Unsere Geschichte (1)

WARUM? Warum trifft es ausgerechnet MICH? Wie soll mein Leben weitergehen? Und: WERDE ICH DAS SCHAFFEN??? ...
..diese Fragen stellen sich wohl alle Eltern eines behinderten Kindes hunderte, ja tausende Male. Aber: es gibt keine Antworten…
Man muß lernen mit der Situation umzugehen, sie akzeptieren. Die Veränderungen für das eigene Leben, für die Partnerschaft, für die Geschwisterkinder hinzunehmen und nicht nur schlechtes in ihnen zu sehen – man muss lernen ihnen positives abzugewinnen, denn nur so schafft man es weiterzumachen und nicht an der Situation zu zerbrechen.
Mit diesem Blog möchten wir anderen Eltern von behinderten Kindern Mut machen. Ratschläge geben wie WIR es geschafft haben. Eine Plattform schaffen um für das ein oder andere medizinische Problem einen Lösungsansatz zu finden.
Und natürlich: euch unseren Sohn vorzustellen!! Sein Leben soll nicht umsonst sein…

Doch von Anfang an:
Unsere Diagnose lautet
                           MOPD Typ 1.
Einer der seltensten Gendefekte im Kleinwuchsbereich weltweit. Momentan leben in Dtld 3 und weltweit ca 10 Kinder mit diesem Defekt. Und ich sage bewusst KINDER…denn die Lebenserwartung ist sehr gering, oft nur ein paar Monate.
Aufgrund der geringen Anzahl der bekannten Fälle ist diese Krankheit weitgehend unerforscht. Schon einige Male haben wir ratlose Ärzte gesehen die keine Ahnung hatten wie wir gesundheitliche Probleme lösen können.


Die Schwangerschaft
Nach einem gesunden und normal geborenen Kind in 2006 (von einem anderen Vater) wurde ich Ende 2013 wieder schwanger: mit Zwillingen. Leider hielt diese Schwangerschaft nur 12 Wochen.
Ende 2014 wurde ich erneut schwanger und auch diese Schwangerschaft stand von Anfang an unter keinem guten Stern….schon in einer recht frühen Schwangerschaftswoche setzten das erste Mal Blutungen ein. Ein Schock!!!
Die Blutungen kamen und gingen bis zur Geburt. Ich schwankte zwischen strikter Bettruhe, wieder aufstehen dürfen, Arztterminen und auch Krankenhausaufenthalten.
Jeder Ultraschall zeigte aber ein quietschfideles Kind, das die Blutungen scheinbar nicht beeindruckte.
Allerdings: das Baby war immer zu klein, weit unterhalb jeglicher Durchschnittswerte. Zuerst korrigierten die Ärzte den Entbindungstermin zwei Wochen nach hinten. Dann schickten sie mich zur Nackenfaltenmessung: diese blieb ohne Ergebnis, alle Werte sprachen für ein gesundes Baby. Nun wollte man genauer hinschauen, doch eine Fruchtwasseruntersuchung hielten die Ärzte für zu riskant da immer wieder Blutungen auftraten und sie das Baby nicht über die Maßen stressen wollten. Also wurde eine neue Methode zur Chromosomenanalyse durchgeführt: der sogenannte Prena-Test. Hierbei war es lediglich notwendig das MIR Blut abgenommen wurde anhand dessen die Chromosomen des Baby ausgelesen wurden. Auch dieses Ergebnis sprach für ein gesundes Kind.
Doch weiterhin fiel das geringe Wachstum auf. Ich wurde zu Untersuchungen in eine größere Klinik geschickt. Das Ergebnis hier: meine Plazenta sei eine Kugel und viel zu klein, sie könne das Kind offensichtlich nicht ausreichend versorgen. Häufigere Kontrollen seien notwendig, das Baby aber fit und gut durchblutet: also erst mal kein Grund zur Besorgnis!
Bei einer späteren Untersuchung in der Klinik wurden aber auch hier die Ärzte stutzig weil das Kleine einfach nicht richtig wachsen wollte und meine Blutungen stärker als je zuvor wiedergekommen waren. Also entschlossen wir uns gemeinsam mit dem Ärzteteam nun doch zu einer Fruchtwasseruntersuchung – trotz der Risiken. Doch meine Einstellung war: Ich möchte kein behindertes Kind!! Ich kann und will damit nicht leben!!! Und so sollte ebendies ausgeschlossen werden…
..wenn ich damals nur schon das gewußt hätte was ich heute weiß…..

Das Ergebnis der Fruchtwasseruntersuchung zeigte das wir zu 99,9% ein gesundes Kind erwarten – und zwar einen kleinen Jungen! 8o)

Wir wurden von den Ärzten darauf vorbereitet daß wir sehr wahrscheinlich aber ein Frühchen bekommen würden. Da keine Gendefekte gefunden worden waren spreche das geringe Wachstum für eine Unterversorgung durch die Plazenta und das wiederum führe meist zu einer Frühgeburt.

Kurz vor Ende des 7.Schwangerschaftsmonats bekam ich Wehen. Die Frauenärztin schickte mich sofort mit dem Krankenwagen in die Klinik wo ich stationär aufgenommen wurde. Ich bekam einen Wehenhemmer und vorsichtshalber auch eine Spritze die die Lungenreife herbeiführen sollte.

Die Geburt und das erste Kennenlernen
Am nächsten Tag wurden die Werte des CTG schlechter und deswegen entschlossen sich die Ärzte zu einem Notkaiserschnitt. Innerhalb von 20 Minuten lag ich –total überfordert- im Op. Da wir knapp 80 km von der Klinik entfernt wohnen konnte mein Mann nicht rechtzeitig da sein und ich war allein mit dieser Situation die mich an die Grenzen der Belastbarkeit brachte.
Ich durfte meinen kleinen Jungen nicht sehen, er wurde sofort in die Kinderklinik gebracht.
Sein Geburtsgewicht betrug 490g und er war 29cm groß.
Einige Stunden nach der Geburt durfte mein Mann in die Kinderklinik und einen ersten Blick auf ihn werfen….alles was er sagen konnte als er mir berichtete: „ Er ist so unglaublich klein!! Aber auch unglaublich schön!“
Am nächsten Morgen durfte/konnte dann auch ich zu unserem Kleinen. Ich wußte was mich erwarten wird: Kabel, viele Kabel!…Geräte die piepsen…komische Gerüche…und doch war ich geschockt: er war so unfassbar klein!! Und da er sehr unreif war, war auch seine Haut noch nicht „fertig“: sie war dunkel. Zudem war er mit Hämatomen übersäät und man hatte ihn bei der Entbindung auch in die rechte Seite geschnitten…sein Gesicht konnte ich überhaupt nicht sehen denn es war hinter einer Atemhilfe (Cpap) verborgen.
Ich kann nicht wirklich beschreiben was mir durch den Kopf ging als ich das alles zum ersten Mal gesehen habe: von Angst (um mein Baby) über Erleichterung (das die schwierige Schwangerschaft vorbei ist und die Verantwortung für dieses Leben nicht mehr bei mir liegt) zu Panik (diese Klinik, dieser Kasten wird für lange Zeit der Mittelpunkt in seinem Leben sein) zu noch größerer Panik (werde ich es schaffen mit dieser Situation umzugehen?) zu Traurigkeit (das mein Mann bei seinem ersten Kind so etwas erleben muß) …vermutlich kann diese Situation auch nur jemand nachvollziehen der sie selber erlebt hat.
Nachdem der erste Schock überwunden war begann ich den Kleinen genauer zu betrachten und Fragen an die uns betreuende Schwester zu stellen. Mir ist eigentlich sofort aufgefallen das seine Hände und Füße irgendwie…merkwürdig aussahen. Zu klein und zu dick….die Finger und Zehen zu kurz und einfach ganz anders als ich es von meinem großen Sohn, Marvin,  in Erinnerung hatte. Diese Beobachtung sollte noch eine Rolle spielen – doch für den Moment bekamen wir nur die Auskunft das dies bei Frühchen oft der Fall sei: es handele sich um Wassereinlagerungen die noch verschwinden würden.
Die Haut werde in einigen Tagen auch ausgebildet sein und dann könnten wir ihn anfassen, bis dahin: nur ganz leicht an der Handinnenfläche berühren – alles andere verursache ihm Schmerzen. (Doch selbst diese Berührung war für mich grenzwertig: die Haut war klebrig und ich hatte unsägliche Angst ihn zu verletzen.) Die Schnitte werden verheilen, die Hämatome verschwinden.
Die beste Nachricht jedoch war: er atmete von alleine!!! Von Anfang an!!! Er war nie auch nur eine Sekunde lang beatmet, und das mit diesem Gewicht! Er hatte einfach einen unbändigen Willen zu leben! Das machte uns Mut und gab uns Hoffnung….


….schon lange vor der Geburt war natürlich der Name ein Thema in unserer Familie gewesen…nach der Fruchtwasseruntersuchung stand fest es wird ein Junge, die Mädchennamen wurden also verworfen. 8o)
Ich wollte einen PHIL – einen PHIL COLLIN um genau zu sein, denn ich bin riesiger Phil Collins Fan!! Mein Mann fand den Namen „Ok“, aber nicht berauschend. Dann kam mein großer Sohn mit dem Vorschlag JONATHAN – den ich erst gar nicht toll fand. Zu lang, zu holprig, zu hart….doch je länger er mir durch den Kopf schwirrte desto mehr Gefallen fand ich daran. Das ging meinem Mann ähnlich. Aber von Phil lösen konnte ich mich auch nicht so ganz. Also schlossen wir einen Kompromiss: sollte das Baby mit Haaren geboren werden hieße es JONATHAN, sollte es mit Glatze zur Welt kommen hieße es PHIL (sorry an Phil Collins: aber die Haare sind nun mal lichter geworden mit den Jahren!).
Und dann lag ich ihm OP und hatte Angst und zitterte vor mich hin. Die Schwestern wollten mich ablenken und fragten wie der Bub denn heißen soll. Also habe ich ihnen von unserem Kompromiss erzählt und sie …haben sich kaputt gelacht!! 8o) Ich glaube es waren 12 Leute im OP und alle haben sich amüsiert, es war eine tolle Stimmung in dieser schwierigen Situation und ich konnte mich dadurch ein wenig entspannen und fallen lassen. Das haben die Schwestern wohl bemerkt denn sie haben das Thema aufgegriffen und mir gesagt das JONATHAN so viel schöner sei und der Name auch nicht mehr so häufig vorkomme heutzutage. Dann schaute eine Anästhesistin über das Tuch und meinte: „ Es ist ein Jonathan!“, und die andere: „Quatsch, er hat KEINE Haare!“, darauf die erste wieder: „Macht nix, wir sagen dem Papa einfach die sind innerhalb von 5 Minuten alle ausgefallen!“…8o))) Und das haben die Damen auch genauso gemacht….8o))))

Also wurde er Jonathan genannt. Und wir sind heute sehr froh darüber!! JONATHAN kommt aus dem hebräischen und bedeutet frei übersetzt: GESCHENK GOTTES. Und genau das ist er: unser Geschenk Gottes!! Er hat zum einen diese schwierige Schwangerschaft überstanden und sich mit einem Gewicht von nur 490g ins Leben gekämpft, zum anderen ist er eins von nur 10 Kindern weltweit mit dem Gendefekt MOPD Typ 1. Wenn also „Jonathan“ nicht passend für IHN ist, für wen dann?????

Die Zeit in der Kinderklinik
…war schwierig und eine große Herausforderung für uns alle: meinen Mann und mich, meinen Sohn, aber auch für unsere Eltern, Geschwister und Freunde.
Mein Mann und ich durften quasi Tag und Nacht zu Jonathan, wann immer wir wollten. Mein Sohn durfte aufgrund seines Alters (er war zu Beginn dieser Zeit noch 8 Jahre alt) ÜBERHAUPT  zu seinem Bruder, durfte nur durch eine Glasscheibe vom Balkon aus schauen – was für ihn aber unbefriedigend und auch langweilig war. Unsere Eltern konnten einmal pro Woche vorbeikommen, durften Jonathan aber nur ansehen und nicht berühren (wegen eventueller Keime). Unsere Geschwister waren gezwungen ihn vom Balkon aus anzuschauen, sie hatten ebenfalls keinen Zutritt.
Für uns hieß es nun unser Leben neu organisieren. Mein Mann und ich waren die Einzigen die wirklich immer zu Jonathan durften und ihn auf seinem Weg unterstützen konnten. Also:
Wenn ich in die Klinik fahren wollte brauchte ich Betreuung für Marvin. Und dann saß ich bei Jonathan und habe mich dauernd gefragt was der Große wohl macht und wie es ihm geht? War ich aber zu Hause habe ich mich um Jonathan gesorgt…es war eine sehr anstrengende Zeit!
Mein Mann ist jeden Abend nach seiner Arbeit in die Klinik gefahren: so war für viele Stunden am Tag jemand dort - aber Marvin und ich haben ihn kaum zu Gesicht bekommen. Auch ein geregeltes Familienleben mit gemeinsamen Mahlzeiten fand in dieser Zeit nicht wirklich statt.
Um es vorweg zu nehmen: wir waren 5 Monate in der Klinik und es war eine Zeit die uns alle (aus verschiedenen Gründen!) an unsere Grenzen gebracht hat. Und noch heute: mehr als 1,5 Jahre später bekomme ich Gänsehaut, Atemnot und Tränen in den Augen wenn ich im Fernsehen in einer Frühchensendung diese Geräte piepsen höre!!! Oder darüber schreibe….

Aber zurück zum medizinischen…
Ich bin den Ärzten vom ersten Tag an immer wieder „auf die Nerven gegangen“ weil mich die „komischen“ Hände und Füße irritiert haben. Und nach circa einer Woche hat mich die Stationsärztin dann mit in ihr Büro genommen und mir eröffnet das man vermutet daß unser Sohn kleinwüchsig ist. Diese Diagnose liege nahe wegen der Hände und Füße, außerdem seien auch Knochenanomalien beim Röntgen aufgefallen. Aber um es sicher zu sagen müsse man noch mehrere Tests machen.
In diesem Moment hielt sich mein Schock in Grenzen: Kleinwuchs…ok: nicht schön aber auch kein Weltuntergang! Es gibt eine Menge Kleinwüchsige die ein relativ normales Leben führen - und sogar Schauspieler werden können.
Doch dann kam der Ultraschall des Kopfes, des Gehirns …und uns wurde erklärt es gibt große Auffälligkeiten und Probleme mit dem Gehirn. (Medizinische Fakten stelle ich in unterstrichen vor damit es leichter ist sie aus meinem Text herauszufiltern!!!)


Jonathan hat einen Mikrocephalus, also einen viel zu kleinen Kopf. In diesem kleinen Kopf kann natürlich auch nur ein kleines Gehirn sitzen. Doch leider ist das Gehirn bei ihm nochmal kleiner als der Kopf und im hinteren Bereich befindet sich nur Hirnwasser. Zudem fehlt die Gyrierung des Gehirns, also die Windungen: es ist glatt wie ein Apfel und nicht „wellig“ wie eine Walnuss. Der Balken, der die rechte und linke Hirnhälfte verbindet, fehlt komplett. Und es sind diverse Zysten im Gehirn vorhanden.

Das war dann ein immens großer Schock! Ich hatte doch von Anfang gesagt das ich kein behindertes Kind möchte, hatte alle Tests machen lassen und nun sowas??? Wie sollte ich damit klarkommen??? Was würde er überhaupt können im Leben??? (Wie wir mit dieser Situation klarkamen und was grade mich beschäftigt hat werde ich später genauer beschreiben.)

Für uns wurde ein Gespräch mit einer Humangenetikerin in der Klinik vereinbart – und das hat mich stutzig gemacht. Ich habe zu meinem Mann gesagt das scheinbar noch mehr im Argen liegen muß ansonsten würde uns doch keine Humangenetikerin an die Seite gestellt??
Und so war es dann auch. Die Humangenetikerin eröffnete uns das sie sicher sei das Jonathan kleinwüchsig wäre, doch zusammen genommen mit den Hirndefiziten vermute sie eine extrem seltene Form. Sie wollte uns keine Auskunft darüber geben WELCHE Form: damit wir uns nicht verrückt machen indem wir im Internet recherieren…und außerdem könne es diese Erkrankung eigentlich gar nicht sein, denn sie habe vor nicht einmal zwei Jahren ein Kind mit dieser seltenen Form in genau dieser Klinik betreut – und es sei ja dermaßen UNWAHRSCHEINLICH das man nun einen zweiten Fall habe!!!!  Sie erbat unsere Erlaubnis Röntgen- und Ultraschallbilder sowie die Krankenakte einem befreundeten Professor vorzulegen der im Bereich des Kleinwuchses forsche. Wir haben die Erlaubnis erteilt denn uns war sehr daran gelegen endlich zu wissen mit was wir es zu tun hatten!

Ich weiß nicht mehr wie lange es gedauert hat bis wir ein erneutes Gespräch mit der Humangenetikerin führten und sie uns sagte das der Professor ihre Vermutung bekräftigt habe und sie jetzt gerne eine Genanalyse durchführen würde um die Diagnose zu bestätigen.
Jetzt wurde zum ersten Mal der Name der Krankheit erwähnt:

MOPD Typ I.

Nur Buchstaben…und trotzdem werden diese Buchstaben unser Leben und das unserer Familien ab jetzt vollkommen auf den Kopf stellen und uns alle auf die härteste Probe stellen die man sich vorstellen kann.


Da die Humangenetikerin die Vermutung MOPD Typ 1 geäußert hatte fingen mein Mann und ich an im Internet zu recherchieren, wir wollten genauer wissen was das für eine Krankheit war und was uns erwartet wenn sich der Verdacht bestätigt.

Grundsätzlich war diese Recherche ein Schock!! Neben diversen gesundheitlichen Problemen die mit diesem Gendefekt zwangsläufig einhergehen war die geringe Lebenserwartung das schlimmste für uns: nur 9 Monate im Durchschnitt!! Ich war am Boden zerstört…konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen…war wie in Watte gepackt und nahm meine Umgebung nur durch einen Nebel wahr. GENAU DAS war doch der Grund warum ich kein behindertes Kind wollte!! Wieso passierte das nun also ausgerechnet MIR??? Wie sollte ich DAS Marvin beibringen??? Er hatte schon seinen Vater verloren, nun also auch noch seinen Bruder???

Drei Tage…drei Tage lang bin ich nicht in die Klinik gefahren. Habe mich zu Hause verkrochen, habe geweint…habe gehadert mit meinem Schicksal…hätte Jonathan gerne einfach „umgetauscht“…wollte ungeschehen machen was passiert ist, ihn verleugnen...(ich bin nicht stolz darauf, aber genauso war es nun mal!).

Ich habe in diesen Tagen nicht mit vielen Menschen geredet, aber die mit denen ich gesprochen habe sagten Dinge wie: „Das schaffst Du schon!! Du bist doch stark, hast schon ganz andere Situationen im Leben gemeistert! So schlimm ist ein behindertes Kind doch gar nicht…und wir sind auch immer für Dich da!“ (Sätze in dieser Art hatte ich auch von den Schwestern in der Klinik schon gehört nachdem wir erfahren hatten das Jonathan behindert sein wird: „Man wächst mit seinen Aufgaben und man lernt auch ein solches Kind zu lieben!! ….wenn es mal schwierig wird dann kann man sich Hilfe holen durch eine entsprechende Einrichtung, da kann man zur Not das Kind auch betreuen lassen.“)

…ich habe diese Sätze gehört und ich wußte daß sie gut gemeint waren. Das diese Menschen mir zeigen wollten das sie an meiner Seite stehen und mich unterstützen. Das sie mir Optionen aufzeigen sollten die ich TROTZDEM noch habe, das mein Leben trotz allem noch lebenswert und schön sein kann.  Aber…mir ging, wenn ich sowas hörte, immer nur durch den Kopf: „Woher willst Du das denn wissen??? Du kannst doch nicht in mich hineinblicken und weißt gar nicht wie schlimm diese Situation für MICH ist!! ICH bin diejenige die in Zukunft tagtäglich damit leben muß – nicht DU!!! Als Außenstehender hat man ja gut reden!!!“

Zu diesem Zeitpunkt war ich felsenfest davon überzeugt das ich dieser Situation NICHT gewachsen war!!! Ich würde mich NIEMALS damit arrangieren können ein behindertes Kind zu haben…NIEMALS!! Mein Leben würde so ganz anders sein als bisher..

Mein Mann hat mich dann wortwörtlich „in den Arsch getreten“. Er hat mir gesagt das ich genau ZWEI Möglichkeiten habe: entweder ich fahre in die Klinik und kümmere mich um Jonathan…oder wir geben ihn zur Adoption frei – aber dann müsse ICH die Papiere dafür besorgen. Nun ja…mein Mann weiß eben welche Worte ich brauche und mir wurde bewußt: mein Kind ist da und es LEBT!!!! Es ist nicht so wie ich es mir vorgestellt habe, es ist behindert und unser gemeinsamer Weg wird nicht leicht – aber es ATMET und es LEBT und es WILL AUCH LEBEN…es ist EGAL was ICH wollte oder was ICH mir vorgestellt habe, nicht ICH konnte entscheiden – die Situation ist jetzt wie sie ist und NIEMAND auf der Welt wird es mehr ändern können….also bin ich am nächsten Tag zu Jonathan gefahren…

Und von diesem Moment an habe ich mein Schicksal angenommen und begonnen ihn bedingungslos zu lieben!! 8o)))

(Ein Wort noch zu meinem Mann und seinem Umgang mit dieser Situation. Von Anbeginn der Schwangerschaft an hat er gesagt das er sein Kind annehmen wird wie auch immer es ist – ER brauche keine Vorsorgeuntersuchungen. Als dann feststand das der Kleine behindert sein wird hat mein Mann einen Satz zu mir gesagt der seitdem viele Menschen, vor allem einige Schwestern auf unserer Station!, zum Weinen gebracht hat: „Es ist mir egal wie er sein wird – und wenn er nur mit einem Hammer auf Holzklötzchen hauen kann und sonst nichts…dann setze ich mich eben dazu und hämmere auch auf Holzklötzchen!“ …ich habe heute noch den größten Respekt vor dieser seiner Einstellung. Rückblickend kann ich sagen: mein Mann hat die Situation wirklich bedingungslos angenommen und NIE, auch nur EINEN TAG, mit seinem Schicksal gehadert. Die Aussage mit der Adoption war NIEMALS ernst gemeint von ihm: er hat gewußt das er mich so dazu bewegen wird in die Klinik zu fahren und mich um Jonathan zu kümmern!)

Mich hat die Situation Demut gelehrt. Demut davor das ich ÜBERHAUPT NICHTS in meinem Leben selber entscheiden kann! Ich, die geglaubt hat das eine Fruchtwasseruntersuchung die 100%ige Möglichkeit ist eine Behinderung auszuschließen und mein Leben so zu leben wie ICH mir das vorstelle, wurde eines besseren belehrt: das alles wird an viel höherer Stelle entschieden. Ich kann nur versuchen das anzunehmen und das Beste daraus zu machen! Kopf hoch und nach vorne blicken!!! Rumjammern bringt nichts, es ändert sich dadurch NICHTS!!

Ein Satz den mein Sohn Marvin und ich uns nach dem Tod seines Vaters immer wieder gegenseitig gesagt haben wenn wir traurig waren („Das Leben ist kein Ponyhof!“) bekam nun wieder einen Platz in unserem Alltag. Wurde ein Ansporn für uns. Wurde ein Halt: wir fühlen als Familie alle das Gleiche, und zusammen schaffen wir das!!

Als mir das alles klar geworden war…habe ich mich erneut mit der Krankheit auseinandergesetzt. Denn auch wenn die Hoffnung noch vorhanden war das die Ärzte und die Humangenetikerin sich getäuscht hatten – tief in meinem Inneren wußte ich daß sie Recht hatten. Dafür mußte ich nur lesen was laut Internet die Anzeichen dieser Erkrankung waren:

-ein kleiner Kopf
-diverse Hirnfehlbildungen wie: fehlender Balken, multiple Zysten und fehlende Gyrierung des Gehirns
-kurze Oberarm- und Oberschenkelknochen
-eine prominente (sprich: große und auffällige) Nase
-prominente Augen
-das Fehlen von Haaren und Augenbrauen
-zu kleine und zu dicke Hände und Füße: die Hände sehen aus wie kleine Maulwurfspfötchen (der Zeigefinger und der kleine Finger sind jeweils nach innen gebogen) und die Füße wie die der Comicfigur Pumuckl (ein sehr steiler Rist und eine zu ausgeprägte Ferse) 
-kurze und spitz zulaufende Finger mit sehr stark gebogenen Nägeln
-das fast permanente Runzeln der Stirn


All das traf auf Jonathan zu! Als ich dann auch noch auf ein Foto eines MOPD-Babys gestoßen bin…war ich mir absolut sicher. Dieses Baby war unserem Baby wie aus dem Gesicht geschnitten. Es war beängstigend und faszinierend zugleich. Wenn ich nicht gewußt hätte das das auf dem Foto nicht mein Sohn sein KANN – dann hätte ich es geglaubt.

Also suchten wir weiter nach Berichten, vor allen Dingen wollte ich andere Betroffene finden. Ich wollte REDEN! Mit anderen betroffenen Müttern, sie fragen wie für sie die Zeit war nachdem sie diese Diagnose bekommen hatten…wie das Leben mit einem solchen Kind ist…wie sie mit der Angst umgehen das jeder Tag der letzte Tag mit ihrem Baby sein kann.
Doch die Recherche gestaltete sich sehr schwierig: es gab kaum Internetseiten über MOPD TYP 1 und wenn, dann waren sie auf Englisch und legten nicht viel mehr als die oben genannten Fakten dar. Es gab keine Berichte von betroffenen Familien, es gab keine YouTube-Kanäle und keine Zeitungsberichte. Das mag einfach daran liegen das diese Krankheit das erste Mal vor über 200 Jahren in der Medizin beschrieben wurde und es seitdem WELTWEIT nur 40 Betroffene in 30 Familien gegeben hat. Es gibt also kaum Vergleichsfälle, viele Facetten dieser Krankheit sind schlichtweg unerforscht.

Dann fiel mir wieder ein was unsere Humangenetikerin gesagt hatte: sie hatte vor circa zwei Jahren ein Kind in der gleichen Klinik betreut das diese Krankheit auch hatte!!! Wenn dieses Kind also in der gleichen Klinik war…dann wohnte die Familie vielleicht auch nicht so weit weg??? Ich hatte richtiges Herzklopfen: vielleicht könnte ich bald mit einer anderen Mutter reden die mich VOLLKOMMEN verstehen würde?? Von der ich lernen könnte und mit der ich mich austauschen könnte wie mit niemandem sonst. Doch natürlich, der Datenschutz!…bekam ich im Krankenhaus keine Auskünfte über diese Familie. Ich habe dann meine Kontaktdaten aufgeschrieben und die Humangenetikerin gebeten diese an die betroffene Familie weiterzugeben damit SIE MICH kontaktieren könnten. Es sei mir ein großes Anliegen!! Und dann hieß es in dem Punkt: abwarten was passiert und ob sich jemand meldet….

Doch zunächst ging für uns die Zeit in der Kinderklinik weiter.
Jonathan machte uns Sorgen: bei Bluttests (die regelmäßig durchgeführt wurden) stellten die Ärzte fest das Jonathans Blut „sauer“ wurde – sprich: sein PH-Wert war nicht gut, er verlor Elektrolyte. Also bekam er oral täglich mehrere Male verschiedene Elektrolyte zugeführt – aber an seinem Blut änderte sich dadurch nur minimal etwas: er blieb „sauer“. Nun testete man seinen Urin und stellte fest daß er über diesen scheinbar unkontrolliert Elektrolyte ausschied. Die Ärzte hatten keine Ahnung warum das so war, sie vermuteten eine Stoffwechselstörung. Also wurden Tests veranlaßt – die jedoch ohne Ergebnis blieben, am Stoffwechsel lag es also nicht. Sollten es etwa die Nieren sein?? Die Ärzte wußten es nicht…

Da wir irgendetwas tun MUSSTEN und nicht einfach tatenlos herumsitzen konnten…und da wir im Gegensatz zu den Ärzten etwas mehr Zeit hatten im Internet zu surfen: haben wir das getan. Und sind tatsächlich auf einen interessanten Bericht aus England gestoßen! (Zum Glück sind sowohl mein Mann als auch ich des englischen mächtig sonst hätten wir nicht begriffen wie wichtig dieser Bericht für uns ist!) Darin erzählte eine Mutter von ihrer an MOPD Typ 1 erkrankten Tochter die zeitlebens unter einem unkontrollierten Elektrolytverlust gelitten habe!! Da dieses Mädchen scheinbar bisher die Einzige beschriebene MOPD-Patientin mit Elektrolytverlust war, haben die Ärzte einiges ausprobiert um ihr zu helfen – doch nichts hat gefruchtet. Schließlich wurde der Kleinen ein Port gelegt über den sie einmal wöchentlich in der Klinik per Infusion eine Elektrolytlösung erhalten hat. Sie wurde damit immerhin 7 Jahre alt!
Wir haben diesen Bericht ausgedruckt und unserer Stationsärztin gegeben, die zum Glück auch Englisch spricht. Sie hat sofort erkannt wie immens wichtig dieser Bericht für uns ist und sich mit einem Nephrologen (Nierenarzt) kurzgeschlossen. Kurze Zeit schwebte wohl auch bei uns der Gedanke an einen Port im Raum, doch zu diesem Zeitpunkt hatte Jonathan (wenn ich mich richtig erinnere!) noch keine 1,5 Kilogramm und dieser Eingriff wäre für ihn ungeheuer gefährlich gewesen. Aber zu unserem wahnsinnigen Glück hatte der Nephrologe dann eine Idee: es gebe ein Medikament das (laienhaft ausgedrückt) dazu führe das die Elektrolyte besser im Körper gespeichert würden, dieses Medikament sei in den USA auf dem Markt und könne für uns beschafft werden: es nennt sich CALCITRIOL. Und was soll ich sagen??? Es hat funktioniert!!! 8o))) Seit Jonathan dieses Medikament regelmäßig einmal am Tag bekommt kann sein Körper die Elektrolyte (die wir aber trotzdem weiterhin täglich oral verabreichen müssen) besser speichern. Leider habe ich bis heute keine Ahnung wie der Nephrologe heißt oder wo er arbeitet, aber an dieser Stelle sei Ihnen gesagt: VIELEN DANK!! Ich weiß nicht ob mein Sohn ohne Sie heute noch bei mir wäre!

