Freitag, 22. Februar 2019


Aber wie sagt man immer so schön?
„Alles geht irgendwann vorbei!“ ..und das tut es! Sogar die schlimmen Momente.

Zum Glück hatte unser Orthopädietechniker ein Einsehen und hat WIRKLICH alles gegeben um Jonathans Beinschienen so schnell wie möglich fertigzustellen.
Man muss dazu sagen das Jonathan bei einer Orthesenanprobe SO GESCHRIEN hat…..das selbst der Techniker zu uns sagte: „Das ist die PURE PANIK bei ihm, das höre ich!“. Vielleicht hat das den Ausschlag gegeben wirklich alles in Bewegung zu setzen um so schnell wie möglich fertig zu werden.

Ende November durften wir nach Hause.
Nachdem die Ärzte der Klinik uns sagten das sie zufrieden mit den Orthesen seien und wir gehen könnten habe ich bei meinen Eltern angerufen und nur sagen können: „Wir dürfen gehen! Wir dürfen endlich gehen!“, weil ich so weinen musste. Vor Erleichterung. So viel ist in diesem Moment von mir abgefallen, so viel Belastung. So viel Angst.

Wir fuhren heim, zu Marvin.

Versuchten die Erlebnisse zu verarbeiten. Und zur Ruhe zu kommen.

Jonathan war traumatisiert.
Er fand gar nicht mehr in den Schlaf. Schrie nur noch…nickte kurz ein, schreckte hoch und schrie wieder.

Es war für uns alle nicht länger tragbar.

Wir machten einen Termin beim Kinderarzt. Und ich weinte bei ihm…weil ich echt am Ende war. Diese Zeit in der Klinik war so anstrengend gewesen, so belastend.

Aber wie eigentlich immer fand dieser Arzt die richtigen Worte.
Er sagte sinngemäß: „Ja, dann sind Sie jetzt eben mal am Limit angekommen. NACH ÜBER 3 JAHREN!! Andere hätten das so lange gar nicht gepackt ohne zusammenzubrechen. …und hey: schauen Sie sich an wie gerade Jonathans Beine sind! Und er steht!!! Er beginnt zu LAUFEN!!! Sie sehen doch WOFÜR Sie das alles auf sich genommen haben, oder nicht? Es war RICHTIG!“

Es stimmte: zum ersten Mal in seinem Leben konnte Jonathan stehen. Zwar nur dank der Unterstützung der Orthesen. Aber: er stand! An seinem Laufwagen. Und er sah einfach unfassbar glücklich dabei aus!
Außerdem macht er die ersten Schritte, zwar nur mit Hilfe – Gleichgewicht halten ging noch nicht allein. Aber er machte Schritte. Und DAS war ja wieder etwas das er angeblich laut der Ärzte gar nicht können sollte!

Also…JA! Wir wussten wofür wir das gemacht hatten und wir sahen auch dass es sich gelohnt hatte.

Und das war (und ist bis heute!) mein „Anker“ an dem ich mich festhalte wenn mich mal wieder die Gefühle und Ängste aus der Zeit in der Klinik überwältigen.

Trotzdem kamen wir nicht drum herum Jonathan ein Medikament zu verordnen damit er besser schlafen (und im Schlaf sein Trauma verarbeiten) konnte. Denn…Psychotherapie bei Jonathan würde wohl nicht funktionieren, man musste andere Wege gehen.

Man weiß ohnehin dass Kindern mit diesen Gendefekten ein Schlafhormon fehlt und sie schlecht zur Ruhe kommen. DAS zusammen genommen mit dem Trauma ließ den kleinen Mann einfach überhaupt nicht mehr schlafen.

Jonathan bekommt also nun auf ärztliche Verordnung hin ein Schlafhormon. Jeden Abend, in einer geringen Dosierung.
Mein Mann und ich haben uns schon früher mit diesem Thema beschäftigt aber immer dagegen entschieden: jedes Medikament das man nicht gibt, ist gut. Oder?
Aber nun ging es nicht mehr anders. Jonathan MUSSTE zur Ruhe kommen, nicht NUR um zu verarbeiten. Sondern auch weil Schlafentzug ein Trigger für Epilepsie sein kann. Und einen weiteren Anfall …wollten wir nun wahrlich nicht wieder riskieren.


Weihnachtszeit
In diesem Jahr genossen wir die Weihnachtszeit vielleicht noch mehr als sonst.
Wir dekorierten die Wohnung…kauften einen Baum und schmückten ihn: in diesem Jahr „amerikanisch kitschig“, das hatte Marvin sich gewünscht….natürlich besuchte der Nikolaus uns.

Und zwar nicht irgendein Nikolaus, sondern UNSER Nikolaus vom „Mietservice“. Der schon öfter bei uns gewesen war.
An und für sich dann ja nichts Besonderes? Doch, in diesem Jahr schon. Denn unser Nikolaus war im vergangen Jahr schwer erkrankt und das er nun wieder bei uns im Wohnzimmer saß war ein „Wunder“, ein „Weihnachtswunder“? 8o)

Er hatte explizit auf DER Route bestanden die ihn zu uns führte – und wir freuten uns einfach unfassbar ihn zu sehen.

