Donnerstag, 19. Juli 2018


Eine für Marvin besondere Spendenübergabe

Ein paar Tage vor Ostern hatten wir noch eine Spendenübergabe die für Marvin ganz besonders war: ein BAYERN-MÜNCHEN-FANCLUB hatte sich angekündigt.

Dieser Fanclub hatte wie jedes Jahr auf einem Weihnachtsmarkt Getränke und Snacks verkauft und der Erlös ging –wie immer- an einen „wohltätigen Zweck“. Und in diesem Jahr: ging er eben an uns da der Vorsitzende über Jonathan in der Zeitung gelesen hatte.

Natürlich hatte man im Vorfeld Kontakt zu mir aufgenommen, ein Treffen vereinbart und alles besprochen. Bei diesem Gespräch hatte ich dann auch erwähnt das Marvin ein großer FCB-Fan ist…

Naja: was soll ich sagen??? Neben der nicht unerheblichen Spende für Jonathan brachte der Fanclub dann auch noch eine Tüte mit Geschenken für Marvin mit: …eine Tasse…eine Menge Ausgaben der Mitglieds-Zeitschrift…Poster…und eine Badeente. Letztere war eigentlich für Jonathan gedacht, aber….Marvin hat sie in Beschlag genommen - und das ist auch ok so!!! 8o))

Alles in allem war der Besuch des Fanclubs sehr angenehm –wenn auch für unseren Geschmack ein wenig kurz 8o)- wir haben nette Leute kennengelernt und ich möchte diesen Nachmittag nicht mehr missen.

Überhaupt muss ich an dieser Stelle mal erwähnen dass wir im letzten Jahr unfassbar viele nette Menschen kennengelernt haben!!
Zum einen sind da die Menschen die in der Zeitung über uns gelesen oder durch das Fernsehen von uns erfahren haben. Die dann empathisch genug waren Benefizaktionen/Spendensammlungen für uns zu veranstalten oder aus der eigenen Tasche Geld an uns zu überweisen.

Und zum anderen sind da die Menschen die uns in den sozialen Netzwerken folgen. Kommentieren, liken, Privatnachrichten schreiben. In ihren eigenen Accounts über uns erzählen und so auf uns aufmerksam machen.

Mit einigen wenigen dieser Menschen sind wir Freundschaften eingegangen und ich möchte sie in unserem Leben nicht mehr missen! Es sind ganz besondere Menschen die mir in den wenigen Monaten die wir uns kennen schon sehr ans Herz gewachsen sind.


An der Stelle noch etwas „in eigener Sache“…..
Grade in den letzten Wochen bekommen wir verstärkt Nachrichten von „Followern“ die uns gerne persönlich kennenlernen wollen und um ein Treffen bitten.
Jede einzelne dieser Nachrichten freut mich UNGEMEIN!! Zeigt es mir doch das diese Menschen uns sympathisch finden, uns schätzen….und vielleicht sogar ein Vorbild in uns haben weil sie selber in einer schwierigen Lebenssituation sind.
ABER: wir können leider nicht jeden persönlich kennenlernen!!! Dafür fehlt uns schlichtweg die Zeit!!! So gerne wir das auch tun würden – es geht leider nicht. Deswegen….seid uns nicht böse wenn ich euren Wünschen nicht nachkommen kann. Wenn das Schicksal es will: dann wird man sich zufällig über den Weg laufen. Irgendwann…irgendwo. Und dann freuen wir uns sehr wenn ihr uns ansprecht!!
Bis dahin könnt ihr sehr gerne Nachrichten mit uns austauschen, jede einzelne Nachricht wird beantwortet…manchmal dauert es vielleicht ein wenig, aber jeder bekommt eine Rückmeldung von uns!! 8o)))


Ostern 2018
Schon wieder nahte das Osterfest mit riesigen Schritten. Wo blieb nur immer die Zeit???

Auch dieses Jahr färbten wir wieder gemeinsam Eier…Jonathan versteht das zwar noch nicht wirklich und er kann auch nicht richtig mitmachen, aber Traditionen gehören dazu und werden in unserer Familie hochgehalten.

Ein ganz besonderes Ostergeschenk wartete in diesem Jahr auf unseren kleinen Mann: eine Puppe…8o)) Die er sich mehr oder weniger selbst ausgesucht hatte.

