Freitag, 29. März 2019


…so viele Abschiede…
Das Jahr 2019 begann für uns alles andere als gut.

Marvin schnitt sich Anfang Januar so schlimm in den Finger und die Hand das er ins Krankenhaus und genäht werden musste.

ZUM GLÜCK war an diesem Tag mein Mann zu Hause und machte Homeoffice – ich weiß nicht was ich gemacht hätte wenn ich mit Marvin allein gewesen wäre….ich kann nämlich KEIN BLUT sehen. Mir wird sofort schwindelig und schlecht. Und Marvin blutete wirklich ziemlich schlimm!

Er kam auf mich zugelaufen, sagte dass er sich geschnitten habe – die verletzte Hand hielt er mit der anderen Hand fest umschlossen, aber das Blut tropfte einfach nur so auf den Boden.

Geistesgegenwärtig lief er zur Spüle und hielt die Hand hinein. Ich raste zu meinem Mann und schrie ihn an das er sofort mit Marvin in die Klinik müsste…wie schlimm es wirklich war: wusste ich nicht, ich konnte ja nicht hinschauen.

Nun ja….Handtuch drum und los ging´s für die Männer. Und ich putzte …. was nicht einfach für mich war…besonders als ich in die Spüle blickte. Es war SO VIEL Blut.

Mein Mann hatte keinen Handyempfang und ich machte mir wirklich Sorgen: hatte Marvin sich am Ende irgendwelche Sehnen/Bänder/Muskeln durchtrennt und musste operiert werden? Nach über einer Stunde ohne Infos habe ich in der Klinik angerufen und man holte meinen Mann ans Telefon: zum Glück soweit alles gut, es musste „nur“ genäht werden.

Was ein Tag und was für eine Aufregung!

Doch das alles geriet ins Hintertreffen als wir ein Kind mit MOPD1 verloren…..

Ein kleines Mädchen aus Indien.

DAS kleine Mädchen das seine Diagnose AUCH wegen dieses Blogs bekommen hatte, dessen Eltern mich angeschrieben hatten und seitdem in ganz engem Kontakt zu mir standen. Und auch heute immer noch stehen!

Ich kann gar nicht mit Worten ausdrücken was diese Familie mir bedeutet…ohne sie jemals in echt gesehen zu haben spüre ich so eine unfassbar starke Verbindung zu ihnen. Diese Menschen haben MEIN SCHICKSAL ERFÜLLT - weil ich ihnen helfen konnte.

Dieses wunderschöne Kind durfte nur 13 Monate alt werden. Und ich habe sie nie kennengelernt, sie nie in den Armen gehalten oder in ihre Augen geblickt. Dabei sollte das diesen Sommer auf der Convention möglich werden….

Was in mir vorging als ich von ihrem Vater die furchtbare Nachricht bekam….ich kann es nicht wirklich ausdrücken. Abgrundtiefer Schmerz. Wut…Verzweiflung. Und Mitgefühl mit ihren Eltern.  

Bis heute….knabbere ich an ihrem Tod. Schaue immer wieder ihre Bilder an und weine.
Sie ist nicht das erste Kind das ich habe gehen sehen seit wir bei WALKING WITH GIANTS organisiert sind – aber sie ist das erste Kind dessen Tod mich so wahnsinnig mitnimmt.


…und uns blieb keine Zeit Luft zu holen nach diesem Schock…

Mein Schwiegervater starb Mitte Januar. Mit nur 69 Jahren, für uns alle zu diesem Zeitpunkt völlig unerwartet und plötzlich.


Mir waren nur 7 Jahren mit ihm vergönnt….er fehlt mir.

Dachte ich zu Anfang nach Jonathans Geburt dass er mitunter naiv und blauäugig an die Diagnose MOPD1 herangeht…habe ich irgendwann erkannt das es einfach seine positive Art war. Er hat NIE das Schlechte gesehen oder negativ gedacht…er hat IMMER nur Optimismus verbreitet – und auch NUR an das Gute geglaubt.
Nachdem ich das verstanden hatte: habe ich seine Nähe noch mehr genossen, sie hat mir Kraft gegeben.

Nun…kann er mir keine Kraft mehr geben.

Mich tröstet allein der Gedanke dass er im Himmel auf Jonathan wartet und ihn irgendwann…hoffentlich in sehr ferner Zukunft!...begrüßen und in die Arme nehmen wird.
Er wird auf unseren kleinen Jungen aufpassen - bis wir ihm folgen.


