Ein weiterer unvergesslicher Eindruck des
Benefizfussballturniers: anwesend war eine Abordnung des Vereins „Menschen für
Kinder“. Diesem Verein haben wir unfassbar viel zu verdanken. Sind sie es doch,
die Jonathans Reittherapie in voller Höhe sponsern…
Und das kam so:
Ein Kollege meines Mannes hatte durch seine Frau
Berührungspunkte mit „MfK“ (Menschen für Kinder) und uns den Hinweis gegeben
uns doch die Internetseite mal anzusehen: vielleicht könnte der Verein uns ja
helfen/unterstützen. Wir haben auch direkt begonnen zu recherchieren – doch
kamen dann zu dem Schluss das wir hier „an der falschen Adresse“ waren: der
Verein engagiert sich vor allem in der Kinderkrebshilfe. Sammelt Geld für
Forschung und Kliniken.
Jonathan hat keinen Krebs. Und für mich stand fest
das krebskranke Kinder die Hilfe dieses Vereins auch viel nötiger hätten als
wir!!! Von daher war dieses Thema für uns beendet.
Doch einige Wochen später…klingelte abends mein
Handy. Eine mir unbekannte Nummer rief an. Ich muss ehrlicherweise sagen das
ich in solchen Fällen ganz oft gar nicht rangehe: meistens ist das nur Werbung
oder der (nervende) Handyanbieter.
Aber irgendwas hat mich bewogen doch ranzugehen.
Ein Mann meldete sich und sagte mir dass er ….vom Verein „Menschen für Kinder“
sei. Und dann erzählte er mir dass er nun von ZWEI VERSCHIEDENEN Menschen auf
uns aufmerksam gemacht worden sei, dass er sich mittlerweile sowohl Blog als
auch Facebook angeschaut und die Zeitungsberichte gelesen habe. Meine Nummer
habe er von einem gemeinsamen Bekannten bekommen und riefe nun mit dem Ziel an
uns zu helfen.
Ich habe wieder abgewiegelt und gesagt dass
Jonathan keinen Krebs hat und der Verein deswegen bei uns an der falschen
Adresse sei.
Doch der Herr am Telefon blieb hartnäckig und sagte
nur das er wisse dass Jonathan einen Gendefekt habe, der Verein treffe aber
manchmal auch Einzelfallentscheidungen und unterstütze auch Kinder die von
anderen Problemen als Krebs betroffen seien.
Er wollte wissen was für Träume wir hätten, wo bei
uns Unterstützung nötig sei. Ich habe ihm direkt erzählt dass wir so gerne mit
Jonathan reiten gehen würden. Und rannte bei ihm offene Türen ein! Dieser Herr
reitet selbst schon seit er 6 Jahre alt ist und hat sogar den Begründer der
sogenannten „Hippotherapie“ noch persönlich kennenlernen dürfen. Er war also
ABSOLUT vom Nutzen dieser Therapie überzeugt, äußerte das auch und fragte mir
sofort Löcher in den Bauch: Ob wir schon eine Stätte im Auge hätten? Ob wir
schon mit der Therapie begonnen hätten? Ich beantwortete alles wahrheitsgemäß
und erklärte ihm dass wir uns eine zertifizierte Stätte ausgesucht hätten,
diese sei 80km entfernt. In ein paar Wochen war ein Schnuppertermin dort
ausgemacht.
Wir haben sehr lange geredet bei diesem ersten
Telefonat. Er wollte wissen ob es noch mehr Träume gab, noch mehr Bedarf bei
Jonathan – oder bei uns, vor allem auch bei Marvin.
Ich war völlig überrumpelt!! Da ruft jemand an den
man nicht kennt und dann versucht dieser Mensch einem alle Wünsche von den
Augen abzulesen und sie zu erfüllen……WAHNSINN!!!
Lange überlegen musste ich allerdings auch nicht.
Ein Autositz aus dem Handel -und nicht einer aus dem Reha-Bedarf der so stark
nach Behinderung aussieht- das wäre noch toll!! Ein ganz normaler Autositz
eben, wie alle anderen Kinder ihn auch haben.
Und für Marvin…LEGO! Er liebt LEGO, nur leider hat
das auch seinen Preis. Es gab das ein oder andere (größere) Set das er sich
wünschte – das wir aber aufgrund der Kosten noch nicht hatten kaufen können.