Und das kam so:
Füttern ist bei Jonathan in den letzten Monaten zu einer mittelschweren Herausforderung geworden.
Sein Magen ist klein und somit kann er immer nur kleine Portionen essen. Deswegen hat er, auch im Alter von 3 Jahren noch, sechs Mahlzeiten am Tag. Die er nicht allein essen kann…weil er noch keinen Löffel zu benutzen in der Lage ist.
Also: WIRD er gefüttert. Was aber natürlich nicht seinem Alter entsprechend ist. Und ich denke das ist genau das Problem!!

Jonathan will viel mehr alleine machen, stößt aber immer wieder an seine Grenzen – durch Motorik und Sprache.

Füttern funktioniert schon seit längerem nur dann wenn er seine Hände beschäftigen kann, sprich: wenn er spielen kann während er gefüttert wird.

Ich fand diese „Unart“ zu Anfang ganz furchtbar!!! Marvin wurde von mir so erzogen das am Tisch nicht gespielt wird…ABER…unsere „Frühfördertante“ sagte zu mir (als ich dieses Problem mit ihr besprochen habe) das Jonathan vermutlich seine Hände beschäftigen MUSS….die Hände die im Normalfall in seinem Alter beim Essen das Besteck halten würden – wozu er aber nicht in der Lage ist. Also….spielt der junge Mann nun beim Essen eben.  

Naja und seit Anfang des Jahres habe ich ihm beim Essen immer mal wieder einen Spielzeugkatalog hingelegt in dem er dann aufgeregt blätterte und sich die bunten Bilder betrachtete.

Schnell hatte er raus wie er Seite für Seite umblättern konnte!! Und er kehrte dann immer wieder zu seinen Lieblingsseiten im Katalog zurück: ein Zelt mit einem Feuerwehrauto darauf (das aber schon ausverkauft war), ein grün/weiß gestreifter Body….und die Puppe….diese Seite betrachtete er immer am längsten – schlug mit der Hand auf die Seite, gluckste dabei…und…er leckte die Seite auch immer wieder ab: oder küsste er die Puppe?? Ich weiß es nicht.

Zuerst hielt ich es für einen Zufall. Aber Jonathan machte es immer und immer wieder und selbst Marvin fiel das auf.
Also habe ich Jonathan erklärt dass bald der Osterhase kommt und er sich die Puppe ja wünschen könne….8o))

Mein Mann schaute mich erstaunt an als ich ihm meine Geschenkidee mitteilte und sagte: „Eine PUPPE??? ECHT JETZT?“….aber er ließ mich gewähren. Und dann kam der Ostersonntag.

Die Puppe war ordentlich verpackt vom Osterhasen in der Mitte des Wohnzimmers platziert worden. Wir legten Jonathan auf den Boden und sagten ihm dass er sein Geschenk nun suchen darf. Einmal im Kreis gedreht und er hatte das Päckchen erspäht…sauste hin, packte es auf und dann……gluckste er vor Freude und nahm sein „Krümelchen“ in den Arm.

Ein Video davon gibt es auf unserer Facebook-Seite und es ist wirklich allerliebst anzusehen wie sich Jonathan über seinen neuen „Freund“ freut.

Bis heute (über 4 Monate später) geht Jonathan nirgends mehr ohne seine Puppe hin – und man sieht es ihr auch schon ein wenig an.

Einerseits…finde ich das drollig und ich freue mich das er nun ein „transitorisches Objekt“ gefunden hat das ihn beruhigt und ihm Halt gibt. Andererseits…macht es mich ein wenig traurig. Denn ich glaube den Grund zu kennen warum ein 3jähriger JUNGE so auf seine Puppe abfährt…

Ich glaube dass Jonathan in ihr tatsächlich einen Freund sieht. Einen Spielkameraden. Vielleicht ist es wegen seines Alters, vielleicht auch wegen seiner Hirnfehlbildungen….aber ich glaube das er nicht zwischen echten Kindern und Puppen unterscheiden kann. Er sieht die Puppe mit Armen, Beinen und einem Gesicht….und für IHN ist sie wie ER SELBST. Oft liegt er auf dem Boden, seine Puppe im Arm…streichelt sie und „gurrt“ als würde er mit ihr reden….

