Donnerstag, 2. August 2018


Die letzte große Spendenübergabe…
…fand nur wenige Tage nachdem wir wieder zu Hause angekommen waren statt.

Diese Spendenübergabe war einfach…total verrückt! Aus mehreren Gründen.

Aber der Reihe nach.
Ein paar Wochen zuvor hatte ich bei Facebook eine Nachricht von einer Frau bekommen. Ich hatte sie kennengelernt als Jonathan auf der Neonatologie lag: auch sie hatte ein Frühchen, die beiden Jungs lagen eine Zeitlang im gleichen Zimmer und sie kam auch noch aus meiner Gegend.
(Übrigens gab es damals in dem Zimmer noch einen dritten Jungen – auch er aus unserer Gegend!! Ich habe mich oft gefragt ob wir mit Absicht gemeinsam in ein Zimmer gelegt wurden. Lach)

Sie und ihr Sohn wurden sehr viel früher entlassen als wir, wir hatten unsere Daten nicht ausgetauscht und den Kontakt verloren. ABER ich habe wirklich oft an sie gedacht und mich gefragt was sie und ihre Familie so machen…

Und nun schrieb sie mir eine Nachricht: „Weißt Du noch wer ich bin?“…und ich saß kreischend vor dem Computer weil ich mich so freute das sie mich gefunden und geschrieben hatte.

Wir haben ein paar Nachrichten ausgetauscht, sie sagte mir das sie genauso oft an uns gedacht habe wie ich an sie…
Diese Frau war in der Klinik an meiner Seite gewesen als wir die schlechten Prognosen der Ärzte bekamen: Jonathan wird nicht laufen, nicht krabbeln, nicht allein essen können und…Jonathan wird nicht sehr alt werden. Sie hatte damals mitbekommen wie verzweifelt ich war, wie sehr ich mit mir und der Situation gekämpft habe. Nun erzählte sie mir dass sie sich so oft gefragt habe ob Jonathan noch lebt, wie es ihm geht, was er macht… und das sie dann in der Zeitung von uns gelesen habe.
Sie –und auch ihr Mann!- waren überglücklich das Jonathan immer noch bei uns war. Und das er auch so viel gelernt hatte, so ein glücklicher kleiner Kerl war.

Dann fragte sie mich ob wir telefonieren könnten. Es war so schön ihre Stimme zu hören….8o)

Und dann machte sie mich sprachlos – was bei mir WEISS GOTT nicht oft vorkommt!! Aber SIE hat es geschafft…

Sie hatte mittlerweile durch meinen Blog/Facebook/Zeitung mitbekommen das wir zu einer Delphintherapie fliegen wollten und fragte mich gradeheraus wieviel Geld uns denn dafür noch fehlen würde.

Ich nannte ihr die vierstellige Summe.

Daraufhin sagte sie dass sie und ihr Mann uns helfen wollten…und sie hätte da eine Idee.
Ihr Mann arbeitet bei einer großen deutschen Versicherung. Wenige Tage nach unserem Telefonat sollte ein Treffen von sehr vielen Mitarbeitern der Versicherung stattfinden und sie und ihr Mann wollten…..bei diesem Treffen zu Spenden für uns aufrufen.
Dafür fragte sie mich um die Erlaubnis Fotos und Texte aus Facebook verwenden zu dürfen.

Ich stotterte nur noch „Ja, klar!“…und ein „Ihr MÜSST das nicht tun!“….mehr brachte ich nicht heraus, war so gerührt.

Natürlich habe ich, wie immer wenn eine Spendenaktion für uns veranstaltet wird, angeboten mit Jonathan (oder allein) vorbeizukommen. Aber in dem Falle war es eine interne Veranstaltung und zudem sollte sie abends stattfinden. Also haben wir uns geeinigt dass ich Fotos per WhatsApp bekommen würde.

Die bekam ich auch. Machte das Handy erstmal aus…wieder an. Und schaute erneut. Ich konnte nicht glauben was ich da sah!!

Jonathan war auf einer KINOLEINWAND!!! In RIESENGROSS!!! Das Kino war randvoll mit Mitarbeitern der Versicherung und ihr Mann stand vorne und erzählte offensichtlich von uns.