Jetzt hatten wir dieses Problem aus der Welt geschafft und atmeten durch. Ich muß sagen: wirklich gravierende Probleme hatten wir mit Jonathan zu Klinikzeiten ansonsten nicht. Natürlich hatte er viele Probleme die Frühchen eben haben: er hat mehrere Bluttransfusionen gebraucht, er hatte eine beginnende Netzhautablösung in einem Auge, er hatte häufig Herzfrequenzabfälle, einen Leistenbruch, ein Foramen Ovale: ein Loch in der Herzscheidewand das sich bei ihm selbst geschlossen hat, konnte seine Körpertemperatur nicht halten und hatte zu Beginn Probleme seine benötigte Milchmenge selbstständig zu trinken (wir reden heute noch über den einstmaligen REKORD von 8ml die er selbstständig getrunken hat). Aber das ist alles typisch für Frühchen! Ansonsten konnten wir nicht klagen: es gab keine Hirnblutungen, keine Herzstillstände, keinen nekrotisierenden Darm – er war stabil und kämpfte sich Tag für Tag weiter ins Leben! 8o))
Natürlich hat er kaum zugenommen und ist auch fast nicht gewachsen: am 14.06.2015, mit circa 7 Wochen, hat er erst 1 Kilo auf die Waage gebracht und hatte etwas über 30cm Körperlänge.

Und das war ein Punkt über den ich mir Gedanken zu machen begann: das wir lange – SEHR LANGE- hier sein würden war mir klar! Aber normalerweise wurden die Babys erst mit 2,5 Kilo von der Frühchenstation entlassen. Wenn er also knapp 7 Wochen brauchte um 500g zuzunehmen – wie lange sollte es dann dauern bis er nochmal 1,5 Kilo zugelegt hätte und wir heim dürften???? Aber hier gab die Stationsärztin Entwarnung: natürlich müsse man bei uns andere Maßstäbe setzen als bei „normalen“ Frühchen. Auf das Gewicht werde bei Jonathan weniger Augenmerk gelegt „sonst sind Sie in zwei Jahren noch hier!“.

Allerdings müsse er für eine Entlassung nach Hause in der Lage sein seine Körpertemperatur alleine zu halten, seine Nahrung allein aufnehmen können, er dürfe keine Herzfrequenzabfälle mehr haben, seine Blutwerte müssten gut sein und….mein Mann und ich müssten in der Lage sein ihm Magensonden (durch die Nase) zu legen, zu ziehen und zu benutzen damit die Medikamentengabe auch sichergestellt sei.

Mittlerweile bekam er 3 verschiedene Elektrolyte und die jeweils 3x am Tag, zusätzlich das schon erwähnte Calcitriol, Vitamin D und Eisen. Manchmal wurde die Magensonde auch genutzt um ihm seine Milch zu „sondieren“, wenn er einfach zu müde und erschöpft war allein zu trinken.

Also…lernten mein Mann und ich eben Magensonden legen – an unserem eigenen Kind….einfach war es nicht, das soll hier mal gesagt sein! Jonathan hat natürlich geschrien und sich gewunden: angenehm war es für ihn mit Sicherheit auch nicht wenn jemand ohne Medizinische Vorkenntnis versucht einen Schlauch durch Nase und Rachen bis in den Magen zu schieben – zwischendurch auch mal „hängen bleibt“ und von vorne beginnen muß.  Natürlich hatten wir vor der Praxis theoretische Einweisungen: haben WUNDERSCHÖNE Schaubilder gemalt bekommen… (Der Betreffende wird jetzt wissen daß er gemeint ist!) Wurden aufgebaut das das gar nicht sooo schwierig sei und wir das schon schaffen würden – wir wollten ja schließlich auch heim mit unserem Kind! Aber Theorie und Praxis sind bekanntermaßen was ganz anderes…Während ich mit der Sonde „arbeitete“ war ich immer ruhig und habe versucht alles um mich herum auszublenden, gar nicht daran zu denken das das MEIN KIND ist….danach allerdings hat mein Herz geklopft, mein Mund war trocken und ich war PATSCHNASS geschwitzt! (Von unserem Lieblingspfleger wurde ich mal aufgezogen und gefragt: „Hast Du ein Wechsel-Shirt im Spind?“). Aber nach ein paar Wochen: ging auch das. Wir konnten nun Sonden legen, ziehen und benutzen, wenn man will schafft man eben alles – und ein weiterer Meilenstein auf dem Weg nach Hause war geschafft.

Jetzt stand: man glaubt es kaum! Die Entlassung an! Wir bekamen Rezepte – VIELE Rezepte! Für Spritzen, Sonden, Medikamente und Nahrung…und haben alles schon mal in der Apotheke bestellt. Die Fläschchen wurden ausgekocht, die Bettwäsche gewaschen, die Kleidung für Jonathan…..

…ja: was war eigentlich mit der Kleidung für Jonathan?? Der kleine Mann hatte nur knapp 37 cm…selbst wenn man im Geschäft Kleidung in Größe 42 FAND: sie war an Armen und Beinen viel zu lang, denn seine Oberarm- und Oberschenkelknochen waren ja verkürzt. Und dann waren diese Mini-Klamotten immer aus dickem Nikkistoff, wenn man das umkrempeln wollte hatte er einen Arm der dreimal so dick war wie normal! Also, was tun??? Nähen kann ich leider nicht und auch niemand den ich kenne. Letztendlich haben wir tatsächlich einen Anbieter von so kleiner Kleidung im Internet gefunden: Kleidung in Größe 38. 8o) Wir mussten es teuer bezahlen - aber wir hatten passende Kleidung!

Nun waren wir gerüstet und der Tag der Entlassung rückte näher! 8o)) Herzklopfen! Besonders bei Marvin: der hatte seinen Bruder bis dahin noch nie gespürt, berührt oder gerochen.

Auch für mich wurde es mittlerweile höchste Eisenbahn diese Station mit meinem Sohn zu verlassen. Ich glaube es waren jetzt knapp 4,5 Monate vergangen (auch wenn sich das hier im Blog alles so komprimiert und kurz anhört!). Und ich war am Ende der Belastbarkeit angekommen…Diese Zerreißprobe zwischen zu Hause (Marvin) und Klinik (Jonathan), die Gerüche und Geräusche in der Klinik, der SEHR begrenzte Bewegungsradius - den man einfach hat wenn das Kind an einer Sauerstoffüberwachung hängt, das Gefühl das man nicht selbst für das eigene Kind entscheiden darf sondern immer „Anweisungen“ von den Ärzten und Schwestern bekommt…und natürlich ganz stark auch das Gefühl das die Familie nicht komplett ist weil einer nie dabei ist…das alles wurde langsam zu viel für mich. Immer öfter habe ich die komplette Autofahrt von der Klinik nach Hause (immerhin knapp 80km) geweint…war unruhig und aufgedreht…bin durch die Wohnung getigert…habe keinen Schlaf gefunden… Die Gesamtsituation ist mir über den Kopf gewachsen, doch als ich hörte das ich mein Baby bald mitnehmen darf habe ich die letzten Kräfte mobilisiert und auf diesen Tag hingearbeitet!!!
Doch dann….wurde die Entlassung verschoben, denn es gab Probleme mit Jonathans Herz und seinem Blutdruck. Letzterer war zu hoch, bei ihm wurde mittlerweile mindestens dreimal am Tag Blutdruck gemessen. Beim Herzen war aufgefallen das eine Herzkammer deutlich größer war als die andere und bevor wir mit ihm nach Hause gehen durften sollte ein Kardiologe sich ein Bild machen.


Dieser kam einige Tage später spätabends, mein Mann war noch in der Klinik und konnte kurz mit ihm sprechen. Unsere Erinnerung ist in diesem Punkt ein wenig verschwommen, aber letztendlich hat Jonathan ein weiteres Medikament bekommen das seinen Blutdruck stabil halten sollte, wir sollten halbjährlich in die Kardiologie-Sprechstunde des Arztes zur Kontrolle kommen und: wir würden ein Blutdruckmessgerät benötigen um auch zu Hause regelmäßig kontrollieren zu können wie die Werte sich unter dem Einfluß des Medikaments veränderten. Das mußte natürlich bestellt werden und das: dauerte….




Ich war wütend…enttäuscht…und ungeduldig. Wie lange würde sich das jetzt hinziehen?? Ich hatte doch so fest damit gerechnet daß die Zeit in der Klinik bald vorbei sein würde! Wieso hatten die Ärzte eigentlich nicht eher festgestellt daß bei Jonathans Herz nicht alles ok war?? Warum in letzter Minute wo man quasi schon mit einem Bein aus der Krankenhaustür heraus war???


Aber gut: es änderte jetzt nichts sauer zu sein. Nun mußten wir eben noch ein bißchen Geduld aufbringen! Immerhin versuchten die Ärzte für uns ein gebrauchtes Blutdruckmessgerät zu finden, das würde schneller gehen als auf ein neues Gerät zu warten.


An dieser Stelle dann auch mal ein ganz großes Lob an das Team unserer Frühchenstation!!! Alle dort haben versucht uns die Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten: Jonathan hat einen CD-Player bekommen um Musik hören zu können…wir haben „Spielsachen“ wie eine Kinderwagenkette bekommen und durften auch ein paar Sachen (die man gut desinfizieren konnte) selber mitbringen um ihn ein wenig zu beschäftigen und uns den Anschein von Normalität zu geben. Und das allerallerbeste: man hat uns einen Kinderwagen zur Verfügung gestellt damit wir – mit einem transportablen Überwachungsmonitor ausgestattet- auf dem Balkon spazieren gehen konnten. Das war einfach…überwältigend!!! Zwar immer nur ums Haus herum und wieder zurück, stets an der Station entlang…aber trotzdem: wir konnten spazieren gehen! Hatten einige Zeit für uns, ohne die nervigen Geräusche…waren einfach mal mit unserem Sohn allein: wie „normale“ Eltern eben. Es war so wichtig und so toll für uns!!! Vielen Dank das ihr das möglich gemacht habt!


Grade mir hat das wieder ein wenig Kraft gegeben auch weiterhin durchzuhalten…auch wenn ich immer häufiger Wehmut verspürt habe. Ich wollte auch endlich ein „normales“ Leben: wollte meine beiden Jungs zusammen sehen und nicht immer getrennt. Wollte unser Leben endlich selbst in die Hand nehmen und nicht mehr „abhängig“ sein von anderen Menschen und deren Entscheidungen. Fragte mich oft warum es nicht reichte das Jonathan „anders“ war: warum mußten wir auch noch dieses Martyrium aushalten monatelang in dieser Klinik „eingesperrt“ zu sein?? Oftmals hätte ich einfach losschreien wollen vor Wut…


Zumindest haben wir diese Wartezeit genutzt um uns auf das Leben mit Jonathan zu Hause vorzubereiten. Die Schwestern auf Station hatten –natürlich!- viel mehr Erfahrung als wir wenn es um das Leben mit Behinderten geht. Sie haben uns zum einen darauf vorbereitet daß wir viele Blicke und auch Kommentare würden ertragen müssen. (Was wir dann im Alltag wirklich erlebt haben werde ich später erzählen, es ist haarsträubend!!). Zum anderen wurden von Schwestern und Ärzten auch immer wieder Kommentare fallen gelassen zu Jonathans gesundheitlicher Situation, was uns also erwarten würde – zu was er in der Lage sein würde, oder eben auch nicht.


Schade finde ich das es nicht ein langes Gespräch gegeben hat in dem EINFACH ALLES von vorne bis hinten erläutert wurde!!! Das mag vielleicht an der fehlenden Zeit auf dieser Station liegen oder auch daran das man uns nicht zu viel auf einmal zumuten wollte…doch habe ich bis heute einen bitteren Beigeschmack wenn ich mich daran erinnere wie ich von Jonathans Leistenbruch erfahren habe: beim Wickeln fiel mir auf das ein Hoden wirklich SEHR geschwollen war. Daraufhin habe ich die mich an diesem Tag betreuende Schwester gefragt was da los sei. Und sie war ganz entsetzt: „Hat Ihnen denn noch niemand gesagt das er einen Leistenbruch hat???“…solche Situationen geben einem als Eltern das Gefühl unwichtig zu sein in dieser Maschinerie Krankenhaus. Und es schockt einen viel mehr als wenn direkt ein Gespräch gesucht worden wäre, denn nun habe ich mich permanent gefragt: WAS VERSCHWEIGEN DIE ÄRZTE MIR NOCH??


Zu Jonathans Gesamtsituation bekamen wir in dieser Zeit (nach und nach!) folgende Prognosen:
-Er würde geistig nicht normal sein, die Hirnschädigungen seien einfach zu massiv. Was er allerdings schlußendlich lernen könne und was nicht – das stehe ein bißchen in den Sternen.
-Mit Sicherheit sagen könne man aber das er nicht in der Lage sein würde seine Hände und Beine zu koordinieren, weil sein Balken fehlt. Also:
1. Er würde vermutlich nicht krabbeln oder laufen können.
2. Er würde keine Gegenstände mit zwei Händen zugleich aufheben können.
3. Er würde nicht klatschen können.
4. Er würde keine Gabel/keinen Löffel zum Mund führen können.
-Sprechen lernen sei auch eher nicht machbar: eine, zudem sehr große Zyste, sitze genau am Sprachzentrum.
-Wir müssten mit Krampfanfällen rechnen
-Die frühe Sterblichkeit dieser Kinder ist Teil des Gendefekts und es gibt kein Mittel dagegen.


Ja….ich glaube zu dieser Prognose brauche ich jetzt nicht viel zu sagen: jeder der Kinder hat wird verstehen was einem durch den Kopf geht wenn sich nach und nach solch ein Bild aufbaut!! Aber: DAS LEBEN IST KEIN PONYHOF, wir schluckten die Angst und die Traurigkeit herunter…und dann ging es weiter!!!


Ein Punkt der mir damals große Hoffnung gab waren Jonathans Augen. Ich hörte zwar immer wieder daß sein Gehirn massiv beeinträchtigt war (es wurden zwischendurch immer mal wieder Ultraschalluntersuchungen vom Gehirn gemacht die zeigten das sich an der Gesamtsituation nichts änderte), aber seine Augen blickten immer wacher und neugieriger durch die Gegend!! Er nahm Gegenstände wahr die man ihm vors Gesicht hielt und folgte ihnen auch mit den Augen. Wenn wir uns über ihn beugten lächelte er immer öfter. Und: ihm wurde zunehmend langweiliger!!! Er wollte beschäftigt werden, nur dann war er ruhig und ausgeglichen. Das alles kannte ich von meinem großen Sohn nur zu gut!! Und der ist wirklich ein sehr sehr cleverer Kerl geworden!! Also habe ich angefangen auf meinen Instinkt zu vertrauen und habe jedem (auch denen die es NICHT hören wollten!) immer wieder gesagt: „Jonathan ist geistig nicht sooo stark eingeschränkt, seine Augen sind wach und neugierig. Ich WEISS es einfach, denn ich sehe es doch an seinem Blick.“


Ich wußte es natürlich NICHT…aber ich HOFFTE daß ich Recht hatte!! Denn wo ich zu Anfang absolut gegen ein behindertes Kind gewesen war…hatte ich nun nur noch den Anspruch das Jonathan wenigstens seine Umwelt wahrnehmen und am Leben als solches mit Freude teilnehmen sollte…das er mich/uns erkennen würde und einfach glücklich sei. Mein Mann und ich haben uns damals vorgenommen: wir müssen Jonathan MINDESTENS einmal am Tag zum Lachen bringen, dann ist es gut!


Und noch etwas haben wir uns schon in dieser Zeit vorgenommen (und bis heute auch umgesetzt): wir schieben NICHTS mehr auf die lange Bank!!!

Wir sind früher immer gerne gereist, waren ständig unterwegs – haben 
Städtereisen gemacht, Museen und Sehenswürdigkeiten oder Freizeitparks besucht. Unsere Freunde haben oft gelacht und gefragt wann wir mal ZU HAUSE sind.

Und das wollten wir weiterführen: wir wollen Jonathan die Welt zeigen! Er soll Berge sehen und das Meer…er soll Tiere beobachten…Kirchen oder Museen besuchen. Er soll Karussell fahren und reiten…es gibt so unendlich viele Dinge die das Leben lebenswert machen!! Und wir wollen ihm alles ermöglichen was aufgrund seines Gesundheitszustandes machbar ist, damit so viel Freude wie möglich in sein Leben gepackt wird. Wir wissen nicht wie viel Zeit uns mit ihm bleibt, deswegen machen wir alles was uns möglich erscheint: SOFORT.

Heute ist er zwei Jahre alt und wir haben schon einiges mit ihm unternommen…doch davon werde ich erst später berichten! 8o)))


Zuerst muß ich wieder zurückkehren in die Zeit in der Kinderklinik, wo wir immer noch auf die Entlassung warteten. Ungeduldig auf die Entlassung warteten, das möchte ich an der Stelle betonen!!


Irgendwann war es dann tatsächlich so weit: ein gebrauchtes Blutdruckmeßgerät für uns war gefunden!! Wir bekamen noch eine Einweisung wie das Gerät zu benutzen war, es war wirklich nicht schwierig. Die Herausforderung hierbei war das Jonathan stillhalten mußte während der Messung: und sagen Sie das mal einem knapp 5 Monaten alten Baby!!! Einige Leute werden jetzt vermutlich sagen das man im Schlaf messen könnte, das sei dann sicherlich einfacher. Das ist natürlich richtig. Aber leider hat man dann nur den Blutdruck in der Ruhe, und es braucht auch einen Blutdruck im wachen Zustand….aber gut: wenn das unsere einzige Herausforderung wäre wären wir ja froh!! Wir würden das schon hinbekommen!!


Ich bin nicht mehr ganz sicher was den zeitlichen Ablauf angeht, aber ich glaube irgendwann um diese Zeit herum hatte ich dann ein weiteres Gespräch mit unserer Humangenetikerin und unserer Stationsärztin – mein Mann war an diesem Tag leider dienstlich verhindert. In diesem Gespräch habe ich  gesagt daß ich kein „um den heißen Brei herumreden“ möchte, das sie die Fakten auf den Tisch legen sollen weil ich viel besser damit umgehen kann wenn ich weiß woran ich bin. Auch wenn die Fakten nicht schön sein werden – muß ich mich dem aber doch stellen!!


Nun habe ich erfahren das man davon ÜBERZEUGT sei das Jonathan MOPD Typ 1 habe – das war jetzt keine Überraschung für mich, das hatte ich sowieso nach meinen Recherchen im Internet erwartet. Die Genanalyse sei nur eine Formsache. Gleichzeitig hat man unsere Einwilligung eingeholt das Röntgenbilder und Details zur Krankengeschichte sowie Fotos in einer zentralen Datenbank über verschiedene Formen des Kleinwuchses in Freiburg gespeichert werden dürfen – die Einwilligung haben wir gerne gegeben!! Wir brauchten nur an den Bericht über das Mädchen mit Elektrolytverlust zu denken – der hatte uns auch sehr geholfen. Wenn wir also irgendwann jemandem durch die Speicherung unserer Daten helfen können, dann war Jonathans Leben nicht umsonst.


Ich habe noch einige Informationen bezüglich der Krankheit bekommen, kann mich aber nicht mehr an alles erinnern denn eine Information hat sich bei mir eingebrannt und alles andere überdeckt.


In den 200 Jahren in denen diese Krankheit bekannt ist hat es nur knapp 40 Fälle weltweit gegeben – und so gut wie alle diese Kinder sind an Infekten gestorben. An Fieber…an Magen-Darm-Viren…an Erkältung und Grippe. Die Medizin hat dafür noch keine Erklärung gefunden, bei den wenigsten Kindern wurden Autopsien erlaubt und so weiß man nicht genau warum diese (eigentlich harmlosen) Erkrankungen MOPD-Kinder das Leben kosten. Einige dieser Kinder waren sogar in Kliniken gebracht worden – aber die Ärzte dort konnten nichts für sie tun. Das war jetzt nicht unbedingt eine Information die Mut machte!! Sollten wir bei jedem Schnupfen Panik bekommen und eine Klinik aufsuchen??? Besser als das wäre es natürlich wenn wir Infekte weitgehend vermeiden könnten. Dann würden wir uns erst gar nicht in solche eine Lage bringen!! Denn bei Jonathan kam der Elektrolytverlust hinzu und wenn er dann noch einen Magen-Darm-Infekt bekommen würde….es konnte ja keiner abschätzen was das für Auswirkungen auf seinen Körper haben würde!


Also legte man mir nahe mich -soweit es möglich ist- von Babys und  Kindergartenkindern fernzuhalten, denn diese haben nun mal besonders viele Infekte – und auch wenn die Kinder selbst keine Symptome haben können sie doch Überträger sein. Ein weiteres Risiko seien große Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen, besonders zu Jahreszeiten in denen Erkältungskrankheiten grassieren.


Jeder Infekt den Jonathan NICHT bekommt ist gut!! Denn das Problem bei der Sache ist: keiner, wirklich KEINER kann uns sagen ob es das Leben unseres Sohnes verlängert wenn er seltener krank ist. Es gibt zu wenige Erfahrungen mit der Krankheit um in diesem Punkt eine verlässliche Aussage treffen zu können. Deswegen: lieber auf Nummer sicher gehen, denn wer riskiert schon absichtlich das Leben des eigenen Kindes???


Was bedeutete das nun für unser Leben??? Große Veränderungen und Umstellungen!! Denn sowohl mein Mann als auch ich haben je zwei Patenkinder – und nur ein Patenkind war bereits eingeschult worden, meine Patentochter jedoch war zum Zeitpunkt von Jonathans Geburt noch nicht mal ein Jahr alt!!


Wir wußten jetzt wie gefährlich Infekte für unser Kind sein können und haben deswegen eine rigorose Entscheidung getroffen: es darf leider niemand mit Kindern unter Schulalter zu uns kommen. Punkt. Es ist uns einfach zu riskant denn die Kinder können Krankheiten in sich tragen von denen man noch nichts weiß – sie könnten Jonathan aber trotzdem damit anstecken. Außerdem muß jeder der uns besuchen kommen möchte gesund sein: beim leisesten Halskratzen oder Unwohlsein verschieben wir das Treffen. Diese Entscheidung hatte natürlich immense Auswirkungen auf unseren Freundeskreis und auch auf unser soziales Leben - doch das ist ein Thema das zu einem späteren Zeitpunkt eine größere Rolle spielen wird.


Für den Moment waren jetzt aber alle medizinischen Details und Fakten besprochen, und endlich wurde ein Tag für die Entlassung festgelegt…..



Vorbereitungen für die Entlassung
Jetzt wurde es also wirklich ernst!! Mein Herz hämmerte, ich war so AUFGEREGT!!! Freute mich…und hatte auch ein bißchen Angst um ehrlich zu sein!
Bisher waren wir unter dauernder Beobachtung gewesen was Jonathans Blutwerte, Medikamentengaben, Herzfrequenz oder auch den Blutdruck anging – wenn er nach Hause kam waren wir komplett allein für ihn verantwortlich!! Und ich kann aus meiner Erfahrung sagen, ich habe ja schon ein „gesundes“ Kind: das hier war eine ganz andere Hausnummer!! Zu Anfang der Schwangerschaft hatte mein Mann immer gesagt: „Du kennst Dich aus, Du hast ja alles schon mal erlebt: das ist dann kein Problem und Du bringst mir alles bei!“…ja…hatten wir uns so gedacht. Doch nun war ich zum zweiten Mal Mutter und ALLES war NEU und ANDERS. Also konnte ich meinem Mann GAR NICHTS beibringen, wir lernten gemeinsam die Fürsorge für ein besonderes Kind.

Das fing schon damit an das wir Jonathan im Krankenhaus kurz vor der Entlassung gemeinsam baden durften – nur mein Mann und ich, ganz alleine. Es war ein sehr schöner Moment, das muß ich betonen!! Ein Stück „Normalität“ das andere Eltern eines knapp 5 Monate alten Babys sicherlich gar nicht mehr wirklich wahrnehmen. Aber für uns war es einfach nur…toll!! Aber…und jetzt muß ich bei der Erinnerung ein wenig schmunzeln!!! Es war gar nicht so einfach ihn zu baden…im Gegensatz zu Marvin der schon bei der Geburt 54cm und 3700g hatte, war Jonathan an diesem Tag nur knapp 38cm lang und brachte ca 1800g auf die Waage, seine Arme und Beine waren so unglaublich dünn und dann: HASSTE er es zu baden!!! Er hat geschrien und sich gewunden, war glitschig vom Wasser und wir hatten Angst ihn zu fest zu drücken…es war eine ganz schöne Herausforderung und wir haben beide ziemlich geschwitzt. Wobei…das könnte natürlich auch an der Wärmelampe gelegen haben die genau über uns hing…8o)))


Aber für eins war meine Erfahrung mit meinem ersten Sohn dann doch wichtig: ich habe meinem Mann ein paar Tage vor der Entlassung gesagt das wir uns am besten mal mit unserem Autositz/MaxiCosi beschäftigen sollten. Damit, wie wir Jonathan darin transportieren wollen, denn er war ja ziemlich klein! Einen „Frühchenadapter“ hatten wir, dann haben wir uns ein Plüschtier gesucht das ungefähr 38cm Länge hatte und haben versucht es in dem Sitz anzuschnallen. Nun ja...trotz Frühchenadapter...es hat nicht geklappt! Das Plüschtier war viel zu klein: nach oben und unten war zu viel Luft, die Gurte waren selbst in der kleinsten/engsten Stufe viel zu weit. Ich war entsetzt!! Wir mußten von der Kinderklinik bis nach Hause knapp 80km fahren: da kann man das Baby doch nicht so transportieren!! Das ist ja total gefährlich!!

Ich dachte zuerst an einen Transport im Krankenwagen, den hätten wir dann eben bezahlt. Aber mein Mann sagte –zu Recht!- es müsse doch eine Lösung geben - denn wir müssten ja mit ihm zu Hause auch Auto fahren: zum Arzt, zum Einkaufen…

Mein Mann fing an im Internet zu recherchieren. Und ist auf den BKMF gestoßen: den BUNDESVERBAND FÜR KLEINWÜCHSIGE MENSCHEN UND IHRE FAMILIEN. Dorthin hat er eine Mail geschickt und dann mit einem sehr netten Mann telefoniert der uns erklärt hat wie wir unter zu Hilfenahme von Mulltüchern und Pampers Jonathan so „verankern“ können das er sicher in seinem Autositz sitzen kann. An dieser Stelle: ein großes Dankeschön an diesen Verband!! Sie standen uns oft mit Rat und Tat zur Seite und viele Probleme hätten wir ohne die Hilfe des BKMF nicht lösen können.


So: nun war also auch dieses Hindernis aus der Welt geschafft!! Jetzt konnten wir den Sitz benutzen, hatten Jonathans Bett und Wickeltisch hergerichtet, alle Medikamente und Hilfsmittel zu Hause, Fläschchen ausgekocht und wir hatten auch Kleidung für ihn.

Und dann war der große Tag gekommen.

Ich kann gar nicht genau beschreiben was in mir vorging an diesem Tag! In der Nacht vorher hatte ich kaum geschlafen, ich war so aufgeregt!! Nach fast 5 Monaten durfte mein Baby endlich nach Hause kommen, dahin wo es hingehörte – zu seiner Familie.

Wir sind zum ersten Mal mit „Gepäck“ durch die Türen der Frühchenstation gegangen: ansonsten darf man Gegenstände wegen der Keime nicht mitbringen, muß sie im Spind lassen. Doch heute wartete Jonathan in einem Zimmer allein auf uns, damit wir keine anderen Kinder in Gefahr brachten mit der Kleidung und dem Autositz.

Es war ein unfassbares Gefühl zu wissen das wir heute zum letzten Mal auf dieser Station sind!! Natürlich war auch ein bißchen Wehmut dabei: wir hatten zu einigen Schwestern über die Monate eine sehr enge Bindung aufgebaut, hier war für lange Zeit unser Zuhause gewesen…Jonathans erstes Zuhause. Ohne die aufopfernde Betreuung der Ärzte, Schwestern und Pfleger hätte unser Junge es vielleicht gar nicht bis hierher geschafft!!! Und auch für mich war das Pflegepersonal auf dieser Station eine Stütze gewesen: es hat natürlich Momente gegeben in denen ich auf der Station geweint habe, in denen ich das Gefühl hatte es keinen Tag länger auszuhalten..zu verzweifeln an dieser Situation. Dann hat man mich hier aufgefangen, mir neue Kraft gegeben. Die Pflege hatte sich nicht nur auf Jonathan erstreckt, sondern auch auf uns…

Und von einigen fiel uns deswegen der Abschied sehr schwer. Besonders von der Schwester die Jonathan zur Welt gebracht hatte. Sie war von Anfang an ein so wichtiger Mensch für mich: abgesehen davon das sie unfassbar sympathisch ist war sie bei meiner Entbindung dabei, hatte Jonathan noch vor mir gesehen und ihn ins Leben „geschupst“…ich konnte mit ihr darüber reden, sie Dinge fragen die ich nicht mitbekommen hatte (mein Mann war und ist bei diesem Thema außen vor, er hat es ja leider nicht rechtzeitig zur Geburt ins Krankenhaus geschafft). Ohne sie hätte ich die Eindrücke dieser (nicht schönen) Geburt mit Sicherheit nicht so gut verkraftet und nicht so gut aufarbeiten können. Außerdem habe ich wenige Menschen außerhalb unserer Familie erlebt in deren Augen ein solches Strahlen steht wenn sie mein Kind betrachten, die ihn so bedingungslos annehmen und lieben…Deswegen bin ich sehr froh und dankbar das wir bis heute in Kontakt stehen: sie besucht Jonathan so oft es ihr möglich ist. DANKE DAS ES DICH IN UNSEREM LEBEN GIBT!!

Ein weiteres Bindeglied zu unserer Zeit in der Klinik ist ein Pfleger der Frühchenstation. Mit ihm war ich schon Jahre bevor Jonathan sich ankündigte befreundet und er ist mit ein Grund warum wir uns ausgerechnet dieses Krankenhaus ausgesucht haben: denn er ist ein Mensch dem ich vom ersten Moment unserer Bekanntschaft an mein vollstes Vertrauen geschenkt habe. Als die Ärzte die Vermutung äußerten daß wir ein Frühchen bekommen würden stand für mich sofort fest das ich in das Krankenhaus gehen möchte in dem er arbeitet – bei ihm würde ich mich geborgen und gut betreut fühlen. Auch er ist heute noch an unserer Seite und hilft uns wo er kann. DANKE…AUCH WENN ES EIN ZU KLEINES WORT FÜR DAS IST WAS DU FÜR UNS GETAN HAST! ICH WEISS DAS ES NICHT IMMER EINFACH FÜR DICH WAR…GRADE DESWEGEN WERDEN WIR DIR DAS NIE VERGESSEN!!