Mitunter zerreißt es mir das Herz wenn ich das sehe - weil ich dann denke dass ihm „echte“ Freunde fehlen….und WIR sind einfach keine Freunde in dem Sinne, wir sind nicht gleichaltrig….

Auf das Thema Freunde werde ich später hier im Blog noch ausführlicher eingehen. Das ist ein Thema das mir zum ersten Mal bei unserem Playmobil-Park-Besuch in den Sommerferien (also hier im Blog erst in ein paar Monaten!) so richtig auf den Magen geschlagen ist und zu dem ich mir sehr viele Gedanken gemacht habe….und immer noch mache!!!


Urlaub im Chiemgau
Nur wenige Tage nach Ostern packten wir unsere Koffer…und Taschen…Tüten…Rucksäcke...und die Transportbox des Autos. Alles war proppenvoll: wie gut das wir nicht noch ein Kind hatten, für das wäre kein Platz mehr gewesen. Lach…

Wir starteten in den Chiemgau. Urlaub…mit meinen Eltern.

Die Idee war mehr oder weniger spontan entstanden denn wir hatten einen Termin in der Kinderorthopädischen Klinik am Chiemsee vereinbart: wir wollten Jonathan mal „von oben bis unten“ durchchecken lassen. Mal eine komplette Bestandsaufnahme des Skeletts machen und sehen was zu tun war um den jungen Mann auf die Beine zu bringen.

Da die Klinik rund 600km von uns entfernt ist war klar, dass wir keine „Tagestour“ dorthin machen konnten. Also haben wir beschlossen die Fahrt einfach mit ein paar Tagen Urlaub zu verknüpfen: zu sehen gab es in der Gegend am Chiemsee ja genug!!

Ich habe meine Eltern einfach gefragt ob sie nicht mitkommen wollen, wir waren ja im vergangenen Jahr schon einmal für ein verlängertes Wochenende gemeinsam dort gewesen und es hatte uns allen sehr gut gefallen….sie hatten Lust und so trafen wir uns im Chiemgau.

Und wir hatten ein paar schöne Tage zusammen mit einer Schifffahrt, Besichtigungen…Spaziergängen..einer Fahrt auf die Kampenwand…und und und…

An unserem letzten Urlaubstag hatten wir den Termin in der Kinderorthopädie.
Ich war ganz schön aufgeregt denn ich versprach mir eine Menge von dieser Klinik. Hatte ich doch schon von so vielen Bekannten gehört wie gut die Ärzte dort waren und was sie schon für „Wunder“ an behinderten Kindern vollbracht hatten.

Unser erster Eindruck war dann auch sehr positiv: hier war alles gut geplant und organisiert. Die Wartezeiten waren extrem kurz, das Personal und die Ärzte durchweg sehr freundlich und hilfsbereit.

Die Untersuchung durch die Ärztin verlief dann auch so wie wir uns das eigentlich gedacht hatten: man schlug uns vor für ein paar Tage stationär in die Klinik zu kommen. Dann sollten Röntgenbilder gemacht werden, Gespräche mit Ergo- und Physiotherapeuten stattfinden und eine eingehendere Untersuchung durch den Klinikleiter vorgenommen werden um zu sehen wo Handlungsbedarf bei Jonathan bestand – und in welcher Form.

DAS Handlungsbedarf bestand…daran herrschte nun kein Zweifel mehr. Die Ärztin teilte uns das mit was wir schon befürchtet hatten: wenn Jonathans Beine so blieben wie sie waren (also so X-ig), dann würde er nicht aufstehen und laufen können.

Ob allerdings eine OP nötig sein würde oder man doch mit konservativen Methoden Hilfestellung geben könnte: das sollte der stationäre Aufenthalt klären.

Irgendwie war die Aussage der Ärztin nicht überraschend für uns, wir hatten eigentlich schon damit gerechnet dass wir genau das hören würden. Und doch hinterließen ihre Worte ein mulmiges Gefühl.

Zum einen weil ich damals schon die Befürchtung hatte das wir um eine OP nicht herumkommen würden (und OPs bei Jonathan machen mir immer eine Heidenangst!)…zum anderen aber auch weil ich mich dauernd fragte ob wir etwas falsch gemacht hatten das es überhaupt zu dieser Beinfehlstellung gekommen war. Hatten wir nicht genug Physiotherapie gemacht? Oder die falschen Übungen?

