Freitag, 19. Oktober 2018


Der Sommer vergeht….
Und WAS WAR das in diesem Jahr für ein Sommer!!
Temperaturen weit über 30 Grad, für WOCHEN am Stück. GENAU mein Wetter! (Die Liebe zur Hitze habe ich von meinem Vater geerbt.)

Leider konnte ich nicht so viel draußen in der Sonne sein wie es mir gefallen hätte, doch mit Jonathan war es einfach nicht möglich den ganzen Tag im Garten zu bleiben.

Aber….wir waren viel auf seiner Rutsche…im Planschbecken..und auch mal im Sandkasten unterwegs. Und der kleine Mann hatte einen riesigen Spaß dabei!

Außerdem machte Jonathan in diesem Sommer einen riesigen Entwicklungssprung!

Fast täglich lernte er etwas Neues - oft waren es nur Kleinigkeiten…doch uns fiel alles auf und wir freuten uns über jeden noch so kleinen Schritt! 8o))
Doch es gab auch große Dinge die er lernte wie Kniestand…oder…richtig KRABBELN!!!

Seinerzeit von den Ärzten nicht für möglich gehalten….hüpfte Jonathan nun auf allen Vieren wie ein kleiner Frosch durch die Wohnung. Und hatte sichtlich Spaß dabei!!

Weinen musste ich als er es das erste Mal schaffte sich auch allein hinzusetzen. Sah zwar etwas anders aus….aber er saß!! Unfassbar!!!

Wieder einmal trotzte er den Prognosen der Ärzte….und es freute mich einfach so sehr für IHN: er wurde selbstständiger… er konnte nun selber entscheiden was er spielen wollte – durch den Sitz und Kniestand reichte er nun an Dinge heran an die er vorher nicht herankam.

Mit über 3 Jahren eroberte sich der kleine Mann nun eine „neue Ebene“ in unserer Wohnung, eine Sicht auf sein Zuhause die er vorher nicht gehabt hatte.

Bei Marvin war es mir gar nicht so bewusst gewesen…bei ihm passierte in der Entwicklung ja alles mehr oder weniger „von allein“. Aber mittlerweile habe ich gelernt dass Kinder durch den „aufrechten Gang“ und die damit verbundenen neuen Eindrücke der Umwelt sich auch geistig weiterentwickeln. Sie BRAUCHEN das Laufen um dem Gehirn neue Informationen zu geben und es dadurch zu stimulieren.

Okay, Jonathan läuft noch nicht. Aber er krabbelt und ist im Kniestand. Fast ausschließlich. Er liegt so gut wie gar nicht mehr auf dem Rücken auf dem Boden. Also….vielleicht rührt der Entwicklungsschub ja auch ein bisschen von der „neuen Welt“,  die der kleine Mann sich nun erobert hat???

Auf jeden Fall war es sehr schön ihn so zufrieden und …ja: auch stolz!...zu sehen.


Dieser Sommer war so vollgepackt mit tollen Eindrücken und Erlebnissen!!

Jonathan hat seine Liebe zum Fahrradfahren entdeckt – natürlich nicht SELBER, so weit sind wir dann doch noch nicht. Aber im Fahrradsitz am Lenker von Papas Rad. Jeden Abend wenn Papa nach Hause kam und wir ihn an der Haustür empfangen haben hat Jonathan direkt euphorisch auf das Garagentor gezeigt und „DAAA!“ gesagt. Und der Papa ist mit ihm losgeradelt. 8o))

Wir waren so gut wie jede Woche (außer im Urlaub) bei der Reittherapie und auch hier hat Jonathan so viele Fortschritte gemacht!! Er hat sich getraut Bella (sein Therapiepferd) zu streicheln….ihre Nüstern berührt. Klar: das sind eigentlich nur „Kleinigkeiten“ und den meisten Eltern mag es „ganz normal“ vorkommen das Kinder Pferde berühren – doch für Jonathan war es eine große Herausforderung und es hat lange gedauert. Umso stolzer waren wir dann aber!

Ebenfalls jede Woche gingen wir zur Logopädie. Und auch hier erzielte Jonathan Fortschritte mit denen wir in dieser Form nicht gerechnet hätten!! Die Logopädin setzte „CrossTapes“ in der Therapie ein: das sind kleine Pflaster die (bei Jonathan) auf den Kaumuskeln geklebt werden. Dadurch entspannte er diesen und das hatte wirklich einen RIESIGEN ERFOLG!! Er hörte auf mit den Zähnen zu knirschen….benutzte endlich seine Zunge (ich glaube er ist das einzige Kind auf der Welt das AUFGEFORDERT wurde „Streck doch mal die Zunge raus!“… lach)… und begann zu kauen!!! Okay: wir sind noch nicht so weit das er sich an einem Brot „satt essen“ kann. Aber er beginnt zu kauen. Und das ist für uns schon ein wahnsinniger Erfolg.
Außerdem plappert er nun viel mehr….er sagt zwar weiterhin am liebsten „DA“, aber das nun in allen Stimmvariationen und Tonlagen…lach…

