwechseln…lach…

Jedenfalls…war Jonathan sehr oft von anderen Kindern „umringt“: sie standen vor ihm, oder um ihn herum. Haben ihn angeschaut und gestaunt. (…was vollkommen ok ist: Kinder sind Kinder!)

Jonathan…hat vor ihnen gekniet und so oft…gewunken. Oder geredet – klar, in seiner eigenen Sprache. Und die Kinder……haben einfach gar nichts gemacht. Sie haben weiterhin nur geschaut. Weder zurück gewunken, noch „HALLO“ gesagt. Manche haben sich auch einfach umgedreht und sind gegangen.

Es ist ok. Das sind Kinder und die verstehen noch nicht alles!!!
Aber…ICH bin eine MUTTER. Und ich habe das Gesicht MEINES KINDES gesehen. Und das Unverständnis in Jonathans Augen wenn er „Kontakt aufgenommen hat“ - und nichts passierte. Jonathan weiß nicht dass er anders ist…und dementsprechend kann er nicht verstehen warum die anderen Kinder ihm nicht zurück winken, oder sogar einfach weg gehen ohne ihn zu beachten.

Das hat mich so mitgenommen!! So unendlich traurig gemacht.

Ich bin den Kindern nicht böse….wie könnte ich das auch. Aber mir ist das erste Mal bewusst geworden wie Jonathans Leben ablaufen wird….er wird IMMER anders sein. Er wird IMMER derjenige sein der im Mittelpunkt steht und „angeglotzt“ wird.

Wenn er in den Kindergarten kommt….wird er dann FREUNDE finden??? WIRKLICHE Freunde????
Oder wird er einfach nur „akzeptiert“ werden???

Ich meine…seien wir mal ehrlich. Die meisten von uns haben Jobs und arbeiten jeden Tag mit vielen Kollegen zusammen. Aber…wie viele dieser Kollegen treffen wir auch privat??? Im Büro MUSS man sich arrangieren und zusammen arbeiten, ob man sich persönlich mag oder nicht. Das ist eben der Job. Und die Freizeit verbringt man mit anderen Menschen, mit Menschen die man wirklich mag.

Also....wenn Jonathan in den Kindergarten kommt…dann werden die Kinder dort mit ihm spielen – weil sie es MÜSSEN. Wie wir Erwachsenen im Beruf mit Kollegen klarkommen müssen die wir nicht so sehr mögen. Aber wie viele der Kinder werden ihn fragen ob er nachmittags mit ihnen spielt??? Oder ihn auf ihren Kindergeburtstag einladen???

Seien wir realistisch!
Jonathan wird NIE so sein wie andere Kinder. Er wird immer sehr viel kleiner und deswegen nicht in der Lage sein Dinge zu tun die „normale“ Kinder tun. Er wird nie so schnell rennen….nie so hoch hüpfen…nie geistig so weit sein wie seine Alterskameraden. Und Kinder wollen DAS tun was ihnen Spaß macht und was sie können. Also bitte…WER wird nachmittags mit Jonathan spielen wollen?

Jedes „vernünftige“ Kind wird sich einen Spielkameraden suchen der genauso gut Fahrrad fahren oder Seilspringen kann wie es selbst. Und das wird NIE JONATHAN sein.

Ich will gar nicht schwarz malen oder pessimistisch sein. Ich versuche REALISTISCH zu sein. Und mich auf die Zukunft einzustellen. Vorzubereiten.

Inklusion. Das hört sich ja immer so toll an: BEHINDERTE HABEN DIESELBEN RECHTE WIE GESUNDE MENSCHEN. Stimmt. Haben sie auch.
Aber in der Realität….ist INKLUSION nicht wirklich durchführbar. Meine Meinung….

Uns wird oft die Frage gestellt ob Jonathan einmal in den Kindergarten gehen wird: JA, WIRD ER. Trotz seines schwachen Immunsystems.

Wir haben uns entschieden es zu riskieren, weil wir finden dass ein Leben ohne soziale Kontakte nicht lebenswert ist. Es fällt uns nicht leicht…wir haben Angst das Jonathan im Kindergarten DEN EINEN Infekt bekommen wird der ihn am Ende das Leben kostet. Aber..wir möchten ihn nicht ewig „unter einer Glasglocke“ bei uns behalten. Nur damit es UNS besser geht.

