Der
Sommer vergeht….
Und WAS WAR
das in diesem Jahr für ein Sommer!!
Temperaturen
weit über 30 Grad, für WOCHEN am Stück. GENAU mein Wetter! (Die Liebe zur Hitze
habe ich von meinem Vater geerbt.)
Leider
konnte ich nicht so viel draußen in der Sonne sein wie es mir gefallen hätte,
doch mit Jonathan war es einfach nicht möglich den ganzen Tag im Garten zu
bleiben.
Aber….wir
waren viel auf seiner Rutsche…im Planschbecken..und auch mal im Sandkasten unterwegs.
Und der kleine Mann hatte einen riesigen Spaß dabei!
Außerdem
machte Jonathan in diesem Sommer einen riesigen Entwicklungssprung!
Fast
täglich lernte er etwas Neues - oft waren es nur Kleinigkeiten…doch uns fiel
alles auf und wir freuten uns über jeden noch so kleinen Schritt! 8o))
Doch es
gab auch große Dinge die er lernte wie Kniestand…oder…richtig KRABBELN!!!
Seinerzeit
von den Ärzten nicht für möglich gehalten….hüpfte Jonathan nun auf allen Vieren
wie ein kleiner Frosch durch die Wohnung. Und hatte sichtlich Spaß dabei!!
Weinen
musste ich als er es das erste Mal schaffte sich auch allein hinzusetzen. Sah
zwar etwas anders aus….aber er saß!! Unfassbar!!!
Wieder
einmal trotzte er den Prognosen der Ärzte….und es freute mich einfach so sehr
für IHN: er wurde selbstständiger… er konnte nun selber entscheiden was er
spielen wollte – durch den Sitz und Kniestand reichte er nun an Dinge heran an
die er vorher nicht herankam.
Mit über
3 Jahren eroberte sich der kleine Mann nun eine „neue Ebene“ in unserer
Wohnung, eine Sicht auf sein Zuhause die er vorher nicht gehabt hatte.
Bei
Marvin war es mir gar nicht so bewusst gewesen…bei ihm passierte in der
Entwicklung ja alles mehr oder weniger „von allein“. Aber mittlerweile habe ich
gelernt dass Kinder durch den „aufrechten Gang“ und die damit verbundenen neuen
Eindrücke der Umwelt sich auch geistig weiterentwickeln. Sie BRAUCHEN das
Laufen um dem Gehirn neue Informationen zu geben und es dadurch zu stimulieren.
Okay,
Jonathan läuft noch nicht. Aber er krabbelt und ist im Kniestand. Fast
ausschließlich. Er liegt so gut wie gar nicht mehr auf dem Rücken auf dem
Boden. Also….vielleicht rührt der Entwicklungsschub ja auch ein bisschen von
der „neuen Welt“, die der kleine Mann
sich nun erobert hat???
Auf jeden
Fall war es sehr schön ihn so zufrieden und …ja: auch stolz!...zu sehen.
Dieser
Sommer war so vollgepackt mit tollen Eindrücken und Erlebnissen!!
Jonathan
hat seine Liebe zum Fahrradfahren entdeckt – natürlich nicht SELBER, so weit
sind wir dann doch noch nicht. Aber im Fahrradsitz am Lenker von Papas Rad. Jeden
Abend wenn Papa nach Hause kam und wir ihn an der Haustür empfangen haben hat
Jonathan direkt euphorisch auf das Garagentor gezeigt und „DAAA!“ gesagt. Und
der Papa ist mit ihm losgeradelt. 8o))
Wir waren
so gut wie jede Woche (außer im Urlaub) bei der Reittherapie und auch hier hat
Jonathan so viele Fortschritte gemacht!! Er hat sich getraut Bella (sein
Therapiepferd) zu streicheln….ihre Nüstern berührt. Klar: das sind eigentlich
nur „Kleinigkeiten“ und den meisten Eltern mag es „ganz normal“ vorkommen das
Kinder Pferde berühren – doch für Jonathan war es eine große Herausforderung
und es hat lange gedauert. Umso stolzer waren wir dann aber!
Ebenfalls
jede Woche gingen wir zur Logopädie. Und auch hier erzielte Jonathan
Fortschritte mit denen wir in dieser Form nicht gerechnet hätten!! Die
Logopädin setzte „CrossTapes“ in der Therapie ein: das sind kleine Pflaster die
(bei Jonathan) auf den Kaumuskeln geklebt werden. Dadurch entspannte er diesen
und das hatte wirklich einen RIESIGEN ERFOLG!! Er hörte auf mit den Zähnen zu
knirschen….benutzte endlich seine Zunge (ich glaube er ist das einzige Kind auf
der Welt das AUFGEFORDERT wurde „Streck doch mal die Zunge raus!“… lach)… und
begann zu kauen!!! Okay: wir sind noch nicht so weit das er sich an einem Brot
„satt essen“ kann. Aber er beginnt zu kauen. Und das ist für uns schon ein
wahnsinniger Erfolg.