Wir machten auch ein paar „kleine Ausflüge“:
Einen Zoobesuch mit Marvins (Halb-)Schwester und ihrer Pflegefamilie – den ich SEHR genossen habe!! Ist diese Familie mir doch sehr ans Herz gewachsen, aber seit Jonathans Geburt können wir uns leider viel zu selten sehen. Umso schöner war es einfach mal einen kompletten Tag ganz entspannt zusammen zu verbringen!
Und NATÜRLICH genieße ich es immer so sehr „meine“ 3 Kinder beisammen zu haben und sie zusammen zu erleben. Diese Stunden sind rar…und deswegen so kostbar für mich.


Wir besuchten auch Jonathans Fußballmannschaft im Trainingslager. Jene Mannschaft die für uns ein Benefizturnier ausgerichtet und uns versprochen hatte: „WIR SIND JONATHAN“. Diesen Tag habe ich auch ungemein genossen!!

Zum einen haben wir so viel gelacht! 8o))
Als die Männer von ihrem morgendlichen Lauf zurückkamen und sich auf dem Sportplatz an der Umrandung noch dehnten….setzte ich Jonathan genau vor sie ins Gras, eigentlich nur damit er ihnen zusehen konnte. Doch einer des Teams sagte dann: „Männer, unser EL CAPITANO kniet: wir knien auch!“..und alle knieten nieder.
Jonathan schaute verwundert und wedelte mit der Hand. Das wurde dann als Aufforderung zum Liegestütz interpretiert: und alle Männer machten Liegestütz für meinen kleinen Jungen. Lach….es war echt so lustig anzuschauen.
Aber auch so ergreifend!!! Diese Männer hatten nicht einfach nur GESAGT das Jonathan ihr EL CAPITANO ist: sie zeigten das sie voll hinter dieser Aussage stehen. Mich hat das so sehr gerührt. Dieser Verein…ist eine ganz ganz tolle Truppe!!!
Dieser Verein..ist das was ein Verein sein sollte: sie halten zusammen und stehen für andere ein. Sie sind ein TEAM. Ich bin wirklich sehr stolz das dieser Verein nun UNSER VEREIN ist!!

Zum anderen haben wir auch sehr viel geredet an diesem Tag.
Seit dem Benefizspiel hatte es einige Neuzugänge in der Mannschaft gegeben und einer von ihnen, er war vielleicht 18-20 Jahre alt, stellte mir so viele Fragen. Intelligente und vorausschauende Fragen! Ich muss gestehen dass ich sehr verwundert war wie ein SO JUNGER MANN sich solche Gedanken machen kann. Das hätte ich nie erwartet! Aber es hat mich gefreut und ich habe versucht ihm alles zu beantworten.

Der Abschluss des Tages war auch sehr emotional!
Es sollte ein Mannschaftsfoto gemacht werden – für Facebook und die Homepage…und als die Mannschaft sich im Tor platzierte sagte man uns das Jonathan bitte mit aufs Bild müsste! Schließlich wäre er ja der EL CAPITANO.
Ich fand das so süß…so rührend….das hätte nicht sein MÜSSEN, und doch war es dem Team wichtig.
Und so…sitzt Jonathan auf dem Mannschaftsfoto auf dem Schoß eines der beiden Torhüter – und ehrlich: man muss ganz genau hinschauen um ihn zu sehen! Lach…

WALKING WITH GIANTS CONVENTION LIVERPOOL
Ende Juli wurden Koffer gepackt. Wofür?
Sicherlich für das größte Abenteuer das wir bisher mit Jonathan unternommen hatten!!

Schon vor circa einem Jahr haben wir uns einer Organisation in Liverpool angeschlossen: der WALKING WITH GIANTS FOUNDATION. Einer Organisation die sich ausschließlich um Kinder mit MPD (Mikrocephalem Primordialem Dwarfism/Kleinwuchs) kümmert. Die den Familien die Chance gibt sich einmal im Jahr auf einer Convention zu treffen und auszutauschen. Doch nicht nur andere betroffene Familien würde man dort treffen können: sondern auch die einzigen Forscher die es in diesem Krankheitsbereich gab. Einen Arzt aus Amerika und einen aus Schottland, die den Eltern die Möglichkeit gaben alle Fragen zu stellen und die Jonathan auch begutachten und uns sagen würden welche Untersuchungen für uns wichtig und notwendig wären.

Und genau für diese Convention packten wir nun unsere Koffer!!

Wir kannten zwar bereits zwei deutsche Familien mit Kindern mit MOPD Typ1…aber zum ersten Mal würden wir auf SO VIELE Familien treffen, auch mit anderen Krankheitsbildern. Und zum ersten Mal würden wir auch die führenden Forscher in diesem Bereich persönlich treffen können, ihre Meinung und Ratschläge hören und ihnen unsere Fragen stellen können.

