Freitag, 20. April 2018


Ein weiterer unvergesslicher Eindruck des Benefizfussballturniers: anwesend war eine Abordnung des Vereins „Menschen für Kinder“. Diesem Verein haben wir unfassbar viel zu verdanken. Sind sie es doch, die Jonathans Reittherapie in voller Höhe sponsern…

Und das kam so:
Ein Kollege meines Mannes hatte durch seine Frau Berührungspunkte mit „MfK“ (Menschen für Kinder) und uns den Hinweis gegeben uns doch die Internetseite mal anzusehen: vielleicht könnte der Verein uns ja helfen/unterstützen. Wir haben auch direkt begonnen zu recherchieren – doch kamen dann zu dem Schluss das wir hier „an der falschen Adresse“ waren: der Verein engagiert sich vor allem in der Kinderkrebshilfe. Sammelt Geld für Forschung und Kliniken.

Jonathan hat keinen Krebs. Und für mich stand fest das krebskranke Kinder die Hilfe dieses Vereins auch viel nötiger hätten als wir!!! Von daher war dieses Thema für uns beendet.

Doch einige Wochen später…klingelte abends mein Handy. Eine mir unbekannte Nummer rief an. Ich muss ehrlicherweise sagen das ich in solchen Fällen ganz oft gar nicht rangehe: meistens ist das nur Werbung oder der (nervende) Handyanbieter.

Aber irgendwas hat mich bewogen doch ranzugehen. Ein Mann meldete sich und sagte mir dass er ….vom Verein „Menschen für Kinder“ sei. Und dann erzählte er mir dass er nun von ZWEI VERSCHIEDENEN Menschen auf uns aufmerksam gemacht worden sei, dass er sich mittlerweile sowohl Blog als auch Facebook angeschaut und die Zeitungsberichte gelesen habe. Meine Nummer habe er von einem gemeinsamen Bekannten bekommen und riefe nun mit dem Ziel an uns zu helfen.

Ich habe wieder abgewiegelt und gesagt dass Jonathan keinen Krebs hat und der Verein deswegen bei uns an der falschen Adresse sei.

Doch der Herr am Telefon blieb hartnäckig und sagte nur das er wisse dass Jonathan einen Gendefekt habe, der Verein treffe aber manchmal auch Einzelfallentscheidungen und unterstütze auch Kinder die von anderen Problemen als Krebs betroffen seien.

Er wollte wissen was für Träume wir hätten, wo bei uns Unterstützung nötig sei. Ich habe ihm direkt erzählt dass wir so gerne mit Jonathan reiten gehen würden. Und rannte bei ihm offene Türen ein! Dieser Herr reitet selbst schon seit er 6 Jahre alt ist und hat sogar den Begründer der sogenannten „Hippotherapie“ noch persönlich kennenlernen dürfen. Er war also ABSOLUT vom Nutzen dieser Therapie überzeugt, äußerte das auch und fragte mir sofort Löcher in den Bauch: Ob wir schon eine Stätte im Auge hätten? Ob wir schon mit der Therapie begonnen hätten? Ich beantwortete alles wahrheitsgemäß und erklärte ihm dass wir uns eine zertifizierte Stätte ausgesucht hätten, diese sei 80km entfernt. In ein paar Wochen war ein Schnuppertermin dort ausgemacht.

Wir haben sehr lange geredet bei diesem ersten Telefonat. Er wollte wissen ob es noch mehr Träume gab, noch mehr Bedarf bei Jonathan – oder bei uns, vor allem auch bei Marvin.

Ich war völlig überrumpelt!! Da ruft jemand an den man nicht kennt und dann versucht dieser Mensch einem alle Wünsche von den Augen abzulesen und sie zu erfüllen……WAHNSINN!!!

Lange überlegen musste ich allerdings auch nicht. Ein Autositz aus dem Handel -und nicht einer aus dem Reha-Bedarf der so stark nach Behinderung aussieht- das wäre noch toll!! Ein ganz normaler Autositz eben, wie alle anderen Kinder ihn auch haben.
Und für Marvin…LEGO! Er liebt LEGO, nur leider hat das auch seinen Preis. Es gab das ein oder andere (größere) Set das er sich wünschte – das wir aber aufgrund der Kosten noch nicht hatten kaufen können.