In diesem Telefonat war ich absolut offen…und
ehrlich. Ich kehrte mein Innerstes nach außen: schilderte welche Probleme oder
Herausforderungen wir im Leben hatten…ging auf unsere finanzielle Situation
ein…weinte beim Erzählen…
Der Anrufer (der mir übrigens direkt so dermaßen
sympathisch war) bedankte sich für meine Offenheit und sagte dass in ein paar
Wochen eine Vorstandssitzung des Vereins stattfinden würde. Er würde dort gerne
unseren Fall vorstellen: ob ich ihm per Email noch Fotos von Jonathans Beinen
(damit man SEHEN konnte warum reiten notwendig wäre) und ein paar kurze Infos
über Krankheit und Krankheitsgeschichte zukommen lassen könnte. Das habe ich
versprochen und auch direkt erledigt.
Dann gingen die Wochen ins Land und eines Tages…kam
der Anruf.
Der Verein hatte sich entschlossen eine
Einzelfallunterstützung für uns zu gewähren. Wir würden…..einen Autositz
erhalten. UND…der Verein übernahm die VOLLEN KOSTEN für Jonathans Reittherapie
– SO LANGE SIE DAUERTE. Und wenn sie 10 Jahren andauern sollte. Ich glaube…ich
habe lange nicht mehr so stark geweint wie bei diesem Telefonat. Vor
Erleichterung…vor Rührung…vor Dankbarkeit.
Zwei Bedingungen gab es:
1. Wenn Jonathan mit dem Reiten begonnen und sich
eingewöhnt hatte dann wollte eine Abordnung von MfK vorbeikommen und sich
selbst ein Bild machen. Nun… nachdem was diese Menschen für uns taten war es ja
wohl eine Selbstverständlichkeit sie an der Therapie teilhaben zu lassen!!!
2. Man wollte gerne eine „Scheckübergabe“ in einem
etwas offizielleren Rahmen vornehmen. Dafür bot sich das Benefizfußballturnier
an!!
Und deswegen waren an diesem Tag einige Herren von
MfK mit einem Scheck sowie dem LEGOSET für Marvin anwesend. Leider zwar nicht
der Herr der mich angerufen hatte, aber auch die anwesenden Vertreter des
Vereins waren sehr sympathisch.
Bei der Scheckübergabe auf der Bühne dann fehlten
mir komplett die Worte, denn als ich sah das 5000€ dort eingetragen waren (für
1 Jahr reiten und den Autositz) ist mir schlagartig bewusst geworden WIE VIEL
GELD uns dieser Verein EINFACH SO zur Verfügung stellte. Und das schnürte mir
den Hals zu!!! Noch vor ein paar Monaten war „Therapeutisches Reiten“ nur ein
weit entfernter Traum für uns gewesen und ich sah wieder die Zeitungsreporterin
auf meiner Couch sitzen die damals sagte: „Sie werden mit Jonathan reiten
gehen!“…sie hatte Recht gehabt!!
Unfassbar….Diese Welle der Hilfsbereitschaft die
über uns hinwegspülte…noch heute kann ich alle diese Menschen im Zelt sitzen
sehen…sie waren nur gekommen um uns zu unterstützen: sie spendeten Geld und
kauften Lose oder arbeiteten heute umsonst um den Gewinn für uns zu erhöhen…das
war einfach…so beeindruckend.
Es gab noch mehr Gänsehaut-Momente für uns…diese zu
sortieren und zu verarbeiten sollte einige Tage dauern:
Der Kindergarten hatte ein Lied einstudiert. Ein
Mädchen hatte an diesem Tag sogar Geburtstag, doch statt zu Hause ihren Kuchen
zu essen oder mit ihren Freunden zu feiern war sie zum Turnier gekommen um für
Jonathan zu singen. Ganz ganz großartig!!
Ein Gottesdienst wurde im Zelt veranstaltet, an
dessen Ende wurde Jonathan vom Pfarrer gesegnet.
Die Kreisligalegenden nahmen unsere Jungs
ehrenhalber in ihre Reihen auf und überreichten Marvin eine Kappe – er darf
sich nun hochoffiziell KREISLIGALEGENDE nennen. Eine Ehre die nicht jedem zuteil
wird und die ihn auch sehr stolz machte!!