Diese beiden für uns so wichtigen Menschen waren am Tag unserer Entlassung auf Station, und sie haben mir einen Wunsch erfüllt:
Sie haben sich gemeinsam in die Ausgangstür gestellt nachdem ich mit meinem Mann und Jonathan hindurch gegangen war – beim Blick zurück haben sie uns gewunken….und dieses Bild, diesen Eindruck habe ich mitgenommen und trage ihn bis heute in meinem Herzen. Ein gutes Bild…ein schöner Eindruck…und ein würdiger Abschluß nach dieser wirklich wirklich harten Zeit!!


Zuhause
Das Gefühl nach einer so langen und aufreibenden Zeit durch die Türen der Klinik zu gehen – und zwar MIT unserem Sohn…ich habe keine Worte dafür. Und werde vermutlich auch nie Worte dafür finden. Wahrscheinlich kann das auch nur jemand 100% nachvollziehen der ähnliches erlebt hat.
Mir liefen Tränen über die Backen und ich war UNENDLICH ERLEICHTERT.
Jetzt nur noch: NACH HAUSE!!! Zu MARVIN!!! Meine Jungs sollten sich endlich kennenlernen, spüren, riechen….

Die Autofahrt war mir noch nie so lang vorgekommen wie an diesem Tag! Am liebsten hätte ich Flügel an meinem Auto ausgeklappt damit es schneller geht. 8o))

Und dann: endlich!!! Nach fast 5 Monaten!!! Durch die Haustüre in die Wohnung und da kam Marvin schon angerannt (er war eine halbe Stunde vorher von seinem Opa nach Hause gebracht worden wo er den Tag verbracht hatte). Ich weiß nur noch das er in Dauerschleife „Mein Bruder!!! Mein Bruder!!“ gerufen hat…dann hat er sich neben das MaxiCosi gesetzt, Jonathan angefasst und…geweint…

Da ist mir wirklich sehr deutlich bewußt geworden wie sehr auch ER gelitten hat in dieser Zeit! Wie hart es sein muß ein Geschwister zu haben das man nicht kennt…das aber die Eltern voll in Beschlag nimmt – und um das sich fast alles im täglichen Leben dreht!!

Ich hatte vorher ein bißchen Angst wie die Beziehung der beiden werden würde: erstens waren sie 9 Jahre auseinander und zweitens war Jonathan jetzt schon ein paar Monate alt und Marvin kannte ihn gar nicht – hatte das der Bindung geschadet??? Als ich nun sah wie erleichtert auch Marvin war seinen Bruder bei sich zu haben…wie er Jonathan ansah…wie er ihn liebevoll in den Arm nahm und anhimmelte…da wußte ich das ich mir keine Sorgen zu machen brauchte!! Und bis heute ist er ein SUPER großer Bruder!!


Mein Mann hatte ein paar Tage Urlaub genommen (seine Elternzeit begann erst in einigen Wochen) so daß wir die erste Zeit zu Hause wirklich alle gemeinsam genießen konnten.
Es war alles sehr aufregend….und unglaublich schön!!! Füttern, Medikamente geben, Blutdruck messen: es hat alles wunderbar geklappt, wir hatten in der Klinik ja auch geübt!!


Was wir aber direkt beschlossen haben als wir heimkamen: wir versuchen mal ohne die Magensonde klarzukommen!! Wir hatten es beide gehasst sie zu legen und zumindest ich hatte auch ein wenig Angst das zu Hause ohne die „Aufsicht“ und „Kontrolle“ von erfahrenem Fachpersonal machen zu müssen. Also haben wir überlegt wie wir die Medikamente am sinnvollsten verabreichen könnten und uns dann entschieden sie in ein wenig Saft zu geben und die Mischung dann mit der Spritze direkt in den Mund zu spritzen. Wir haben für uns beschlossen: wenn das drei Tage lang funktioniert OHNE daß wir die Sonde brauchen – dann wird sie gezogen…

Über alle Medikamentengaben, Mahlzeiten und Blutdruckmessungen haben wir Buch geführt um uns einen Überblick zu verschaffen: wie viel Nahrung nimmt Jonathan auf? Wann müssen wir welche Medikamente geben und haben wir dabei den Abstand zu den Mahlzeiten korrekt eingehalten??? Manche Medikamente müssen auch zu bestimmten Uhrzeiten (im 12-Stunden- oder 24-Stunden-Takt) gegeben werden: haben wir heute daran gedacht???? Ist sein Blutdruck höher wenn er grade gegessen hat??? Wie ist sein Blutdruck überhaupt, wirkt das Medikament???
(Es hat eine Zeit gedauert das alles zu verinnerlichen: heute geht das ohne darüber nachzudenken!!)

Nach drei Tagen haben wir festgestellt das wir die Sonde nicht benutzt haben: also raus mit dem Ding!! Sieht sowieso „scheiße“ aus: so ein Schlauch im Gesicht!! 8o))
Wenn wir da schon gewußt hätten was wir zwei Wochen später in der Klinik erfahren haben!



Nachdem die ersten Tage „Eingewöhnung“ vorbei waren fing für uns der Alltag an. 
Wir hatten bei der Entlassung eine „To-Do-Liste“ bekommen:

-einen Kinderarzt suchen

-einen Physiotherapeuten suchen und Termine für die Physiotherapie vereinbaren

-einen Kontrolltermin beim Orthopäden vereinbaren

-einen Augenarzt suchen und einen Termin vereinbaren

-einen Termin in 2-3 Wochen in unserer Klinik vereinbaren damit die Blutwerte erneut kontrolliert werden könnten

-einen Termin beim Kardiologen vereinbaren um die zu Hause gemessenen Blutdruckwerte und das weitere Vorgehen zu besprechen

-einen Termin mit den Kinderchirurgen unserer Klinik vereinbaren



Uff....DAS war eine LISTE!!!



Ich bekam einen Eindruck davon was es hieß ein Leben mit einem behinderten Kind zu führen. Man hat TERMINE, TERMINE, TERMINE…ich kann mich nicht erinnern mit Marvin JEMALS so viele TERMINE gehabt zu haben!! Und da wir nun lauter neue Ärzte und Therapeuten kennenlernen würden mussten wir auch immer wieder aufs Neue unsere Geschichte erzählen und erklären was MOPD für eine Krankheit ist – denn keiner kennt sie, was ich auch niemandem verübeln kann da sie so selten ist!!!


Wir arbeiteten nun also unsere To-Do-Liste ab:


Kinderarzt
Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern wie wir an die Adresse einer Kinderärztin in unserer Nähe gekommen sind. Aber wir haben dort einen Termin vereinbart: es ging in erster Linie darum sie kennenzulernen,  um die Ausstellung von Rezepten für die Physiotherapie und um eine Besprechung wie es mit den regelmäßigen Blutkontrollen (wegen des Elektrolytverlustes mußte Jonathans Blut weiterhin REGELMÄSSIG kontrolliert werden damit man rechtzeitig bemerkte wenn er wieder „sauer“ würde) weitergehen sollte. Uns behagte der Gedanke nicht alle 2-3 Wochen in die 80km entfernte Klinik fahren zu müssen (welcher Zeit- und auch finanzielle Aufwand!!) und uns dort Keimen auszusetzen…


Das erste Zusammentreffen mit der Ärztin war wirklich mehr als befremdlich: sie kam herein und sagte uns „Hallo!“, dann nahm sie Jonathan auf den Arm und….KÜSSTE ihn!! Ich war so perplex das ich gar nichts dazu sagen konnte. Aber irgendwie fand ich die Situation mehr als befremdlich: eine mir vollkommen fremde Person maßt sich an meinen Sohn einfach so zu küssen???? Was war DAS für eine Ärztin???? Sympathie kam bei mir in diesem Moment nicht wirklich auf.


Auch das was wir mit ihr besprochen haben war unbefriedigend: obwohl ich bei der Terminvereinbarung mitgeteilt hatte was für ein Gendefekt vermutet wurde hatte sie sich in KEINSTER Weise damit auseinandergesetzt, ich musste alles wieder von Anfang an erklären, sie wusste überhaupt nicht was diese Krankheit bedeutet oder für Auswirkungen hat.


Die gewünschten Rezepte habe ich bekommen. Doch zu meiner Frage bezüglich der Blutabnahme, ob es denn nicht möglich sei dies regelmäßig hier vor Ort (bei ihr oder auch im Kreiskrankenhaus) zu erledigen wurde mir beschieden: „Das kann KEIN Kinderarzt hier in der Nähe!! Und auch das Krankenhaus ist da nicht zuständig, da müssen Sie schon immer in die Klinik fahren in der Jonathan zur Welt kam – ist leider anders nicht möglich!“


 Ich habe einen neuen Termin vereinbart und bin nach Hause gefahren. Und war total unzufrieden!! DAS sollte meine neue Kinderärztin sein? Auf meiner Seite war weder Vertrauen noch Sympathie! Und DAS erachte ich bei einem Kind wie Jonathan als immens wichtig!! Ich musste mich doch auf meinen Arzt verlassen können!! Er würde ein wichtiger und steter Begleiter in meinem Leben sein.


Zum GLÜCK, zu unserem WAHNSINNIGEN GLÜCK!!, kam eine Freundin von mir zu Besuch um Jonathan kennenzulernen und fragte mich bei welchem Kinderarzt ich denn sei. Als ich ihr dann erzählte wie unzufrieden ich war meinte sie das ihr Kinderarzt der „absolute Hammer“ sei und außerdem Frühchenerfahrung habe - denn er käme von einer Station für Neonatologie, und zwar aus dem Krankenhaus in dem Jonathan zur Welt gekommen ist!! Ich war Feuer und Flamme und habe mir gleich die Adresse und Telefonnummer geben lassen. Dann habe ich dort angerufen und ehrlich erzählt dass ich mit meiner Ärztin nicht zufrieden bin und den Arzt gerne kennenlernen würde um zu sehen ob „die Chemie bei ihm besser stimmt“.


Und was soll ich sagen??? Die Chemie stimmt!!! Ich denke auf beiden Seiten.


Für unseren ersten Termin hat sich der Arzt sehr viel Zeit genommen UND er hatte sich vorher über die Krankheit informiert!!! Das zeigte mir dass er interessiert und engagiert war, zudem kannte er aus seinen Klinikzeiten natürlich noch viele unserer behandelnden Ärzte und auch unsere Humangenetikerin. Nicht ganz unwichtig: wenn es mal Probleme geben sollte und die behandelnden Ärzte auf dem kurzen Dienstweg miteinander reden könnten wäre das für mich sehr beruhigend!! Fachlich blickte er auf viele Jahre Berufserfahrung zurück und das BESTE: er würde in seiner Praxis die Blutentnahmen machen und diese dann in einem externen Labor auswerten lassen!!!


Damit war es entschieden: DAS war unser Kinderarzt!!! Alles stimmte: Sympathie, Erfahrung und wir hätten die Blutkontrollen vor Ort. Ich war begeistert!!! Bis heute habe ich diese Entscheidung nie bereut: unser Arzt ist einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben mit Jonathan geworden - ich vertraue ihm vollkommen und blind. Ich spüre dass er meinen Sohn wirklich mag, dass er nicht nur aus medizinischem Interesse agiert. Wenn ich in Panik verfalle oder in Tränen ausbreche weil Jonathan mal krank ist holt er mich auf den Teppich zurück. Und er hat uns schon viele bürokratische Hürden erleichtert, oft mit unserer Krankenkasse „gestritten“ wenn es um die Beschaffung von Hilfsmitteln ging. Kurz: er hält uns den Rücken frei!!! Ich bin unendlich froh und dankbar dass wir ihn gefunden haben!!!


(Nur der Vollständigkeit halber: ich habe die Ärztin angerufen, den vereinbarten Termin abgesagt UND mitgeteilt das die Chemie für mich nicht gestimmt hat und wir einen neuen Kinderarzt gefunden haben.)


Physiotherapie
Schon im Krankenhaus hat Jonathan jeden Tag „geturnt“, sprich: es kam eine Physiotherapeutin die mit ihm Übungen gemacht hat.
Es gibt zwei Formen von Physiotherapie: die Therapie nach Vojta und die Therapie nach Bobath. Im Krankenhaus wurde die Therapie nach Vojta angewendet. Sie trägt zur Kräftigung der Muskulatur bei, was bei Frühchen wichtig ist da sie oft monatelang in ihrem Bettchen liegen ohne sich großartig bewegen zu können, ja oftmals liegen sie sogar sehr lange in fast nur einer Körperposition.


Ich habe also eine Therapeutin mit Vojtaerfahrung gesucht. Auch hier hat mir eine Freundin geholfen: mein Mann kennt sie seit Kindertagen, ich war ihr erst im Krankenhaus näher gekommen denn sie hat einige Monate vor mir ein Frühchen entbunden und sie hatte in der Klinik lange Zeit den Platz/den Inkubator neben uns. (Die Welt ist eben klein!)


Sie hat mir gesagt zu welcher Therapeutin sie geht und mir die Telefonnummer gegeben.


Ich habe also dort angerufen und der Therapeutin mein Sprüchlein aufgesagt: „Hallo, ich bräuchte einen Termin. Mein Sohn hat Verdacht auf MOPD Typ 1, das ist ein sehr seltener……“, und dann fiel sie mir schon ins Wort: „Ich weiß was das ist, ich kenne diese Krankheit!“…ich bin aus allen Wolken gefallen!! Bitte was???? Sie KANNTE diese Krankheit?? Hammer!!! Ich habe also mein Erstaunen zum Ausdruck gebracht, denn sie war der erste Mensch den ich kennenlernte der mit der Krankheit etwas anfangen konnte!! Und dann sagte sie - und die Erinnerung macht mir heute noch Gänsehaut wenn ich darüber rede/schreibe: „Ich habe einen Patienten mit derselben Erkrankung.“


….nur ein kleiner Satz, aber meine Welt stand Kopf!!! Ich habe losgeschrien und gelacht und gleichzeitig standen in meinen Augen Tränen!! Ich hatte den Jungen mit MOPD gefunden der von unserer Humangenetikerin vor uns behandelt worden war!!!! Meine Hoffnung dass er in der Nähe wohnte hatte sich bestätigt….ich konnte mein Glück nicht fassen, ich war außer mir vor Freude!!


Natürlich wusste ich das auch die Physiotherapeutin mir seine Kontaktdaten  nicht nennen durfte, aber ich habe ihr meine Daten gegeben und sie gebeten diese weiterzureichen: denn es wäre doch schön wenn wir uns kennenlernen könnten. Das hat die Therapeutin auch getan und es kam zum Kontakt mit dieser Familie – aber das ist ein Thema das mir so wichtig ist das ich darauf später und ausführlicher eingehen möchte!!


Zunächst einmal begannen wir mit unserer Therapie.


Im Krankenhaus wurde jeden Tag mit Jonathan „geturnt“, ansonsten war ich bisher weder mit der Therapie nach Vojta noch nach Bobath konfrontiert worden. Deswegen war meine Erwartungshaltung das es werden würde wie in der Klinik: mein Sohn liegt entspannt auf dem Schoß oder im Arm der Therapeutin und seine Beine und Arme werden bewegt und gedehnt. Nun ja…meine Erwartungen wichen von der Realität ja dermaßen weit ab!!


Zunächst einmal musste ich Jonathan komplett ausziehen, selbst die Windel. Jetzt verstand ich auch warum ich gebeten worden war ein Handtuch mitzubringen. Und dann begann die Therapeutin mit den Übungen: insgesamt 3 Stück – eine bei der er auf dem Rücken lag, eine bei der er auf dem Bauch lag und eine bei der er auf der Seite lag. Diese drei Übungen dienten zuerst einmal der Muskelkräftigung und sollten ihn auch dazu bringen sich später allein umzudrehen und zu robben.


Was soll ich sagen…ich sollte vorweg schicken das ich auch heute, fast 2 Jahre nach diesem ersten Termin, noch FELSENFEST davon überzeugt bin das die Vojta-Therapie gut ist und große Erfolge bringt!! Aber…jeder der diese Therapie kennt weiß es: Vojta ist nicht schön!! Denn die Kinder werden in Positionen „gezwungen“ die sie vielleicht in diesem Moment nicht mögen, sie werden festgehalten um bestimmte Bewegungen/Reaktionen aus ihnen herauszukitzeln. Sie können sich nicht anders mitteilen, also schreien sie. Wie am Spieß. Und wehren sich. Mit aller Kraft die sie haben.


Viele Eltern halten deswegen die Vojta-Therapie nicht über einen längeren Zeitraum durch. DENN: es ist leider nicht mit einem Termin beim Therapeuten pro Woche getan. Man muss JEDEN TAG zu Hause die Übungen machen um zum Ziel zu gelangen.


Das heißt im Klartext: mein Mann und ich haben die Übungen gelernt. Wir haben sie gezeigt/erklärt bekommen und unter Anleitung der Therapeutin in der Praxis geübt bis die Handgriffe saßen. Und dann haben wir sie jeden Tag mit Jonathan zu Hause gemacht. Er hat geschrien, er hat sich gewehrt, er hat sich aufgebäumt – man muss das ausblenden und darüber stehen… wenn man Erfolge will: muss man trotzdem weiter turnen. Diese Therapie ist nichts für zart besaitete Eltern, denn wenn man es nicht aushält das Kind weinen zu sehen und aus dem Grund die Übungen daheim nicht macht – dann kann man die Therapie auch gleich abbrechen, sie wird dann nichts bringen.



Wenn man meinen Blog bis hierher gelesen hat, dann weiß man das ich nicht grade ein Mimöschen bin wenn es um Therapien oder Behandlungen bei meinen Kindern geht: sonst hätte ich z.B. keine Magensonden legen können. Trotzdem muss ich an der Stelle zugeben dass es auch bei mir Momente in der Therapie gegeben hat in denen ich mit den Tränen gekämpft habe, in denen ich in der Physiopraxis aus dem Raum gegangen bin weil ich NICHT ertragen konnte wie sehr mein Kind geschrien hat!!!


Am Schreien hat sich über die Zeit nichts geändert, die Therapeutin und ich haben viele Dinge ausprobiert: so bin ich z.B. nicht mit in den Behandlungsraum gegangen sondern habe im Wartezimmer gesessen und gelesen. Doch Jonathan hat genauso gebrüllt wie immer. Also bin ich dann wieder mit dazu gekommen und habe versucht ihn mit Worten zu beruhigen, vergebens.



Das Interessante ist: zu Hause hat Jonathan nicht so schlimm geschrien und sich gewehrt. Er hat zwar auch geweint, aber es war noch in einem für mich erträglichen Rahmen so dass ich die Übungen konsequent durchgezogen habe.



Die wöchentlichen Physiotermine waren für mich aber immer eine Qual. Oftmals habe ich schon morgens Bauchschmerzen gehabt weil ich wusste dass er wieder wie am Spieß schreien wird und ich nichts dagegen tun kann. Ich war jedes Mal extrem erleichtert wenn die 45 Minuten vorbei waren und ich wusste das ich nun eine Woche „Ruhe“ habe.


Irgendwann kam dann der Zeitpunkt wo ich den Sinn der Vojta-Therapie in Frage gestellt habe…ich habe jeden Tag zu Hause geturnt, wir sind einmal die Woche in die Praxis gefahren – und es hat sich einfach nichts getan!! Er war über ein Jahr alt und konnte noch immer…nichts! Sich nicht umdrehen, nicht rollen…sollten am Ende die Ärzte untertrieben haben mit ihren Prognosen und er noch nicht mal in der Lage sein von allein seine Position zu verändern????


Mir fiel es zunehmend schwerer die Übungen mit Jonathan zu machen. Ich fragte mich fast jeden Tag: WOFÜR???? Er mag es nicht, es bringt nichts…sollte ich es nicht einfach lassen???


Aber dann kam der Tag…an dem er sich von allein drehte!! Er war 17 Monate alt und ich habe geweint. Sturzbäche geweint. Und Gott gedankt. Nun wusste ich wofür ich mich und ihn „gequält“ hatte. Und ich konnte leichteren Herzens weitermachen, ich war wieder motiviert.


Nachdem die erste Freude ein wenig abgeebbt war begann ich mir Gedanken zu machen. Wenn er in der Lage war sich zu drehen – und ihn die Therapie dazu animiert und befähigt hatte- zu was war sie dann noch in der Lage?? Wäre es vielleicht auch möglich, wenn ich nur hart genug mit ihm arbeite…ihn auch zum krabbeln zu bewegen?? Entgegen aller Aussagen der Ärzte???


Und auf einmal hatte ich ein Ziel!! Ich wollte beweisen dass mein Sohn viel mehr kann als alle denken! Ich wollte die Ärzte Lügen strafen! Ich wollte „Recht“ haben, ich sah doch in seinen Augen dass so viel mehr in ihm steckte…er war ein Kämpfer!! Er hatte schon so viel geschafft, warum nicht auch das???


Was Jonathan bis heute erreicht hat und kann….werde ich an dieser Stelle noch nicht verraten! Um das zu erfahren müsst ihr meinen Blog auch weiterhin lesen….8o)



Orthopäde
Zum Krankheitsbild MOPD Typ 1 gehören Osteodysplasien (fehlgebildete Knochen):
-verkürzte Oberarm- und Oberschenkelknochen
-oftmals ein Rippenbogen pro Seite zu wenig
-X-Beine
-flache Hüftpfannen (auch bekannt als Hüftdysplasie)

Einiges traf auf unseren Sohn zu:
Die verkürzten Knochen an Armen und Beinen konnte man bei Jonathan sehr deutlich sehen. Sein Oberarm war nur etwa halb so lang wie der Unterarm – die Oberschenkel waren zu diesem Zeitpunkt eigentlich fast gar nicht zu sehen.

Die Rippenbögen waren aber in der korrekten Anzahl vorhanden, das hatte man beim Röntgen festgestellt.

Auch sehen konnte man das Jonathan X-Beine hatte. Die Unterschenkel standen wirklich extrem nach außen. Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben gesehen das die Unterschenkel in solch einem Winkel zum Oberschenkel stehen können ohne gebrochen zu sein!

Schon in seiner Klinikzeit war  Jonathan von einer Orthopädin mittels Ultraschall untersucht worden. Bei dieser Untersuchung waren Hüftdysplasien auf beiden Seiten festgestellt worden.

Für mich war dieser letzte Punkt nicht „schlimm“: ich selber habe eine Dysplasie an der linken Hüfte und weiß das man damit gut zurecht kommt. Zwar kann man nicht alle Bewegungen schmerzfrei ausführen und zum Beispiel keinen Leistungssport betreiben – aber das schied bei Jonathan ja sowieso aus.

Insofern war der Termin bei der Orthopädin nicht beängstigend. Wir haben bei der Ärztin einen Termin gemacht die Jonathan schon zu Krankenhauszeiten untersucht hatte. Sie war uns persönlich noch nicht bekannt, doch da sie unseren Sohn schon kannte fanden wir das sinnvoll.

Viele neue Erkenntnisse gab es nicht: Jonathan hatte eine beidseitige Hüftdysplasie, das wussten wir ja schon. Was neu war: seine Hüftköpfe standen ein wenig „von hinten“ ins Becken und nicht von der Seite. Das sei erstmal nicht besorgniserregend, aber wir sollten es regelmäßig beobachten. Zudem mussten auch die X-Beine beobachtet werden und in naher Zukunft abgewogen werden ob Therapien und/oder andere Maßnahmen (wie Schienen oder auch eine OP) sinnvoll sein würden.

Also wurde ein Kontrolltermin 6 Monate später vereinbart.


Augenarzt
Wenn ich mich an diesen ersten Termin beim Augenarzt erinnere bekomme ich immer noch WUT – unbändige WUT!

Zuerst einmal habe ich bei meinem Augenarzt angerufen und kurz erläutert worum es mir geht:
Ich brauchte bei Jonathan eine Kontrolle des Augeninnendrucks und eine Kontrolle der Netzhaut (denn diese war, was typisch bei Frühchen ist!, zeitweise nicht richtig durchblutet gewesen, wodurch die Gefahr einer Netzhautablösung besteht. Bei unserer Entlassung war die Durchblutung ok, aber Kontrolle schadet ja nicht!).

Ein Problem bei dieser ambulanten Kontrolle jetzt war seine geringe Körpergröße: die meisten „Geräte“ die ein Augenarzt für die Untersuchungen verwendet sind einfach zu groß. Ein weiteres Problem war das er im Krankenhaus auf die Pupillenerweiternden Augentropfen fast immer mit einem Herzfrequenzabfall reagiert hatte.

Mein Augenarzt teilte mir also mit das er leider nicht in der Lage sei die Untersuchungen durchzuführen. Ich bekam aber eine Telefonnummer von einem Augenärztlichen Zentrum das auf Frühchen und Babys spezialisiert und entsprechend ausgestattet sei. Dieses Zentrum befindet sich in derselben Stadt in der Jonathan zur Welt kam – also ca 80km von uns entfernt.

Ich habe dort angerufen und IM DETAIL geschildert wo die Problematik liegt: Jonathan ist sehr klein und reagiert stark auf die Augentropfen. Ob man die Untersuchung trotzdem dort durchführen könne??? Das wurde mir zugesichert. Also habe ich einen Termin vereinbart.

Dieser Termin bedeutete für uns Stress: es war das erste Mal das wir eine so lange Strecke zu einem Termin mit Jonathan fahren mussten. Also wirklich rechtzeitig losfahren und nichts vergessen: Medikamente, Essen, Wechselwäsche, Entlassungsunterlagen, Kinderwagen…ich war patschnass geschwitzt!! Dann war die Praxis mitten in der Stadt, Parkplätze rar – wir waren leider doch etwas spät dran (hatten den Berufsverkehr unterschätzt) und mussten noch ein ganzes Stück laufen…ich kam quasi hechelnd beim Augenarzt an.

Dann warteten wir erstmal. Widerstrebend und mit komischen Blicken bedacht hatte man uns einen Platz in einer Ecke des Flurs zugewiesen, denn wir hatten gesagt das wir aufgrund von Jonathans Immunsystems nicht im Wartezimmer sitzen wollten.

Die Ärztin holte uns dann in ihr Sprechzimmer und fragte uns warum wir da seien – stand das nicht in der Akte??? Wir haben also alles von GANZ vorne erzählt. Und als wir fertig waren hat sie uns gesagt…dass sie Jonathan leider nicht untersuchen kann weil sie ihn dafür in Narkose legen müsste. Ein SO EXTREM KLEINES Baby könne sie nicht ohne Sedierung untersuchen, das wäre zu riskant wenn er zuckt oder sich wehrt. Außerdem machten ihr die Herzfrequenzabfälle Sorgen: wenn er dann kollabieren sollte – in ihrer Praxis??? Wir sollten uns doch lieber an das Krankenhaus wenden in dem er zur Welt gekommen sei, vielleicht könnten die die Untersuchungen durchführen!

Ich kann gar nicht sagen wie wütend ich in diesem Moment war und das habe ich auch zum Ausdruck gebracht! Ich hatte diese Punkte am Telefon bei der Terminvereinbarung genannt und TROTZDEM hatte man mich hierher bestellt und mir versichert dass es KEIN Problem sei. Wirklich: ich finde das war eine UNVERSCHÄMTHEIT!!! Schlussendlich war der Termin völlig sinn- und nutzlos!! Der ganze Stress, der Zeitaufwand: für nichts und wieder nichts! Wir waren kein Stück weiter als vorher.


Kardiologe
Die Stationsärztin die uns über den ganzen Zeitraum betreut und dann auch entlassen hatte wollte uns helfen unsere Liste abzuarbeiten: und hatte für Jonathan einen Termin in der Kardiologie vereinbart. Da wir zu diesem Termin an „unserer“ Klinik vorbei und noch ein Stück weiter fahren mussten dachte sie sich (damit wir Benzin sparen) wäre es doch sinnvoll wenn wir auf dem Rückweg den anstehenden Termin in der Tagesklinik zur Blutentnahme wahrnehmen würden. An und für sich war das ein toller und richtiger Gedanke: zwei Termine an einem Tag und nur ein Weg…aber leider hat sie diese Termine ausgerechnet für den Geburtstag meines Mannes vereinbart. 8o(( Sein erster Geburtstag als Vater konnte somit nicht wirklich gefeiert werden. Aber: alle Eltern kennen das – die Kinder gehen vor. Und so sind wir frühmorgens aufgebrochen Richtung Kardiologie.

Die Schwestern dort waren alle total nett und freundlich. Wir haben uns direkt wohl gefühlt. Nach wiegen und messen wurde der Blutdruck ermittelt und die Sauerstoffsättigung kontrolliert. Die Werte waren alle super, wir atmeten schon mal auf. Denn ganz ehrlich: ich hatte schon seit wir in der Klinik eingetroffen waren eine panische Angst das irgendetwas nicht stimmen könnte und die Ärzte Jonathan stationär behandeln wollten.

Diese Angst wurde mir aber genommen als unser Kardiologe die Untersuchungen durchgeführt hatte: es war alles in Ordnung - die Blutdruckwerte waren in einem guten Bereich, das Medikament schien also zu wirken. Eine Herzkammer war noch deutlich größer als die andere, doch der Blutfluss war in Ordnung: wir sollten in einem halben Jahr wieder kommen um das kontrollieren zu lassen.

Und noch etwas anderes als Erleichterung haben wir aus diesem Termin mitgenommen:

Wir sollten dem Arzt erzählen welche Medikamente Jonathan nimmt und in welcher Dosierung. Wir kamen ganz schön ins Stocken dabei! Denn es ist eine Sache zu Hause die entsprechenden Flaschen zu greifen und die Medikamente aufzuziehen - oder sie zu benennen! Grade auch wenn es um die Prozentzahl des Wirkstoffs in 100ml geht! Wir haben alles zusammen bekommen und der Arzt konnte es notieren, aber es hat gedauert. Und dann hat er zu uns gesagt: „Bei einer solchen Krankheit müssen Sie alles in Sekundenbruchteilen benennen können, das kann irgendwann über Leben und Tod entscheiden! Man muss sie nachts wecken können und Sie müssen trotzdem alles sofort parat haben!“

Mir wurde bewusst wie Recht er damit hatte! Bisher war es nicht nötig gewesen das wir das alles detailliert wussten, im Krankenhaus waren immer Ärzte und Schwestern bei uns gewesen. Aber jetzt waren wir allein verantwortlich. Also haben mein Mann und ich „Medikamente geübt“ und uns immer wieder gegenseitig abgefragt bis es saß. Ich hatte aber ständig Angst davor dass ich in einer Notsituation -wenn ich unter Stress stünde- alles vergessen könnte. Also habe ich jede einzelne Medikamentenverpackung und die dazugehörige PZN (eine Art Bestellnummer für den Apotheker, ist auf jeder Verpackung vermerkt) kopiert. 8o)) Quasi Trick 17 für Faule! Die Zettel trage ich immer in meiner Handtasche bei mir und könnte sie im Notfall einfach vorzeigen. Das beruhigt mich sehr und ich empfehle es deswegen allen Eltern von Kindern mit lebenswichtigen Medikamenten.