Ich habe geweint. Wirklich.
Mir war nicht bewusst dass diese Veranstaltung so GROSS war. Und das man unseren Joni auf die Leinwand „beamte“.

Geweint habe ich auch am nächsten Tag…als ich einen Anruf erhielt und man mir die Summe nannte die zusammen gekommen war.

Es war die komplette Summe die uns noch fehlte um zur Delphintherapie zu fahren. An einem Abend. Ein vierstelliger Betrag, der nicht gering war.
Ich konnte gar nicht mehr reden, die Tränen liefen mir über die Backen.

Diese Frau und ihren Mann hatte ich nur so kurze Zeit an meiner Seite gehabt und seit über 2 Jahren nicht mehr gesehen. Trotzdem stellten sie sowas auf die Beine und…
….unsere Delphintherapie war bezahlt!! Wir konnten fahren!! Komplett durch Spenden finanziert. Innerhalb von nur 9 Monaten. Es war unfassbar. Ein Traum. Wir haben mit so etwas nie gerechnet.

In diesen Tagen begann eine Idee in meinem Kopf zu reifen. Wir hatten so viel Unterstützung bekommen, so viel Nächstenliebe erfahren. Für mich war es an der Zeit etwas zurückzugeben. Und selbst etwas Gutes zu tun.
Doch bis diese Idee dann wirklich Formen annehmen würde sollten noch einige Monate vergehen und deswegen werde ich davon erst zu einem späteren Zeitpunkt erzählen. 8o))


Jonathans 3.Geburtstag
Wieder stand ein Geburtstag von Jonathan vor der Tür: diesmal war es schon der DRITTE!! Die Zeit verging wirklich wie im Flug….dabei war die Zeit in der Neonatologie für mich immer noch so präsent als wäre es erst gestern gewesen!

Wie immer vor einem feierlichen Anlass wurde ich ein wenig melancholisch. Ich ließ die vergangenen drei Jahre Revue passieren…

Ja: ich war ÜBERGLÜCKLICH dass Jonathan überhaupt noch bei uns war! Zu Anfang hätten wir nicht für möglich gehalten dass wir seinen 3. Geburtstag mit ihm feiern könnten!!!
Aber ich realisierte auch wie viele Entbehrungen wir in den vergangenen drei Jahren in Kauf hatten nehmen müssen….wir alle!
Mein Mann und ich konnten überhaupt nicht mehr gemeinsam (allein) ausgehen. Marvin musste oft „hinten anstehen“ weil die Bedürfnisse seines Bruders Vorrang hatten. Besuche in Lokalen oder Supermärkten waren in der Erkältungszeit nicht als Familie möglich. Besuche bei und von Freunden mit kleinen Kindern: nur im Sommer, nur draußen. Und Besuche generell nur wenn alle Beteiligten gesund waren.

Ja: vielleicht „übertreiben“ wir mit unseren Vorsichtsmaßnahmen. Aber wer kann uns das schon sagen???
Keiner weiß ob es Jonathans Leben verlängert wenn er seltener krank ist. Keiner. Und wir als Eltern greifen nach jedem Strohhalm der uns mehr Zeit mit unserem Kind ermöglichen KÖNNTE.

Eins ist jedenfalls sicher: Jonathan ist so gut wie nie krank. Und das obwohl zu seiner Krankheit ein schlechtes Immunsystem gehört.
Wenn er krank ist: dann ist es nicht gravierend. Er hatte noch nie eine Lungenentzündung (die bei diesen Kindern eigentlich sehr häufig auftritt!), und meines Wissens nach nie eine Bronchitis. Für uns ist das ein Zeichen: wir sind auf dem richtigen Weg! Wir achten auf seine Gesundheit und geben ihm (und uns) Zeit. Gemeinsame Zeit. Aber auch Zeit in der er in der Lage ist neue Dinge zu lernen! Denn wenn er krank ist: kann er nichts lernen…VERLERNT vielleicht sogar dadurch etwas.

Für uns als Eltern ist das der richtige Weg. Der Weg von dem wir glauben dass wir uns am Tag X keine Vorwürfe machen werden wenn wir ihn konsequent gehen. Aber es ist eben auch ein Weg voller Entbehrungen und Veränderungen für unser Leben. Ein Weg der dadurch nicht immer einfach ist.