Leider spielte ab der Mittagszeit das Wetter nicht
mehr mit: es regnete ziemlich stark. Deswegen waren wir gezwungen mit Jonathan
im Zelt zu bleiben und konnten weder der Dame die mit ihren Ponys zum
Ponyreiten bekommen war – noch dem Quadclub persönlich HALLO sagen. Was uns bis
heute sehr leid tut….
Sankt-Martin
Die Wochen gingen ins Land und bei uns wurde es
tatsächlich etwas ruhiger.
Wir besuchten unsere Therapien…feierten
„Welt-Kleinwuchstag“….und Reformationstag…genossen einfach unser Leben und
lachten viel.
Und dann kam die nächste Überraschung.
Der Kindergarten aus unserem Ort meldete sich bei
uns. Sankt-Martin war nicht mehr so weit entfernt und im Kindergarten selbst
sowie beim Umzug und dem anschließenden Getränkeverkauf wird traditionell Geld
für einen guten Zweck gesammelt: die Martinsspende. In diesem Jahr hatte man
beschlossen das Jonathan diese Spende erhalten sollte, denn wenn man IM EIGENEN
ORT Bedarf hatte – dann sollte das auch unterstützt werden! Ich war ziemlich
gerührt von dieser Aktion.
Man fragte mich ob ich bereit wäre den Kindergarten
zu besuchen und den Kindern, die ja maßgeblich an der Spendensammlung beteiligt
sein würden, ein bißchen etwas über Jonathan erzählen würde. Das der kleine
Mann selber wegen der Keime/Viren/Bakterien nicht in den Kindergarten kommen
könne sei klar. Aber vielleicht könnte ich Fotos mitbringen???
Natürlich habe ich zugesagt!! Ich finde, das
grundsätzlich der Anstand es gebührt allen Menschen die etwas für uns tun
wollen den Respekt zu erweisen sich persönlich zu zeigen und auch Fragen zu
beantworten. Und das gilt erst Recht bei Kindern!!! Auch mit dem Hintergedanken
das man Kindern Behinderungen näher bringen muss um in ihrem späteren Leben
weniger Berührungsängste entstehen zu lassen. Kinder selbst sind unbedarft und
offen auch für Menschen die „anders“ sind: aber dieses Gefühl muss man auch ins
Erwachsenenalter hineintransportieren lernen – und an dieser Stelle sehe ich in
unserer heutigen Gesellschaft SEHR GROSSE Defizite!! Von daher wollte ich diese
Chance sehr gerne nutzen.
Ohne arrogant klingen zu wollen….aber wir sind
mittlerweile in gewisser Weise „Medienprofis“ geworden: wir haben schon einige
Zeitungsinterviews gegeben, werden regelmäßig von einer Kamera des HR
begleitet, haben so vielen Menschen Rede und Antwort gestanden und/oder auch
kleine Vorträge über Jonathan und seine Krankheit vor größeren Menschengruppen
gehalten. ABER…dieser Termin im KINDERGARTEN…der setzte mich unter Stress!!
Weil….ich nicht wusste wie ich Jonathans Erkrankung kindgerecht erklären
sollte. Und ob ich erwähnen konnte/durfte das Jonathan unter Umständen nie so
alt werden würde wie die Kinder die dann vor mir sitzen würden….bisher hatte
ich immer nur mit Erwachsenen geredet, das war etwas völlig anderes! Da konnte
ich schonungslos offen sein. Und hatte trotzdem schon oft Tränen gesehen. Wenn
ich nun den Kindern etwas „falsches“ erzählte dann löste ich am Ende ein Trauma
aus oder so…..ich machte mir echt viele Gedanken und hatte einen Heidenrespekt
vor diesem Termin.
Ein wenig ruhiger wurde ich als ich hörte dass ich
nur mit den Vorschulkindern reden sollte. Die waren zum einen schon etwas älter
und „verständiger“, zum anderen war die Tochter meiner Freundin in dieser
Gruppe. Sie kannte ich, und wie ich mit ihr reden musste/konnte wusste ich.
Also…das war beruhigend!!!
Ich habe Fotos von Jonathan ausgedruckt und mir
überlegt wie ich es erklären könnte. Und dann ging es los.