Tagesklinik
Auf dem Rückweg vom Kardiologen sind wir also in „unsere“ Klinik gefahren wo wir einen Termin zur Blutentnahme hatten, und zwar bei unserer Humangenetikerin.

Es war ein ganz merkwürdiges Gefühl durch die Türen dieser Klinik zu gehen – denn wir gingen ja wieder HINEIN!! Und schon wieder war da bei mir diese Angst dass die Ärzte irgendetwas feststellen könnten was sie dazu bringen würde Jonathan stationär aufzunehmen. Mein Herz pochte, ich hatte einen Kloß im Hals und schwitzte. Aber gut: da musste ich jetzt eben durch!

Wir meldeten uns also an und eine Schwester kam zu uns um Größe, Gewicht und Blutdruck zu erfragen. Fast das Erste was sie sagte war: „Oje, hat er sich die Magensonde gezogen? Wollen Sie gleich mal mitkommen, dann legen wir eine Neue?“ Mein Mann und ich haben gelacht und ihr erklärt dass wir die Sonde nicht mehr brauchen, weil er seine Medikamente oral bekommt und das auch gut klappt. Wir ernteten einen merkwürdigen Blick und haben uns gefragt warum sie sich nicht mit uns freut?? Doch wir haben uns weiter keine Gedanken darüber gemacht.

Dann wurden wir von unserer Humangenetikerin abgeholt. Ich habe mich wirklich sehr gefreut sie wiederzusehen! Für mich war und ist sie ein sehr wichtiger Mensch: zum einen konnte sie uns sehr viel über die Krankheit MOPD Typ 1 erzählen – sie kennt ein paar Kinder die daran leiden, oder gelitten haben. Zum anderen ist sie ein so positiver Mensch: sie hat uns von Anfang an bestärkt das wir das Leben mit Jonathan trotz seiner Behinderung meistern können und werden. Ich weiß wirklich nicht ob ich heute da wäre wo ich bin wenn ich sie nicht an meiner Seite hätte!
VIELEN DANK AN DIESER STELLE AN SIE!!! SIE SIND IMMER FÜR UNS DA WENN WIR FRAGEN HABEN UND NEHMEN SICH SEHR VIEL ZEIT. AUSSERDEM ERKLÄREN SIE UNS ALLES IMMER SO ABSOLUT UNAUFGEREGT UND DOCH REALISTISCH. SIE HABEN GROSSEN ANTEIL DARAN DAS ICH DIESE SITUATION SO MEISTERE WIE ICH ES TUE.

So…aber wieder zurück zu unserem Termin! 8o)
Wir gingen also zusammen in das Büro unserer Humangenetikerin und sie untersuchte Jonathan: seine Reflexe, seine Fontanelle, seinen Leistenbruch. Dann nahm sie ihm Blut ab, die Ergebnisse kamen noch während des Termins: alles war in Ordnung – er war nicht „sauer“! Ich war total erleichtert! Wir machten also alles richtig mit der oralen Medikamentengabe (ein bisschen Bedenken hatte ich ja schon gehabt).

Ja, da sind wir beim Thema! Die fehlende Magensonde. Man erklärte uns das diese nicht NUR wegen der Medikamente gelegen hatte….die Ärzte hatten die Vermutung gehabt das Jonathan wegen seiner Hirnfehlbildungen nicht in der Lage sein würde seine benötigte Milchmenge komplett allein aufzunehmen. So das wir ihn sein Leben lang mit der Sonde würden ernähren müssen, bzw. die fehlende Menge sondieren müssten. Oooooookay! Das hatten wir nicht gewusst, ich war sehr geschockt! Das war doch wieder ein Punkt den die Ärzte uns nicht ehrlich erklärt hatten….

Aber: die Humangenetikerin war begeistert denn Jonathan hatte zugenommen in den letzten zwei Wochen. Nicht viel, aber das ist bei einem Kleinwüchsigen auch nicht zu erwarten. Also…völliger Schwachsinn! Mein Kind war in der Lage alles allein zu trinken was er brauchte!

(Man darf nicht immer auf die Ärzte hören…das kann ich ebenfalls allen Eltern nahelegen: verlasst euch auf euren Instinkt - dann ist es schon richtig!)

Der Punkt Magensonde war also abgehakt, wir würden mit der Nahrungsaufnahme weitermachen wie bisher.

Wir haben uns mit unserer Humangenetikerin noch ein wenig über die Krankheit unterhalten. Einiges hatte ich schon über das im Internet herausgefunden, doch hier gibt es leider nicht sooo viele medizinische Informationen weil die Krankheit zu unbekannt und teilweise auch unerforscht ist.

Dieser Gendefekt wird AUSSCHLIESSLICH autosomal-rezessiv vererbt. Das bedeutet: er kommt nur dann zum Ausbruch wenn BEIDE ELTERN ihn in sich tragen.
(Meinem Mann und mir wurde einige Monate später, als die Diagnose gesichert war, angeboten dass wir uns testen lassen könnten, uns würde dann Blut entnommen und untersucht. Doch wir haben uns dagegen entschieden: wir wussten doch schon das wir beide Träger sind – sonst wäre es ja bei Jonathan nicht „zum Ausbruch“ gekommen. Es schwarz auf weiß zu haben war für uns nicht wichtig, das ändert ja auch nichts.)

Weiterhin habe ich natürlich die Frage nach der Lebenserwartung erneut gestellt. Das ist eben DER PUNKT der mich bis heute am meisten beschäftigt!! Keiner möchte von Anfang an wissen dass er sein Kind überleben wird!!! Dafür bekommt man keine Kinder, oder??

Ich habe sehr interessante Dinge erfahren:

Die Lebenserwartung der MOPD-Kinder in Europa liegt etwas höher als im Rest der Welt.

Warum genau das so ist kann man nur vermuten: die Hygienestandarts sind besser…die medizinische Versorgung generell ist besser…vielleicht auch die Ernährung..und flächendeckender Impfschutz führt zu weniger „Epidemien“.

Betrachtet man die bekannten europäischen Fälle dieser Erkrankung dann dürfen wir auf 10 Jahre mit unserem Sohn hoffen. Aber natürlich gibt es dafür keine Garantie!! Es sind Durchschnittswerte die aus SEHR wenigen Kindern ermittelt wurden und jeder dieser Fälle war anders gelagert.

Was mich jetzt aber interessierte: wenn wir auf 10 JAHRE hoffen durften, wie kam es dann das im Internet nur von 9 MONATEN Lebenserwartung die Rede war???

Auch darauf bekam ich eine Antwort die mir Hoffnung machte:

Wie ich schon erklärt habe kommt MOPD Typ1 nur dann zum Ausbruch wenn BEIDE Eltern es haben. Weltweit sind bis heute 40 Fälle in 30 Familien bekannt, und die meisten Fälle sind bei den Amish in Ohio aufgetreten. Die Amish sind eine Religionsgemeinschaft die strenge Regeln befolgt: sie leben wie im 17 Jahrhundert, bleiben unter sich und heiraten auch nur untereinander. Oftmals ehelichen sich Cousin und Cousine. Dadurch wird der Grundstock gelegt für häufige Ausbrüche dieser Krankheit: der Genpool wird nicht richtig „durchgemischt“. Zum anderen verweigert diese Religionsgemeinschaft weitgehend die medizinische Betreuung da diese nicht mehr auf dem Stand des 17.Jahrhunderts ist. Und ein Kind wie unser Jonathan ist nicht in der Lage ohne medizinische Hilfe zu überleben…also: sterben die MOPD-Kinder der Amish innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen. Und damit ziehen sie die durchschnittliche Lebenserwartung bei dieser Krankheit drastisch nach unten.

(Alle diese Aussagen sind begründet auf der Forschung zweier Ärzte die sich mit den MOPD-Fällen der Ohio-Amish beschäftigt und ihre Ergebnisse veröffentlicht haben.)

Diese Erklärungen verstand ich und war schon ziemlich erleichtert….10 Jahre sind nicht viel, keine Frage. Aber es waren eben trotzdem 10 JAHRE! Das war etwas worauf man hinarbeiten konnte…eine Hoffnung…ein Ziel…das hört sich doch anders an als „die meisten Patienten erreichen ihren 1.Geburtstag nicht“!

Ausschlaggebend für ein paar Jahre mehr würde aber natürlich sein weiterhin auf Jonathans Gesundheit zu achten. Infekte vermeiden so gut es geht. Darauf zu achten das er seine Medikamente bekam. Soweit die Aussagen der Ärzte.

Ich selbst habe dem einen weiteren Punkt hinzugefügt:

Ihn zum Kämpfen motivieren!!! An dieser Stelle bin ich extrem stolz zu sagen: Jonathan hat MEINEN Dickkopf! Er ist ein großer Kämpfer, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat dann schafft er das auch. Also müssen wir dafür sorgen DAS er kämpft!! Und dann wird er noch viel erreichen. 8o)

Chirurgie
Diejenigen die selbst ein Frühchen hatten werden sich schon lange fragen: „Was ist denn nun eigentlich mit dem Leistenbruch? Das wird doch normalerweise schon vor der Entlassung aus dem Krankenhaus operiert?“ Korrekt: so wird es normalerweise gehandhabt.

Ein Leistenbruch ist etwas das bei Frühchen ganz typisch ist. Die Erklärungen der Ärzte habe ich so verstanden: die Muskeln sind noch nicht fertig ausgebildet, das Baby kommt aber schon zur Welt und das Kindspech (der erste Stuhlgang) muss raus. Wenn das kleine Kerlchen sich dabei stark anstrengen muss, drückt der Darm zu stark auf die noch nicht fertigen Muskeln in der Leistengegend – und schon ist der Leistenbruch da. Es handelt sich eigentlich nur um ein „Loch“ zwischen den Muskeln in der Leistengegend – aber durch dieses Loch drückt sich ein Teil des Darms nach außen. Das hört sich jetzt schlimmer und ekliger an als es ist!! Es ist eigentlich nichts Besorgnis erregendes: so lange man den Darm wieder „reponieren“, sprich: ihn wieder zurückdrücken, kann. Schlimm wird es nur dann wenn der Darm sich nicht mehr zurückdrücken lässt: dann muss sofort operiert werden, denn ein eingeklemmter Darm kann in kurzer Zeit absterben. Und ein abgestorbener Darm ist lebensbedrohlich.

Bei Jonathan konnte man problemlos reponieren, er hat sich auch nie dagegen gewehrt oder dabei geweint. Deswegen hatte man sich zu Klinikzeiten entschlossen das er vor der Entlassung NICHT operiert werden würde: sein Gewicht war mit noch nicht einmal 2 Kg einfach zu gering. Man wollte mit der Narkose kein Risiko eingehen.

Also haben mein Mann und ich gelernt den Darm zurückzudrücken. Mein Mann war dabei immer sehr gelassen und cool…aber ich fand es einfach nur WIDERLICH! Ich habe mich geschüttelt und gequiekt wenn ich das machen musste – wirklich und ganz ehrlich!!!

Vorsichtig auf die Beule drücken die in der Leiste hängt und dann ganz laaaaangsam nach innen drücken..und dann machte das immer irgendwie PLOPP….Brrrrr! SOOO WIDERLICH!!! Aber gut: es war notwendig und deswegen habe ich es gemacht, wie so viele Dinge davor – und auch danach.

Im letzten Beitrag habe ich von unserem Termin bei der Humangenetikerin erzählt. Zu diesem Termin kam ein Kinderchirurg der Klinik dazu der sich den Leistenbruch angesehen hat. Er befand dass weiterhin kein Handlungsbedarf bestand, der Leistenbruch ließ sich gut wegdrücken und so lange sich daran nichts änderte, sollten wir in einem halben Jahr erneut vorsprechen. Dann würde man sehen wie Jonathans Gewicht sich entwickelt habe und wann die OP stattfinden könne.



Zu diesem Gespräch mit der Humangenetikerin und unserem Chirurgen muss ich noch eine lustige Geschichte erzählen, ich hoffe der Chirurg verzeiht mir das! 8o)))
Kurz vor Jonathans Entlassung aus dem Krankenhaus wurde mir angekündigt dass ein Kinderchirurg auf Station vorbeikommen würde, der sich den Leistenbruch ansehen und dann entscheiden sollte ob Jonathan so nach Hause gehen darf oder ob eventuell vorher doch noch operiert werden muss. Ich war total aufgeregt, klar: jeder hat Angst davor das sein Kind eine OP benötigt! Dann kamen eine Ärztin…und ein Medizinstudent. So mein Eindruck. Die Ärztin war vielleicht in meinem Alter, also Ende 30. Den Mann im weißen Kittel schätzte ich auf Mitte/Ende 20. Beide sehr nett, er hat Jonathan untersucht und ich dachte noch: „Er muss ja auch noch üben!!“ Geredet habe ICH fast nur mit der Ärztin. Sie hat dann auch verkündet dass Jonathan nach Hause darf und die OP gemacht wird sobald er 3 oder besser 3,5 Kilo wiegt – WENN sich der Leistenbruch vorher nicht einklemmt. So weit, so gut….jetzt waren einige Monate vergangen, wir waren in der Tagesklinik und unsere Humangenetikerin meinte das sie mal den Kinderchirurgen anruft, einen sehr erfahrenen und langjährigen Kollegen. Und als die Tür aufgeht und der Arzt den Raum betritt….war es „mein“ Medizinstudent!!! Mir ist buchstäblich die Kinnlade heruntergefallen…ich habe gestaunt und gestottert und ihn gefragt ob er WIRKLICH der Kinderchirurg sei denn er sehe doch noch so jung aus!! Und er hat gegrinst und gemeint: „Ja, das höre ich öfter. Aber ich habe tatsächlich schon mein Studium abgeschlossen und auch einige Jahre Berufserfahrung!“ Bei jedem weiteren unserer Treffen hat sich das zu einem „runing gag“ entwickelt und irgendwann habe ich ihm auch gestanden dass ich ihn zu Anfang für einen Studenten gehalten habe. Das nahm er als Kompliment und hat sich sehr gefreut. Leider hat er mir bis heute nicht verraten wie alt er wirklich ist…8o)))

Die „To-Do-Liste“ war abgearbeitet, Kontrolltermine vereinbart. Jetzt konnte der Alltag beginnen!!!


Kleine Geburtstagsfeier für den Papa
Wir feierten das mit einem gemeinsamen Restaurantbesuch. Sie erinnern sich: die Termine beim Kardiologen und in der Tagesklinik fanden am Geburtstag meines Mannes statt. Nachdem wir in den Kliniken fertig waren haben wir beschlossen in einem Restaurant zu Mittag zu essen, damit der Tag zumindest ein bisschen den Charakter eines Geburtstages/einer Feier hatte.

Es war schon fast 14 Uhr und deswegen war uns klar das das Restaurant nicht mehr stark besucht sein würde: solche Überlegungen sind im Leben mit Jonathan bis heute wichtig denn aufgrund seines Immunsystems ist es besser wenn wir uns NICHT allzu großen Menschenmengen aussetzen.

Den größten Teil des Mittagsessens hat der kleine Mann verschlafen: die lange Autofahrt und die Untersuchungen hatten ihn doch ganz schön geschlaucht. Aber irgendwann hatte er auch Hunger und ist wach geworden, also habe ich ihn auf den Arm genommen und gefüttert. Bei diesem Restaurantbesuch haben wir zum ersten Mal erlebt wie fremde Menschen auf Jonathan reagieren: die Kellnerin kam direkt zu uns und hat gefragt wie alt er denn sei, denn er sei doch so wahnsinnig klein….Wir haben ihr freundlich alles erklärt, gestört hat uns das an diesem Tag nicht. Wir waren eher amüsiert darüber so im Mittelpunkt zu stehen.

Aber DAS…sollte in unserem Leben nicht mehr lange so bleiben…

In den Alltag finden
Der Alltag pendelte sich relativ schnell ein: Medikamente geben und zu Therapien fahren. Zuhause „turnen“ und Blutdruck messen. Jonathan füttern, Essen kochen und mit Marvin Schularbeiten machen. Den Haushalt führen und einkaufen gehen. Im Endeffekt (fast) alles das was auch eine Familie mit zwei gesunden Kindern im Alltag erlebt!

Mein Mann hatte mittlerweile seine zweimonatige Elternzeit angetreten und ich denke ich kann sagen: wir waren ziemlich entspannt! Wir hatten morgens keinen Stress: wir MUSSTEN nicht ins Bad und mein Mann nicht rechtzeitig zur Arbeit losfahren. Wir konnten einen Gang zurückschalten, unser Leben lief gemächlicher ab. Zeit die langen Monate in der Klinik zu vergessen und zu verarbeiten – Zeit zu begreifen dass es Vergangenheit war, dass Jonathan zu Hause war! Bei uns…

Einige Wochen lang lag ich morgens nach dem Aufwachen ganz still in meinem Bett und wartete ab bis sich meine Gedanken sortiert hatten…wartete ob es dann immer noch real war das Jonathan hier bei mir im Raum war, in seinem Bettchen am Fußende meines Bettes…oder ob ich das nur geträumt hatte..

Die Monate in der Klinik zu verarbeiten war (und ist bis heute) nicht leicht. „Es hängt einem nach“, es gibt immer noch Momente in denen alles wieder hochkommt – meist unverhofft und plötzlich. Wie ein Blitzlicht. Dann ist der Kloß im Hals wieder da, die Enge in der Brust - die Angst…die Gerüche und die Geräusche. Die Tränen.

Das blöde daran ist…selbst enge und langjährige Freunde verstehen das nicht!! Man kann nicht mit Menschen darüber reden die selbst nie in dieser Situation waren, Vorstellungskraft allein reicht nicht aus um komplett zu ermessen was so eine Situation für die Eltern bedeutet oder ihnen abverlangt. Niemand der es nicht selbst erlebt hat kann verstehen was einen beschäftigt oder was man zu verkraften hat. Was man braucht in dieser Situation. Und wann Plattitüden einfach nicht angemessen sind.

Ich weiß das ich nicht die Einzige bin die während ihrer Zeit auf der Frühchenintensivstation von Freunden gefragt wurde: „Was, Du fährst schon WIEDER ins Krankenhaus?? Machst Du das JEDEN Tag???“

Wenn schon die Tatsache das ich täglich bei meinem Kind sein möchte für solches Erstaunen sorgt…wie soll ich dann diesen Menschen erklären wie die Zeit in der Klinik mich verändert hat? Wie sie dafür gesorgt hat das sich meine Wahrnehmung verändert hat: so viele Dinge die früher wichtig waren (z.B. Erfolg im Beruf oder das Erreichen von materiellen Gütern) auf einmal total egal sind? Weil nur das Leben allein zählt…weil nur mein Kind zählt.

Wenn man stundenlang neben einem Inkubator sitzt und betet das dieser winzige Mensch kämpft…wenn man merkt das man selbst „so klein“ und unwichtig ist in dieser Welt und das man nichts was zählt im Leben selber beeinflussen kann…dann wird man so verdammt demütig!

Dann zählen auf einmal andere Dinge im Leben und der Blickwinkel auf die Welt verändert sich. Man wird ernster. Nachdenklicher. Trauriger?! Ja, für mich stimmt auch das. Ich wollte nie ein Kind bekommen um von Anfang an zu wissen dass ich es überleben werde. Das ist wohl bei niemandem der Plan. Jeden Tag hängt eine dunkle Wolke über einem..richtig genießen, mit jeder Faser des Herzens, kann man sein Leben nicht mehr. Denn da ist immer diese Angst dass heute der letzte Tag sein könnte.

Vielleicht ist dieses Gefühl bei mir stärker weil ich weiß dass ich ein Kind mit einem lebensverkürzenden Gendefekt habe. Aber jeder der für längere Zeit auf einer Neonatologie war hat viele Kinder dorthin kommen sehen – und einige sind nicht nach Hause gegangen. Das ist der Lauf der Dinge, das gehört auf so einer Station dazu. Und auch wenn es keine schönen Gedanken sind…so empfindet man Erleichterung wenn der Name des eigenen Kindes NICHT auf der Belegungstafel ausgewischt wird.

Alle diese Eindrücke…Gefühle…Ängste…hat man und man nimmt sie mit und ich denke man wird sie zeitlebens nicht mehr los. Und darüber kann man nicht mit jedem sprechen. Weil einen nicht jeder verstehen kann.

Deswegen ändert sich der Freundeskreis. Im besten Falle erweitert er sich, doch bei uns hat er sich verändert. Einige langjährige Freunde spielen heute eine eher geringe Rolle in meinem Leben. Weil es einfach nicht mehr harmoniert hat, weil ich mich mit ihnen nicht mehr wohl gefühlt oder nicht mehr von ihnen verstanden gefühlt haben. Was mit Sicherheit nicht allein an ihnen, sondern auch an mir liegt: weil ICH mich verändert habe!! Weil sich meine Prioritäten verändert haben. Weil mir viele Themen, die für diese Freunde so wichtig sind das sie tagelangen Gesprächsstoff bieten, einfach zu anstrengend oder unwichtig geworden sind.

Mein Vater hat dazu ein paar wirklich sehr weise und treffende Worte gesagt: „Du musst Freunde haben die Dir Kraft geben – und nicht welche die Dir Kraft rauben!“ Genauso ist es: in der Situation „monatelanger Krankenhausaufenthalt und behindertes Kind“ braucht man alle Kraft die man hat. Und dann muss man sich irgendwann von Menschen in seinem Leben trennen, oder zumindest distanzieren, wenn sie einem nicht mehr gut tun. So schade das ist.

Eine Freundin hat mir dazu ebenfalls etwas sehr richtiges gesagt: „Wenn Du auf der einen Seite Freunde verlierst – gewinnst Du auf der anderen Seite neue Freunde dazu!“ Und auch das ist vollkommen richtig in meinem Fall!

Seit Kindheitstagen ist mir eine junge Frau in unserem Wohnort bekannt: man grüßt sich auf der Straße, man redet auch kurz – das war es. Sie ist Mutter von 3 Kindern, zwei davon ebenfalls Extremfrühchen. Als sie gehört hat dass Jonathan geboren ist und wir dasselbe erleben dass sie schon zweimal erlebt hat – hat sie mir einfach angeboten das sie immer für mich da ist. Das ich mit ihr reden oder vorbeikommen kann und sie mich/uns so gut unterstützen wird wie es ihr nur möglich ist. Und das war nicht nur Gerede: sie hat es wahr gemacht! Sie war einfach da! Hat mir zugehört, mich aufgefangen – und sie hat mich verstanden…das war für mich wie ein Geschenk Gottes. In unseren Klinikzeiten wurde sie für mich eine sehr wichtige Bezugsperson. Und ist das bis heute geblieben…ich bin unendlich dankbar das ich sie heute meine Freundin nennen darf!

Jemanden zu haben mit dem ich über die Zeiten in der Klinik reden und mit dem gemeinsam ich es verarbeiten konnte war wichtig…aber jemanden zu finden dessen Kind dieselbe Diagnose wie Jonathan hat war genauso wichtig!!!



Gerrit und Silke
Ich weiß es noch als sei es gestern gewesen…irgendwann piepste mein Handy und ich hatte eine SMS. Im Display stand SILKE und ich sagte zu meinem Mann: „Häh? Wer ist das denn? Ich kenne doch gar keine Silke!“. Dann öffnete ich die Nachricht und da stand: „Hi, ich bin die Mama von Gerrit – dem anderen Jungen mit MOPD. Und ich habe Deine Nummer von unserer Physiotherapeutin bekommen.“ Ich glaube sie hatte noch mehr geschrieben, aber das sah ich gar nicht mehr…weil ich so weinen musste!!! Sie hatte sich tatsächlich gemeldet!! Sie hatte mir eine Nachricht geschrieben und jetzt konnte ich mit ihr REDEN!!! Das hatte ich mir schon so lange gewünscht...eine andere Mama die ein Kind mit MOPD hatte und die genau dieselben Probleme und Sorgen hatte wie ich!! Ich konnte mich gar nicht beruhigen: habe gelacht und gleichzeitig vor Erleichterung geweint. Nun ja…ich habe mehr geweint wenn ich ehrlich sein soll. Es war ein unbeschreibliches Gefühl! Nicht mehr allein sein, jemanden haben der mich versteht….dessen Kind älter ist, der mir Tipps geben kann – mit dem generell ein Austausch stattfinden kann, unfassbar!!!

Und dann meinte mein Mann dass ich ihr zurück schreiben soll. Ja….was sollte ich denn jetzt schreiben???? Wenn ich die falschen Worte wählte dann wollte sie am Ende nichts mehr mit mir zu tun haben…der erste Eindruck ist der wichtigste, oder nicht???

Ich glaube man merkt es wenn man meine Geschichte liest: ich bin nicht oft um Worte verlegen…8o)) Aber jetzt war ich wirklich unsicher! Ich habe überlegt, ein paar Sätze geschrieben und dann wieder gelöscht. Dann habe ich zu meinem Mann gesagt dass ich einfach nicht weiß was ich antworten soll, dass ich Angst habe das falsche zu schreiben! Aber mein Mann meinte nur das Silke offensichtlich auch Interesse an einem Kontakt, an einem Austausch, hätte - also: was sollte da schon schief gehen???

Ehrlich: ich weiß heute gar nicht mehr was ich ihr geantwortet habe…aber es wird das Richtige gewesen sein, denn sie hat mich eingeladen sie und Gerrit zu besuchen. 8o))) Was ich einige Wochen später auch gemacht habe.

Meine GÜTE war ich AUFGEREGT!!! Mein Herz hat geklopft, ich hatte einen Kloß im Hals. Und ich weiß noch genau das ich vor der Haustür stand, das Klingelschild angestarrt habe und dachte: „Wenn ich jetzt da drauf drücke, dann stehe ich gleich vor einem Kind das genauso ist wie Jonathan!“ Das war wirklich ergreifend! Aber ein bisschen Angst hatte ich auch…was wäre denn wenn Silke mir unsympathisch wäre – oder ich ihr??? Wenn wir gar nicht wüssten worüber wir reden sollten???

Alles unbegründet!! Ich bin mit weichen Knien die Treppe hoch gestiefelt und da stand Silke schon in der Tür und wartete auf mich. Gleich der erste Eindruck war positiv: eine sehr nette junge Frau die mich anlächelte. Sie bat mich herein und als ich ins Wohnzimmer kam…lag er auf dem Fußboden: Gerrit. Ich hatte solch einen Kloß im Hals… habe mich zu ihm gekniet und ihn betrachtet. Ob Silke mit mir geredet hat in dem Moment kann ich heute nicht mehr sagen, ich war einfach gefangen in diesem Augenblick und auf Gerrit fixiert.

Als erstes ist mir aufgefallen das er total mobil war!!! Er drehte sich um sich selber und kullerte mit einem Affenzahn durch den Raum. Ein kleines Xylophon lag auf seinem Spielteppich und er suchte sich den Schläger und…machte Musik für mich! Dabei schaute er mich an und lächelte. Ab diesem Moment war ich seinem Charme vollkommen erlegen! Es ist unfassbar wie sehr dieser kleine Junge mich in seinen Bann schlug, wie sehr er mein Herz berührte. Ich hatte Tränen in den Augen und einen fetten Kloß im Hals.

Zum einen war es die Tatsache dass er einfach eine unvorstellbare Lebensfreude versprüht, er füllt einen Raum mit so viel Freude aus – man kann gar nicht anders als zu lächeln! Zum anderen war es aber auch seine Mobilität. Er konnte so viel von dem ich gedacht hatte dass es für MOPD-Kinder unmöglich sei zu lernen! Ein Hoffnungsschimmer! Mir ging das Herz auf.

Dann begann ich ihn zu betrachten - und mit Jonathan zu vergleichen. Wo waren sie sich ähnlich, wo waren sie verschieden??? Was kam vom Gendefekt, was hatte Jonathan vielleicht doch von meinem Mann und mir???

Ich bemerkte das Gerrits Hände wirklich eins zu eins die Hände von Jonathan waren: die spitze Form der Finger, die fleischigen Handteller, die sehr stark gebogenen Fingernägel….ich war total fasziniert!!! Und ein bisschen traurig. Als Eltern wünscht man sich doch immer das das Kind aussieht wie man selbst, oder? Aber ich habe an diesem Nachmittag festgestellt das viele Dinge bei Jonathan kein „Unikat“ waren sondern offensichtlich Ausprägung seiner Krankheit. Das war zuerst ein komisches Gefühl…aber dann habe ich mir gesagt dass Jonathan trotzdem noch Jonathan ist. Er hatte sich ja nicht verändert nur weil ich jetzt festgestellt hatte das er einige Dinge weder von meinem Mann noch mir hatte! Er war immer noch so wie Gott ihn gemacht hatte. Und so war er gut!

Also fuhr ich in der Betrachtung fort. Auch Gerrits Arme und Beine sahen aus wie bei Jonathan.

Was anders war waren die Haare: Gerrit hat sehr viele und dichte Haare, Jonathan hat eher spärlichen Haarwuchs. Auch die Augen waren unterschiedlich: während mein Sohn sehr glubschige Augen hat fällt das bei Gerrit nicht so sehr auf. Und Gerrits Kopf war im Vergleich zum Körper nicht sooo klein, wohingegen Jonathan einen extremen Microcephalus (kleinen Kopf) hat.

Silke und ich haben uns dann ausgetauscht über die Probleme die unsere Kinder so haben: mit dem Gehirn, mit den Organen, mit Infekten. Manche Dinge sind gleich – andere verschieden. Unsere Kinder haben dieselbe, extrem seltene, Krankheit und sind trotzdem zwei Persönlichkeiten mit eigenen Problemen und Bedürfnissen.

Wir Mamis aber haben dieselben Sorgen und Ängste, wir haben dasselbe Schicksal. Wir leiden unter der frühen Sterblichkeit unserer Jungs…wir kämpfen jeden Tag um und für unsere Kinder..wir fahren zu Therapien und streiten mit der Krankenkasse um Hilfsmittel…und wir haben einen 24-Stunden-Job in der Betreuung und Pflege der beiden.