Wir hatten uns das alles ganz anders vorgestellt und erträumt.

Und trotzdem: möchten wir den kleinen Mann nicht mehr missen und sind sehr froh das er da ist!! Denn er ist in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung für unser Leben.

Für seinen Geburtstag hatten wir etwas ganz besonderes geplant….wir würden in den Zoo fahren. Okay, das allein ist nicht so spektakulär – das haben wir ja schon öfter gemacht! Aber diesmal würden wir unsere Redakteurin vom Hessischen Rundfunk mitnehmen und drehen. Diesen besonderen Tag quasi für die Ewigkeit in bewegten Bildern festhalten. 8o))

Schon sehr früh am Morgen von Jonathans Geburtstag kam die Redakteurin bei uns an. Sie filmte wie wir den Kuchen mit den Geburtstagskerzen an den Tisch brachten und für Jonathan „Happy Birthday“ sangen. (Augen zuhalt: hoffentlich wird DAS nicht ausgestrahlt – denn unseren schiefen Gesang hält keiner aus!!) Sie filmte wie Jonathan seine Geschenke auspackte…und wie er ein Stück seines Geburtstagskuchens aß! Zum ERSTEN MAL!!!

Danach interviewte sie mich und fragte wie dieser Moment für mich gewesen sei und ich hatte so viele Tränen in den Augen vor Rührung. Dieser Moment war einfach nur toll für mich gewesen!!!! Wer hätte gedacht dass unser kleiner Mann mal in der Lage wäre seinen eigenen Geburtstagskuchen zu essen…
An seinem ersten Geburtstag hatten wir den halben Tag in der Klinik verbracht nachdem er mehrere Krampfanfälle gehabt hatte…
An seinem zweiten Geburtstag waren wir unterwegs gewesen, aber Jonathan noch nicht in der Lage einen Kuchen zu essen…
Und heute: an seinem dritten Geburtstag. Da war es so weit!! Der Kuchen scheint ihm geschmeckt zu haben, er war komplett beschmiert im Gesicht….lach…

…manchmal denke ich…das niemand –der nicht selber betroffen ist- wirklich nachvollziehen kann wie es sich anfühlt diese so alltäglichen Dinge erleben zu dürfen. Jedes Lachen…jede neue Fähigkeit…jeder kleine Bissen den Jonathan macht..wecken eine Freude und eine Euphorie in uns!! Und immer wieder hat man den Gedanken im Kopf: „Ha: jetzt haben wir es den Ärzten aber  gezeigt! Da haben wir erneut eine Prognose widerlegt!“…das ist ein Triumph! Jedes Mal….

Irgendwann….viel später als eigentlich geplant weil wir so viele Dinge einfach noch mit der Kamera einfangen mussten…lach…sind wir dann in den Zoo gestartet.

NORMALERWEISE werden wir ja überall wo wir hingehen angestarrt, daran haben wir uns mittlerweile schon ein stückweit gewöhnt. Im besten Falle werden wir angesprochen: „Ach, ist der Kleine aber süß!“…“Wie alt ist er denn?“..oder so in der Art, und können dann die Fragen beantworten die die Menschen sich noch gar nicht auszusprechen getraut haben. 8o))

Heute…mit der Kamera mit HR-Logo im Schlepptau…traute sich niemand uns anzusprechen…lach…dafür wurde natürlich noch mehr gestarrt als ohnehin schon. Aber gut: damit hatten wir gerechnet. Und wir ließen uns davon nicht beeinflussen, wir genossen unseren Zoobesuch und hatten eine Menge Spaß!!!

Außer nachmittags im Lokal….
Wir hatten uns am frühen Nachmittag in ein Lokal gesetzt „um eine Pause zu machen“: sowohl für die Redakteurin als auch für uns war dieser Drehtag Schwerstarbeit. Sie musste ständig eine Kamera, die wirklich einiges wog, mit einem Arm halten ohne zu wackeln…wir mussten Einstellungen sehr oft ein zweites – oder auch ein drittes-  Mal drehen: also immer wieder zurück und noch mal von vorne. Zudem möchten wir fürs Fernsehen natürlich auch intelligente Sachen sagen und deswegen müssen wir geistig immer hellwach sein. Das ermüdet.