Wir setzten uns alle an einen Tisch und die Kinder
sahen mich erwartungsvoll an….Lach…
Zuerst habe ich die Fotos gezeigt und einige der
Kinder erkannten Jonathan: sie hatten ihn schon mal beim Spazierengehen gesehen
oder an Halloween als sie bei uns klingelten und Süßigkeiten haben wollten.
8o))
Dann habe ich ihnen erklärt dass er sehr viel
kleiner ist als andere Kinder in seinem Alter. Diejenigen die ihn schon mal
gesehen hatten haben das lautstark bestätigt! Viele hatten ja auch Geschwister
in Jonathans Alter und deswegen den direkten Vergleich.
Tja und dann kamen natürlich die Fragen: „Warum ist
er so krank? Wird er wieder gesund? Wächst er noch?“ Oje….
Ich wusste dass ich mich in einem katholischen
Kindergarten befand, hier wurde religiöse Erziehung groß geschrieben. Und ich
erinnerte mich an etwas das bei Marvin in der „Warum-Phase“ IMMER geholfen
hatte…das sagte ich nun auch den Kindern: „Gott hat Jonathan diese Krankheit
gegeben und er wird nie gesund sein. Er wird auch nie so groß sein wie ihr.
Aber das ist ok: Gott hat das so entschieden und Jonathan ist gut - genauso wie
er ist!!!“ Tja…die Kinder haben diese Aussage tatsächlich nicht mehr
hinterfragt, sie waren zufrieden. Und ich erleichtert. 8o))
In einem waren sich alle Kinder jedenfalls einig:
ER IST SOOO SÜSS!!! Und sie waren alle neidisch auf die Tochter meiner Freundin
weil sie Jonathan schon des Öfteren gehalten und geknuddelt hatte.
Wie jedes Jahr habe ich eine Laterne gebastelt:
eine Fledermaus war es dieses Mal. Zwar konnte Jonathan nicht wirklich was mit
der Laterne anfangen, er konnte sie auch nur kurz festhalten – dann verließen
ihn die Kräfte…aber er sollte trotzdem diese Tradition miterleben dürfen, wie
jedes andere Kind auch!! Uns ist es extrem wichtig dass wir Jonathan so
„normal“ wie möglich aufwachsen lassen und ihm nicht das Gefühl geben das es
Dinge gibt die er aufgrund seiner „Krankheit“ nicht machen kann.
Jonathans Patenonkel kam mit seiner Tochter bei uns
vorbei und dann sind wir losgegangen zum Martinsumzug. Traditionell gibt es bei
uns einen „echten“ Sankt Martin der auch auf dem Pferd reitet: Jonathan war hin
und weg. Natürlich auch von den vielen Lichtern, dem Gesang….er war total fasziniert
und hat alles um sich herum aus der Bauchtrage heraus aufmerksam betrachtet.
Einige Kinder aus dem Kindergarten haben uns
gesehen und angesprochen: haben Jonathan begrüßt und sich gefreut ihn „in live“
zu sehen. Sie waren alle so begeistert von ihm und so liebevoll zu ihm….das war
echt rührend!
Am Sportplatz und beim Martinsfeuer angekommen gab
es einen Getränke- und Weckmann-Verkauf. Ein selbstgebasteltes Plakat war
aufgehängt worden: es erzählte unsere Geschichte und bat alle Besucher etwas
für uns zu spenden.
Seit ich 4 Jahre alt bin lebe ich in diesem Ort und
ich kenne eigentlich jeden hier – und jeder kennt mich, seit ich ganz klein
bin. Ich fühle mich hier im Ort wohl, es ist mein Zuhause. Diese Aktion hat
mich so sehr gerührt…..ich bin mit Jonathan DANKE sagen gegangen und konnte
nicht lange dort bleiben weil ich gemerkt habe das mir die Tränen kamen vor
Rührung. So oft habe ich an diesem Abend den Satz gehört: „Ich spende gerne,
und wenn es einer aus unseren eigenen Reihen ist der Hilfe braucht – dann umso
mehr!“….dieser Zusammenhalt…das ist schon ein ganz großartiges Gefühl! Ich
glaube…so etwas ist „bei uns auf dem Land“ eher die Regel als in der Stadt. Und
ich bin dankbar dafür diese Unterstützung zu haben.