Samstag, 8. Februar 2020


Und dann ist der Moment gekommen….

„Lotta ist heute Nachmittag gestorben.“

Ich starre auf die Nachricht auf meinem Handy…und die Welt hört auf sich zu drehen.

Alles wird dumpf um mich herum…ich fühle mich als steckte ich in Watte….meine Knie zittern…ein fetter Kloß sitzt in meinem Hals…die Tränen rinnen einfach unkontrolliert.

Ich starre gefühlt 10 Minuten auf diese Nachricht, als könnte ich die Buchstaben hypnotisieren damit sie sich in einer anderen Reihenfolge neu zusammensetzen und mir erzählen dass es meinem Lotta-Kind gut geht. Doch das tun sie nicht.

Was soll ich antworten?? Ich weiß es nicht, mir fehlen die Worte.
Gibt es ÜBERHAUPT etwas Sinnvolles was man in diesem Moment sagen kann?

Ich weiß nur EINES….
Als meine Mutter gestorben ist war ich 14 Jahre alt. Und ich habe es GEHASST wenn Menschen zu mir kamen und gesagt haben „Mein herzliches Beileid!“. Denn irgendwie…ist diese Aussage einfach nur eine Phrase – dahingesprochen, ob ernst gemeint oder nicht, einfach weil es der Anstand gebührt.
Deswegen….habe ich in meinem ganzen Leben noch NIE diese Worte zu jemandem gesagt der in Trauer ist. Ich wähle andere Worte, immer gut überlegt, ehrlich und aus meinem tiefstem Herzen.


Aber in diesem Moment, als ich auf mein Handy starre, ist mein Herz einfach leer. Ich weiß nicht was ich sagen soll.

Und schreibe GENAU DAS: „Ich weiß nicht was ich sagen soll.“


Lottas Mama antwortet mir. Offensichtlich haben meine Worte sie nicht verletzt – ich bin erleichtert.

Wir schicken ein paar Nachrichten hin und her…ich frage sie auch wie es ihr geht. Und kaum habe ich auf SENDEN gedrückt denke ich: WAS BIST DU FÜR EIN IDIOT!!! SCHEISSE GEHT ES IHR! WARUM FRAGST DU ÜBERHAUPT? ….aber sie antwortet mir wieder.



Seitdem sind nun ein paar Tage vergangen.


Bevor ich meinen Verein WALKING WITH GIANTS GERMANY gegründet habe, habe ich mir natürlich Gedanken darüber gemacht was die frühe Sterblichkeit unserer Kinder FÜR MICH bedeuten wird...

Als „Kopf“ des Vereins habe ich den engsten Kontakt zu allen Familien.
ICH bin in der Regel ihr erster Ansprechpartner und derjenige der mit ihnen gemeinsam am Telefon Tränen der Erleichterung weint weil sie nicht mehr allein sind, erkläre ihnen was sie durch diesen Verein für Möglichkeiten haben, beantworte ihre ersten Fragen, begleite sie unter Umständen durch den Prozess der Genanalyse, stelle den Kontakt zur Mutterorganisation in Liverpool und zum Forschungsteam her, stelle sie den anderen Familien vor.

Jede dieser Familien wächst mir auf eine ganz spezielle eigene Art sehr ans Herz. Jede dieser Familien wird zu MEINER FAMILIE.

Ich wusste das im Vorfeld…und ich wusste AUCH dass ich diese Menschen öfter werde auf dem allerletzten Weg begleiten müssen als das bei anderen Vereinen der Fall ist.

„Das schaffe ich schon!“…habe ich immer gedacht. ….und hatte doch unfassbare Angst vor dem Tag wenn „mein“ erstes Kind seine Flügel bekommt.

Plötzlich war der Tag da. Und es war….VIEL SCHLIMMER als ich erwartet habe. VIEL schlimmer…..

Jetzt…..bin ich gar nicht mehr sicher ob ich das schaffe. Ob ich die Kraft habe das häufiger als einmal mitzumachen. Irgendwann….bin ich nämlich auch selbst an der Reihe….


Doch darüber….mache ich mir später Gedanken.
Jetzt versuche ich erst mal für Lottas Familie da zu sein. So gut ich kann. Auch wenn ich ständig das Gefühl habe etwas „falsch“ zu machen…etwas „falsches“ zu sagen….etwas zu sagen das „nicht gut genug“ ist. Dieser wundervollen Familie nicht „Hilfe“ genug zu sein.


Ich werde mein Bestes geben. Und hoffen das es gut genug ist.


(Wie oft werde ich den Satz wohl noch sagen müssen?)
Denn das…ist "ein Leben mit MOPD 1".