Außerdem plappert
er nun viel mehr….er sagt zwar weiterhin am liebsten „DA“, aber das nun in
allen Stimmvariationen und Tonlagen…lach…
Wir
machten auch ein paar „kleine Ausflüge“:
Einen
Zoobesuch mit Marvins (Halb-)Schwester und ihrer Pflegefamilie – den ich SEHR
genossen habe!! Ist diese Familie mir doch sehr ans Herz gewachsen, aber seit
Jonathans Geburt können wir uns leider viel zu selten sehen. Umso schöner war
es einfach mal einen kompletten Tag ganz entspannt zusammen zu verbringen!
Und
NATÜRLICH genieße ich es immer so sehr „meine“ 3 Kinder beisammen zu haben und
sie zusammen zu erleben. Diese Stunden sind rar…und deswegen so kostbar für
mich.
Wir
besuchten auch Jonathans Fußballmannschaft im Trainingslager. Jene Mannschaft
die für uns ein Benefizturnier ausgerichtet und uns versprochen hatte: „WIR
SIND JONATHAN“. Diesen Tag habe ich auch ungemein genossen!!
Zum einen
haben wir so viel gelacht! 8o))
Als die
Männer von ihrem morgendlichen Lauf zurückkamen und sich auf dem Sportplatz an
der Umrandung noch dehnten….setzte ich Jonathan genau vor sie ins Gras,
eigentlich nur damit er ihnen zusehen konnte. Doch einer des Teams sagte dann:
„Männer, unser EL CAPITANO kniet: wir knien auch!“..und alle knieten nieder.
Jonathan schaute
verwundert und wedelte mit der Hand. Das wurde dann als Aufforderung zum
Liegestütz interpretiert: und alle Männer machten Liegestütz für meinen kleinen
Jungen. Lach….es war echt so lustig anzuschauen.
Aber auch
so ergreifend!!! Diese Männer hatten nicht einfach nur GESAGT das Jonathan ihr
EL CAPITANO ist: sie zeigten das sie voll hinter dieser Aussage stehen. Mich
hat das so sehr gerührt. Dieser Verein…ist eine ganz ganz tolle Truppe!!!
Dieser
Verein..ist das was ein Verein sein sollte: sie halten zusammen und stehen für
andere ein. Sie sind ein TEAM. Ich bin wirklich sehr stolz das dieser Verein
nun UNSER VEREIN ist!!
Zum
anderen haben wir auch sehr viel geredet an diesem Tag.
Seit dem
Benefizspiel hatte es einige Neuzugänge in der Mannschaft gegeben und einer von
ihnen, er war vielleicht 18-20 Jahre alt, stellte mir so viele Fragen.
Intelligente und vorausschauende Fragen! Ich muss gestehen dass ich sehr
verwundert war wie ein SO JUNGER MANN sich solche Gedanken machen kann. Das
hätte ich nie erwartet! Aber es hat mich gefreut und ich habe versucht ihm
alles zu beantworten.
Der
Abschluss des Tages war auch sehr emotional!
Es sollte
ein Mannschaftsfoto gemacht werden – für Facebook und die Homepage…und als die
Mannschaft sich im Tor platzierte sagte man uns das Jonathan bitte mit aufs
Bild müsste! Schließlich wäre er ja der EL CAPITANO.
Ich fand
das so süß…so rührend….das hätte nicht sein MÜSSEN, und doch war es dem Team
wichtig.
Und
so…sitzt Jonathan auf dem Mannschaftsfoto auf dem Schoß eines der beiden
Torhüter – und ehrlich: man muss ganz genau hinschauen um ihn zu sehen! Lach…
WALKING
WITH GIANTS CONVENTION LIVERPOOL
Ende Juli
wurden Koffer gepackt. Wofür?
Sicherlich
für das größte Abenteuer das wir bisher mit Jonathan unternommen hatten!!
Schon vor
circa einem Jahr haben wir uns einer Organisation in Liverpool angeschlossen: der
WALKING WITH GIANTS FOUNDATION. Einer Organisation die sich ausschließlich um
Kinder mit MPD (Mikrocephalem Primordialem Dwarfism/Kleinwuchs) kümmert. Die
den Familien die Chance gibt sich einmal im Jahr auf einer Convention zu
treffen und auszutauschen. Doch nicht nur andere betroffene Familien würde man
dort treffen können: sondern auch die einzigen Forscher die es in diesem
Krankheitsbereich gab. Einen Arzt aus Amerika und einen aus Schottland, die den
Eltern die Möglichkeit gaben alle Fragen zu stellen und die Jonathan auch begutachten
und uns sagen würden welche Untersuchungen für uns wichtig und notwendig wären.
Und genau
für diese Convention packten wir nun unsere Koffer!!
Wir
kannten zwar bereits zwei deutsche Familien mit Kindern mit MOPD Typ1…aber zum
ersten Mal würden wir auf SO VIELE Familien treffen, auch mit anderen
Krankheitsbildern. Und zum ersten Mal würden wir auch die führenden Forscher in
diesem Bereich persönlich treffen können, ihre Meinung und Ratschläge hören und
ihnen unsere Fragen stellen können.