Bis heute ist Silke einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Wir können uns zwar nicht oft sehen weil es aufgrund der Infektanfälligkeit meist nicht möglich ist unsere Jungs zusammenzubringen, aber wir sind in ständigem Kontakt. Wir tauschen uns aus über Diagnosen, Arzttermine, Untersuchungen und Therapien. Wenn eine von uns einen schlechten Tag hat (was durchaus häufiger vorkommt!) dann reicht eine SMS und die andere weiß genau was los ist. Wir reden über unsere Ängste und versuchen uns gegenseitig zu stützen und zu helfen, einfach füreinander da zu sein. Und manchmal… reden wir über ganz andere Dinge wie Filme, Bücher oder unsere Hobbys…dann kehrt für einen Moment Normalität ein und man vergisst mal alle Sorgen und Probleme.

Wir haben uns wegen unserer Kinder gefunden, aber heute sind wir Freundinnen. SILKE: WIR GEHEN NICHT IMMER DEN GLEICHEN WEG, ABER WIR TOLERIEREN UND AKZEPTIEREN UNS GEGENSEITIG. ICH BIN SEHR DANKBAR DAS DU IMMER FÜR MICH DA BIST. UND ICH BIN DIR DANKBAR DAS DU DICH MIR ANVERTRAUST UND HOFFE DAS ES NOCH SEHR LANGE SO BLEIBT ZWISCHEN UNS!




Osteopathie
Ungefähr zu dieser Zeit sind wir zum ersten Mal zur Osteopathie gegangen. Die Physiotherapeutin hatte uns den Vorschlag gemacht das mal auszuprobieren denn Jonathans Kopf war (durch den langen Krankenhausaufenthalt und die damit verbundene Lagerung) am Hinterkopf wirklich extrem platt.

Ich hatte gar keine Vorstellung davon was Osteopathie überhaupt ist, damit hatte ich noch nie Berührungspunkte gehabt.

Wir haben also übers Internet eine Praxis in unserer Nähe herausgesucht die auch auf Kinder spezialisiert ist und einen Termin vereinbart. Dann sind mein Mann und ich zum ersten Mal mit Jonathan hingefahren und waren sehr gespannt was uns erwarten würde!!!

Allein das Gebäude in dem die Praxis untergebracht ist war schon sehenswert: es handelt sich um ein Gebäude aus dem späten Mittelalter das auf einem Berg gelegen ist. Man hatte einen traumhaften Blick über die ganze Stadt und befand sich zudem mitten im Wald. Okay: die Anfahrt war abenteuerlich…ich glaube so eine steile Straße bin ich in Deutschland noch nie hoch gefahren und ich machte mir schon ein bisschen Sorgen wie ich überhaupt herkommen sollte wenn Winter war? (Sie erinnern sich: bei uns gibt es immer viel Schnee!) Zur Not müsste ich halt laufen – aber dann vermutlich schon eine Stunde vor dem Termin hier sein, denn so lange würde ICH mindestens brauchen um DIESEN Berg zu bewältigen!!

Wir klingelten und wurden von einer sympathischen Dame empfangen die uns bat noch einen Moment im Wartezimmer Platz zu nehmen.

Was ich als erstes in dieser Praxis wahrgenommen habe war die Ruhe die dort herrscht. Und damit meine ich nicht nur Ruhe im wörtlichen Sinn das es keine lauten Geräusche gab, sondern auch das die Atmosphäre hier einfach Ruhe vermittelt: die Lichter, die Einrichtung…das alles lädt in dieser Praxis  zum „runter kommen und entspannen“ ein.

Auf dem Tisch im Wartezimmer lag ein Buch: „Osteopathie: sanftes Heilen mit den Händen“…okay?? Hörte sich toll an! Sanft war schon mal gut: dann würde Jonathan hoffentlich nicht so arg heulen wie bei der Physiotherapie!

Wir wurden ins Sprechzimmer geholt und haben uns erst einmal mit unserer Therapeutin unterhalten: die Krankengeschichte, die Vorgeschichte, die vermutliche Diagnose MOPD I. Alles wieder von Anfang…aber ok: musste ja sein, sie musste ja wissen was los war.

Sie bat uns mit Jonathan ins Behandlungszimmer zu kommen. Eine Liege mit Armlehnen stand dort und sie war komplett bedeckt mit Handtüchern, teilweise zu Rollen geformt um Kopf und Arme abzulegen: SEHR gemütlich! Ich hätte in diesem Moment gern mit Jonathan getauscht! 8o))

Mein Mann und ich legten Jonathan auf der Liege ab und setzten uns auf die bereitstehenden Stühle. Unser Baby wirkte total klein und verloren auf dieser riesigen Liege…aber gut: solche Eindrücke würden wir noch öfter in unserem Leben mit ihm erfahren!!

Und dann begann die Behandlung. Für MICH sah es aus als würde die Therapeutin nur ihre Hände auf meinen Sohn legen. Auf die Beine, die Arme, den Rumpf und auch auf/um den Kopf. Mehr konnte ich als Laie nicht erkennen. Trotzdem entspannte Jonathan sich dermaßen das er nach wenigen Minuten eingeschlafen war!! Faszinierend!! Was für ein Unterschied zur Physiotherapie – ging mir direkt durch den Kopf. Zur Osteopathie zu kommen würde mir von daher nicht schwer fallen! 8o))

Heute sind fast 2 Jahre vergangen und wir sind weiterhin dort in Behandlung. Eine Therapie die ich früher nicht kannte und heute in den höchsten Tönen loben möchte:
Jonathans platter Hinterkopf hat sich wunderschön geformt! Die früher sehr eng aufeinanderliegenden Schädelplatten haben sich gedehnt. Seine Beinfehlstellungen/X-Beine sind schon deutlich besser geworden, die Therapeutin arbeitet weiter unermüdlich daran und ich bin überzeugt dass wir noch sehr viel bessere Ergebnisse erzielen werden. 

Mittlerweile habe ich sogar zwei Freundinnen mit unterschiedlichen gesundheitlichen Problemen die Osteopathie als solches empfohlen und BEIDE sind mehr als begeistert und schon nach wenigen Sitzungen ihre Probleme losgeworden!

Was ich an unserer Therapeutin sehr schätze ist die Tatsache dass sie ehrlich auf die Gesundheit von Jonathan bedacht ist. Termine haben wir nur circa alle 6 Wochen weil sie sagt dass es öfter nicht sinnvoll ist. In einer Phase in der Jonathan bei der Osteopathie sehr viel geweint hat teilte die Therapeutin mir ihre Überlegung mit die Therapie vielleicht zu unterbrechen da „Jonathan am Ende übertherapiert ist und eine Pause braucht“.

Mal ehrlich: welcher Therapeut in der heutigen Zeit, in der jeder nur auf den eigenen Profit und den eigenen Verdienst zu schielen scheint würde von sich aus weniger Behandlung oder sogar eine Pause vorschlagen??? Eben! Und genau deswegen weiß ich dass ich hier an der richtigen Adresse bin! Denn hier steht mein Sohn und seine Gesundheit im Vordergrund und nicht das Bankkonto!!


Der 1.Weihnachtsmarktbesuch
Jeder der Kinder hat weiß wie schön die Vorweihnachtszeit sein kann! Man wird selbst wieder ein bisschen Kind und von dem „Zauber der Weihnacht“ erfasst – naja, jedenfalls geht es mir so seit Marvin da ist. Weihnachten mit Kind ist für mich viel schöner als ohne Kind: ich LIEBE Weihnachten!!!

Wir lesen Weihnachtsbücher…wir basteln…wir backen. Wir dekorieren die ganze Wohnung (es sieht dann immer ein bisschen so aus wie ich mir Weihnachtsdeko in Amerika vorstelle!). Da wir das große Glück haben in einer Region in Deutschland zu leben in der es doch recht regelmäßig schneit machen wir auch Schneeballschlachten und bauen Schneemänner. Und wir fahren auf Weihnachtsmärkte.

Diese erste Weihnachtszeit mit Jonathan verbrachte ich noch glücklicher als in den Jahren zuvor: bei Marvin war der Mythos Weihnachten mittlerweile „enttarnt“, er glaubte nicht mehr an den Weihnachtsmann. Aber jetzt war Jonathan da und wir konnten noch mal ganz von vorn beginnen mit all diesem Zauber. Obwohl Marvin mir (bis heute übrigens!) vorwirft das ich ihn „belogen“ habe was den Weihnachtsmann betrifft hilft er trotzdem tatkräftig mit diesen Zauber für Jonathan aufrecht zu erhalten. 8o))

Da Jonathans Immunsystem ja nicht das Beste ist und die Vorweihnachtszeit auch gern von Infekten begleitet wird haben wir beschlossen nur auf einen einzigen Weihnachtsmarkt zu fahren – um den kleinen Mann keinem zu großen Risiko auszusetzen. Wir haben uns einen doch recht milden Tag ohne Regen und Schnee ausgesucht und sind losgefahren. Waren total aufgedreht und aufgekratzt! Der erste Weihnachtsmarkt zu viert! So viele Lichter, Gerüche und Geräusche die wir Jonathan zeigen konnten.

Er war zu diesem Zeitpunkt circa 40cm groß, also weitaus kleiner als jedes Baby das man sonst so auf der Straße sehen kann. Das muss ich der Fairness halber an dieser Stelle erwähnen! Denn was wir an diesem Tag erlebt haben ist wirklich jenseits der Schmerzgrenze.

Ich habe lange überlegt ob ich in meinem Blog überhaupt über so etwas reden soll. Denn ich räume Menschen dadurch hier einen Platz und eine Wichtigkeit ein die sie in meinen Augen nicht verdient haben. Dennoch habe ich mich entschieden es zu erzählen: um wach zu rütteln!! Und jeden der das liest dazu zu bringen über sein Handeln und seine Aussagen GUT nachzudenken.

Der Weihnachtsmarkt war sehr gut besucht. Als wir ankamen hat Jonathan in seinem Kinderwagen geschlafen und wir haben uns zuerst die Stände ein wenig angeschaut. Doch irgendwann wurde er wach und wir haben ihn auf den Arm genommen. Ihm die Flasche gegeben. Und dann bin ich mit ihm über den Platz gelaufen um ihm die Stände und die Lichter zu zeigen.

Was soll ich sagen? Ich konnte keine DREI METER (ich schwöre!) laufen ohne dass jemand auf mich zu kam um ihn ANZUFASSEN!!! Meist waren es ältere Damen die ihn erblickt haben und dann sagten „O, ist der süß!“ und ihn betatschten – am Kopf, an der Backe, an der Nase. In zwei Stunden in denen er auf meinem Arm war ist mir das sicherlich ohne zu übertreiben 40 Mal passiert. Und ich frage mich: WARUM MACHEN DIESE MENSCHEN DAS? WAS WÜRDEN SIE DAZU SAGEN WENN ICH IHNEN EINFACH INS GESICHT FASSEN WÜRDE?? FÄNDEN SIE BESTIMMT NICHT SCHÖN! ALSO WARUM TUN SIE MEINEM SOHN DAS DANN AN? Konnten wir nicht einfach unsere Ruhe hier haben?? Ich war genervt – und Marvin auch. Als dann die gefühlt 100ste Oma kam die die Hand nach Jonathan ausstreckte sagte Marvin schlagfertig und ziemlich streng: „Nicht anfassen, der beißt!“ Den Blick der Oma werde ich nie vergessen. Sorry: aber es war die einzig richtige Reaktion von Marvin! Finger weg von fremden Babys! Die haben nämlich auch eine Privatsphäre!

Aber es kam noch schlimmer. Am Glühweinstand. Ein junger Mann kam auf mich zu und sagte wortwörtlich: „Entschuldigung. Aber wo ist da das Batteriefach? Das ist doch kein echtes Baby!“ Nein, Sie haben sich nicht verlesen: genau das hat er gesagt…ohne Worte, oder??? Ich habe es mit einem Becher Glühwein zu viel entschuldigt. Aber Sie merken auch: ich habe das seit damals nicht vergessen! Solche Kommentare tun weh. Mein Baby ist kein DING: es hat keine BATTERIEN. Es ist ein Mensch und ich liebe es!!!

Nach zwei Stunden hatten wir keine Kraft mehr die Blicke der Leute auszuhalten, das Betatschen abzuwehren oder die dummen Kommentare wegzustecken: wir legten Jonathan in seinen Wagen.

Leider hatten zwei ältere Damen vorher noch einen Blick auf ihn erhascht und kamen zu uns. Beugten sich über den Wagen und schauten hinein „Ach, ist der süß!“. Eine dritte ältere Dame die nicht dazu gehörte dachte wohl es gebe etwas umsonst und kam auch dazu. Nun hingen also drei Frauen mit ihren Köpfen über dem Kinderwagen und stierten Jonathan an. Der fing an zu weinen. Worauf eine Dame sagte: „Ach Gott, was hat er denn auf einmal?“…ich konnte es mir nicht verkneifen zu sagen: „Was würden Sie machen wenn drei Ihnen völlig fremde Gesichter über Ihnen hingen und sie anstarren würden?“ Daraufhin löste sich die Kleingruppe ziemlich schnell auf.

An diesem Tag auf dem Weihnachtsmarkt ist uns bewusst geworden das die Reaktion der Kellnerin beim Geburtstagsessen meines Mannes keine Ausnahme war: wir stehen wirklich IMMER im Mittelpunkt und werden angestarrt. Die Schwestern auf der Frühchenstation hatten uns das prophezeit, aber man kann sich das gar nicht richtig vorstellen bis man es erlebt.

Um mal kurz abzuschweifen…eine weitere Geschichte die mich wirklich sehr getroffen hat.

Ich war im Supermarkt einkaufen und wurde von einem Mann mittleren Alters angesprochen: „Och, wie alt ist denn das Kleine?“, und ich sagte frei heraus: „Er ist 7 Monate. Er ist kleinwüchsig, deswegen ist er so winzig.“ Woraufhin der Mann mich von oben bis unten musterte und dann sagte: „Na, da werden Sie in der Schwangerschaft wohl Drogen genommen oder gesoffen haben – sonst wäre SOWAS ja nicht passiert!“

Noch heute fehlen mir die Worte und mir stehen Tränen in den Augen wenn ich das erzähle. Jonathan hat einen Gendefekt, seine Krankheit hat ganz andere Ursachen. Aber davon mal abgesehen: wie kann man einer Mutter so etwas ins Gesicht sagen??? Was ist das für ein Miteinander, wo ist der Respekt für den anderen???

Zugegeben: SOLCHE Kommentare sind die Ausnahme. Die meisten Leute die uns ansprechen tun dies weil sie Jonathan süß finden oder ihnen auffällt das er viel kleiner ist als seine Gesichtszüge vermuten lassen. Die meisten Leute sind wirklich nett und verständnisvoll. Doch die wenigen die solche dummen Kommentare abgeben – die bleiben im Gedächtnis, weil sie einem wehtun. Und ich gebe zu das es Tage gibt an denen ich absichtlich nicht unter Menschen gehe weil ich keine Kraft habe mich den Blicken auszusetzen oder Angst vor dummen Sprüchen habe. Und eigentlich…ist das total blöd! Warum sollte ICH mich verstecken?? Ich habe ja nichts verbrochen!!

Über die Zeit habe ich festgestellt das Behinderungen in unserer Gesellschaft immer noch nicht salonfähig sind, so liberal wir auch immer tun! Kommt ein Kind im Rollstuhl oder ein Kind das anders aussieht: wird geglotzt. Und das nicht immer unauffällig!! Nein, mitunter drehen sich Menschen in Lokalen auf ihren Stühlen komplett zu uns um und starren minutenlang. Kein schönes Gefühl!

Wir haben unsere eigene Art entwickelt mit dem allen umzugehen. Man merkt es ja: ich bin nicht auf den Mund gefallen. Und vielleicht ist das auch genau gut so in meiner Situation! 8o)

Stelle ich fest das jemand unangemessen starrt gehe ich zu ihm und sage ihm das Jonathan kleinwüchsig ist und deswegen so anders aussieht.

Merke ich das jemand in meiner Nähe zu tuscheln anfängt gehe ich hin und frage ob er irgendetwas von mir wissen möchte?? Denn er könne mich das auch einfach so fragen und müsse das nicht hinter vorgehaltener Hand tun!

Tatscht jemand Jonathan an…tatsche ich die Person genau an derselben Stelle an! Okay: das kostet beim ersten Mal ein wenig Überwindung! Aber die Blicke sind unbezahlbar und ich amüsiere mich jedes Mal aufs Neue darüber!! Ehrlich: wenn jemand mein Kind anfasst muss er damit leben das er das Gleiche erfährt, oder nicht???

Für uns ist das der richtige Weg damit umzugehen. Man merkt den Leuten an das sie über ihr eigenes Verhalten peinlich berührt sind wenn man sie anspricht. Und vielleicht…aber nur vielleicht!...ändert das ja ihr Verhalten beim nächsten Mal wenn ein behindertes Kind ihren Weg kreuzt.



Zurück zur Weihnachtszeit. 8o)

Eigentlich hatten wir beschlossen nur EINEN Weihnachtsmarkt zu besuchen weil wir Jonathan keinem gesundheitlichen Risiko aussetzen wollten. Aber nach der Erfahrung die wir gemacht hatten reichte uns ein Besuch auch erstmal VOLLKOMMEN aus!!!

Aber wie war der Spruch doch gleich? DAS LEBEN IST KEIN PONYHOF, und deswegen versuchten wir das zu vergessen und die Zeit bis Weihnachten trotzdem zu genießen.

Weil Jonathan in seinem zarten Alter noch nicht so viel mitbekam legten wir Orangenscheiben auf die Heizung die den Raum mit Duft erfüllten: riechen konnte er ja schließlich! Wir hängten glitzernde Lamettaketten auf und zeigten sie ihm immer wieder oder gaben sie ihm auch in die Hand damit er damit spielen konnte. Eine Lichterkette mit Weihnachtsmännern war sein Highlite: ich glaube ich hätte zwei Stunden mit ihm auf dem Arm davor stehen können und er hätte immer noch nicht genug gehabt.

Nikolaus
Und natürlich gehört zur Vorweihnachtszeit auch ein Besuch des „richtigen“ Nikolaus.

Wir leben in einem großen deutschen Bistum und haben einen „Nikolausservice“. Dort kann man anrufen und für seinen Wunschtermin (bei uns ist es immer der 5.Dezember, denn wir sind Protestanten und feiern traditionsgemäß Nikolaus am Vorabend des 6.Dezember) einen Nikolaus bestellen. Die Geschenke und ein Zettel mit den positiven –und auch ein oder zwei negativen! 8o)- Eigenschaften der Kinder hinterlegt man an der Haustür.

Von klein auf hatte Marvin immer einen Nikolaus. Mittlerweile weiß er natürlich das der Mann der im wundervollen (und echten!) Ornat der Kirche vor ihm steht nur ein „Schauspieler“ ist – trotzdem besteht er jedes Jahr wieder darauf dass ich dort anrufe und den Nikolaus bestelle. Es ist eine Tradition bei uns geworden die er nicht mehr missen möchte.

In diesem ersten Jahr mit Jonathan hatte Marvin eine perfekte Ausrede: „Mama, wir müssen da anrufen weil JONATHAN unbedingt den Nikolaus sehen soll!“… 8o))) Wofür kleine Brüder doch immer herhalten müssen!!

Aber: ich habe sehr gern dort angerufen und einen Termin vereinbart.

Und dann kam der Nachmittag des 5.Dezember, wir hatten extra einen nicht so späten Termin genommen damit Jonathan auch noch wach sein würde, und es klingelte. Herein kam ein Nikolaus der selbst mich sprachlos machte: ER WAR RIESIG!!! Er musste sich bücken um überhaupt durch die Tür zu passen! Da hatten wir aber mit Sicherheit den größten Nikolaus erwischt den das Bistum zu bieten hatte….

Ein wundervolles Gewand hatte er an: es war rot und mit viel Glitzer und Litzen bestickt. Einen Bischofsstab und einen Knecht Ruprecht hatte er auch dabei und…sein goldenes Buch aus dem er vorlas. Jonathan saß auf dem Schoß meines Mannes und starrte den Nikolaus mit offenem Mund an: ich glaube den Bart fand er besonders faszinierend, trägt doch niemand aus unserer Familie sonst einen Bart! Natürlich gab es über unsere Kinder nicht wirklich etwas Negatives zu sagen…8o))…und seinen Schock über unser Mini-Baby hat der Nikolaus auch gut unter Kontrolle gehabt. So lief dieser Besuch sehr harmonisch und zur Freude aller ab.


Das erste Fotoshooting
Vor ungefähr 20 Jahren wollte ich ein paar „richtige“ Fotos von mir verschenken und bin mehr durch Zufall auf ein ortsansässiges Fotostudio gestoßen. Ich habe einen Termin vereinbart und bin völlig unvoreingenommen dort erschienen. Was ich zuerst bemerkte war die „Promi-Wand“: hier hingen Fotos von prominenten Personen des öffentlichen Lebens, nicht wenige und nicht die unbedeutendsten. Als ich auf die Wand zeigte erklärte mir die Fotografin dass sie alle diese Menschen in ihrem Studio fotografiert habe, viele von ihnen kämen regelmäßig. Bei einigen erstelle sie Pressemappen, bei anderen Buchumschläge. Ich war schon mal beeindruckt!

Das Shooting damals dauerte vielleicht 1,5 Stunden. Was ich sofort bemerkte: die Fotografin ging wirklich TOTAL in ihrem Beruf auf! Hatte sie einmal die Kamera in der Hand sprühte sie vor Ideen…“Jetzt könnten wir das mal so machen“ oder: „..und dann könnten wir noch mit diesem Hintergrund…“…und: „ach, Moment: dieser Winkel wäre doch auch super!“…sie fand gar kein Ende. 8o))

Die Fotos die mir dann circa zwei Wochen später vorgelegt wurden waren WELTKLASSE!!! Profifotografien…so etwas hatte ich nicht erwartet: ich war wirklich begeistert!!

Warum erzähle ich das???

Weil ich mich in der Schwangerschaft mit Marvin entschieden habe zu dieser Fotografin zu gehen und „Bauch-Bilder“ machen zu lassen. Auch diese Fotos haben meine Vorstellungen wieder übertroffen! Und deswegen habe ich mit ihr eine Vereinbarung getroffen: ich würde alle 6 Monate zu ihr kommen und Marvin fotografieren lassen. Sie sollte seinen Weg fotografisch festhalten, als Erinnerung für mich.

(Und da ein Termin im Sommer und einer vor Weihnachten stattfindet habe ich auch immer gleich ein wunderschönes Geschenk für die Großeltern!! 8o) …)

Jetzt war Jonathan zu Hause und natürlich: sollte sie auch ihn begleiten.

Über die Jahre war zwischen uns eine sehr enge Freundschaft entstanden. Sie hatte mich begleitet als Marvins Papa gestorben war. Ich hatte ihre Krebserkrankung „miterlebt“. Sie war meine Hochzeitsfotografin gewesen. Ich hatte ihr zu ihrer ersten Buchveröffentlichung gratuliert. Meine schwierige Schwangerschaft war Thema zwischen uns gewesen. Und nun vereinbarte ich einen Termin zum Shooting für meine BEIDEN Jungs. Ich hatte ihr schon erklärt was das Besondere an Jonathan war und sie gebeten unseren Termin abzusagen falls sie krank sein sollte. Ein schwaches Immunsystem und die damit verbundenen Risiken waren ihr durch ihre Krebserkrankung nicht fremd. Tatsächlich mussten wir den ersten geplanten Termin verschieben weil sie einen Schnupfen hatte. Doch dann kam der große Tag!

Wie immer reiste ich mit „großem“ Gepäck im Fotostudio an: ein Korb mit Utensilien – Wechselklamotten (damit die Kinder nicht auf jedem Bild dasselbe anhaben), Spielzeug und/oder „Dekoartikel“. Unsere Ideen sind uns über die Jahre nicht ausgegangen, im Gegenteil: ich glaube ich könnte auch viermal im Jahr kommen und wir würden Motive finden! 8o)

Und dann ging´s los. Ich muss auch nach so langer Zeit immer noch grinsen wenn meine Fotografin den Fotoapparat in die Hand nimmt – dann ist sie nämlich wie im Rausch. Sie hat einen „Flow“ sage ich dann immer. Hat tausend Ideen und hört gar nicht mehr auf zu knipsen! 8o))

Eigentlich wollte ich nur zwei oder drei Bilder von Jonathan: wusste ich doch nicht wie er das Shooting so mitmachen würde! Still halten, in die Kamera blicken und am besten noch lächeln…ein bisschen viel verlangt für einen so kleinen Wurm, oder??

Aber er machte SUPER mit! Wie ein kleines Fotomodell – ein sehr kleines, zugegebenermaßen. 8o))

Es war eigentlich gar nicht angedacht, aber unsere Fotografin wollte dann unbedingt noch Familienaufnahmen. Jonathan mit seinen Eltern, Jonathan mit seinem Bruder und wir alle zusammen. (Ich sage ja: wenn bei ihr der Flow einsetzt ist alles zu spät!) Zuerst wollte ich mich ja drücken: ich war nicht geschminkt und hatte einen „Bad-Hair-Day“, aber dann dachte ich mir „was soll´s!“ Und die Aufnahmen sind auch trotzdem (wieder mal!) traumhaft geworden!

Einige der Fotos von diesem Shooting können ab sofort in der Rubrik FOTOS bewundert werden. 8o)))


Neuer Christbaumschmuck
Mitte Dezember hat mein Mann beschlossen dass es Zeit für neuen Christbaumschmuck sei! Schließlich müssten wir Jonathan ja DEN Weihnachtsbaum schlechthin präsentieren zu seinem ersten Weihnachtsfest. Also haben wir uns am Wochenende alle wieder ins Auto gesetzt und sind in die nächstgrößere Stadt gefahren: da gab es ein riesiges Gartencenter das in der Weihnachtszeit eine Weihnachtsbaumausstellung mit Dekobeispielen hatte. Ein Traum für Jonathan! Ich glaube es waren sechs leuchtende, SEHR üppig dekorierte Bäume die sich gegenüberstanden und um die Wette gefunkelt haben. Der kleine Mann wusste gar nicht wohin er zuerst schauen sollte. 8o))

Die Entscheidung für eine Deko fiel uns nicht leicht. Aber wir haben uns dann für eine rote Deko entschieden mit verschieden großen und verschieden farbigen Kugeln. Plus Lametta. Und Lichterketten. Eiszapfen. Lamettaketten. Holzfiguren. Und was weiß ich noch alles.

Der Baum war am Ende stolze 2,20m hoch und von oben bis unten geschmückt. 8o)



Bestätigung der vermuteten Diagnose
Etwa 10 Tage vor Weihnachten rief unsere betreuende Kinderklinik bei uns an um einen Termin zu vereinbaren: das Ergebnis der Genanalyse lag vor und unsere Humangenetikerin wollte es mit uns besprechen.

(So ganz tief in mir wusste ich schon das Jonathan MOPD Typ 1 hatte, auch wenn es bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bestätigt war. Aber ich brauchte mir doch nur die wenigen Texte und Fotos im Internet durchzulesen und anzuschauen: es passte alles auf meinen Sohn.)

Die Kinderklinik fragte ob es uns möglich sei noch vor Weihnachten vorbeizukommen. Na klar! Wir wollten es ja auch endlich bestätigt bekommen…

Also sind wir nur wenige Tage vor Weihnachten mit Jonathan in die Klinik gefahren und wurden von unserer Humangenetikerin empfangen. Sie nahm uns mit in ihr Büro und sagte das sie uns gar nicht länger auf die Folter spannen wollte: die Genanalyse hatte bestätigt das Jonathan unter MOPD Typ 1 leide. Das war jetzt nicht wirklich eine Überraschung für uns und auch kein Schock: es war das was wir erwartet hatten. Eigentlich war es zu diesem Zeitpunkt für uns auch nicht mehr so wichtig es schwarz auf weiß zu sehen: wir hatten uns sowieso schon damit abgefunden und arrangiert. Das äußerten wir auch beide so.

Die Humangenetikerin sagte uns das sie selbst es ja nicht für möglich gehalten habe in nur 2 Jahren ZWEI Kinder mit diesem extrem seltenen Gendefekt zu betreuen – aber so sei es nun mal. Und zuerst habe sie auch überlegt ob sie uns das Resultat der Untersuchung noch vor Weihnachten präsentieren sollte – doch so wie sie uns kennengelernt habe hätte sie schon gewusst dass uns das nicht in eine Sinnkrise stürzen würde!

Und das stimmte auch. Für uns war es ok es nun definitiv zu wissen, aber eigentlich hatten wir nie daran gezweifelt.

Weil ich schon in der Vergangenheit den Wunsch geäußert hatte mehr über diese Krankheit und die anderen (leider nur circa 30) Fälle wissen zu wollen bekam ich nun einen Packen Papier in die Hand: Ausdrucke aus medizinischen Fachzeitschriften und aus dem Internet. Fallbeispiele von circa 20 MOPD-Kindern: jeweils eine Beschreibung ihres Phenotyps (also der äußeren Erscheinung), die Ergebnisse der inneren Untersuchung von Knochen und Organen, eine Auflistung von Größe und Gewicht in verschiedenen Altersstufen, eine Auflistung dessen was sie kognitiv und körperlich konnten oder eben nicht – und der Grund ihres Todes sowie das Alter zum Zeitpunkt des Todes.

Alle Studien waren auf Englisch, was mir zum Glück keine großen Schwierigkeiten bereitet. Ich bin alles in einer ruhigen Minute zu Hause durchgegangen und es war niederschmetternd was ich dort gelesen habe. Keines dieser Kinder, KEINES!!, ist älter als 5 Jahre geworden. Alle sind an Fieber, Magen-Darm-Infekten oder Schnupfen gestorben.

Körperlich und geistig waren diese Kinder so schlecht entwickelt das ihre Eltern zu erkennen und den Kopf allein halten zu können schon das Beste war was man dort zu lesen bekam.


Ich musste schlucken. Wow!! Das waren keine schönen Aussichten…aber dann blickte ich in Jonathans Augen: und die blickten mich wach und neugierig an. Außerdem konnte er schon so viel mehr als die Ärzte vorausgesagt hatten. Und da habe ich beschlossen dass ich mich von diesen Prognosen nicht verrückt machen lassen würde! Vielleicht musste man einfach nur ein wenig Vertrauen und Hoffnung entwickeln…


Heiligabend
Und dann kam der große Abend, Heiligabend. Selbst ich hatte rote Backen und strahlte mit der Lichterkette um die Wette.

Es gab ein frühes Abendessen damit Jonathan während der Bescherung nicht schon müde wurde. (Ich glaube Marvin war es nicht ganz unrecht dass die Bescherung in diesem Jahr schon etwas früher stattfand als sonst immer.)