Jonathan wird in einen integrativen Kindergarten kommen, in meinen Betriebskindergarten. Die Zusage für einen Platz liegt uns schon vor. Der Kindergarten ist auf behinderte Kinder ausgelegt, alle Voraussetzungen sind dort geschaffen. ABER….Jonathan wird das erste und einzige Kind mit Behinderung dort sein. Weil meine Kollegen eben keine behinderten Kinder haben.

Wir haben keine Ahnung ob das funktionieren wird. Für Jonathan…und für die anderen Kinder.

Und die Tragweite dieser ganzen Situation…ist mir im Playmobil-Park bewusst geworden.

Seitdem habe ich noch viel mehr Angst vor dem Moment wo ich ihn in den Kindergarten gebe. Und vor den Enttäuschungen die auf ihn warten werden. Ich frage mich ob ich es schaffen werde ihn zu genug Stärke zu erziehen um damit umzugehen.

Die Erziehung eines gesunden Kindes ist ja schon eine Herausforderung: das merke ich bei Marvin grade - weil er in der Pubertät ist.
Aber die Erziehung eines behinderten Kinders ist noch eine viel größere Herausforderung…weil ich nicht weiß was Jonathan überhaupt versteht und aufnimmt.

Dazu kommt noch….das nicht alle Eltern adäquat mit unserer Situation umgehen können.
Die Kinder die im Park nicht gewunken oder mit Jonathan interagiert haben waren ja für mich schon schwer zu ertragen. Aber es gab eine Situation die mich wirklich zum Weinen gebracht hat…

Das war am Bauernhof, an der Rutsche. Jonathan ist gerutscht und er hatte einen wahnsinnigen Spaß dabei!!!

Dann kam ein kleines Mädchen, vielleicht zwei Jahre alt. Und sie wollte auch rutschen. Also haben wir darauf geachtet das die Kinder immer abwechselnd dran sind: einmal Joni und einmal sie.

Das hat super funktioniert. Doch irgendwann stand sie einfach nur noch da und hat Jonathan fasziniert angeschaut. Ich kann es ihr nicht verdenken!!! Er war nur halb so groß wie sie und ist trotzdem genauso gerutscht: was muss in ihrem Kopf vorgegangen sein?? 8o)))

Ich habe sie angeschaut und zu ihr gesagt: „Ich würde Dir so gerne erklären warum er so klein ist – aber das würdest Du noch nicht verstehen!!“

….und dann kam ihre Mutter…

Hat das kleine Mädchen gepackt…und weg gezogen. Einfach so. Ohne ein Wort. Als wäre Jonathan ansteckend.

Wahrscheinlich war es ihr einfach nur peinlich dass ihre Tochter so geschaut hat. Aber warum??? Sie ist ein KIND!!!

Naja…..aber nach diesem Erlebnis habe ich mir natürlich über den Kindergarten-Eintritt noch mehr Gedanken gemacht.
Nicht nur die Kinder sind „das Problem“, vielmehr auch die ELTERN!!! Wenn die nicht vorleben können wie man mit behinderten Menschen umgeht…wie und woher sollen die KINDER es dann lernen???

Und das ist auch ein Punkt bei der so viel gelobten Inklusion.
Die Kinder von heute lernen mit behinderten Menschen umzugehen. Aber ihre Eltern, also MEINE GENERATION!, hat überhaupt keine Ahnung davon. Zu UNSERER Zeit waren behinderte Kinder nicht mit gesunden Kindern gemeinsam im Kindergarten oder in der Schule – wir können ja nichts dafür…aber wir haben den Umgang nie gelernt.

Aber WIE…..sollen wir unseren Kindern den Umgang mit Behinderten dann beibringen???

Die Politik hat an der Stelle noch eine große Aufgabe vor sich!

Und wir betroffene Eltern….ebenfalls!!!

Donnerstag, 20. September 2018


Unser längster Aufenthalt im Playmobil-Funpark den wir je hatten…
Wer meinen Blog schon länger liest oder uns bei Facebook folgt, weiß: mindestens einmal im Jahr fahren wir in den Playmobil-Funpark nach Fürth.

Dieser Park ist einfach super für Jonathan: selbst er –der noch nicht laufen kann- kann hier einfach unglaublich viel machen, ausprobieren, spielen….und Marvin…naja, der liebt diesen Park schon seit 10 Jahren sehr! Sein jährliches Ritual…8o)
Mittlerweile freut er sich aber mehr an der Freude seines kleinen Bruders als das er selbst Spaß dort hätte: er ist einfach zu groß geworden. (Wie schnell die Zeit aber auch vergeht!)