ICH verfluchte das Jahr 2019 jetzt (MITTE JANUAR) schon!!
Weinte viel und dachte oft bei mir: „Wenn es so schlimm anfängt….geht es dann auch so weiter? Oder wird es besser?“


Anfang Februar bekamen wir darauf eine Antwort:
Es ging erstmal schlimm weiter.


Jetzt hatten wir ein 12 Monate altes Mädchen mit MOPD1 aus Finnland verloren.

Auch diese Familie war mir immens wichtig – ich hatte sie in den sozialen Netzwerken „gefunden“ und zur WALKING WITH GIANTS FOUNDATION gebracht, ihnen die Möglichkeit gegeben sich mit anderen Betroffenen auszutauschen – sie waren nun nicht mehr allein und so glücklich darüber. Wir schrieben uns oft, tauschen Erfahrungen und Fotos aus.

Und nun….urplötzlich…hatte dieses süße Wesen ihre Flügel genommen und war davon geflogen.


Ich konnte in meinen Nachrichten an ihren Vater gar nicht ausdrücken wie sehr ich mit ihm und seiner Frau mitfühlte…ich weinte permanent und wünschte mir die beiden in die Arme nehmen zu können.


Es ist zwar etwas beschämend….aber vermutlich auch ein stückweit normal!
Natürlich bewegten mich in erster Linie Trauer um die Kinder und Mitgefühl mit den Eltern….aber…es ist nicht von der Hand zu weisen das auch andere Gefühle in mir hochkamen:
ANGST und BEKLEMMUNG. Und EINE FRAGE die mir permanent durch den Kopf schwirrte:
„Werden wir die Nächsten sein???“


Kinder mit MOPD1 haben statistisch gesehen eine Lebenserwartung von 9 Monaten.
Jonathan wird schon 4 Jahre alt.
Und wir haben dieses Jahr deutlich vor Augen geführt bekommen das das für diesen Gendefekt wirklich SEHR ALT ist. Viele Kinder schaffen es gar nicht so weit wie Joni…darüber sind wir glücklich!!! Aber es schürt eben auch die Angst. Denn wir wissen nicht wieviel Zeit uns noch bleibt.

Meistens…kann ich das vergessen. Jonathan ist gesund und fröhlich, er ist neugierig und kommunikativ: er ist einfach wie andere Kinder auch, nur kleiner.
Aber manchmal….kann ich das nicht wegschieben. Und dann schnürt es mir den Hals zu. Dann bekomme ich Angst…ja: PANIK.

Wie wird das Leben ohne Joni sein? Werde ich das überhaupt schaffen? WIE soll ich das schaffen?



Anfang März war ich grade ein bisschen zu mir gekommen, die „guten Tage“ wurden wieder häufiger und ich hatte es geschafft die Angst und Traurigkeit wegzuschieben.

Dann bekam ich eine Nachricht aus…..Deutschland.

Eins unserer deutschen MOPD1-Kinder ringt aktuell mit dem Leben.
Ein Mädchen, 21 Monate alt und die einzige deutsche Betroffene die ich nicht persönlich kenne.

Noch besteht Hoffnung dass sie den Kampf gewinnt. Ich bete jeden Tag….ich bin in meinen Gedanken ständig bei ihr und ihrer Familie. Rede viel mit ihrer Mutter, versuche sie zu unterstützen und zu bestärken – ihr Kraft zu geben….HOFFNUNG….

Unsere Kinder sind stark – SEHR STARK. Genau wie wir ELTERN. Weil wir MÜSSEN.

Wir alle führen ein Leben das wir nie in dieser Form führen wollten….der Tod ist IMMER präsent – und das sollte er nicht sein, schon gar nicht bei KINDERN.

Damit klarzukommen ist eine WIRKLICH große Herausforderung, die auch nur jemand versteht der es selbst durchlebt.

Genau wie etwas anderes das nur wir Betroffenen vollkommen verstehen: das wir HOFFNUNG brauchen.
Denn Hoffnung gibt Kraft…und die brauchen wir wirklich ganz dringend im täglichen Leben. Würden wir die Hoffnung aufgeben – dann wäre dieses Leben nicht auszuhalten. Und ICH glaube…dass auch unsere Kinder das spüren und nicht mehr kämpfen würden.



Und als Abschluss des heutigen Beitrags (und passend zum Thema!) äußere ich mal meine HOFFNUNG dass unser Jahr 2019 besser weitergeht als es begonnen hat. 8o)