Aber gut…grübeln brachte nun auch nichts mehr. Wir fuhren erst einmal nach Hause und vereinbarten von dort aus einen Termin zur stationären Aufnahme in der Kinderorthopädie.

Freitag, 13. Juli 2018


Schon wieder Augenuntersuchung in Vollnarkose….
Man weiß aktuell noch nicht alles über die Erkrankung MOPD Typ 1: es hat bisher einfach zu wenige Fälle davon gegeben.
Aber man weiß zum Beispiel, dass Kinder die an dieser Krankheit leiden zu GLAUKOMEN neigen, also zu grünem Star. Den kann man gut behandeln: WENN man ihn frühzeitig erkennt.

Aus diesem Grund muss Jonathan einmal im Jahr zu einer Untersuchung in die Augenklinik. Dort wird er in Vollnarkose gelegt und ein Arzt schaut seinen Augenhintergrund an um festzustellen ob es dort Veränderungen, also Glaukome, gibt.

Ich habe bereits vor einiger Zeit über diese Untersuchung berichtet, wie gesagt: sie muss einmal im Jahr gemacht werden. Und nun war es mal wieder soweit!

Zuerst einmal machten wir uns auf den Weg um mit dem Narkosearzt ein Vorgespräch zu führen. Und um mit den Augenärzten die OP an sich durchzusprechen, uns über Risiken und Nebenwirkungen aufklären zu lassen. (Wobei wir die ja alle schon kannten – aber Deutschland ist eben bürokratisch und da muss alles seine Richtigkeit haben!)

Die Gespräche an sich waren nicht spektakulär, wir kannten das ja alles schon. Die Wartezeiten regten uns aber auch heute wieder auf. Diese Augenklinik ist wirklich so unstrukturiert! Aber wenigstens waren die Damen am Empfang heute mal nett und auch nicht mit Kosmetikmaßnahmen beschäftigt.

Ein paar Tage später war dann der „große Tag“ gekommen: der Termin für die Untersuchung in Vollnarkose.

Für mich immer ein Anlass schon Tage vorher nicht mehr richtig zu schlafen. Vollnarkose bei meinem kleinen Würmchen ist für mich immer der Horror. Weil ich Angst habe das er nicht mehr aufwacht…das es in der Narkose Komplikationen gibt.

Mein Mann hatte Urlaub genommen damit wir gemeinsam in die Klinik fahren konnten, allein hätte ich das auch nicht geschafft! Ich war ein Nervenbündel, in dem Zustand hätte ich mich nie im Leben gescheit um Jonathan kümmern können. Geschweige denn IHM die nötige Ruhe vermitteln können die er brauchte – denn auch für ihn war dieser Tag aufregend! Er merkt immer sehr genau wenn er in der Klinik ist (die Gerüche und die Kleidung des Ärzteteams) und das macht ihm Angst!

Nach dem Aufstehen war mir schlecht….frühstücken ging nicht. Auch Unterhaltungen mag ich in diesen Momenten überhaupt nicht – mein Mann allerdings möchte mich immer „aufmuntern“ und redet wie ein Wasserfall. Schwierig….lach…

Da Jonathan weder essen noch trinken durfte konnten wir zügig losfahren. Ich saß hinten neben dem kleinen Mann und habe Fotos gemacht: für Facebook, für Instagram…ein paar auch einfach nur fürs private Fotoalbum. Die Gedanken fuhren Karussell und ich bekam sie einfach nicht aus dem Kopf – waren das die letzten Fotos von Jonathan? Was wäre wenn Komplikationen auftreten würden??? Wenn er die Untersuchung nicht überlebte???  

Vermutlich geht es allen Eltern so deren Kinder eine OP benötigen. Als Marvin einmal eine Not-OP wegen eines Armbruchs brauchte war ich auch fix und fertig. Und doch ist es bei Jonathan irgendwie anders….

Wir wissen ja dass wir nicht sooo viel Zeit mit ihm haben…und genießen unser Leben deswegen intensiver, unternehmen auch viel mehr. Trotzdem fragte ich mich an diesem Morgen ob ich aus den letzten 2,5 Jahren wirklich ALLES rausgeholt hatte was ging: hatte ich genug mit ihm gespielt…gekuschelt…gelacht??? NEIN. Für mein Empfinden war es nicht GENUG gewesen. Und deswegen hatte ich auch solche Angst…..ich hatte einfach noch nicht genug LEBEN mit Jonathan gehabt und ich wollte nicht das es heute schon vorbei war….