Nun ja…für dieses Jahr war wieder mal ein Besuch im Park über meinen Geburtstag geplant. Wir hatten schon vor Monaten ein Zimmer im Aparthotel gebucht: für ZWEI NÄCHTE diesmal! Absoluter Luxus, aber wir wollten uns das dieses Jahr gönnen.

Und dann kam alles anders als erwartet. Denn Marvin hat bei der Deutschen Meisterschaft im Yu-Gi-Oh (sein japanisches Lieblingskartenspiel) den dritten Platz belegt – und damit eine Teilnahme an der Europameisterschaft klargemacht.

Da ich schon wusste wann die Europameisterschaft stattfinden würde, nämlich an MEINEM GEBURTSTAG an dem wir ein Zimmer im Playmobil-Park gebucht hatten…war meine erste Reaktion auf diese Nachricht von Marvin dann auch keine Freude, sondern ein „SCHEISSE!“..(Obwohl ich mich natürlich für Marvin gefreut habe!! Ich konnte das nur in diesem Moment nicht so gut zeigen.)
Wir konnten das Zimmer in Fürth nämlich nicht mehr kostenlos stornieren…die Frist dafür war abgelaufen. Wir waren schon mit Freunden verabredet…UND..die Europameisterschaft fand in Berlin statt, also genau am anderen Ende von Deutschland. Zwickmühle.

Für die ich aber schnell eine Lösung gefunden hatte.

Anruf bei meinen Eltern. Mein Vater war dran.
„Du, Papa: ich habe eine GANZ starke Eingebung das Du demnächst verreisen wirst!“…mein Vater: „Echt?? Nach Berlin, oder?“….lach…er hatte es schon geahnt und meine Eltern hatten sich auch schon drauf eingestellt. Meine Eltern sind einfach die Besten!! 8o)))

Klar hätte ich Marvin gerne zu diesem Erlebnis begleitet. Aber auf der anderen Seite wollte er tagsüber allein zu der Meisterschaft gehen, natürlich!!! Und was hätten wir dann mit Jonathan gemacht? Stadtbesichtigung in Berlin? Das wäre nicht das Richtige für den kleinen Mann gewesen - im Funpark konnte er toben und spielen…da hatte er mehr davon.

Also buchten meine Eltern ein Hotel und wir sprachen die Daten ab. Marvin würde noch einen Tag bei den Großeltern sein während wir schon im Süden Deutschlands unterwegs wären.

Es dauerte aber nicht lange und Marvin wurde traurig. Er wollte auch mit in den Park. Er wollte sehen wieviel Spaß sein Bruder hatte. Er wollte seinem Bruder alles zeigen und erklären. Er überlegte ernsthaft die Teilnahme an der Europameisterschaft deswegen abzusagen!

DAS ging ja gar nicht!! Eine Qualifikation für die Europameisterschaft in Yu-Gi-Oh bekommt man nicht einfach so, vielleicht bekommt man sie überhaupt nur EINMAL im Leben. Also war NICHT HINGEHEN keine Option.

Aber was tun???

Ich war sehr schnell entschlossen wie wir auch dieses Problem lösen könnten. Ohne meinen Mann vorher um seine Meinung zu fragen (was ich sonst in solchen Situationen schon tue!), habe ich im Playmobil-Hotel angerufen und gefragt ob wir das Zimmer schon einen Tag früher bekommen könnten. Leider nein, das Hotel war restlos ausgebucht.

Okay: Plan B.
Vor ein paar Jahren hatten wir mal eine Pension im Ort gebucht weil das Hotel ausgebucht gewesen war. Also habe ich diese Pension angerufen und siehe da: dort hatte man ein Zimmer für uns.

Wir würden also einen Tag früher nach Nürnberg reisen als geplant. MIT MARVIN.

Nur….der musste ja dann irgendwie zurück zu den Großeltern um mit ihnen nach Berlin zu fahren.

Auch hierfür hatte ich schon eine Lösung: ich würde EINFACH am Mittag des zweiten Tages mit Marvin nach Hause fahren, dort ein paar Stunden schlafen und…wieder zurück nach Nürnberg fahren.