Jonathan war in seinem Buggy eingeschlafen und so gönnten wir uns ein Getränk mit Blick auf die Elefantenanlage und redeten über Gott und die Welt.
Unsere Redakteurin ist mittlerweile unsere Freundin geworden. Wir arbeiten seit beinahe einem Jahr sehr eng zusammen - ihre Interview-Fragen gehen oft „ans Eingemachte“ und treiben mir Tränen in die Augen. Sie kehrt mein Innerstes nach außen – und das bei laufender Kamera. Ich vertraue ihr. Blind. Sonst wäre eine Zusammenarbeit IN DER FORM auch nicht möglich. Denn wir haben uns vorgenommen vor der Kamera so zu sein wie hinter der Kamera….also müssen wir uns öffnen und der Kamera Einblick in unser Innerstes geben. Das ist nicht immer leicht! Und auch nur aus dem Grund vollkommen möglich weil unsere Redakteurin sich uns gegenüber auch öffnet und uns an ihrem Leben teilhaben lässt….neulich habe ich zu ihr gesagt das ich hoffe das sie uns auch nach den Dreharbeiten erhalten bleibt, denn ich kann sie mir aus meinem Leben gar nicht mehr wegdenken!! 8o)

Naja….da saßen wir also und redeten. Und dann wachte Jonathan auf und hatte Hunger. DA begann die Tragödie….

Füttern ist grundsätzlich bei dem kleinen Mann sehr schwierig. Wir WISSEN das er Hunger hat und trotzdem wehrt er sich dagegen gefüttert zu werden: er schreit und schmeißt sich hin und her….anstrengend.

(Eigentlich alle Eltern von betroffenen Kindern haben mir erzählt dass es bei ihnen genauso ist. Warum auch immer. Vielleicht muss man diesen Zustand einfach hinnehmen und damit arbeiten.)
Das tat er auch jetzt. Und unsere Redakteurin…schaltete die Kamera ein und filmte. O man. Das setzte mich total unter Druck. Wer möchte schon dass sein Kind von der Öffentlichkeit beobachtet wird wenn es einen Tobsuchtsanfall hat???? (Ist doch auch im Supermarkt peinlich wenn das Kind sich hinschmeißt, oder?)

Mein Mann und ich haben alles versucht, aber Jonathan ließ sich nicht beruhigen. Er brüllte was das Zeug hält. Und er HAT EINE STIMME!! Das ist unvorstellbar, ganz ehrlich! Durch die Kleinwüchsigkeit sind die Stimmbänder verkürzt und er hat eine sehr hohe, schrille Stimme. Wenn er die in der kompletten ihm zur Verfügung stehenden Lautstärke einsetzt….dann wird man taub. Und er setzte die Stimme ein!! Die Kamera lief…mir lief der Schweiß….Gott, war das unangenehm!

Nach einigen Minuten sagte mein Mann dass er mit Jonathan mal eine Runde spazieren gehen würde um ihn zu beruhigen. Ich wurde in der Zeit interviewt. Und brachte zum Ausdruck wie peinlich das gewesen war! Zumal ich bemerkte…das unsere Nachbartische sich komplett geleert hatten…o man…

Nun ja….wir möchten in der Reportage die über uns gedreht wird das Leben mit Jonathan so zeigen wie es ist. Und es ist eben nicht immer nur eitel Sonnenschein! Es gibt auch Momente in denen er ausrastet, in denen er schreit…nicht immer wissen wir warum er das tut. Aber auch das gehört dazu und es ist ok das auch zu zeigen. Wenn es auch in der Situation im Zoo sehr anstrengend und peinlich war….

Nachmittags waren wir alle total erschöpft. Von den Dreharbeiten..und von der Hitze!! Für Ende April war es unfassbar warm!!

Also haben wir uns auf den Heimweg gemacht.

Und zu Hause warteten noch mehr Geschenke auf Jonathan!! Wir hatten am Morgen nicht alles ausgepackt um ihn nicht zu überfordern….meine Freundin und mein Dartclub hatten noch Geschenke für den kleinen Mann vor die Tür gelegt!!! Wir hatten also Beschäftigung an diesem Abend…lach…