Wie jedes Jahr wurde nach dem Abendessen ein Weihnachtslied gesungen und dieses Mal haben Marvin und ich sogar Flöte zusammen gespielt: Jonathan hat allerdings wegen der quietschenden Geräusche mehr als befremdet aus der Wäsche geschaut. …oder war es wegen dem Gesang meines Mannes??? 8o)))

Danach war die Zeit gekommen die Geschenke auszupacken. Marvin hat endlich den lang ersehnten Nintendo bekommen!  Gewünscht hatte er ihn sich allerdings nicht weil er weiß das ich gegen jegliche Art von Spielekonsolen bin – aber ich wusste natürlich auch das es sein Herzenswunsch war und bin in diesem Jahr über meinen Schatten gesprungen. Marvin hatte wirklich genug ausgehalten (und würde auch noch in Zukunft viel aushalten müssen), da konnte man auch mal ein Auge zudrücken!!

Jonathan hat ein Xylophon bekommen. Und zwar das Xylophon das ich bei Gerrit gesehen hatte und mit dessen Klängen er mich zu Tränen gerührt hatte. Natürlich konnte Jonathan noch nicht darauf spielen, aber so hatte ich wieder ein Ziel mit ihm!

(Heute…spielt er darauf!! Mit viel Leidenschaft und großer Kraft…und einem Strahlen im Gesicht! Musik verzaubert ihn…er kann ja nicht wirklich viele Dinge, schon gar nicht solche die seine Altersgenossen können, aber Musik machen kann er! Und wenn er in der Lage ist ein Instrument in die Hand zu nehmen und Töne damit zu erschaffen, dann strahlt er so sehr das mir ganz oft die Tränen in den Augen stehen. Deswegen sind wir auch immer auf der Suche nach neuen Instrumenten die für seine kleinen Hände geeignet sind.)

Der ganze Abend war sehr aufregend für den kleinen Mann und so ist er relativ früh eingeschlafen. Wir konnten uns dann ungestört Marvin widmen – alles in allem: war es ein traumhaftes Weihnachtsfest für uns!!! Wir waren komplett…


Silvester
Natürlich konnte Jonathan nicht bis Mitternacht aufbleiben um das Feuerwerk zu sehen, aber wir haben eine kleine Silvesterparty für ihn veranstaltet:
Nach dem unumgänglichen „Dinner for one“ (bei dem Jonathan übrigens an der Stelle als der Butler aus dem Stand über den Tigerkopf hüpft gelacht hat – ich SCHWÖRE!) hatten wir verschiedenes selbst gemachtes Fingerfood. Und bunte Partyhütchen, auch Jonathan hatte eins auf. Außerdem Tröten, Luftschlangen und Konfetti und wieder mal: die Wohnung dekoriert. Girlanden hingen quer durch die Küche, Glücksklee und kleine Schornsteinfeger sowie Schweinchen zierten den Tisch. Nach dem Essen haben mein Mann und Marvin auf dem Balkon Wunderkerzen angezündet: ein „Feuerwerk“ für Jonathan!

Das volle Programm eben, für unsere Kinder. Alles soll unvergessen sein und ausgelebt werden als gebe es kein Morgen. So soll das Leben doch sein: jeden Tag genießen als wäre es der letzte. Das ist etwas was Jonathan uns gelehrt hat.

Gute Vorsätze für das kommende Jahr?? Natürlich! Genießen das Jonathan bei uns ist und wir dem Krankenhaus endlich den Rücken gekehrt haben!!

Es ist schon gut dass man nicht in die Zukunft blicken kann…sonst hätten wir diesen Abend vermutlich nicht so freudestrahlend und optimistisch verbracht….





Frühförderung
Anfang des Jahres haben wir uns an unsere zuständige „Lebenshilfe“-Stelle gewandt: wir hatten erfahren das wir wegen Jonathans Gendefekt/Behinderung Anrecht auf „Frühförderung“ hatten.

Am Telefon hatte ich erklärt das wir nicht in die Frühförderstelle kommen könnten sondern die Stunden bei uns zu Hause in Anspruch nehmen müssten, Jonathans Immunsystem ließe es nicht zu das wir mit anderen Kindern in einem Gruppentermin seien. Mir wurde mitgeteilt dass das überhaupt kein Problem darstelle, was mich sehr erleichterte. Hatte ich doch die Befürchtung gehabt das keine „Hausbesuche“ möglich seien und wir diese Fördermaßnahme eventuell gar nicht in Anspruch nehmen könnten.

Zum ersten Kennenlernen kam die Leiterin der Frühförderstelle zu uns nach Hause. Sie erklärte uns was Frühförderung überhaupt bedeutet: abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes und unter Einsatz von verschiedenen Materialien oder Musikinstrumenten werden genau die Punkte unterstützt und gefördert an denen die Probleme des Kindes liegen. Also bei uns würde die Motorik als erstes im Vordergrund stehen da Jonathan sich auch mit 10 Monaten noch immer nicht allein drehen konnte.

Und dann wurde ein Termin vereinbart für einen ersten Frühfördertermin.

Ich hatte schon Bedenken. Man hatte uns erklärt das die Frühforderung bis zur Schulzeit durchgeführt werden kann und das man uns eine Dame zuteile die uns dann über die ganzen Jahre betreuen würde. Was ja Sinn macht weil man dann „zusammen wächst“ und ein Vertrauensverhältnis aufbaut. Aber was würde passieren wenn diese Frau mir unsympathisch wäre? Oder ich ihr? Wenn bei uns die Chemie einfach nicht stimmen würde? Wie sollte in so einem Falle eine optimale Förderung meines Kindes stattfinden können??

Ich war ein wenig nervös als der erste Termin nahte. Und dann klingelte es. Als ich öffnete lächelte mich eine junge Frau freundlich an und stellte sich mir gut gelaunt vor. Der erste Eindruck war positiv und ich atmete auf.

Ganz toll fand ich das sie dann sofort nach dem Badezimmer fragte um sich vor dem Kontakt mit Jonathan die Hände zu waschen – das machen die wenigsten Menschen unaufgefordert obwohl wir immer wieder auf sein schlechtes Immunsystem hinweisen.

Sie hatte die Unterlagen der Leiterin der Frühförderstelle bekommen aus denen hervorging wie klein Jonathan war, aber ich habe sie trotzdem noch einmal vorgewarnt bevor ich sie mit ins Wohnzimmer genommen habe wo der kleine Mann auf dem Boden lag. Wenn sie sich erschrocken hat über die geringe Körpergröße - dann hat sie es sich zumindest nicht anmerken lassen! 8o))

Wir haben erst ein wenig geredet, uns beschnuppert. Sie hat mir Fragen gestellt über Jonathan, über das was er kann. Und Fragen über das was ich von ihr erwarte, über die Punkte die gefördert werden sollen. Ich habe dann erfahren dass wir auch mehrmals im Jahr gemeinsam einen „Frühförderplan“ machen indem wir alles festhalten was wir vereinbaren: was also gemacht wird, mit welchen Materialien, auf welches Ziel wir hinarbeiten usw.

Seit damals findet einmal in der Woche, zu einem festen Termin, eine Zeitstunde Frühförderung bei uns zu Hause statt. Immer hat sie einen großen Korb voller Spielsachen und Materialien dabei den sie jede Woche morgens neu für uns zusammenstellt. Und mittlerweile weiß Jonathan auch: wenn der Korb auf den Boden gestellt wird darf er gleich „spielen“. Dann freut er sich und klatscht! 8o)

Auch unsere „Frühförder-Frau“ erkennt er wenn sie die Wohnung betritt und er ist jede Woche aufs Neue aus dem Häuschen sie zu sehen.

Ganz viele Spielsachen oder Musikinstrumente die wir im Rahmen der Frühförderung gesehen haben….haben wir mittlerweile selber gekauft. Weil sie Jonathan extremen Spaß gemacht haben und/oder perfekt für seine sehr kleinen Hände geeignet waren.

Am liebsten bringt die Dame von der Frühförderung allerdings…Materialien mit die SCHWEINEREI machen…8o))) Sie liebt Fingerfarben und Rasierschaum. Und matscht mit Jonathan damit. Am Esstisch. Ausgiebig. Und freut sich dabei dass sie bei MIR zu Hause ist und ICH putzen muss! 8o))) Aber: sie kündigt das immer eine Woche vorher an und so kann ich den Tisch mit einer abwaschbaren Tischdecke bedecken und Jonathan alte Kleidung anziehen bei der Flecken nichts ausmachen. Und: nach anfänglichem Zögern mag Jonathan Fingerfarben und Rasierschaum sehr gerne!!! Er ist mit Freude und großem Enthusiasmus dabei. Dass er allerdings mit den Fingerfarben auch ein Bild malen könnte – versteht er nicht. Matschen und in den Händen knatschen ist besser!  (Er durfte mittlerweile auch ein Osterei mit Fingerfarben bemalen!)

Auch beliebt bei ihr sind Kirschkerne, Erbsen oder Linsen: die befinden sich zu Anfang der Stunde in einer kleinen Kiste. Doch wenn Jonathan dann mit den nackten Füßen in der Kiste war, oder sogar darin gesessen hat…befinden sich die kleinen Dinger ÜBERALL!!!! In der Windel…zwischen den Zehen…in der Kleidung..und auch überall im Wohnzimmer…8o)) Aber auch diese Erfahrung: macht Jonathan so viel Spaß und deswegen ist es mir egal das ich später staubsaugen muss.

Die wohl schönste Erfahrung für Jonathan im Rahmen der Frühförderung ist jedoch sicherlich…(alle die uns bei Facebook „verfolgen“ haben schon Fotos davon gesehen!) ..schwimmen!!

Aufgrund seines schlechten Immunsystems und seiner EXTREM trockenen Haut darf Jonathan nur sehr bedingt ins Schwimmbad. Zum einen ist das Chlor nicht förderlich für das Hautbild, zum anderen sind im warmen Schwimmbadklima und in der Umkleide/Dusche auch sehr viele Keime unterwegs. Deswegen: schwimmen nur selten und dann auch nur allein, ohne andere Badegäste.

Für mich war schwimmen gehen deswegen lange Zeit ein unerfüllbarer Traum: wo findet man schon ein Bad ohne andere Gäste??? Eben…aber wir haben nun Frühförderung, da eröffnen sich ganz neue und ungeahnte Möglichkeiten! Verfügt unsere Frühförderstelle doch über ein eigenes Schwimmbad! Na gut: ein eigenes Therapiebecken. Aber für Jonathan ist es so groß wie für andere Leute ein Schwimmbad. Und hier macht man es uns möglich ein paar Mal im Jahr schwimmen zu können – allein. Dann sind nur wir und unsere Frühförder-Dame im Bad.

Bislang ist Jonathan nach dem schwimmen nie krank geworden. Und er hat einen wahnsinnigen Spaß! Wasser: ein Element das er lange Zeit nicht in der Form kannte und das ihn jetzt umso mehr fasziniert.

DAS IST NUN DIE PASSENDE STELLE UM DANKE ZU SAGEN: SIE MACHEN SICH IMMER UNGLAUBLICH VIEL ARBEIT FÜR UNS, GRADE MIT DEM SCHWIMMEN! ABER WENN ICH IN JONATHANS GESICHT SEHE WÄHREND WIR PLANSCHEN DANN WEISS ICH DAS ES DIE MÜHE WERT IST: SIE MACHEN IHN GLÜCKLICH. VIELEN DANK DAFÜR…AN SIE UND ALLE ANDEREN DIE AN DIESER ERFAHRUNG BETEILIGT SIND.


Die Taufe
Als ich 14 war ist meine Mutter gestorben. Viele wenden sich in solch einer Situation von Gott ab…doch ich habe erst durch diesen Schicksalsschlag zur Kirche und zum Glauben gefunden. Ich bin gläubig - so gläubig das ich sogar mal Pfarrerin werden wollte. Deswegen stand von Anfang an fest das Jonathan getauft werden würde. Ich brauche das Wissen „das Gott seine Hand über mein Kind hält“.

Mein Mann und ich gehören verschiedenen Glaubensrichtungen an (er ist katholisch und ich evangelisch), doch da mein Mann weiß WIE wichtig Religion und Glaube für mich sind: durfte ich über die Taufe entscheiden. Also sollte Jonathan evangelisch getauft werden.

Normalerweise hätte ich bevorzugt das Jonathan in den ersten drei Lebensmonaten getauft wird – doch da er in dieser Zeit im Krankenhaus war und eine „schöne“ Feier hier nicht möglich gewesen wäre..habe ich schweren Herzens mit der Planung abgewartet.

Jonathan wurde im September aus der Klinik entlassen und bis wir dann in den Alltag gefunden hatten…kam schon Weihnachten und Silvester…das alles war nicht der richtige Zeitpunkt für eine Taufe – die mir so viel bedeutete! Jetzt war das neue Jahr auch schon einige Wochen alt und ich begann zu überlegen wann der geeignete Termin sein könnte…

Und auf einmal kam mir ein Gedanke…der mich nicht mehr los ließ! Ich wusste GENAU SO sollte es gemacht werden, GENAU DAS passte zu Jonathan und uns!!

Die Osternacht!!

In der evangelischen Kirche ist Ostern der höchste und wichtigste Feiertag. Das Fest der Auferstehung Jesu…ein Fest das Christen Hoffnung schenkt, beginnt doch in diesem Moment etwas neues, etwas Besonderes: das Leben nach dem Tod - der nicht das Ende, sondern ein Anfang ist.

Könnte es einen schöneren Moment als diesen geben um Jonathan in den Schoß der Kirche zu übergeben??? Jonathan würde nicht so lange leben, war es nicht ein starkes Symbol ihn in dieser Nacht Gott anzuvertrauen wo wir das ewige Leben feierten und den Neuanfang den der Tod brachte???

Für mich war das DER EINE Moment den ich wollte.

Also habe ich mit unserem Pfarrer telefoniert und einen Termin für ein Gespräch vereinbart. In unserer Gemeinde wird die Osternacht tatsächlich NACHTS gefeiert: in einem Gottesdienst der in den frühen Morgenstunden beginnt. Ich war nicht ganz sicher ob in diesem Gottesdienst auch Taufen durchgeführt werden…

Doch in einem persönlichen Gespräch beruhigte mich der Pfarrer: er würde Jonathan in der Osternacht taufen, auch wenn er noch nie ein so kleines Baby mitten in der Nacht getauft habe – es hatte ihn noch niemand darum gebeten, weil den Eltern das frühe Aufstehen mit einem Säugling vermutlich zu anstrengend sei. Das machte uns aber überhaupt keine Sorgen!! Jonathan war schon von jeher eine kleine Nachteule, die Schwestern der Frühchenstation können davon ein Lied singen! 8o))

Jetzt musste ich nur noch Patentante und Patenonkel klarmachen dass sie zu nachtschlafender Zeit in der Kirche sitzen sollten…doch zum Glück waren die beiden überhaupt nicht geschockt, fanden die Idee im Gegenteil sehr schön!!

Und es war ein WUNDERSCHÖNER Gottesdienst!! Unsere Kirche ist aus dem Jahr 1791: sie ist innen vorwiegend aus Holz und von der Grundfläche her klein, dafür aber über 3 Etagen gebaut. Während des gesamten Gottesdienstes brannte in der Kirche kein Licht, nur hunderte von Kerzen. Als die Taufe begann kamen von der obersten Empore Pfarrer und Gemeindemitglieder langsam herunter – und zwar singend und mit brennenden Kerzen in den Händen. Jeder Kirchenbesucher hatte eine kleine Kerze im Glas erhalten die nun auch entzündet wurden, um das neue Gemeindemitglied mit Licht zu begrüßen – quasi um „das Licht für es leuchten zu lassen“. Grade für mich war das ein so bewegender Moment!! Gänsehaut und Tränen in den Augen. Wir standen mit den Paten und dem Pfarrer am Taufbecken und blickten in die Kirche die von hunderten Lichtern erleuchtet wurde. Unfassbar schön!

In diesem Moment war ich froh dass ich so lange gewartet hatte Jonathan taufen zu lassen…



Jede Menge Klinikaufenthalte
Der erste Krampfanfall
Es war 2016 und nicht mehr lange bis zu Jonathans erstem Geburtstag. Wir freuten uns alle riesig darauf!! War es für uns doch nicht nur ein „normaler“ Geburtstag, sondern auch ein gefühlter Neubeginn: zum einen waren wir grade in mein Elternhaus eingezogen (meinen Eltern war es mittlerweile -wo meine beiden Geschwister und ich aus dem Haus waren- zu groß, sie hatten es uns übergeben und sich eine Mietwohnung genommen), zum anderen würden wir an diesem Tag das erste Lebensjahr das so unschön und psychisch belastend gewesen war hinter uns lassen und könnten uns dann voll und ganz auf das konzentrieren was vor uns lag. Durchatmen und ein Stück weit vergessen. Grade ich fieberte diesem Tag so sehr entgegen: ab dann würde ich alles mit Jonathan zu Hause erleben, alle Daten die vorher mit Erinnerungen an Untersuchungen oder Gespräche belastet waren würden eine neue und schönere Erinnerung bekommen.

Wir wollten einen Ausflug an Jonathans Geburtstag machen: es war ein Samstag und so hatten mein Mann und Marvin auch frei. Ein nahegelegener Zoo sollte es werden. Da gab es Elefanten und Giraffen und ich war gespannt wie deren Größe auf Jonathan wirken würde…

Allerdings hatte Jonathan jetzt die 3kg-Marke erreicht und wir vereinbarten ein Gespräch mit den Chirurgen unserer Klinik um einen Termin festzulegen für die Operation am Leistenbruch.

Leicht gefallen ist mir das nicht. Ich hatte Angst…wahnsinnige Angst die mir den Hals zuschnürte. Keiner wusste wie Jonathan auf eine Narkose reagieren würde. Er HATTE Hirnfehlbildungen und litt unter Elektrolytverlust: was wäre wenn er nicht mehr aufwachen würde??? Am liebsten hätte ich ihn gar nicht operieren lassen und dauerhaft den Leistenbruch reponiert…aber das war natürlich keine Option!!

Also sind wir in die Klinik gefahren um die Vorbesprechung zu machen. Wir hatten einen Termin mit dem Chirurgen vereinbart den ich fälschlicherweise für einen Studenten gehalten hatte, er war uns nämlich total sympathisch und schien fachlich sehr kompetent. Diesen Arzt wollte ich unbedingt als Operateur für Jonathan haben, denn ich hatte Vertrauen zu ihm.

Wir kamen in der Klinik an (ich MEGA aufgeregt und mein Mann wie immer die Ruhe selbst) und wurden direkt in eine Behandlungszimmer gebracht damit wir nicht mit Jonathan im Wartezimmer sitzen mussten. Nach einiger Wartezeit ging die Tür auf und ein uns unbekannter Arzt betrat den Raum. Er hat sich uns vorgestellt und gesagt dass er sich Jonathan mal ansehen würde. Ich muss zugeben dass ich etwas irritiert war: wir hatten eigentlich einen anderen Arzt erwartet…dazu kam das der erste Eindruck nicht so ganz perfekt war: mein Mann und ich haben den Arzt als etwas kurz angebunden und auch kühl/distanziert empfunden.

Er hat Jonathan untersucht und festgestellt das der kleine Mann auch noch einen einseitigen Hodenhochstand hat der ebenfalls bei der Operation beseitigt werden sollte. Das bedeutete natürlich einen größeren Eingriff und eine längere OP-Zeit. Jetzt hatte ich erst Recht Angst. Und habe gefragt wie dringend es sei den Hodenhochstand zu operieren? Was hatte es für Konsequenzen wenn man es nicht machen ließe?? Aber der Arzt hat mich darüber aufgeklärt das bei Jonathan ein Hoden gar nicht mehr tastbar sei, das heißt er liege in der Bauchhöhle. Und wenn man das wiederum zu lange unbehandelt lässt steigt das Risiko von Hodenkrebs. Also hatte ich wohl keine Wahl: auch der Hodenhochstand musste direkt korrigiert werden.  

Wir haben einen Termin für Ende Mai vereinbart, nach seinem Geburtstag - und unserer kirchlichen Hochzeit. Denn das beides ordentlich zu feiern wollte ich mir nicht nehmen lassen!


Aber es kam alles anders…





Eineinhalb Wochen vor Jonathans erstem Geburtstag stand eine große Impfung an: MMRV, also Mumps/Masern/Röteln/Varizellen (Varizellen = Windpocken). Es war nicht seine erste Impfung und so rechnete ich mit Fieber für ein oder zwei Tage. Als ich mich auf den Weg zum Kinderarzt machte hatte ich schon den Medikamentenschrank kontrolliert: waren noch fiebersenkende Mittel da?? Und waren sie noch haltbar und voll?

Schon am Abend des Impftages hat Jonathan hohes Fieber bekommen und war schlapp und erschöpft. Aber wir waren ja darauf eingestellt und haben ihm gleich Medikamente gegeben. Ich weiß nicht mehr ob es am nächsten oder übernächsten Morgen war…aber er hat an Brust und Rücken Ausschlag bekommen…

Sofort habe ich beim Kinderarzt angerufen und bin zu ihm gefahren. Er schaute Jonathan an und fragte wie hoch das Fieber sei und ob es sinke wenn ich Medikamente geben würde – das tat es nur unwesentlich… Jonathan hatte eine Impfreaktion: bei 2 von 100 Kindern treten nach dieser Impfung Fieber und Ausschlag auf…also weiter Medikamente geben, schauen das er ordentlich trinkt und ausreichend schläft und dann einfach abwarten. Okay…ich war etwas beruhigt.

Es vergingen dann noch ein oder zwei Tage…der Ausschlag wurde immer stärker. Breitete sich über den ganzen Körper und das Gesicht aus. So etwas hatte ich noch nicht gesehen! Es waren rote Flecken mit unregelmäßigen Rändern, manche flach und manche etwas erhaben, schorfig und/oder pickelig.

Jonathan hat nur noch geschrien. Das Fieber war nicht unter 39 Grad Celsius zu bekommen und er wollte weder essen noch trinken. Vormittags lag er in meinem Arm und weinte so furchtbar, er klang einfach gequält. Ich sah dass er schlafen wollte aber immer wieder wachte er auf und schrie wie am Spies. Nach einer Stunde wurde ich total unruhig. Mir war schlecht und ich bekam Angst. Ich wollte SOFORT mit meinem Kinderarzt sprechen, irgendwas stimmte da nicht.

Ich habe in der Praxis angerufen und bin sofort losgefahren. Vorher habe ich noch meinem Mann eine SMS geschrieben dass er früher Feierabend machen und heimkommen soll denn irgendwas sei ganz und gar nicht in Ordnung.

Mein Kinderarzt warf einen Blick auf Jonathan und sagte dass dies eine so starke Impfreaktion sei wie er sie seit bestimmt 10 Jahren nicht mehr gesehen habe.

Ich sollte weiterhin viel zu trinken anbieten und die Räume in denen wir uns aufhalten abdunkeln: Jonathan würden die Augen wehtun wenn es zu hell sei. Wir bekamen eine Creme mit der ich den Ausschlag eincremen sollte damit er nicht juckt. Auch weiterhin Fiebersenkende Medikamente geben - Ibuprofen und Paracetamol immer im Wechsel und das alle paar Stunden. Wenn das Fieber nicht sinken würde: Brustwickel. Und zur Not erneut beim Kinderarzt anrufen.  

Jetzt wusste ich was mit Jonathan los war und ich konnte etwas dagegen unternehmen. Ich war erleichtert und ruhig als ich nach Hause fuhr. Das würden wir schon überstehen: in eine paar Tagen war der Spuk vorbei!

Mein Mann kam trotzdem früher von der Arbeit nach Hause. Wir haben zu Abend gegessen. Ich habe noch ein paar Fotos von Jonathan gemacht weil ich dachte das ich den Ausschlag dokumentieren muss: damit ich später anderen Eltern von MOPD-Kindern nahe legen kann diese Impfungen einzeln durchführen zu lassen um das Risiko einer so starken Reaktion zu minimieren….

Dann hat mein Mann Jonathan genommen und ist mit ihm kuscheln gegangen während ich in der Küche für Ordnung gesorgt habe. Und plötzlich…

(..ich bekomme immer noch Gänsehaut und es ist SEHR schwer für mich diese Momente noch einmal zu durchleben während ich sie aufschreibe…dieser heutige Bericht ist für MICH der emotionalste den ich bisher geschrieben und veröffentlicht habe…und ich habe für diese wenigen Seiten fast zwei Wochen gebraucht - weil ich oftmals nicht mehr in der Lage war weiter zu schreiben und mich in diese Momente zurückzuversetzen….auch Korrektur lesen war mir nicht möglich, deswegen entschuldigt Grammatik und/oder Rechtschreibfehler…)

…schrie mein Mann: „Komm schnell! Ich glaube er hat einen Krampf!“…ich dachte zuerst an einen Krampf im Bein, einen Wadenkrampf..ich habe mir gar nichts schlimmes dabei gedacht. Aber da mein Mann so laut und vehement gerufen hat bin ich aus der Küche Richtung Wohnzimmer gelaufen, mein Mann kam mir schon entgegen und hielt mir unseren Sohn hin. Ich habe ihn genommen und betrachtet: er war schlaff, die Augen waren verdreht und schauten nach rechts oben – es war fast nur weiß zu sehen, dabei zuckte er unkontrolliert mit dem Kopf und reagierte nicht auf Ansprache.

Mir wurde flau….die Ärzte in der Klinik hatten uns wegen der Hirnfehlbildungen Krämpfe prophezeit. Unser Kinderarzt hatte zu Anfang immer wieder heruntergebetet wie ich reagieren solle wenn Jonathan einen Krampf bekäme. Aber mit der Zeit hatten wir alle verdrängt dass so etwas passieren könnte!!! Wenn die Monate ins Land gehen und nichts Schlimmes passiert dann wähnt man sich auf der sicheren Seite und vergisst die Gefahr.

Jetzt hieß es aber einen kühlen Kopf bewahren und sich daran erinnern was der Kinderarzt gesagt hatte….

Ich habe meinem Mann Jonathan zurückgegeben und gesagt dass er ihn in die stabile Seitenlage bringen soll. Auf Jonis Zunge und ein mögliches Erbrechen achten soll und ich in der Zeit den Notarzt rufen würde.

Für mich wäre es in diesem Moment nicht möglich gewesen mich mit Jonathan zu befassen. Sein Gesichtsausdruck, das Zucken…ich konnte das NICHT ertragen!! Und wollte das auch nicht anschauen müssen. Zum Glück war DAS für meinen Mann ok, er hätte aber nicht die richtigen Worte gefunden um dem Notarzt deutlich zu machen was bei uns grade geschah. Wir machten also Teamwork…

Ich sagte dem Notruf genau das was mein Kinderarzt mir aufgetragen hatte zu sagen: „Hallo, mein Kind hat einen extrem seltenen Gendefekt. Er hat eine Lissenzephalie (das bedeutet: glattes Gehirn, ohne Windungen) und die Neigung zu Krämpfen. Er krampft grade und wir brauchen sofort einen Arzt.“

Gefühlte Ewigkeiten vergingen…in dieser Zeit habe ich meinen Vater angerufen und im Kasernenhof-Ton erklärt: „Jonathan hat einen Krampf, der Notarzt kommt, wir müssen in die Klinik. Komm bitte her und kümmere Dich um Marvin!“ …und die Tasche für die Klinik gepackt: für meinen Mann und auch für Jonathan. All das konnte ich tun. Aber mein Kind ansehen konnte ich nicht. Ich habe es nicht ertragen ihn so zu sehen. Unter Krämpfen, das Gesicht entstellt, unkontrolliert zuckend und nicht ansprechbar.

Für meinen Mann war das kein Problem. Er lag mit Jonathan auf dem Boden, hat ihn in der Seitenlage gehalten und gesungen…ich hätte keinen einzigen Ton herausbekommen!!

Dann steht mein Mann plötzlich auf und sagt: „Es ist vorbei, er krampft nicht mehr!“ Ich renne hin, es stimmt. Jonathan ist entspannt und sieht mich an. Erleichterung!!! Uffff….zum Glück!!

Und dann ging es direkt wieder los….er zuckte…die Augen verdreht…bekam nichts mehr von seiner Umgebung mit.

Mein Mann hat sich mit ihm wieder auf den Boden gelegt und zum Glück kam dann auch der Notarzt. Ich habe alles heruntergebetet was der Kinderarzt mir aufgetragen hat: welche Medikamente er bekommt und was das Problem mit seinem Gehirn ist…der Arzt solle bitte einfach direkt etwas Entkrampfendes spritzen. Zum Glück hat der Arzt meine Aussagen auch nicht in Frage gestellt. Aber er hat vorher noch in unserer betreuenden Kinderklinik angerufen: Jonathans Größe und Gewicht haben ihm Sorgen gemacht, er wollte wissen wie viel Milligramm Medikament er ihm geben darf.

Auf dem Boden im Wohnzimmer lagen nun mein Mann und Jonathan, der immer noch krampfte, der Notarzt und zwei Sanitäter. Damit die zwischendurch mal ans Auto gehen konnten stand die Haustür offen. Und auf einmal stand mein Vater im Raum…er blickte auf die Szene: die ganzen Menschen, Müll von medizinischem Material, Geräte und zwischendrin sein Enkel. Mein Vater war sehr betroffen und musste erstmal feste schlucken.

Mittlerweile hatten wir auch Marvin, der im Obergeschoss in seinem Zimmer gewesen war, gerufen und ihm erklärt was hier grade passierte. Ich machte mir große Sorgen um ihn: würde ihn das sehr schocken seinen Bruder so zu sehen?? Würde er es verkraften?? Zudem hatte ich zu diesem Zeitpunkt Angst das Jonathan sterben könnte – und Marvin wäre dann live dabei. Aber…was sollte ich tun? Ich musste es dem Großen ja sagen! Ich konnte ja schlecht einfach ins Krankenhaus verschwinden und ihn allein und im Ungewissen lassen….das wäre mit Sicherheit noch schlimmer als ihn mit der Wahrheit zu konfrontieren. Zumal wir Marvin von Anfang an immer die Wahrheit gesagt hatten was seinen Bruder betraf.

Nun saßen Marvin und mein Papa also auf der Couch. Der Notarzt hatte mittlerweile mit dem Krankenhaus telefoniert und sogar eine Ärztin erreicht die uns noch aus Krankenhauszeiten kannte, er musste also nicht viel zum Krankheitsbild erklären. Er bekam das OK für DIAZEPAM, und zwar 5mg rektal. Jeder der medizinisch etwas versiert ist weiß das diese Dosis auch für Kinder mit 20/25 Kilogramm Körpergewicht ausreicht – und Jonathan hatte zu diesem Zeitpunkt etwas über 3kg Gewicht.