In diesem Telefonat war ich absolut offen…und ehrlich. Ich kehrte mein Innerstes nach außen: schilderte welche Probleme oder Herausforderungen wir im Leben hatten…ging auf unsere finanzielle Situation ein…weinte beim Erzählen…
Der Anrufer (der mir übrigens direkt so dermaßen sympathisch war) bedankte sich für meine Offenheit und sagte dass in ein paar Wochen eine Vorstandssitzung des Vereins stattfinden würde. Er würde dort gerne unseren Fall vorstellen: ob ich ihm per Email noch Fotos von Jonathans Beinen (damit man SEHEN konnte warum reiten notwendig wäre) und ein paar kurze Infos über Krankheit und Krankheitsgeschichte zukommen lassen könnte. Das habe ich versprochen und auch direkt erledigt.

Dann gingen die Wochen ins Land und eines Tages…kam der Anruf.

Der Verein hatte sich entschlossen eine Einzelfallunterstützung für uns zu gewähren. Wir würden…..einen Autositz erhalten. UND…der Verein übernahm die VOLLEN KOSTEN für Jonathans Reittherapie – SO LANGE SIE DAUERTE. Und wenn sie 10 Jahren andauern sollte. Ich glaube…ich habe lange nicht mehr so stark geweint wie bei diesem Telefonat. Vor Erleichterung…vor Rührung…vor Dankbarkeit.

Zwei Bedingungen gab es:
1. Wenn Jonathan mit dem Reiten begonnen und sich eingewöhnt hatte dann wollte eine Abordnung von MfK vorbeikommen und sich selbst ein Bild machen. Nun… nachdem was diese Menschen für uns taten war es ja wohl eine Selbstverständlichkeit sie an der Therapie teilhaben zu lassen!!!
2. Man wollte gerne eine „Scheckübergabe“ in einem etwas offizielleren Rahmen vornehmen. Dafür bot sich das Benefizfußballturnier an!!

Und deswegen waren an diesem Tag einige Herren von MfK mit einem Scheck sowie dem LEGOSET für Marvin anwesend. Leider zwar nicht der Herr der mich angerufen hatte, aber auch die anwesenden Vertreter des Vereins waren sehr sympathisch.

Bei der Scheckübergabe auf der Bühne dann fehlten mir komplett die Worte, denn als ich sah das 5000€ dort eingetragen waren (für 1 Jahr reiten und den Autositz) ist mir schlagartig bewusst geworden WIE VIEL GELD uns dieser Verein EINFACH SO zur Verfügung stellte. Und das schnürte mir den Hals zu!!! Noch vor ein paar Monaten war „Therapeutisches Reiten“ nur ein weit entfernter Traum für uns gewesen und ich sah wieder die Zeitungsreporterin auf meiner Couch sitzen die damals sagte: „Sie werden mit Jonathan reiten gehen!“…sie hatte Recht gehabt!!

Unfassbar….Diese Welle der Hilfsbereitschaft die über uns hinwegspülte…noch heute kann ich alle diese Menschen im Zelt sitzen sehen…sie waren nur gekommen um uns zu unterstützen: sie spendeten Geld und kauften Lose oder arbeiteten heute umsonst um den Gewinn für uns zu erhöhen…das war einfach…so beeindruckend.

Es gab noch mehr Gänsehaut-Momente für uns…diese zu sortieren und zu verarbeiten sollte einige Tage dauern:

Der Kindergarten hatte ein Lied einstudiert. Ein Mädchen hatte an diesem Tag sogar Geburtstag, doch statt zu Hause ihren Kuchen zu essen oder mit ihren Freunden zu feiern war sie zum Turnier gekommen um für Jonathan zu singen. Ganz ganz großartig!!

Ein Gottesdienst wurde im Zelt veranstaltet, an dessen Ende wurde Jonathan vom Pfarrer gesegnet.

Die Kreisligalegenden nahmen unsere Jungs ehrenhalber in ihre Reihen auf und überreichten Marvin eine Kappe – er darf sich nun hochoffiziell KREISLIGALEGENDE nennen. Eine Ehre die nicht jedem zuteil wird und die ihn auch sehr stolz machte!!