Waren ja nur 3,5 Stunden Fahrt pro Strecke. Und so knapp 360 km one way…quasi um die Ecke. Lach…
Naja: aber was tut man nicht alles für das eigene Kind!!

Als ich meinem Mann meinen Plan erklärte sagte er nur: „WENN DU MEINST!!!“….klar: begeistert war ich auch nicht stundenlang in Deutschland hin und her zu fahren. Aber wenn es Marvin glücklich machte….

Mein Schwiegervater hatte aber dann die rettende Idee: Marvin könnte doch mit dem ICE von Nürnberg nach Hause fahren!
Ein ICE-Bahnhof war nur 11 km von unserem Wohnort entfernt und es war die perfekte Lösung. Wir würden Marvin in Nürnberg in den ICE setzen der eine Direktverbindung hatte, und meine Eltern würden ihn abholen. Gesagt, getan: ich habe online ein Ticket gebucht und was soll ich sagen? Es hat (1.Klasse!) nur 40€ gekostet….wenn man die Strecke rechnete die ich mit dem Auto gefahren wäre UND die Zeit die ich aufgewendet hätte: dann rechnete sich die Zugfahrt wirklich!!!

Also war es beschlossen: so würden wir es machen!!

Und dann starteten wir mal wieder, alle VIER!, in den Funpark.

Ich freute mich sehr dass Marvin nun doch mit an Bord war!! Seit 10 Jahren fahre ich regelmäßig mit ihm in diesen Park, es hat Tradition. Wäre schon komisch gewesen komplett ohne ihn dort zu sein. Auch wenn ich natürlich weiß das unsere gemeinsamen Tage in diesem Park gezählt sind – Marvin wird erwachsen und wird nicht mehr ewig dorthin…oder mit uns gemeinsam wegfahren…wollen.

…und das Marvin langsam „aus dem Park herauswächst“ haben wir dann auch direkt gemerkt als wir dort ankamen.

Marvin tigerte neben uns her durch den Park. Und auf die Frage: „Wohin wollen wir zuerst gehen?“…sagte er….“EGAL!“…das hatte es noch nie gegeben!! Wir entschieden dann in die Indoor-Spielhalle zu gehen. Marvin spielte dort auch mit Jonathan und grinste als er sah wieviel Spaß der kleine Kerl dabei hatte Autos durch die Gegend zu schieben…doch Marvin selber spielte nicht.

Das setzte sich fort als wir durch den Park gingen. Klettergarten…Boot fahren…Floß fahren oder die Ritterburg…Marvin war lustlos. Er machte alles mit, aber ohne rechte Begeisterung.

Irgendwann nachmittags als wir ein Eis aßen sagte er dann: „Mama, ich glaube ich bin zu alt für den Park. Es fühlt sich anders an hier zu sein als in den Jahren vorher. Das macht mich traurig.“

Uff……mich machte es auch traurig! Mein Großer verlor langsam die kindliche Begeisterung, er wurde erwachsen.

Aktuell befindet er sich aber in einer „Zwischenphase“: nicht mehr richtig Kind und noch nicht erwachsen wusste er nicht wie er sich hier im Park verhalten sollte. Spielen ist eigentlich toll….aber uncool…wisst ihr was ich meine???

Ich hoffe ich habe eine gute Lösung gefunden als ich sagte das es ganz normal – und zu erwarten gewesen!- sei das er irgendwann mal keinen Spaß mehr im Park haben würde. ABER…er könne sich ja weiterhin an der Freude seines kleinen Bruders freuen und MIT IHM die ganzen Sachen erkunden/machen die er vorher allein gemacht habe….

Zum ersten Mal seit wir in den Park fahren…wollte Marvin auch im Shop nichts mehr gekauft haben. Da hatte ich echt einen Kloß im Hals. Und zwar nicht weil wir Geld gespart haben…lach…sondern weil mir einfach so deutlich wurde das Marvin erwachsen wird. Die Zeit vergeht viel zu schnell, ich komme da gar nicht mit.

Und das sind dann auch solche Momente in denen ich mich frage: „Habe ich alles richtig gemacht? Habe ich einen guten Grundstein gelegt für sein weiteres Leben? Habe ich ihm alle Werte vermittelt die er haben sollte um ein GUTER MENSCH zu sein?“….denn jetzt…ist es vermutlich zu spät um noch „etwas geradezubiegen“.