Der Weg in die Klinik ist für mich immer das Allerschlimmste. Ich habe so viele schreckliche Erinnerungen an diesen Ort und könnte schon heulen wenn ich nur auf die Eingangstüren zugehen muss.

An diesem Tag sind wir durch die Notaufnahme reingegangen, das war ein bisschen besser für mich als der Haupteingang – aber gut war es trotzdem nicht.

Wir mussten warten. Für mein Nervenkostüm nicht grade förderlich.

Im Wartebereich haben wir noch eine Menge Fotos gemacht: von Jonathan, von meinem Mann mit Jonathan…und dann kam eine nette andere Patientin die uns angeboten hat uns auch alle drei zusammen zu fotografieren. Ich mag das Foto das in diesem Moment entstanden ist: wir sehen glücklich aus, und die Anspannung sieht man gar nicht.

Und angespannt waren wir. Natürlich zum einen weil eine Narkose bevorstand - und Narkosen bergen immer ein gewisses Risiko. Besonders vermutlich bei einem so kleinen Menschen wie Jonathan. Der zudem epileptische Anfälle hat.
Aber es gab noch einen weiteren Grund für unsere immense Anspannung. Nur wenige Tage zuvor…wäre das Kind einer Freundin von mir fast gestorben. In genau diesem Krankenhaus.

Gestorben WEIL der kleine Kerl aufgrund eines Infektes intubiert werden musste, sich dabei übergeben und das Erbrochene eingeatmet (also in die Lunge aspiriert) hat. Es folgten drei Stunden manuelle Beatmung mit dem Beutel – bis zur völligen Erschöpfung der Ärztin…dann künstliches Koma…viele Medikamente, Schläuche und Untersuchungen. Ein Klinikmarathon, wochenlange Ungewissheit ob der kleine Kerl es überhaupt schaffen wird oder nicht.

Auch Jonathan sollte nun intubiert werden – und dieses Wissen machte mich verrückt!!! Was wenn auch er sich übergeben müsste und dadurch in Lebensgefahr geriet??? Wie schnell sowas, auch bei einer Routinehandlung der Ärzte!, gehen konnte hatten wir ja nun erlebt. Teilweise war ich kurz davor Jonathans Untersuchung abzusagen weil meine Angst einfach zu groß war. Aber ich wusste auch dass ich sie ja nur aufgeschoben hätte….sie MUSSTE regelmäßig durchgeführt werden, daran führte kein Weg vorbei. Also musste ich meine Angst wohl oder übel bekämpfen….

Zum Zeitpunkt von Jonathans Augen-OP lag der Sohn meiner Freundin nur ein paar Stockwerke von uns entfernt und kämpfte um sein Leben. Ich war tagelang einfach nur fertig, habe dauernd geweint…..meiner Freundin viele SMSen geschrieben und mein Handy permanent (auch nachts) bei mir gehabt um immer sofort reagieren zu können wenn sie mir schreibt. 
(Während der OP von Jonathan haben wir uns auch kurz vor der Intensivstation gesehen und ich konnte sie in den Arm nehmen, das hat mir unglaublich gut getan weil ich gesehen habe das sie trotz dieser furchtbaren Situation noch Kraft hat und nicht zusammenbrechen wird..sie ist eine so starke Frau!)

Nun ja….natürlich war ich – und auch mein Mann- in erster Linie traurig, betroffen und fertig weil wir Angst um diesen kleinen Jungen hatten….weil wir uns natürlich auch vorstellen konnten was die Familie grade durchmachte. Aber….wir machten uns durch diesen Schicksalsschlag auch andere Gedanken. Gedanken zum Thema „Lebenserhaltende Maßnahmen“. Schon einmal, als Jonathan wegen seines epileptischen Anfalles im Krankenhaus lag, hatten wir über dieses Thema gesprochen. Aber wir hatten damals nichts Schriftliches verfügt und uns auch nach der Entlassung aus der Klinik nie wieder mit diesem Thema auseinandergesetzt. Sollte man aber. Auch als Erwachsener. Auch als gesunder Mensch.