Wir besuchten Weihnachtsmärkte. Und ruhten uns aus: außer der nach der Op dringend notwendigen Physiotherapie machten wir keine weiteren Therapien – um einfach zur Ruhe kommen zu können und um Jonathan nicht zu überfordern.


Heilig Abend wurde nur zu viert gefeiert.

Amerikanisch. Mit Truthahn den mein Papa uns gebracht hatte, peinlichen Weihnachtspullovern und EggNogg (Eierpunsch). Mit Geschenken und selbstgemachter Musik. Und mit einem Matratzenlager unterm Weihnachtsbaum: denn an Heilig Abend schlafen wir immer alle zusammen im Wohnzimmer beim Baum.

Es war gut wieder vereint zu sein. Und es war noch besser dass wir die Op´s nun hinter uns hatten und im neuen Jahr nach vorne sehen konnten!!

Die Weihnachtsfeiertage verbrachten wir mit unseren Familien. Alles ganz ruhig, klein und familiär. Genau das was wir (und vor allem Jonathan!) nun brauchten.

Zwischen den Jahren hatte mein Mann Urlaub.
Freunde kamen vorbei. Mein Mann besuchte mit Marvin eine Zaubershow, „quality time“ für den Großen der schließlich auch unter der ganzen Situation gelitten hatte.

Und dann…einen Tag vor Silvester….passierte etwas das wir NIE vergessen werden!! Etwas SO SCHÖNES!!!


GROSSER Besuch
Seit fast einem Jahr machte Jonathan nun eine Reittherapie. Und die Therapeutin war für mich mittlerweile viel mehr als nur eine Therapeutin geworden: sie war mehr schon eine Freundin.

In der Zeit in der Klinik hatte ich so oft mit ihr geredet, bei ihr geweint. Sie informiert wie es lief…wie schlecht es uns allen ging. Sie war da, hörte zu, gab Ratschläge – versuchte zu helfen.

Jonathan konnte in der momentanen Situation keine Reittherapie machen, es würde noch eine ganze Zeit dauern bevor der Arzt das „OK“ geben konnte – einfach um das Operationsergebnis nicht zu gefährden.

Und dann hatte die Therapeutin eine so dermaßen verrückte Idee. Lach.

Sie brachte das Pony einfach ZU UNS.

Kein Scherz. Sie verlud das Pony in einen Anhänger, fuhr mit Mann und Sohn circa 40 Minuten mit dem Auto und stellte das Pony in unseren Garten.

Ich kann euch sagen: Jonathan machte vielleicht Augen als mein Mann mit ihm nach draußen kam. 8o))

Wir alle wussten von der Aktion, denn schließlich wäre es ja doof gewesen den Aufwand zu betreiben wenn wir am Ende gar nicht zu Hause gewesen wären. Jonathan aber wusste von nichts und staunte als seine BELLA auf einmal bei uns war.

Eine Stunde lang stand sie im Vorgarten. Fraß sich an unserem Gras satt, ließ Dünger da…lach…und Jonathan streichelte sie, saß auch mal auf ihr…und laberte dem armen Pony ein Ohr ab vor lauter Aufregung…

So eine Wahnsinnsaktion!!! So ein Aufwand nur um meinem kleinen Sohn eine Freude zu machen. Das rührte mich zu Tränen. Und tut es immer noch - jedes Mal wenn ich mir die Fotos anschaue….

Besonders dankbar bin ich in diesem Zusammenhang auch dem Verein „Menschen für Kinder e.V.“ die uns die Reittherapie in voller Höhe bezahlen. Ohne diesen Verein hätten wir unsere Reittherapeutin nie kennengelernt – sie wäre nie unsere Freundin geworden.
Mit Tränen in den Augen habe ich dem Verein eine Sprachnachricht und Fotos dieses unfassbaren Erlebnisses geschickt und mich bedankt.
Was wiederum den Verein so gerührt hat…das dieses Erlebnis nun auf der Homepage des Vereins für die Ewigkeit festgehalten worden ist.
(Und ein Vögelchen hat mir gezwitschert das wir sogar Erwähnung bei der diesjährigen Mitgliederversammlung finden werden.)



Das Jahr endete dann aber recht unspektakulär für uns:
Silvester haben wir mit Jonathans Patentante und ihrer Familie ganz ruhig mit einem Raclette und einem Spieleabend gefeiert.

Jonathan selbst war um Mitternacht beim Feuerwerk dabei und hatte RIESIGEN SPASS! Er hat ganz viel gelacht und euphorisch „DADAAAAA!“ gerufen als die bunten Raketen explodiert sind.

Und wie jedes Jahr an Silvester fragte ich mich was das neue Jahr wohl alles für uns bereithalten würde??