Eine Frage die mich immer wieder beschäftigt, besonders wenn wir in diesem Park sind, ist: „Habe ich Marvin so erzogen wie sein Papa es befürwortet hätte?“

Und jetzt muss ich ein wenig ausholen…
Marvins Papa ist gestorben als Marvin 5 Jahre alt war. Zu diesem Zeitpunkt waren wir getrennt. Aber wir waren Freunde.
Fast 8 Jahre lang waren wir ein Paar, haben viele Höhen…aber auch SEHR VIELE Tiefen!...durchlebt. Die Tiefen…waren der Vergangenheit geschuldet. Marvins Papa hat eine Tochter mit in unsere Beziehung gebracht, sie war etwa 1 Jahr alt als wir ein Paar wurden. Diese Tochter…liebe ich wie MEINE EIGENE TOCHTER…BIS HEUTE.

Doch das Verhältnis zu ihrer Mutter war (wegen gesundheitlicher Probleme der Mutter) schwierig und hat uns als Paar - und ihm als Vater- alles abverlangt was wir zu geben hatten. Wir haben gekämpft um dieses Mädchen… wir haben jede Minute die wir mit ihr hatten so sehr genossen…und so oft geweint wenn wir sie gehen lassen mussten…wir haben mit Ämtern und Behörden gestritten…Briefe geschrieben und Gespräche geführt…Gerichtstermine wahrgenommen.

Wir haben alles gegeben…und am Ende nicht gewonnen.

Doch eins hat uns diese ganze Situation gelehrt: GEMEINSAM an einem Strang ziehen – für die Kinder. Egal ob man zusammen ist…oder nicht!
WIR sind die Erwachsenen, und WIR tragen die Verantwortung für die Kinder. Einen KINDERGARTEN zu veranstalten nur weil wir uns getrennt haben – das kam für uns nie in Frage.  

Natürlich ist unsere Trennung nicht komplett ohne Streit gelaufen. Doch dieser wurde ausgetragen wenn Marvin nicht dabei war. ER…hat nie etwas davon mitbekommen. Denn selbst nach einem Streit haben wir uns am nächsten Tag vor seinen Augen zur Begrüßung umarmt und EINIGKEIT demonstriert.

Das geht!! Wenn man will! Und stark genug ist. Ich finde: das sollten viel mehr Eltern sein. Der Kinder zuliebe….

Wir sind zusammen zu Veranstaltungen im Kindergarten gegangen, nach einigen Monaten auch zu dritt mit der neuen Lebensgefährtin von Marvins Papa. Für MICH war das vollkommen ok und normal…für viele andere Eltern nicht! Es wurde getuschelt und ich wurde sogar gefragt ob ich möchte dass man „die neue Frau“ des Kindergartens verweist.
Hallo???? Wie alt sind wir denn???

…wir sind auch zusammen „in Urlaub“ gefahren: damit Marvin sich nicht entscheiden musste mit wem er mitgehen möchte. Wir sind in Urlaub in den Playmobil-Park gefahren.  

Es waren sehr schöne, und harmonische Tage!, dort.

Ich kann nur noch einmal betonen: ES IST MÖGLICH. Wenn man will!!

Heute bin ich übrigens der Meinung dass wir wirklich alles richtig gemacht haben. Marvin scheint, jedenfalls soweit ich das beurteilen kann, keinen Schaden durch unsere Trennung genommen zu haben.

...wenn ich aber im Playmobil-Park bin…kommen immer sehr viele Erinnerungen hoch…Marvins Papa war „Playmobil-Fetischist“: er hat es gesammelt und geliebt. Den allerersten Besuch dort haben wir gemeinsam erlebt….und auch als wir kein Paar mehr waren, haben wir den Park trotzdem besucht. Marvin zuliebe.

Es fühlt sich immer so an als sei er an meiner Seite wenn ich im Park bin. Und grade in diesem Jahr, wo ich spürte das Marvin sich langsam abnabelte,  habe ich mich eben gefragt ob er zufrieden wäre mit dem was ich „geleistet“ habe, ob er zufrieden wäre mit dem Menschen den ich aus Marvin gemacht habe.

Ich glaube….JA!...Marvin ist ein guter Mensch geworden. Er denkt an andere: ist empathisch und hilfsbereit. Er sieht nicht nur sich selber. Und ist ehrlich.

Für MICH…sind das schon mal die Grundvoraussetzungen….