Die „fehlgeschlagene“ Intubation machte uns nun deutlich dass wir uns damit noch einmal auseinandersetzen – und dass wir etwas Schriftliches verankern sollten…für den Fall der Fälle. Um nicht in einer Notlage entscheiden zu müssen - wenn man den Kopf überhaupt nicht frei hat für rationale Gedanken.

Dieses Thema hat uns einige Abende gekostet. Wir haben geredet, diskutiert. Ich habe geweint (man will über den Tod ja gar nicht nachdenken). Wir haben einen Freund angerufen der jahrelange Arbeits-Erfahrung auf einer Frühchenstation hat und ihn um Rat gefragt: „Wo fangen lebenserhaltende Maßnahmen an? Wie lange kann man sie durchführen OHNE dass Hirn-Schädigungen auftreten? Was kann der Körper verkraften und wo fängt die „Quälerei“ an?“…er hat uns objektive Auskünfte gegeben, REIN MEDIZINISCH BETRACHTET. Die Entscheidung was wir verfügen lag allein bei meinem Mann und mir – das zu betonen ist mir an dieser Stelle sehr wichtig.

Wir haben eine gemeinsame Entscheidung getroffen und wir haben dafür einige Punkte in die Waagschale geworfen: allen voran den Punkt das Jonathan aufgrund seines Gendefektes keine normale Lebenserwartung hat und wir denken das man ihm nicht ALLES UND UM JEDEN PREIS zumuten muss. Er soll ein schönes, glückliches (und hoffentlich langes!) Leben haben – dafür geben wir alles!!! Aber er soll auch, wenn der Tag gekommen ist, mit Würde gehen dürfen.
Was genau wir verfügt haben: bleibt bei uns. Das ist eine Sache die wir nicht mit der Öffentlichkeit teilen möchten.

Ich habe dieses Thema jetzt aber eigentlich auch aus dem Grund angeschnitten weil ich glaube, das sich mehr Menschen über diese Punkte Gedanken machen –und Maßnahmen verfügen- sollten. Das macht einen erstens selbst „glücklicher“ und „ruhiger“: alles ist geregelt und man weiß was passiert wenn man selbst nichts mehr sagen kann. Und es ist zweitens für die Angehörigen um so vieles leichter wenn sie nicht in einem Schockzustand gezwungen sind weitreichende Entscheidungen zu treffen!!

Mein Mann und ich haben beide einen Organspender-Ausweis. Wenn ich ein Organ BENÖTIGEN würde – dann wäre ich froh eines zu bekommen. Also muss ich im Umkehrschluss auch bereit sein ein Organ zu SPENDEN. Oder???
In anderen Ländern ist die gesetzliche Regelung dass IMMER Organe entnommen werden dürfen - es sei denn man WIDERSPRICHT dem. Finde ich ehrlich gesagt eine gute Lösung. Denn bei uns in Deutschland muss man sich mit dem Thema auseinandersetzen und das machen die wenigsten…aus Bequemlichkeit oder auch aus Angst: wer denkt schon gerne über die eigene Endlichkeit nach?!

Aber…es ist ein wichtiges Thema, denn es kann LEBEN RETTEN! Es ist mir eine Herzensangelegenheit….

Vielleicht habe ich ja den ein oder anderen durch meine Worte nachdenklich gemacht und kann ihn nun dazu bewegen sich über lebenserhaltende Maßnahmen und/oder Organspende Gedanken zu machen und Verfügungen zu schreiben. 8O))

….wir jedenfalls hatten ein Schriftstück mit unseren Verfügungen dabei dass ich der Narkoseärztin mit den Worten „Ich denke ja dass wir es nicht brauchen – aber wir fühlen uns besser wenn Sie das wissen!“, überreichte. Sie nahm das Dokument, flog darüber und sagte dass sie es in die Akte legen und die operierenden Ärzte darüber in Kenntnis setzen würde. Ich wusste in diesem Moment nicht so recht ob mich das beruhigte oder eher noch mehr ängstigte….

Angst bekam ich jedenfalls eine gute Stunde später.

Jonathan war mittlerweile in den OP abgeholt worden, ich war kurz bei meiner Freundin vor der Intensivstation gewesen und saß nun wieder mit meinem Mann im Wartebereich der Augenklinik – mit direktem Blick auf den OP-Bereich. Auf einmal…..brach Panik aus: Schwestern rannten Richtung OP….Pfleger hinterher, einer hatte einen Notfallkoffer in der Hand (erkennbar an den Zeichen auf dem Koffer). Laute Rufe, Türenknallen….