Leider spielte ab der Mittagszeit das Wetter nicht mehr mit: es regnete ziemlich stark. Deswegen waren wir gezwungen mit Jonathan im Zelt zu bleiben und konnten weder der Dame die mit ihren Ponys zum Ponyreiten bekommen war – noch dem Quadclub persönlich HALLO sagen. Was uns bis heute sehr leid tut….


Sankt-Martin
Die Wochen gingen ins Land und bei uns wurde es tatsächlich etwas ruhiger.

Wir besuchten unsere Therapien…feierten „Welt-Kleinwuchstag“….und Reformationstag…genossen einfach unser Leben und lachten viel.

Und dann kam die nächste Überraschung.
Der Kindergarten aus unserem Ort meldete sich bei uns. Sankt-Martin war nicht mehr so weit entfernt und im Kindergarten selbst sowie beim Umzug und dem anschließenden Getränkeverkauf wird traditionell Geld für einen guten Zweck gesammelt: die Martinsspende. In diesem Jahr hatte man beschlossen das Jonathan diese Spende erhalten sollte, denn wenn man IM EIGENEN ORT Bedarf hatte – dann sollte das auch unterstützt werden! Ich war ziemlich gerührt von dieser Aktion.

Man fragte mich ob ich bereit wäre den Kindergarten zu besuchen und den Kindern, die ja maßgeblich an der Spendensammlung beteiligt sein würden, ein bißchen etwas über Jonathan erzählen würde. Das der kleine Mann selber wegen der Keime/Viren/Bakterien nicht in den Kindergarten kommen könne sei klar. Aber vielleicht könnte ich Fotos mitbringen???

Natürlich habe ich zugesagt!! Ich finde, das grundsätzlich der Anstand es gebührt allen Menschen die etwas für uns tun wollen den Respekt zu erweisen sich persönlich zu zeigen und auch Fragen zu beantworten. Und das gilt erst Recht bei Kindern!!! Auch mit dem Hintergedanken das man Kindern Behinderungen näher bringen muss um in ihrem späteren Leben weniger Berührungsängste entstehen zu lassen. Kinder selbst sind unbedarft und offen auch für Menschen die „anders“ sind: aber dieses Gefühl muss man auch ins Erwachsenenalter hineintransportieren lernen – und an dieser Stelle sehe ich in unserer heutigen Gesellschaft SEHR GROSSE Defizite!! Von daher wollte ich diese Chance sehr gerne nutzen.

Ohne arrogant klingen zu wollen….aber wir sind mittlerweile in gewisser Weise „Medienprofis“ geworden: wir haben schon einige Zeitungsinterviews gegeben, werden regelmäßig von einer Kamera des HR begleitet, haben so vielen Menschen Rede und Antwort gestanden und/oder auch kleine Vorträge über Jonathan und seine Krankheit vor größeren Menschengruppen gehalten. ABER…dieser Termin im KINDERGARTEN…der setzte mich unter Stress!! Weil….ich nicht wusste wie ich Jonathans Erkrankung kindgerecht erklären sollte. Und ob ich erwähnen konnte/durfte das Jonathan unter Umständen nie so alt werden würde wie die Kinder die dann vor mir sitzen würden….bisher hatte ich immer nur mit Erwachsenen geredet, das war etwas völlig anderes! Da konnte ich schonungslos offen sein. Und hatte trotzdem schon oft Tränen gesehen. Wenn ich nun den Kindern etwas „falsches“ erzählte dann löste ich am Ende ein Trauma aus oder so…..ich machte mir echt viele Gedanken und hatte einen Heidenrespekt vor diesem Termin.

Ein wenig ruhiger wurde ich als ich hörte dass ich nur mit den Vorschulkindern reden sollte. Die waren zum einen schon etwas älter und „verständiger“, zum anderen war die Tochter meiner Freundin in dieser Gruppe. Sie kannte ich, und wie ich mit ihr reden musste/konnte wusste ich. Also…das war beruhigend!!!