Und zum ersten Mal…würden wir auch mit Jonathan fliegen!! Es war ein „Test“: denn im nächsten Jahr würde es nach Curacao gehen und DER Flug war ein wenig länger als einer nach Liverpool/Manchester.

Ich kann gar nicht in Worte fassen wie wir uns in den Tagen vor der Abreise fühlten…
Aufgeregt…ängstlich…freudig…gespannt……irgendwie von allem etwas!

Aufgeregt waren wir natürlich vor dem „unbekannten“ das uns erwartete. Theoretisch wussten wir wie die Convention ablaufen würde….aber wir hatten eben noch nie teilgenommen. In diesem Jahr…würden 226 Personen – 46 Familien- aus aller Welt vor Ort sein….das war schon eine Hausnummer!! Wir waren mehr als froh dass wir im Sommer in Holland schon einige Familien kennengelernt hatten und dann nicht über 200 Fremden gegenüberstehen würden…

Angst hatte ich vor allem vor dem Flug. Weil ich nicht wusste wie Jonathan das mitmachen würde. Und..um ehrlich zu sein..hatte ich Angst dass er im Flieger einen epileptischen Anfall bekommen würde.
Über dieses Thema hatte ich mit unserem Kinderarzt geredet und er meinte nur: „Warum sollte Jonathan im Flugzeug eher einen Anfall bekommen als auf der Erde?“…ja, keine Ahnung?? Ich war ein wenig beruhigt – aber nicht vollkommen. Mag auch daran liegen dass ich SELBER Flugangst habe.

Voller Freude war –zumindest- ich weil ich ENDLICH die Gründerin der Organisation und ihren Mann treffen würde. Wir hatten schon so viele Nachrichten ausgetauscht und uns über so viel unterhalten – sie war mir vertraut auf einer ganz besonderen Ebene wie ich es vorher ehrlich gesagt noch nie erlebt hatte: ich hatte das Gefühl einfach genau wie sie zu sein. (In Liverpool hat SIE es auf den Punkt gebracht: „You are my sister from another mister!“ ..Du bist meine Schwester von einem anderen Vater!....) Ich fieberte dem Moment entgegen in dem ich sie endlich in die Arme nehmen könnte und mein Herz klopfte vor Aufregung!

Gespannt waren wir vor allem auf das Gespräch mit den Ärzten. Was würden sie uns sagen können? Was für „Aufgaben“ würden sie uns für das kommende Jahr an die Hand geben? Einen der Forscher, Dr Michael Bober, kannte ich bereits aus einigen Fernsehberichten. Für MICH…war ER…die Koryphäe in diesem Bereich schlechthin! Er war mein „Rockstar“. Ich war aufgeregt wie ein Teenager der sein großes Idol treffen darf. (Über den Ausdruck ROCKSTAR haben sich in Liverpool dann übrigens fast ALLE lustig gemacht, inklusive Dr Bober. Es war der Running Gag der Convention!)

Gespannt waren wir aber auch auf die vielen anderen Familien. Ich würde mal behaupten dass wir 80% der Familien schon aus dem Internet kannten. Wir haben eine geschlossene Gruppe bei Facebook und wir hatten uns schon mit vielen anderen ausgetauscht.
Außerdem gab es über EINIGE Familien Fernsehberichte/Reportagen: auch diese waren uns bekannt.
Es ist schwer zu beschreiben wie es sich anfühlt jemanden aus dem Fernsehen/Internet zu kennen und zu wissen das er das eigene Schicksal teilt und das man ihn bald in live treffen wird. Auf jeden Fall freuten wir uns sehr darauf….

Die Flüge hatten wir über ein Reisebüro gebucht, weil wir nicht so genau wussten wie das mit der Medikamentenanmeldung ging. Die wollten/mussten wir ins Handgepäck nehmen und dachten das es einfacher für uns sei wenn das Reisebüro sich um die Abwicklung kümmern würde.

Weil eine Freundin uns von einem Buggy erzählt hatte den man so klein zusammenfalten kann das er im Flugzeug ins Handgepäck passt kümmerten wir uns noch um die Anschaffung. Ich wollte gerne Abstand davon nehmen den Reha-Buggy mitzunehmen: er war riesig und müsste als Sondergepäck aufgegeben werden, das würde bedeuten das wir Jonathan am Flughafen noch eine ganze Zeit lang tragen müssten. Und, viel wichtiger, was wäre wenn der Buggy kaputt gehen würde!!??

Auch den Kauf des Buggys haben wir rechtzeitig hinbekommen: Jonathan konnte darin gut sitzen und zusammengefaltet war der so klein…das hätte ich nie für möglich gehalten!!

Die Koffer waren gepackt…der Tag der Abreise rückte näher…und wir starteten in unser bis dahin wohl größtes Abenteuer als vierköpfige Familie!