Dementsprechend war Jonathan kurz nach der Medikamentengabe mehr als benommen, sozusagen „komplett weg geschossen“…aber der Krampfanfall war vorbei und er stabil genug zum Transport. In „unsere“ Kinderklinik, man hatte uns dort schon angekündigt.

Ich bin mit dem Krankenwagen mit gefahren weil ich mich nicht in der Lage fühlte jetzt ein Auto zu steuern. Mein Mann kam mit dem Auto hinterher. Und mein Vater blieb bei Marvin, mit „open end“: wir hatten keine Ahnung wie lange es dauern würde…welche Untersuchungen notwendig sein würden. Ob ein neuer Krampfanfall kommen würde….

Ich muss jetzt mal einen Dank loswerden - speziell an meinen Papa….er ist wirklich IMMER da!! IMMER! Sei es der Notkaiserschnitt spät am Abend oder der Krampfanfall: er kommt zu uns und bleibt wenn nötig die halbe Nacht bei uns sitzen damit Marvin nicht allein ist. In den Ferien unternimmt er mit Marvin und einem oder zwei seiner Freunde sehr viel, damit der Große auch was von den Ferien hat. Wenn Marvin den Schulbus verpasst oder nachmittags zu Freunden in einem anderen Ort möchte: mein Papa fährt ihn. Außerdem kauft er mir ein wenn Not am Mann ist und kümmert sich um unseren Garten. Oftmals kocht er auch mittags für uns wenn ich es nicht geschafft habe weil ein langer Termin mit Jonathan anstand. Alles in allem: mein Papa ist mit Gold nicht aufzuwiegen!! Ich bin so dankbar ihn zu haben…DANKE PAPA! FÜR ALLES!!

So, das musste jetzt mal gesagt werden!

Aber zurück zur Fahrt in die Kinderklinik. Der Arzt ist im Krankenwagen mit gefahren und hat abwechselnd mit mir Jonathan in der Seitenlage festgehalten – um ihn zu fixieren war der kleine Mann viel zu klein, selbst die Baby-Gurte waren für ihn meilenweit zu groß! Wir waren circa 40 Minuten unterwegs und bei  mir kamen schon die ersten Fragen nach den Konsequenzen auf: hatte Jonathans Hirn durch den Anfall Schaden genommen?? Sein Gehirn war ja sowieso schon nicht gesund, wenn jetzt noch durch den Anfall etwas kaputt gegangen war??? Außerdem lag Jonathan vor mir als sei er im Koma: würde er wieder aufwachen??? So viele Fragen die mich beschäftigten und mir RIESIGE ANGST machten…..

Echt unfassbar für mich ist: ich saß noch nicht richtig im Krankenwagen als mich schon die erste SMS erreichte in der ich gefragt wurde was denn der Krankenwagen bei uns macht…und diese SMS kam von jemandem der keinen direkten Blick auf unsere Hofeinfahrt hatte. Das bedeutet wohl dass unmittelbar nach Eintreffen des Notarztes schon herum telefoniert wurde um diese „Neuigkeit“ zu verbreiten! Aus Neugier?? Es zuerst zu wissen und  weiter erzählen zu können???

Vielleicht..denn ehrlich: jemand der WIRKLICH Anteil nimmt und sich Sorgen macht…der belästigt die Betroffenen in so einem Moment sicherlich NICHT mit Fragen!!

Ich kenne die Gründe für diese „Aktion“ nicht und es ist mir auch egal: ich habe diese SMS erst viele Stunden später gelesen. Aber selbst wenn ich sie zeitnah gelesen hätte glaube ich nicht dass ich darauf reagiert hätte weil ich es einfach MEHR als unangemessen fand.




Wir kamen in der Kinderklinik an (mein Mann war mit dem Auto direkt hinter dem Krankenwagen geblieben und deswegen zeitgleich vor Ort) und wurden sofort in einen Behandlungsraum gebracht. Die Ärztin die Dienst hatte kannte uns schon aus unseren Klinikzeiten, außerdem hatte sich schon herum gesprochen dass wir auf dem Weg waren und so kamen noch zwei Schwestern der Neonatologie vorbei um nach uns zu sehen. Das war wirklich sehr sehr schön und wichtig für mich! Ich fühlte mich mit bekannten Menschen um mich herum gleich viel ruhiger.

Mein Mann kümmerte sich um Jonathan, zog ihn aus und half der Schwester die Dioden und das Gerät zur Messung der Sauerstoffsättigung an ihm zu befestigen. Ich konnte Jonathan nicht anfassen, und auch nicht wirklich ansehen: er hing wie ein kleiner Sack in den Armen meines Mannes – komplett schlaff…die Augen halb offen und verdreht. Dabei gab er leise fiepende Geräusche von sich, als wolle er weinen und es ginge nicht…er sah einfach…geistig schwerstbehindert aus! Und nicht mehr wie mein Sohn der mich wach und neugierig betrachtete. Ich konnte es nicht ertragen ihn so zu sehen…vor allem nicht mit dem Hintergedanken das das Gehirn am Ende Schaden genommen haben und der Zustand dauerhaft so bleiben könnte! 

Ich konnte das Weinen nicht mehr unterdrücken…und ließ einfach los…die Ärztin und die Schwestern kannte ich schon, und es waren nicht die ersten Tränen die ich in dieser Klinik vergoss, also…

Diese Eindrücke und Bilder…bekomme ich bis heute nicht aus meinem Kopf..und bis heute habe ich Angst davor dass das wieder passieren könnte, diese Panik hat sich so in meinem Kopf manifestiert: ich kann bei Hitze nicht mit Jonathan Auto fahren aus Angst das er krampfen könnte…ich kann ihn nicht mit Blitzlicht fotografieren lassen aus Angst das das einen Krampf auslösen könnte…ich kann es nicht ertragen wenn er hysterisch schreit, am Ende bekommt er dann einen Krampf?? Ja: alles das hat dieser eine Abend ausgelöst.

Ich saß der Ärztin gegenüber, weinte und versuchte trotzdem ihre Fragen so genau wie möglich zu beantworten: was hatten wir gemacht als Jonathan anfing zu krampfen? Wie sah der Krampf aus? Wie lange hatte er gedauert?


Das war alles so irreal! War ich wirklich wieder hier? Ging es meinem Kind wirklich schlecht oder würde ich gleich aufwachen und alles war gut und wir zu Hause??

Es war real und man wollte Jonathan über Nacht hier behalten und überwachen. Ich habe meinem Mann gesagt dass ich nicht bleiben kann. Ich konnte Jonathan momentan kaum ansehen, wie sollte ich mich da um ihn kümmern??? Weil ich schon zu Hause gespürt hatte das diese Gefühle in mir waren hatte ich Kleidung für meinen Mann eingepackt – und nicht für mich….Und wieder einmal war es gut das mein Mann so ruhig und gelassen ist: ihm machte es überhaupt nichts aus bei unserem Kleinen zu bleiben. Jonathan war sein Sohn und der brauchte ihn nun – also kümmerte sich mein Mann um ihn. Ohne eine Träne zu vergießen oder zu jammern…

Ich habe die beiden noch auf die Station begleitet und Jonathan einen Kuss  gegeben, dann bin ich gefahren…irgendwie erleichtert das ich diese Mauern der Klinik hinter mir lassen konnte…andererseits auch wie in Trance weil ich nicht fassen konnte das wir schon wieder mit dem Kleinen stationär in der Klinik waren!

Von der Fahrt nach Hause habe ich irgendwie nicht viel mitbekommen. Meine Gedanken schweiften ab…die Eindrücke dieses Abends, das Unverständnis über das was heute passiert war…die Angst wie Marvin das verkraften würde…die Angst ob Jonathan Schaden genommen hatte. Es war sehr viel was auf mich einstürzte….

Zu Hause wartete mein Papa schon ungeduldig auf mich und Neuigkeiten. Ich konnte ihm sagen dass der Krampf vorbei war, dass Jonathan soweit stabil sei. Aber ich musste ihm auch erklären das uns niemand sagen könne ob sein Gehirn Schaden genommen habe – ob er aufwachen würde…und wenn er aufwachte: ob er dann derselbe war wie noch heute Nachmittag. Immerhin: er lebte..und war nun in den besten Händen.
Marvin hatte am nächsten Tag Schule und deswegen nicht auf mich warten dürfen. Doch mein Papa erzählte mir das Marvin sehr mitgenommen gewesen sei, er habe große Angst um seinen Bruder ausgestanden…Angst das sein Bruder sterben könne – wie Marvins Papa ein paar Jahre zuvor.

Deswegen bin ich zu Marvin gegangen, habe ihn geweckt und ihm gesagt das alles gut sei und Jonathan am Leben. Danach konnte mein Großer gut und ruhig schlafen…

Im Gegensatz zu mir..zuerst musste ich das Wohnzimmer aufräumen: die Verpackungen und Materialien die der Notarzt benutzt hatte lagen noch herum…die ganze Situation wurde real für mich, ich hatte die Bilder von vorhin wieder im Kopf…

…ganz ehrlich? Ich habe mir erst mal einen doppelten Whiskey genehmigt und bin dann ins Bett gegangen…aber ich war unruhig…träumte schlecht in dieser Nacht und bin früh aufgestanden weil es nichts mehr gebracht hätte sich weiter im Bett hin und her zu drehen, ich fand ja doch keine Ruhe.

Ich habe Marvin Schulbrote gemacht und als er aufgestanden war habe ich ihm gesagt dass er nach der Schule zu seinen Großeltern ginge weil ich in die Klinik fahren würde.

Als ich grade losfahren wollte Richtung Klinik bekam ich eine SMS von meinem Mann: „Er krampft schon wieder.“ Ich habe auf´s Handy gestarrt und konnte die Worte trotzdem nicht richtig sehen. Habe geantwortet dass ich losfahre, aber im Berufsverkehr sicherlich zwischen 45 und 60 Minuten für den Weg benötigen würde.

Ich war wie in Trance. Und hoffe das niemals ein Polizist diesen Blog liest, denn ich habe während der Fahrt einige SMSen meines Mannes gelesen: „Die Ärzte bringen Jonathan jetzt auf die Intensivstation.“ ..und: „Er krampft immer noch.“……“er krampft jetzt seit fast 45 Minuten“….“Ich wurde aus dem Zimmer geschickt, der Klinikleiter ist bei ihm.“…

Während der Fahrt dachte ich wirklich dass ich mein Kind nicht mehr lebend sehen würde, dass der Kuss am Abend davor der letzte gewesen sei. Diese Fahrt in die Kinderklinik war die Hölle und es kam mir vor als würde ich mit meinem Auto überhaupt nicht vorwärts kommen…

Doch irgendwann war ich da und bin auf die Intensivstation gegangen. Mein Mann war immer noch im Wartezimmer und hatte keine neuen Informationen. Es war eine schreckliche Situation!! Dort zu sitzen, und nicht zu wissen was los war – ob Jonathan überhaupt noch lebte??

Unsere Gedanken standen im Raum und deswegen…so furchtbar das auch ist!...haben mein Mann und ich uns in dieser Situation darüber unterhalten wie weit wir überhaupt gehen wollen: welche Maßnahmen dürfen die Ärzte ergreifen und wo ist für uns der Punkt gekommen Jonathan gehen zu lassen?? Er hat einen lebensverkürzenden Gendefekt, wann sind Maßnahmen zur Wiederbelebung nicht mehr angemessen???

Ich denke kaum jemand kann nachvollziehen wie es sich anfühlt nur wenige Meter von seinem Kind entfernt darüber zu reden wann und wie man es sterben lassen will. Aber dieses Gespräch war notwendig und wir HABEN es geführt. Doch welche Entscheidung wir getroffen haben – bleibt bei uns, das ist zu persönlich um es zu teilen.

Die Minuten dehnten sich und fühlten sich an wie Stunden. Mein Mann ging mehrfach zu den Schwestern und fragte ob es etwas Neues gäbe, doch er bekam immer nur die Antwort dass die Ärzte noch bei Jonathan seien und man uns informieren werde sobald es etwas Neues gab.

Diese Zeit der Ungewissheit und der Angst hat sich so in mein Gehirn eingebrannt das ich heute noch das Muster auf der Tapete und jeden Fleck darauf aufmalen könnte. Ich dachte wirklich dass ich mein Kind nicht mehr lebend sehen würde…

Doch dann…teilte man uns mit das wir nun zu Jonathan könnten, er sei stabil. Er hatte einen GRAND MALE ANFALL und der Klinikleiter hatte ihm einen ZVK (einen Zentralen Venenkatheter) über den Hals ins Herz legen müssen um ihm Medikamente zu geben.

Er lebte!!! Ich konnte es nicht glauben!! Allerdings konnte uns nun erst recht niemand sagen ob sein Gehirn Schaden genommen hatte…der Anfall hatte SEHR LANGE gedauert. Man würde mehr wissen wenn Jonathan aufwache…

Wir durften zu ihm: da lag er…so klein und total verkabelt in seinem Bettchen. Hochheben und ihn im Arm halten war nicht möglich wegen des ZVK, wir mussten uns damit begnügen seine Hände festzuhalten oder ihn zu streicheln. Die Schwestern sagten uns das er noch einige Stunden schlafen würde, das Medikament das man ihm zur Krampflösung gegeben habe sei wirklich sehr stark.

Also beschlossen mein Mann und ich uns nach dem Schreck in der Kantine des Krankenhauses zu stärken und auch mal kurz durchzuatmen um den Schreck zu verdauen.

Auf dem Stationsflur begegneten wir dem Chirurgen der Jonathans Hodenhochstand festgestellt hatte. Ich grüßte und wollte weitergehen, doch er hielt mich auf und sagte dass er zu uns wolle. Er hätte auf der Belegungsliste gelesen dass wir da seien und wollte sich mal erkundigen wie es Jonathan gehe.

Das hat mich SCHWER beeindruckt!! Als Chirurg war er bei einem Krampfanfall mit Sicherheit NICHT zuständig, das heißt dass sein Interesse wirklich unserem Sohn galt. In diesem Moment habe ich ihm mein Herz geschenkt! Und es bis heute nicht bereut. Er ist ein ganz toller Mensch und ein wundervoller Arzt. Wenn man ihn kennt ist er weder kühl noch kurz angebunden – eher im Gegenteil! Er ist einer der warmherzigsten Ärzte die wir kennen und hat ein EHRLICHES Interesse an unserem Sohn. Ich bin sehr froh dass wir ihn kennengelernt haben!! Und gestehe an dieser Stelle reuevoll ein dass mich mein erster Eindruck SEHR getäuscht hat!!

Wir haben also kurz mit diesem Arzt geredet und ihm alles erzählt, ihm auch unsere Ängste darüber mitgeteilt das Jonathan einen bleibenden Hirnschaden davon getragen haben könnte. Er versprach am nächsten Tag erneut bei uns vorbeizukommen und nach uns zu sehen.

Mein Mann und ich machten eine Pause, aßen und tranken etwas und gingen danach wieder auf die Station -  Jonathan schlief.

Zwei Damen der Neurologie kamen vorbei um ein EEG zu machen. Sie „verkabelten“ Jonathan und begannen die Auswertung. Leider durften sie keine Aussagen zu den Ergebnissen treffen, „das würde dann ein Arzt mit Ihnen besprechen“. Furchtbar wenn man als Eltern so im Ungewissen gelassen wird!!! In so einer beängstigenden Situation will man alles – aber nicht noch WARTEN auf neue Befunde!!

Immerhin konnte ich Hirnströme auf dem EEG sehen, das hieß das Hirnaktivität vorhanden war und das war doch schon mal eine Erleichterung!

Es wurde Nachmittag: Jonathan schlief immer noch und wir konnten hier momentan nichts weiter für ihn tun, also beschlossen wir nach Hause zu fahren und mit Marvin zu grillen. Für ihn war es auch ein Schock gewesen als Jonathan so unverhofft in die Klinik gekommen war und wir wollten Zeit mit ihm verbringen.

Mit den Schwestern haben wir vereinbart das sie sofort anrufen würden wenn Jonathan aufwache: einer von uns würde dann in die Klinik zurückkommen. Wir wollten Jonathan in die Augen sehen um zu beurteilen ob er noch genauso war wie vorher – oder eben nicht. Denn das war etwas das uns große Sorgen und Angst machte. Ich hatte mich ja mittlerweile mit der Tatsache arrangiert das ich ein behindertes Kind habe – aber ein geistig SCHWERST behindertes Kind…das war weiterhin eine Horrorvorstellung für mich und ich wollte so schnell als möglich wissen woran ich war.

Wir fuhren heim und grillten mit Marvin. Aber ich war mit meinen Gedanken woanders: wie ging es Jonathan? War er wach? Warum riefen die Schwestern nicht an? Schlief er etwa immer noch??

Nach dem Essen meinte mein Mann das ich doch in der Klinik anrufen und nachfragen solle, sonst hätte ich sowieso keine Ruhe. Also habe ich das gemacht. Und die Antwort bekommen das Jonathan immer noch schlafe. Ich war entsetzt: er schlief immer noch? Seit heute MORGEN? War das normal oder ein Zeichen für einen Hirnschaden?? War es ein Koma? Würde er überhaupt jemals wieder aufwachen???

Und dann hatte ich einen Nervenzusammenbruch. Glaube ich. Ich habe geweint, gebrüllt und geschrien: „Ich will das er bei mir ist. Ich will mein Baby. MEIN BABY!! SOFORT!“ Habe mich auf dem Boden zusammen gekrümmt…konnte nicht aufhören zu heulen und zu schreien. Es war einfach alles zu viel in diesem Moment. Die Anspannung und die Belastung brach sich Bahn.

Mein Mann hat mich ins Bett gebracht und mir eine Schlaftablette gegeben so dass ich wenigstens etwas Ruhe finden konnte.

Am nächsten Morgen ging es mir besser. Wir haben in der Klinik angerufen und man teilte uns mit das Jonathan eben ganz kurz wach gewesen sei und ein wenig Milch getrunken habe. Das war doch schon mal ein gutes Zeichen!!!

Mein Mann und ich machten uns auf den Weg ins Krankenhaus, wir wollten Jonathan selbst in die Augen sehen.

Als wir dort ankamen schlief er wieder. Aber einige Elektroden waren entfernt worden und die Schwestern sagten uns wenn wir auf den ZVK aufpassten könnten wir ihn ruhig auf den Arm nehmen und wecken. Jetzt hielt mich nichts mehr! Ich habe ihn hochgenommen, er war in Decken und Tücher gewickelt und nackt bis auf die Windel. Endlich durfte ich mein Baby wieder in den Armen halten und seine Wärme spüren.

Ich habe ganz leise mit ihm geredet und seinen Namen gesagt um ihn zu wecken. Er schlug die Augen auf und…sah mich genauso aufmerksam und wach an wie immer! Das war derselbe Blick aus seinen grau-blauen Augen wie immer!! Mir kamen die Tränen, ich war SO erleichtert!!

Nicht nur das uns Zeit mit ihm geschenkt worden war – uns war Zeit mit demselben Kind geschenkt worden wie vorher. Offensichtlich hatte sein Gehirn keinen weiteren Schaden genommen…(das teilte uns an diesem Tag dann auch ein Arzt mit: die Auswertung des EEG habe ergeben das die Krampfanfälle keine weiteren Schädigungen ausgelöst hätten.)

Allerdings war Jonathan müde und erledigt, das sah man ihm an. Er konnte die Augen nur wenige Minuten offen halten und schlief dann direkt wieder ein.

Ich war glücklich und unendlich erleichtert. Während ich dort saß und mein schlafendes Baby in den Armen hielt habe ich mir geschworen alles klaglos anzunehmen was mich mit Jonathan erwartet…denn ich hatte gespürt wie groß meine Angst war ihn zu verlieren…

Wie versprochen kam der Chirurg vorbei und erkundigte sich nach uns. Ich denke auch er war erleichtert uns so glücklich und zuversichtlich vorzufinden. Dass er sein Versprechen hielt und sich die Zeit nahm nach uns zu sehen hat mir wirklich sehr viel bedeutet!!

Es war Nachmittag geworden auf der Intensivstation der Kinderklinik. Wir hatten Jonathan beide gekuschelt, wir hatten ihm zu essen gegeben, wir hatten beide gesehen das der Blick aus seinen Augen derselbe war wie vorher. Er hatte keinen weiteren Krampfanfall mehr gehabt, seine Werte waren alle stabil. Die Auswertung der Blutuntersuchung lag vor: Jonathan hatte tatsächlich eine sehr starke Impfreaktion. Im Klartext gesagt: er hatte Masern, Röteln und Windpocken…und zwar alles gleichzeitig!!

Die Frage die wir uns seit damals immer wieder stellen: kam der Krampfanfall von seinem fehlgebildeten Gehirn??? Oder war er eine Reaktion auf die Impfung??? Laut Aussage unseres Kinderarztes tritt ein      (Fieber-)Krampf nach dieser Impfung nur im Verhältnis 0,7 zu 1000 auf – das heißt, noch nicht einmal 1 von 1000 geimpften Kindern durchlebt das. Aber wir??? Die Krankheit selbst war schon so selten, sollten wir dann auch noch zu dem verschwindend geringen Kreis der Personen gehören die als Reaktion krampften??? Wir wissen bis heute nicht was der Auslöser war…

Aber: mittlerweile war der Ausschlag rückläufig, auch Fieber hatte Jonathan nicht mehr. Nun stellte sich die Frage: wie lange müssen wir noch hierbleiben??? Denn dieser Tag…war der Tag vor Jonathans erstem Geburtstag.




Bevor wir mit den zuständigen Stationsärzten die Frage nach der Entlassung klären konnten kam ein Arzt zu uns der sich als Jonathans behandelnder Neurologe vorstellte.

…als riesiger GREYS ANATOMY FAN hatte ich direkt ein Bild vor Augen und das habe ich auch kundgetan: „Aaaaa, wie Dr. Derek Sheppard!“ Worauf unser Arzt mir mitteilte dass er kein Neurochirurg sei, sondern „nur“ Neurologe und auch nicht so gut aussähe. Da musste ich das erste Mal herzhaft über ihn lachen!

Dieser Arzt sieht vielleicht nicht so aus wie der Schauspieler von Dr. Sheppard, aber er hat eine Ausstrahlung und einen Humor die einfach ganz GROSSE KLASSE sind! Mein Mann und ich mögen ihn unheimlich gern weil er die Wahrheit sagt, schonungslos und grade heraus: genau das, was wir an Ärzten mögen und schätzen.

Der Arzt hat mit uns besprochen das Jonathan ab sofort ein weiteres Medikament benötigen würde um zukünftigen Krampfanfällen vorzubeugen: Cepra, zweimal am Tag. Bei zunehmendem Gewicht müssten wir auch immer die Dosierung des Medikaments anpassen.

Der Arzt teilte uns seine Vermutung mit, dass die Krampfanfälle ausgelöst würden durch die Hirnfehlbildungen - und die seien einfach vorhanden und gingen ja nicht mehr weg. Leider ist in so einem Fall das Medikament nicht in der Lage die Anfälle komplett zu unterbinden, also müssten wir trotz des Medikaments auch zukünftig mit Krämpfen rechnen. Und deswegen bekämen wir auch noch ein Notfallmedikament das wir Jonathan unverzüglich verabreichen müssten sollte ein neuer Krampf auftreten.

Dieses Medikament wird mittels einer Spritze und eines speziellen Aufsatzes in die Nase gespritzt. Wir tragen es seit diesem Tag in einem kleinen Döschen IMMER UND ÜBERALL mit uns herum – haben es aber noch nie gebraucht. (Dreimal auf Holz geklopft!) Jonathan hatte seit damals keine weiteren Krampfanfälle und ich bin sehr dankbar dafür, denn schön war es nicht.

Doch das wussten wir an diesem Tag noch nicht, also haben wir ganz genau hingeschaut wie das mit dem Medikament funktionieren soll und haben das Aufziehen der Spritze geübt – und dabei lauter Kochsalzlösung durchs Krankenzimmer gespritzt! Woran unser Neurologe MINDESTENS so viel Spaß hatte wie wir. Es hat wirklich richtig Spaß gemacht nach diesen Tagen mal wieder herzhaft zu lachen!!!

Um sicher zu sein das wir es auch wirklich konnten haben mein Mann und ich zum Schluss noch einmal jeden einzelnen Schritt der Gabe des Notfallmedikaments langsam ausgeführt und dabei erläutert was wir tun. Ich gebe das Gespräch mal kurz wieder:
„Ich packe die Spritze aus.“
„EEEEEEXAKT!“
„Ich zerbreche die Ampulle.“
„EEEEEEXAKT!“
„Ich stecke die Nadel auf die Spritze um das Medikament aufzuziehen.“
„EEEEEEXAKT!“

…ich denke Sie ahnen wie das Gespräch weitergeht. 8o) Wir LIEBEN dieses EEEEEXAKT und es ist ein „running gag“ in unserer Familie geworden und wird bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit angewendet. Eine SCHÖNE ERINNERUNG an unsere Erlebnisse im Krankenhaus, und davon gibt es weiß Gott nicht viele!

Der Nachmittag wurde zum Abend und auch an diesem Tag ist mein Mann bei Jonathan in der Klinik geblieben. Zum Glück war die Intensivstation nicht so stark belegt in diesen Tagen, wir hatten einen Raum für uns allein und die Schwestern haben meinem Mann ein Klappbett neben Jonathans Bett gestellt.

Normalerweise ist es nicht üblich das Eltern auf der Intensivstation übernachten: die Überwachung durch das Personal ist dort so engmaschig das eine Betreuung durch einen Elternteil nicht notwendig ist. Aber man kam uns entgegen und wir sind sehr dankbar dafür: so musste Jonathan nicht komplett allein in einer fremden Umgebung sein die ihn unter Umständen auch ängstigte.

Zum Thema Entlassung…man war sich unschlüssig ob man uns nach Hause gehen lassen konnte. Zwar hatte Jonathan keine weiteren Krampfanfälle gehabt und sein Fieber wegen der Impfreaktion war auch abgeklungen. Aber er trank noch sehr wenig, wurde dabei immer wieder müde und schlief ein. Die Ärzte waren sich zwar bewusst das dieses Verhalten eine ganz normale Reaktion auf die starken Medikamente war, die Jonathan zur Krampflösung bekommen hatte – aber sie sagten das trotzdem das Risiko einer Unterzuckerung bestand wenn er zu wenig aß. Und DAS könnten wir zu Hause nicht kontrollieren: wohl aber im Krankenhaus. Und dort wäre man auch in der Lage ihm zur Not wieder eine Sonde zu legen und ihn darüber zu ernähren. (Das war für mich allerdings nicht wirklich ein Grund in der Klinik zu bleiben: denn Sonden legen konnten WIR ja auch!)

Wir vereinbarten also mit den Schwestern das ich am nächsten Morgen bevor ich Richtung Klinik aufbrechen würde, anrufen solle: dann könne man mir sagen ob Jonathan entlassen werde oder noch bleiben müsse. Im letzteren Fall würde ich dann seine Geschenke und seine Geburtstagstorte mit in die Klinik bringen.

Ich hoffte aber sehr dass es nicht dazu kommen würde denn die Torte hatte eine Tante meines Mannes, eine selbstständige Konditormeisterin, gebacken und sie war mit Marzipan überzogen und dekoriert mit WinniePooh-Figuren. Eine wunderschöne Torte mit der wir diesen für uns so wichtigen Tag abrunden wollten – aber eben auch eine Torte die sich nicht gut transportieren ließ ohne das die Figuren um- oder abfielen oder das Marzipan flüssig wurde…

Am Geburtstagsmorgen rief ich mit klopfendem Herzen in der Klinik an: ich wollte hören das ich meine Männer gleich abholen kommen dürfte. Doch leider teilte man mir mit das noch keine Entscheidung getroffen worden sei, die Visite käme am späten Vormittag und ich sollte doch lieber alles mitbringen.

Mit Tränen in den Augen habe ich dann die Geschenke (einen Autotransporter von den TutTut-Babyflitzern sowie einen Marienkäfer von Playmobil 1-2-3 den Marvin seinem Bruder schenken wollte) und die Torte eingepackt und bin losgefahren. Wenigstens hatte man uns zugestanden das Marvin mitkommen durfte: WENN er sich vor dem Betreten der Station komplett untersuchen ließe und wir seinen Impfausweis mitbringen würden. Ich danke an der Stelle den Ärzten und Schwestern der Intensivstation für Ihre Großzügigkeit. Mir ist bewusst dass es nur möglich war weil wir ein Einzelzimmer hatten mit direktem Zugang zum Flur, so dass Marvin die Station nicht betreten musste. Trotzdem: vielen Dank das wir wenigstens zusammen sein konnten an diesem Tag!!

Nachdem Marvin dann untersucht und für komplett gesund befunden wurde durften wir zu Jonathan. Er lag in den Armen meines Mannes und war so schlapp und müde…es war furchtbar!! Hatte ich mich doch so lange auf diesen besonderen Tag gefreut weil ich die Klinikzeiten vergessen wollte und nun waren wir GENAU HIER wo alles angefangen hatte. Wieder die Maschinen und Geräusche und Gerüche…GANZ FURCHTBAR, mir war der Hals so eng!!! Marvin und ich haben versucht Jonathan ein wenig zu knuddeln und ihn zu küssen, doch immer noch hingen Elektroden an ihm und er hatte immer noch den ZVK, deswegen gestaltete sich das alles sehr schwierig.

Geschenke auspacken….wir haben es versucht. Doch Jonathan war viel zu schwach und hat die Sachen auch nur lustlos betrachtet. Dabei hatten wir uns diesen Moment so oft vorgestellt und in den schönsten Farben ausgemalt…nun war alles anders und nicht schön. Ich wurde von Minute zu Minute trauriger.

Irgendwann habe ich Jonathan dann gehalten und ihn angesehen. Mir kamen die Tränen: es war wie eine Dauerschleife in meinem Kopf „heute ist sein 1.Geburtstag und er ist wieder im Krankenhaus“…“Der Tag ist nicht so wie wir ihn gestalten wollten und diesen Tag kann man auch nicht mehr zurückholen“..

Genau in dem Moment als ich merkte dass ich gleich das Schluchzen nicht mehr würde unterdrücken können – kam die Visite. Ich weiß gar nicht mehr genau wer alles dabei war, ich weiß nur noch das der Klinikleiter der Kinderklinik dabei war und er mich fragte wie es Jonathan und mir ginge. Oje…das war der falsche Moment für so eine Frage!! Ich fing an lauthals zu weinen und habe ihm gesagt dass Jonathan heute Geburtstag hat und ich mir diesen Tag ganz anders vorgestellt hatte! Das wir eigentlich heute einen Ausflug in den Zoo machen wollten um mit der langen Zeit in der Klinik abzuschließen, um nach vorne zu blicken und zu vergessen was alles gewesen ist – und nun seien wir ausgerechnet wieder HIER!! ..außerdem habe ich ihm gesagt das ich zwei Tage zuvor einen Zusammenbruch hatte und keine Ahnung hätte wie ich es in diesen vier Wänden nun WIEDER aushalten sollte, ich hätte einfach keine Kraft mehr für den Klinikalltag.