Und zum
ersten Mal…würden wir auch mit Jonathan fliegen!! Es war ein „Test“: denn im
nächsten Jahr würde es nach Curacao gehen und DER Flug war ein wenig länger als
einer nach Liverpool/Manchester.
Ich kann
gar nicht in Worte fassen wie wir uns in den Tagen vor der Abreise fühlten…
Aufgeregt…ängstlich…freudig…gespannt……irgendwie
von allem etwas!
Aufgeregt
waren wir natürlich vor dem „unbekannten“ das uns erwartete. Theoretisch
wussten wir wie die Convention ablaufen würde….aber wir hatten eben noch nie
teilgenommen. In diesem Jahr…würden 226 Personen – 46 Familien- aus aller Welt
vor Ort sein….das war schon eine Hausnummer!! Wir waren mehr als froh dass wir
im Sommer in Holland schon einige Familien kennengelernt hatten und dann nicht
über 200 Fremden gegenüberstehen würden…
Angst
hatte ich vor allem vor dem Flug. Weil ich nicht wusste wie Jonathan das
mitmachen würde. Und..um ehrlich zu sein..hatte ich Angst dass er im Flieger
einen epileptischen Anfall bekommen würde.
Über
dieses Thema hatte ich mit unserem Kinderarzt geredet und er meinte nur: „Warum
sollte Jonathan im Flugzeug eher einen Anfall bekommen als auf der Erde?“…ja,
keine Ahnung?? Ich war ein wenig beruhigt – aber nicht vollkommen. Mag auch
daran liegen dass ich SELBER Flugangst habe.
Voller
Freude war –zumindest- ich weil ich ENDLICH die Gründerin der Organisation und
ihren Mann treffen würde. Wir hatten schon so viele Nachrichten ausgetauscht
und uns über so viel unterhalten – sie war mir vertraut auf einer ganz
besonderen Ebene wie ich es vorher ehrlich gesagt noch nie erlebt hatte: ich
hatte das Gefühl einfach genau wie sie zu sein. (In Liverpool hat SIE es auf
den Punkt gebracht: „You are my sister from another mister!“ ..Du bist meine
Schwester von einem anderen Vater!....) Ich fieberte dem Moment entgegen in dem
ich sie endlich in die Arme nehmen könnte und mein Herz klopfte vor Aufregung!
Gespannt
waren wir vor allem auf das Gespräch mit den Ärzten. Was würden sie uns sagen
können? Was für „Aufgaben“ würden sie uns für das kommende Jahr an die Hand
geben? Einen der Forscher, Dr Michael Bober, kannte ich bereits aus einigen
Fernsehberichten. Für MICH…war ER…die Koryphäe in diesem Bereich schlechthin!
Er war mein „Rockstar“. Ich war aufgeregt wie ein Teenager der sein großes Idol
treffen darf. (Über den Ausdruck ROCKSTAR haben sich in Liverpool dann übrigens
fast ALLE lustig gemacht, inklusive Dr Bober. Es war der Running Gag der
Convention!)
Gespannt
waren wir aber auch auf die vielen anderen Familien. Ich würde mal behaupten
dass wir 80% der Familien schon aus dem Internet kannten. Wir haben eine
geschlossene Gruppe bei Facebook und wir hatten uns schon mit vielen anderen
ausgetauscht.
Außerdem
gab es über EINIGE Familien Fernsehberichte/Reportagen: auch diese waren uns
bekannt.
Es ist
schwer zu beschreiben wie es sich anfühlt jemanden aus dem Fernsehen/Internet
zu kennen und zu wissen das er das eigene Schicksal teilt und das man ihn bald
in live treffen wird. Auf jeden Fall freuten wir uns sehr darauf….
Die Flüge
hatten wir über ein Reisebüro gebucht, weil wir nicht so genau wussten wie das
mit der Medikamentenanmeldung ging. Die wollten/mussten wir ins Handgepäck
nehmen und dachten das es einfacher für uns sei wenn das Reisebüro sich um die
Abwicklung kümmern würde.
Weil eine
Freundin uns von einem Buggy erzählt hatte den man so klein zusammenfalten kann
das er im Flugzeug ins Handgepäck passt kümmerten wir uns noch um die
Anschaffung. Ich wollte gerne Abstand davon nehmen den Reha-Buggy mitzunehmen:
er war riesig und müsste als Sondergepäck aufgegeben werden, das würde bedeuten
das wir Jonathan am Flughafen noch eine ganze Zeit lang tragen müssten. Und,
viel wichtiger, was wäre wenn der Buggy kaputt gehen würde!!??
Auch den
Kauf des Buggys haben wir rechtzeitig hinbekommen: Jonathan konnte darin gut
sitzen und zusammengefaltet war der so klein…das hätte ich nie für möglich
gehalten!!
Die
Koffer waren gepackt…der Tag der Abreise rückte näher…und wir starteten in
unser bis dahin wohl größtes Abenteuer als vierköpfige Familie!