Mir wurde SO SCHLECHT!!!! War etwas mit Jonathan? Ging es ihm schlecht??? Diese Minuten waren einfach nur furchtbar….mein Herz raste…mein Hals war komplett zu und ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen…. PANIK!!!

Zum Glück musste ich diese Situation nur wenige Minuten aushalten, dann beruhigte sich die Lage bei Pflegern und Schwestern und unser behandelnder Arzt kam zu uns und teilte mit das alles gut gelaufen und Jonathan auf dem Weg in den Aufwachraum sei.

Das Ergebnis der Untersuchung war folgendes:
Es gab eine Veränderung im Augenhintergrund, die man aber aktuell nicht zuordnen konnte weil der Sehnerv zu klein war. Es sah NICHT wie ein Glaukom aus, man wusste aber auch nicht WAS es war. Also erneute Kontrolle in einem Jahr.
Außerdem hatte man versucht zu messen ob Jonathan kurzsichtig war: mein Mann und ich haben beide eine STARKE Kurzsichtigkeit, es wäre also kein Wunder wenn Jonathan auch eine Brille bräuchte!! Doch diese Untersuchung war nicht erfolgreich gewesen, sie hatte schlichtweg nicht funktioniert. Man würde das in einem Jahr wieder versuchen. Aktuell stellte es sich aber zu Hause so dar das Jonathan nach Aufforderung zu Gegenständen hin krabbelte die mehrere Meter von ihm entfernt lagen – er musste sie also sehen! Das sprach dafür dass er nicht sooo schlecht sehen konnte und somit hatten wir hier keinen akuten Handlungsbedarf.

Dann durfte einer von uns zu Jonathan in den Aufwachraum. Zum allerersten Mal war man hier nicht so kulant uns BEIDE zu ihm zu lassen, wir mussten uns abwechseln. Ich begann, denn ich hielt es nicht mehr aus: ich musste mein „Baby“ in den Arm nehmen und drücken. Mich versichern dass er noch da war und es ihm gut ging.

Leider ließ er sich von mir nicht wirklich beruhigen: er konnte wegen der Pupillenerweiternden Augentropfen (wieder) nicht richtig sehen und verstand das nicht. Nach mehreren Minuten in denen ich mich erfolglos bemühte ihn zu beruhigen und er doch nur die komplette Augenklinik zusammen schrie…bat ich die Schwester meinen Mann zu holen damit er übernahm.

Kaum war der Papa da und hatte ihn im Arm: war Jonathan ruhig.

Sicher fragen sich jetzt ein paar Mütter ob ich es schlimm finde das er so PAPA-FIXIERT ist. Nein: finde ich nicht! Ich finde es schön…für meinen Mann. Und ich habe ja noch Marvin, der sehr an mir hängt. Von daher: ist es doch gut wenn es ein wenig ausgeglichen ist bei uns….lach…

Da ich nun nicht mehr im Aufwachraum bleiben durfte bin ich in den Wartebereich zurückgegangen. Dort habe ich zwei sehr nette Damen wieder getroffen mit denen wir schon während der OP geredet hatten. Auch ihnen war nicht verborgen geblieben wie sehr Jonathan geschrien hatte und sie fragten mich sehr viel über den kleinen Mann und seine Krankheit.

Ich habe alle Fragen gerne beantwortet, ich finde es einfach besser wenn wir Fragen gestellt bekommen – als wenn wir angestarrt werden!!! Ein Grund warum wir an die Öffentlichkeit gegangen sind ist ja der, das wir Jonathans Krankheit „bekannter“ machen und um ein wenig mehr Toleranz werben wollen. Von daher: immer her mit Fragen!! Damit kommen wir viel besser klar…und ich denke das es auch für unser Umfeld viel leichter ist Antworten zu bekommen als nur Mutmaßungen anzustellen.

Es dauerte erstaunlicherweise auch gar nicht lange und dann kam mein Mann schon mit Jonathan im Arm zu uns und meinte das alle seine Werte ok seien, er getrunken und ein wenig gegessen habe und wir nun gehen dürften. Na dann: nix wie nach Hause!!! 8o)))