Ich habe Fotos von Jonathan ausgedruckt und mir überlegt wie ich es erklären könnte. Und dann ging es los.
Wir setzten uns alle an einen Tisch und die Kinder sahen mich erwartungsvoll an….Lach…

Zuerst habe ich die Fotos gezeigt und einige der Kinder erkannten Jonathan: sie hatten ihn schon mal beim Spazierengehen gesehen oder an Halloween als sie bei uns klingelten und Süßigkeiten haben wollten. 8o))

Dann habe ich ihnen erklärt dass er sehr viel kleiner ist als andere Kinder in seinem Alter. Diejenigen die ihn schon mal gesehen hatten haben das lautstark bestätigt! Viele hatten ja auch Geschwister in Jonathans Alter und deswegen den direkten Vergleich.

Tja und dann kamen natürlich die Fragen: „Warum ist er so krank? Wird er wieder gesund? Wächst er noch?“ Oje….
Ich wusste dass ich mich in einem katholischen Kindergarten befand, hier wurde religiöse Erziehung groß geschrieben. Und ich erinnerte mich an etwas das bei Marvin in der „Warum-Phase“ IMMER geholfen hatte…das sagte ich nun auch den Kindern: „Gott hat Jonathan diese Krankheit gegeben und er wird nie gesund sein. Er wird auch nie so groß sein wie ihr. Aber das ist ok: Gott hat das so entschieden und Jonathan ist gut - genauso wie er ist!!!“ Tja…die Kinder haben diese Aussage tatsächlich nicht mehr hinterfragt, sie waren zufrieden. Und ich erleichtert. 8o))

In einem waren sich alle Kinder jedenfalls einig: ER IST SOOO SÜSS!!! Und sie waren alle neidisch auf die Tochter meiner Freundin weil sie Jonathan schon des Öfteren gehalten und geknuddelt hatte.


Wie jedes Jahr habe ich eine Laterne gebastelt: eine Fledermaus war es dieses Mal. Zwar konnte Jonathan nicht wirklich was mit der Laterne anfangen, er konnte sie auch nur kurz festhalten – dann verließen ihn die Kräfte…aber er sollte trotzdem diese Tradition miterleben dürfen, wie jedes andere Kind auch!! Uns ist es extrem wichtig dass wir Jonathan so „normal“ wie möglich aufwachsen lassen und ihm nicht das Gefühl geben das es Dinge gibt die er aufgrund seiner „Krankheit“ nicht machen kann.

Jonathans Patenonkel kam mit seiner Tochter bei uns vorbei und dann sind wir losgegangen zum Martinsumzug. Traditionell gibt es bei uns einen „echten“ Sankt Martin der auch auf dem Pferd reitet: Jonathan war hin und weg. Natürlich auch von den vielen Lichtern, dem Gesang….er war total fasziniert und hat alles um sich herum aus der Bauchtrage heraus aufmerksam betrachtet.

Einige Kinder aus dem Kindergarten haben uns gesehen und angesprochen: haben Jonathan begrüßt und sich gefreut ihn „in live“ zu sehen. Sie waren alle so begeistert von ihm und so liebevoll zu ihm….das war echt rührend!

Am Sportplatz und beim Martinsfeuer angekommen gab es einen Getränke- und Weckmann-Verkauf. Ein selbstgebasteltes Plakat war aufgehängt worden: es erzählte unsere Geschichte und bat alle Besucher etwas für uns zu spenden.

Seit ich 4 Jahre alt bin lebe ich in diesem Ort und ich kenne eigentlich jeden hier – und jeder kennt mich, seit ich ganz klein bin. Ich fühle mich hier im Ort wohl, es ist mein Zuhause. Diese Aktion hat mich so sehr gerührt…..ich bin mit Jonathan DANKE sagen gegangen und konnte nicht lange dort bleiben weil ich gemerkt habe das mir die Tränen kamen vor Rührung. So oft habe ich an diesem Abend den Satz gehört: „Ich spende gerne, und wenn es einer aus unseren eigenen Reihen ist der Hilfe braucht – dann umso mehr!“….dieser Zusammenhalt…das ist schon ein ganz großartiges Gefühl! Ich glaube…so etwas ist „bei uns auf dem Land“ eher die Regel als in der Stadt. Und ich bin dankbar dafür diese Unterstützung zu haben.