Zwischen Hoffnung und Angst
„Hoffnung ist nicht der Glaube daran,
das etwas gut ausgeht. Sondern es ist die Gewissheit, dass etwas Sinn hat. Egal
wie es ausgeht.“
(Vaclav Havel)
Wahre Worte.
Wenn man ein Kind mit MOPD TYP1 (einem
Lebensverkürzenden Gendefekt) hat, dann MUSS man vor allem EINES sehen: den
Sinn.
Denn gut ausgehen wird es nicht.
Wir werden unsere Kinder beerdigen.
Nicht umgekehrt, wie es die Natur eigentlich vorgesehen hat.
Ab dem Zeitpunkt der Diagnose wissen wir
Bescheid: uns bleibt nicht so viel Zeit mit unseren Kindern wie anderen Eltern.
Wird es durch dieses Wissen leichter?
Kann man sich dadurch besser auf TagX „vorbereiten“?
Ich denke NEIN.
„Ihr wisst nicht wie viel Zeit ihr habt,
ihr müsst jeden Tag genießen!“…hören wir so oft.
Und natürlich versuchen wir das auch: schieben
nichts mehr auf die lange Bank, versuchen jedes Erlebnis mit Jonathan
aufzusaugen und in Erinnerung zu behalten, machen HUNDERTE Fotos und Videos.
ABER….immer…einfach immer ist da dieser
Gedanke: JONATHAN HAT NUR EINE BEGRENZTE LEBENSERWARTUNG.
Wie hoch diese Lebenserwartung sein wird
wissen wir nicht. Die Prognose der Ärzte war seinerzeit NEUN MONATE. Das haben
wir lange hinter uns gelassen.
Der älteste Mensch mit MOPD Typ1 der UNS
bekannt ist lebt noch und ist aktuell 18 Jahre alt. Das gibt Grund zur Hoffnung.
Aber es ist keine Garantie: denn das ist mit GROSSEM ABSTAND das höchste Alter
das ein Mensch mit dieser Diagnose erreicht hat – und deswegen vielleicht ein
Einzelfall.
ANGST….jeden Tag ist ANGST Bestandteil unseres
Lebens: ANGST vor Jonathans Tod.
Angst die zumindest mir den Atem raubt,
Panikattacken auslöst und Alpträume verursacht. Seit 5 Jahren. Immer und immer
wieder….
Mein Mann und ich haben uns schon vor
langer Zeit zusammengesetzt und eine Patientenverfügung für Jonathan erstellt. Für
den Fall der Fälle. Was wollen wir – was wollen wir nicht? Was erlauben wir den
Ärzten – was nicht? Wie weit wollen wir überhaupt gehen?
So ein Gespräch als Eltern zu führen
ohne dass eine akute Notwendigkeit dazu besteht ist die Hölle. Aber wir wollten
diese Entscheidungen mit „klarem Kopf“ treffen und nicht am Krankenbett in einer
Ausnahmesituation.
Und JA: man denkt auch manchmal darüber
nach wie man eine Beerdigung gestalten würde. Einfach weil man vorbereitet sein
will.
Aber man ist dadurch nicht vorbereitet.
Auf den Tod des eigenen Kindes kann man
sich nicht vorbereiten. Ich habe heute schon panische Angst vor dem Schmerz den
ich fühlen werde. Frage mich manchmal ob ich überhaupt in der Lage sein werde
ihn auszuhalten….frage mich wie ich „danach“ weitermachen soll.
Hoffentlich werde ich die Antworten auf
diese Fragen erst in SEHR VIELEN JAHREN bekommen. Aber eins weiß ich heute schon:
diese furchtbare Angst die jetzt täglich über mir schwebt und mir die
Luft zum Atmen nimmt….die wird dann verschwunden sein. Denn dann sind meine
schlimmsten Vorstellungen Wahrheit
geworden.
Und zumindest DAS wird eine
Erleichterung sein.