Dann habe ich Luft geholt und ….mich richtig geschämt. Dieser Ausbruch von Worten und Tränen war mir so peinlich! Wusste ich doch das die Ärzte, und grade der Klinikleiter, so viel für uns getan hatten und uns hier so gut betreuten. Und ich konnte nur „meckern“. Aber es war geschehen: das alles war einfach aus mir rausgebrochen. Ich wischte mir also energisch die Tränen ab, sah ihn an und hoffte dass er nicht sauer war.

War er nicht…überhaupt nicht! Er hat mich angesehen und mir gesagt dass er mich SO GUT verstehen und total nachempfinden kann was ich fühle! Schließlich kannten wir uns schon seit Beginn unserer Klinikzeit und er wusste wie anstrengend die Monate auf der Neonatologie für uns gewesen waren.

Und dann sagte er: „Na, dann packen Sie mal alles zusammen und fahren Sie mit Ihrem Geburtstagskind heim! Einen Ausflug können Sie heute vielleicht nicht machen, aber wenigstens ein paar Stunden zu Hause feiern und gemeinsam Kuchen essen!“…Ich blickte ihn sprachlos an und…heulte los. Schon wieder!! Meine Güte, ich kam mir vor wie eine Heulboje!! Schlimm! Denn normalerweise habe ich NICHT so nah am Wasser gebaut. Ich habe dann noch zweimal nachgefragt ob er das ernst meint oder mich veräppeln will, aber er sagte dass er es genauso meint. Die Ärzte könnten jetzt auch nicht mehr tun als wir zu Hause und wenn ein neuer Krampfanfall kommen sollte, dann müssten wir eben wieder den Notarzt rufen.

Also haben wir alles zusammen gepackt: aber nicht ohne den Schwestern und Ärzten noch ein paar Stücke Kuchen da zu lassen. 8O))

Zuhause angekommen haben wir uns erstmal alle zusammen an den Tisch gesetzt und Kuchen gegessen, auch Jonathan hat ein wenig Schokoladencreme bekommen. Allerdings hing er wie ein kleiner nasser Sack auf meinem Schoß und ich habe ein wenig Bedenken bekommen ob es das Richtige war ihn mit nach Hause zu nehmen. Hatten wir das nur aus Egoismus getan diesen Tag mit ihm feiern zu wollen und dabei vielleicht zu wenig an ihn und sein Wohlergehen gedacht? Wäre es nicht doch besser gewesen ihn noch in der Klinik überwachen zu lassen?

Aber einige Stunden später wurde ich eines Besseren belehrt: Jonathan aß mit einem Appetit der sagenhaft war! Die Sorge der Ärzte dass er nicht genug essen könnte war also unbegründet.

Heute wissen wir das es die sogenannte HOSPITALISIERUNG gibt: Jonathan hat ein Trauma durch den langen Klinikaufenthalt zurückbehalten. Und mag er auch behindert sein und deswegen seine Umwelt vielleicht nicht so wahrnehmen wie andere Kinder, so versteht er sehr wohl wenn er sich in einem Krankenhaus befindet. Das mag er nicht, vielleicht macht es ihm Angst: vielleicht weiß oder ahnt er das ihm hier immer wieder Schmerzen zugefügt werden. Aus diesen Gründen stellt er die Nahrungsaufnahme ein. Und trinkt auch nicht. Kontraproduktiv wenn man entlassen werden möchte und das Kind ein Verhalten zeigt als sei es nicht in der Lage allein zu essen und zu trinken!!

Aber jetzt waren wir erst mal zu Hause und haben den Geburtstag dann doch noch IRGENDWIE gefeiert. Zwar nicht so wie wir uns das vorgestellt hatten, aber ein ganz furchtbarer Tag war es am Ende dann auch nicht…

Irgendwann wurde es aber Zeit für Jonathan ins Bett zu gehen, er war noch ganz schön geschlaucht von den ganzen Medikamenten und der Aufregung. Tja…an der Stelle muss ich mich nun als Glucke outen. Allein die Vorstellung das Jonathan in seinem eigenen Bett liegen würde -und zwar in seinem eigenen Zimmer!- bescherte mir Schweißausbrüche!! Was wäre wenn er wieder einen Krampfanfall hätte und wir das nicht mitbekommen würden???

Ich wollte ihn bei mir haben, ganz eng…also habe ich meinem Mann meine Ängste gebeichtet und gesagt das ich Jonathan mit in unser Bett nehmen und die ganze Nacht festhalten möchte – sonst würde ich wohl keine Ruhe finden.

Also haben wir es genauso gemacht. Er ist im Arm meines Mannes eingeschlafen und dort geblieben bis wir ins Bett gegangen sind. Dann habe ich ihn die komplette Nacht im Arm gehalten, ganz eng an mich gedrückt.

Vielleicht sagen jetzt einige „Erziehungsexperten“ dass dieses Vorgehen GANZ SCHLECHT war…aber das ist mir egal!! Für mich war es in diesem Moment das Richtige, ich habe dadurch die nötige Ruhe gefunden. Außerdem finde ich dass sich Eltern viel mehr auf ihr Bauchgefühl und viel weniger auf Erziehungsratgeber verlassen sollten!! Ist doch jeder Mensch ein Individuum mit eigenen Bedürfnissen – wie soll EIN Buch alle diese einzigartigen Eigenschaften über einen Kamm scheren??

Ich scheue mich jetzt auch nicht zu sagen das Jonathan noch für mehrere Wochen jede Nacht in meinem Arm geschlafen hat bevor ich innerlich so weit war ihn ein Stückchen loszulassen…dann hat er in der Mitte des Bettes gelegen…wieder eine Weile später ist er in einen Stubenwagen in unserem Schlafzimmer umgezogen..und sehr viel später auch zurück in sein eigenes Bett.

Diese Zeit habe ich gebraucht um die Angst und die Eindrücke des Krampfanfalls zu verarbeiten. Es war ein Gefühl von Sicherheit wenn ich ihn ganz eng an mir gespürt habe weil ich mir eingebildet habe dann rechtzeitig mitzubekommen wenn ihn ein erneuter Krampf ereilt.

Eigentlich wollten wir uns ja nicht gegenseitig danken in diesem Blog, aber….trotzdem ein großes Dankeschön an meinen Mann….er hat diese ganzen langen Wochen nie gemeckert oder in Frage gestellt das Jonathan bei uns schläft…er hat nur immer gemeint das ich mir Zeit nehmen soll, wenn es das ist was ich brauche – dann sei es so…
DANKE MANN! FÜR DEINE GEDULD… UND FÜR ALLES ANDERE: DU LIEBST JONATHAN UND HADERST NIE MIT UNSEREM SCHICKSAL. DU UNTERSTÜTZT MICH BEI ALLEM WAS ICH MACHE – UND OBWOHL DU MANCHE WEGE NICHT IN DERSELBEN FORM GEHEN WÜRDEST SAGST DU MIR DAS DU STOLZ AUF MICH BIST.
ICH GLAUBE ES GIBT NUR WENIGE MÄNNER DIE SO SIND WIE DU, UND ICH BIN FROH DAS WIR UNS GEFUNDEN HABEN. ICH LIEBE DICH.



Die ersten Tage nach dem Krampfanfall zu Hause waren sehr schlimm für mich: ich hatte Angst, eher schon richtige Panik!, das es wieder passieren könnte.

Ich habe Jonathan den ganzen Tag auf meinem Arm herumgetragen, die Hausarbeit blieb liegen…wenn er geschlafen hat dann auch tagsüber meist in meinem Arm. War ich gezwungen ihn doch mal in sein Bett zu legen (weil ich duschen oder kochen musste), dann bin ich alle paar Minuten in sein Zimmer gerannt um nach ihm zu sehen.

Mein Mann hat in dieser ersten Zeit komplett im Homeoffice gearbeitet weil ich den Gedanken nicht ertragen konnte das er tagsüber stundenlang circa 90 Kilometer entfernt ist. (DANKE AN DIESER STELLE AN MAX DAFÜR DAS DIES ÜBERHAUPT MÖGLICH WAR!
MAX: THANK YOU FOR BEING SO GENEROUS AT THIS TIME!)

Aber mit jedem Tag der verging gewann ich ein Stückchen „Vertrauen“ zurück und es ging mir besser. Auch Jonathan ging es zunehmend besser: die Wirkung der krampflösenden Medikamente verging und er war nicht mehr so müde und schlapp, der Ausschlag verblasste.

Die Wochen vergingen und wir feierten unsere kirchliche Hochzeit in ganz kleinem Rahmen: 1.war es für uns ein sehr „intimer“ Tag an dem es uns ausschließlich darum ging Gottes Segen zu erhalten für unseren Weg mit Jonathan - dieser Weg würde schwierig werden und wir könnten jede Hilfe gebrauchen die wir bekommen konnten. Und 2.wäre uns eine große Feier mit Jonathan auch zu anstrengend gewesen. Wir wollten es in diesen Wochen ein bisschen „ruhiger“ angehen lassen aus Angst dass erneut ein Krampfanfall entstehen könnte wenn der kleine Mann zu sehr unter Stress stand.

Die OP an Leistenbruch und Hodenhochstand rückte näher, in circa zwei Wochen sollte sie durchgeführt werden - und mir graute schon sehr davor!!!  Um auf andere Gedanken zu kommen beschlossen wir Jonathans Geburtstagsausflug nun endlich nachzuholen! 8o)

Also haben wir samstags alles zusammen gepackt und sind in den Zoo gefahren. Hach, was waren wir aufgeregt! 8o))

Auch an diesem Tag wurden wir wieder einige Male angesprochen in der Art: „Wie alt ist denn das Kleine? Bestimmt noch ganz frisch, oder?“. Und wir mussten uns wieder einige Male vehement dagegen wehren wenn jemand Jonathan einfach anfassen wollte. Okay: das würde nun also unser Leben sein wenn wir in die Öffentlichkeit gingen! Wir mussten uns wohl oder übel daran gewöhnen…

Was mir von diesem Tag in Erinnerung geblieben ist, weil es mir sehr wehgetan hat, war die Aussage eines kleinen Mädchens.
Wir saßen beim Mittagessen, Jonathan schaute über meine Schulter zum Nachbartisch und dort saß das Mädchen –sie war vielleicht 2 oder 3- mit ihren Eltern und aß zu Mittag. Sie schaute Jonathan sehr intensiv an und sagte dann: „Papa schau mal, das Baby ist SOOO HÄSSLICH!“….ihren Eltern war das offensichtlich sehr peinlich, hatten die doch sofort bemerkt das Joni nicht gesund ist. Ich war nicht böse oder sauer..das war die Aussage eines Kindes, Kinder reden wie sie denken und das ist auch gut so! Trotzdem.. ich hatte dicke Tränen in den Augen und musste mehrfach schlucken. Ich weiß das mein Sohn „anders“ aussieht, ich sehe es ja selbst..aber es ausgesprochen zu hören war schon schlimm.

Aber bis auf diese Punkte: war der Ausflug in den Zoo genau so toll wie wir ihn uns ausgemalt hatten! Natürlich hat Jonathan nicht über den ganzen Zoobesuch hinweg aufmerksam alle Tiere angeschaut – das kann man ja noch nicht mal von einem gesunden Einjährigen erwarten, also erst Recht nicht von ihm! Aber er hat Giraffen, Zebras und besonders die Elefanten bestaunt! Ein Elefant stand direkt vor uns und hat mit dem Rüssel gewedelt: Jonathan war völlig weggetreten vor Faszination über dieses große Tier! Deswegen hat er als Erinnerung auch einen Mini-Elefanten aus Plüsch bekommen. 8o)

In den nächsten Tagen erzählten wir jedem wie toll unser Ausflug gewesen war. Wie sehr wir es genossen hätten etwas „normales“ zu tun und einfach mal gemeinsam Spaß zu haben!

Allerdings schlief ich trotz dieses schönen Erlebnisses jede Nacht ein bisschen schlechter, mir drehte sich der Magen um und ich hatte das Gefühl nicht mehr atmen zu können: der OP-Termin kam näher…


Rota-Viren
Und dann saßen wir abends mit Jonathan auf der Couch und gaben ihm die letzte Milchflasche des Tages. Er trank – und spuckte die Milch wieder aus. Naja, ab und an passiert das ja mal. Aber irgendwie…hatte ich auf einmal ein komisches Gefühl! Ich sagte zu meinem Mann das er auch mittags nach dem Gläschen gespuckt habe und nun schon wieder? Komisch…aber ok.

Wir haben nicht weiter darüber nachgedacht und ihn gekuschelt damit er einschlafen konnte. Aber er setzte sich hoch und…spuckte schon wieder. Hmmm…also jetzt wurde es mir mulmig! Das hatte er ja noch nie gemacht!

Um es kurz zu machen: das war erst der Anfang. In dieser Nacht hörte Jonathan nicht mehr auf sich zu übergeben und bekam auch Durchfall. Er trank zwischendurch immer wieder Milch und auch Tee, Flüssigkeit nahm er also auf – aber er erbrach alles wieder. Immer und immer wieder…er war völlig erschöpft und gegen Morgen war keine Flüssigkeit mehr da die er hätte ausspucken können, aber er würgte sich trotzdem unfassbar stark. Ich war nun soweit den Notarzt anzurufen.

Und in diesem Moment ging es ihm augenscheinlich besser: weder Erbrechen noch Durchfall, er entspannte sich und konnte ein wenig schlafen. Das habe ich auch getan. Aber kaum öffnete der Kinderarzt, habe ich dort angerufen und geschildert wo das Problem lag. Ich solle sofort in die Praxis kommen bekam ich gesagt.

Jonathan ist mein zweites Kind und man entwickelt ja schon ein Gespür dafür wann eine Erkrankung schlimmer ist…an diesem Morgen habe ich ernsthaft überlegt schon eine Tasche mit Klamotten für die Klinik zu packen und mit zum Arzt zu nehmen. Aber dann habe ich gedacht: das ist dann die SELBSTERFÜLLENDE PROPHEZEIHUNG! Das kann ich nicht machen, denn sonst lande ich auf jeden Fall im Krankenhaus…

Also bin ich ohne Tasche zum Arzt gefahren.

Jonathan war munter und hat geplappert und gestrampelt. Der Arzt kam und ich habe erzählt wie die Nacht so war. Er hat sich alles angehört, dabei gefragt was wir vor 2-3 Tagen gemacht hätten (ich sagte das wir im Zoo waren) und Jonathan dann ausgezogen bis er den nackten Bauch vor sich hatte. Dann hat er vorsichtig eine Hautfalte zwischen die Finger genommen, hochgezogen, losgelassen und ein niederschmetterndes Urteil gefällt:

„Es tut mir wirklich total leid. Aber Sie müssen in die Klinik fahren. Jonathan ist dehydriert und braucht vermutlich eine Infusion. Ich weiß das ist schwer für Sie…aber wir bekommen das jetzt nicht alleine hin, es ist notwendig! Ok? Ich telefoniere mit der Klinik und melde Sie an, Sie fahren heim und packen ein paar Sachen ein. Aber dann fahren Sie bitte SOFORT los. Es könnte sein das Jonathan die Rota-Viren hat. Ich melde mich in den kommenden Tagen bei Ihnen, in Ordnung?“

Ich weiß nur noch dass ich genickt und „Ok“ gesagt habe. Ich vertraute unserem Arzt, wenn er sagte das es NOTWENDIG war: dann war es das auch…aber mir gingen tausend Gedanken durch den Kopf: da hatte ich so lange von der Feier zum ersten Geburtstag geträumt und dann hatten wir den Tag nicht so feiern können wie wir wollten. Bald sollte die OP durchgeführt werden und wir würden für einige Tage in der Klinik bleiben müssen. Und JETZT sollte ich da auch hinfahren und wir würden sicherlich über Nacht bleiben müssen?? Allein beim Gedanken an die Geräusche und Gerüche ging mir der Hals zu…

Ich konnte meine Tränen nicht mehr unterdrücken. War mir peinlich, aber ließ sich nicht ändern. Die Vorstellung das Jonathan heute Abend nicht zu Hause sein würde war nun mal schlimm für mich. Und auch für Marvin würde das schlimm sein! Als Jonathan die ersten fünf Monate seines Lebens in der Klinik verbracht hatte war das für uns „normal“: wir kannten es ja nicht anders. Doch als er dann wegen der Krampfanfälle einige Tage nicht bei uns war…war das Haus auf einmal so leer und so still. Das hatten wir alle gespürt und ich hatte wenig Lust darauf das in den kommenden Tagen schon  wieder zu erleben!

Mir blieb aber keine Wahl, der Kinderarzt sagte zwar nicht dass Lebensgefahr bestehe – bat mich aber mich so schnell als möglich auf den Weg zu machen und im Krankenhaus auf einem Test nach Rota-Viren zu bestehen.

Also bin ich heimgefahren um die Tasche zu packen und habe mich nun doch geärgert das ich morgens nicht auf mein Bauchgefühl vertraut und sie schon fertig gemacht hatte. Beim Packen habe ich dann meinen Mann angerufen und auf den neuesten Stand gebracht. Er war betroffen und meinte das er leider nicht sofort in die  Klinik kommen könnte: er habe noch ein paar wichtige Meetings, käme aber am Nachmittag. Und weil er mich kennt…sagte er auch direkt das er mit seinem Chef sprechen und diesem mitteilen würde das er morgen nicht zur Arbeit käme, denn sicherlich sollte er bei Jonathan in der Klinik bleiben??? Ich solle dann gleich ein paar Sachen für ihn mit einpacken. Große Erleichterung meinerseits…spätestens seit den fünf Monaten Neonatologie sind Kliniken nicht meine Welt. Und dort zu übernachten ist für mich eine Horrorvorstellung. Wenn ich müsste würde ich es tun – aber wenn ich nicht muss, bin ich sehr froh.

Dann noch meinen Vater anrufen: er musste bei Schulschluss an der Schule stehen und Marvin abholen, ihm erklären das Jonathan in der Klinik sei. Ich würde mich melden und Marvin dann später bei meinen Eltern abholen. 

Danach habe ich also alles gepackt, vor allem die Medikamente!, und bin losgefahren. Nach 45 Minuten waren wir da und sind in die Kinderklinik gegangen. Wie versprochen hatte unser Arzt uns schon angekündigt und auch erwähnt das wir bitte NICHT im Wartezimmer sitzen sollten – also hat man uns in ein Sprechzimmer gebracht.

Jonathan meckerte ein bisschen und ich dachte das ich die Wartezeit ja damit überbrücken könnte das ich ihm ein wenig Tee gäbe. Er trank…und trank…und trank…am Ende waren es 170ml Tee, quasi in einem Zug. Das war das Vielfache von dem was er sonst trank. Und in diesem Moment war mir klar: hier stimmt etwas ganz und gar nicht!!

Der Arzt kam und ich schilderte ihm die Situation. Er stellte Fragen und machte sich Notizen. Begutachtete Jonathan und nahm ihm schließlich Blut für ein Blutbild und eine BGA (Blutgasanalyse) ab. Das Ergebnis kam schon nach kurzer Zeit: Jonathan war immens dehydriert und benötigte SOFORT eine Infusion. Also SOFORT. Ein paar Stunden später…und es wäre nichts mehr zu machen gewesen.

Vielleicht wäre ein gesundes und normal gewachsenes Kind nach einer Nacht nicht so ausgetrocknet, aber Jonathan ist eben anders. Viel kleiner und nicht so widerstandsfähig. Zudem leidet er an diesem unkontrollierten Elektrolytverlust der das Ganze nicht besser macht.

Wir wurden also auf Station geschickt. Dort legte man Jonathan einen Zugang in den Arm und er bekam Kochsalzlösung sowie ein Medikament gegen Übelkeit/Durchfall. Weiterhin wurde eine Stuhlprobe genommen um auf Rota-Viren zu testen.

Ja: da waren wir nun. Im Krankenhaus. Schon wieder. Ich konnte es nicht fassen. Wenigstens hatten wir ein Einzelzimmer. Immerhin!!

Ich habe ein wenig mit Jonathan gespielt und dann hat er geschlafen: klar, er war müde weil er in der Nacht kaum zur Ruhe gekommen war. Irgendwann kam dann mein Mann und hat „übernommen“. Ich bin nach Hause gefahren um mich um Marvin zu kümmern.

Die Wohnung fühlte sich genauso leer und still an wie ich mir das gedacht hatte. Und Marvin hatte Angst, auch das hatte ich vorausgesehen. Wie ging es seinem Bruder? Würde er wieder nach Hause kommen? Dieser Abend war nicht schön…

Mein Mann meldete sich zwar und sagte das es Jonathan so weit gut gehe: er habe noch Durchfall, aber sich nicht mehr erbrochen und sei ansonsten recht fit. Die Angst blieb trotzdem.

Am nächsten Morgen bin ich in die Klinik gefahren, auch an diesem Tag würde Marvin nach der Schule zu seinen Großeltern gehen. Mein Mann erzählte das die Nacht recht ruhig gewesen sei, Jonathan gehe es soweit gut. Die Ärzte würden Tests machen um zu schauen warum Jonathan diesen Brech-Durchfall hatte. Und ansonsten würde mein Mann jetzt gerne heimfahren und duschen - denn die Dusche in der Klinik…war nicht besonders hygienisch. (Wir haben im Nachgang dieses Klinikaufenthaltes der Klinikleitung eine Beschwerde per Email zukommen lassen, mehr möchte ich zu diesem Thema an der Stelle nicht erläutern.) Wir vereinbarten dass ich tagsüber bei Jonathan bleiben würde, dann könnte mein Mann auch noch ein wenig arbeiten, er würde gegen Abend wiederkommen.

Also habe ich Jonathan gekuschelt, mit ihm gespielt, ihn gefüttert: er aß recht gut. Hatte aber immer noch Durchfall. Sehr stark sogar. Ansonsten war er fit.

Nach dem Mittagessen wurde Jonathan müde. Da wir ein Einzelzimmer hatten stand das Klappbett meines Mannes noch aufgeklappt im Raum und ich habe mich mit Jonathan zusammen zu einem Mittagsschlaf hingelegt. Mit ihm im Arm habe ich die nötige Ruhe gefunden um zu schlafen.

Doch auf einmal wurde ich wach weil jemand den Raum betrat. Ich blickte verschlafen hoch und sah…den Chirurgen der Jonathans Hodenhochstand festgestellt und uns auf der Intensivstation besucht hatte. „O, hallo! Was machen SIE denn hier?“ fragte ich ihn. Und er sagte: „Ich wollte Sie nicht wecken, aber ich habe gelesen das Jonathan schon wieder hier ist und wollte nach Ihnen sehen.“. Er ist einfach so ein toller Mensch!! Wir haben geredet und er meinte das wir in Kontakt blieben wegen der geplanten OP: wir müssten ja erst schauen was nun bei den Tests herauskäme und wie es Jonathan in den nächsten Tagen gehen würde – eventuell müssten wir die OP auch verschieben.

An diese Möglichkeit hatte ich noch gar nicht gedacht…

Nachmittags kam eine Schwester zu uns und verkündete das die Ergebnisse der Tests vorlägen: Jonathan habe den Rota-Virus. Ich konnte es nicht fassen! Das war doch ein voll schlimmer Virus, oder?? Aber die Schwester beruhigte mich: ganz ohne sei es für Personen mit schlechtem Immunsystem natürlich nicht, aber Jonathan sei ja schon unter Beobachtung. Man könne regelmäßig kontrollieren dass er nicht dehydriere. ABER: wir stünden nun unter „Quarantäne“. Heißt: beim Betreten und Verlassen der Station mussten wir uns EXTREM gut die Hände und Unterarme desinfizieren. Wenn wir auf Station waren durften wir nicht ins Gemeinschaftszimmer für die Eltern gehen, alles was wir benötigten würden uns die Schwestern bringen. Okay: das hatte ja ein wenig den Anschein von Luxusurlaub! 8o))

Und wie lange würden wir hier bleiben müssen?, habe ich sofort gefragt. Denn mit solch einem Virus war doch vermutlich wieder ein längerer Krankenhausaufenthalt vorprogrammiert!! Aber die Schwester beruhigte mich: nur ein paar Tage bis der Durchfall besser sei, dann könnten wir gehen. Ansteckend sei Jonathan nur während des akuten Durchfalls, danach nicht mehr.

Diese Aussagen beruhigten mich. Durchfall, Erbrechen…Flüssigkeitsverlust und das in Verbindung mit dem ohnehin bestehenden Elektrolytverlust: da waren schon Ängste hochgekommen…solche Erkrankungen haben schon mehr als ein Kind mit MOPD I das Leben gekostet! Doch was die Schwester sagte hörte sich vernünftig und beruhigend an…dann wollten wir mal die „paar Tage“ in Angriff nehmen bis wir wieder nach Hause konnten!!


In den nächsten Tagen ging es Jonathan zunehmend besser: der Durchfall wurde seltener und ließ nach. Der kleine Mann war munter, hatte kein Fieber. Die Ärzte teilten uns bei der Visite mit, dass wir am kommenden Tag nach Hause dürften - wenn alles so blieb wie es jetzt war. Das waren gute Nachrichten!! Besonders für meinen Mann: er war jede Nacht in der Klinik geblieben. Ich löste ihn morgens ab und dann ging er arbeiten, um danach wieder in die Klinik zu kommen. Er freute sich also bald wieder in seinem eigenen Bett schlafen zu können!!

Doch dann machte Jonathan uns fast einen Strich durch die Rechnung!! Denn er aß und trank nicht richtig…er nahm nur winzige Portionen zu sich, selbst mit seinem Lieblingsessen konnte man ihn nicht locken. Wir waren ratlos: es ging ihm doch wieder recht gut, warum hatte er dann keinen Appetit??

Ich habe es schon in einem vorangegangenen Beitrag erwähnt…HOSPITALISIERUNG. Auch wenn Jonathan SEHR klein gewesen war und man immer meint, dass so kleine Babys nichts um sich herum mitbekommen…tun sie das sehr wohl! Und zwar mehr als wir uns vorstellen können. Die Monate auf der Neonatologie haben Spuren hinterlassen, nicht nur bei uns – auch bei Jonathan. Bis heute hat er RICHTIGE Panik wenn er einen Menschen mit Mundschutz und/oder Einweghandschuhen sieht: er schreit, dreht sich weg und fängt an zu zappeln…und sobald er stationär in einem Krankenhaus ist: stellt er die Nahrungsaufnahme fast komplett ein. Und das tat er nun auch…

Das Problem war: seine Blutwerte wurden schlechter weil er zu wenig aß und trank. Die diensthabende Ärztin kannte uns nicht und konnte die Situation somit auch nicht einschätzen. Sie teilte uns am kommenden Vormittag mit, dass die Blutwerte nicht gut seien und wir „lieber noch einige Tage bleiben sollten“. Was ich vehement ablehnte weil ich wusste, dass sich an den Werten nichts ändern würde: Jonathan würde hier in der Klinik nicht richtig essen. Das habe ich ihr auch erklärt…aber sie glaubte mir nicht. (Im Entlassungsbericht hat sie mich richtiggehend als hysterisch dargestellt und betont das ICH auf eine Entlassung gedrängt hätte die SIE nicht befürwortet weil es NICHT GUT für das Kind sei.)

Wir haben uns zuerst auf einen Kompromiss geeinigt: wir würden bis zum Nachmittag bleiben und dann erneut eine Blutkontrolle durchführen. Dann würden wir weiter sehen.

Der Tag verging, Jonathan aß nicht. Eine Schwester erzählte uns das es in jedem Drogeriemarkt einen „Heilschleim“ geben würde: hochkalorisch und geeignet bei und gegen Durchfallerkrankungen. Also bin ich losgefahren und habe eine Packung besorgt. Davon hat Jonathan wenigstens eine kleine Menge getrunken. Ein Anfang!

Aber leider war es nicht genug, denn die Blutwerte am Nachmittag waren unverändert schlecht. Die Ärztin wollte uns also definitiv nicht entlassen. Meine Einwände dass ich mein Kind besser kenne als sie und WEISS das er zu Hause ausreichend essen und trinken wird, ließ sie nicht gelten. Es wäre LEBENSGEFÄHRLICH mit ihm so nach Hause zu gehen und sie würde noch nicht einmal unterschreiben wenn wir auf eigene Gefahr gehen wollten – mussten wir uns dann anhören. Daraufhin habe ich angefangen mit der Ärztin zu streiten, allerdings in einem auf meiner Seite normalen Tonfall.

Ich habe ihr erklärt dass es auch lebensgefährlich ist wenn mein Kind nicht genug isst und trinkt! Eine Sondenernährung bringt hier auch nur kurzfristige Hilfe weil es an der Situation grundsätzlich ja nichts ändern wird: Jonathan ist hospitalisiert. Dieses Wort war der Ärztin leider scheinbar fremd, ihre Kommentare und ihr Tonfall mir gegenüber ließen mittlerweile auch zu wünschen übrig. Irgendwann reichte es mir und ich habe ihr erklärt das die Klinik kein Gefängnis sei, in dem sie uns festhalten könne wie es ihr beliebe und wir bitte ihren Vorgesetzten sprechen möchten um die Thematik mit ihm zu erläutern.

An der Stelle möchte ich allen denen die mich nicht persönlich kennen sagen das Jonathans Wohlergehen für mich IMMER an erster Stelle steht! Und wenn ich spüre das ein Krankenhausaufenthalt notwendig und wichtig ist: dann wird dieser von mir NIE in Frage gestellt. Aber ich kenne meinen Jungen besser als alle Ärzte und merke deswegen auch genau wann ein Krankenhausaufenthalt mehr kaputt als heil macht! Und dann werde ich zur Löwenmutter die die Klauen ausfährt und kämpft…ich lasse mir dann auch nicht alles bieten nur weil jemand der vor mir steht studiert hat und einen weißen Kittel trägt.

Vermutlich war es unser Glück das der diensthabende Vorgesetzte an diesem Tag unser behandelnder Neurologe war. Er kam nicht persönlich zu uns, ein Blick in die Akte und auf den Namen des Patienten genügte ihm um der Ärztin zu erklären dass wir als Eltern die Situation einzuschätzen in der Lage seien, das wir ein sehr gutes Gespür für unser Kind hätten und – sollte es die Situation erfordern!- auch wiederkommen würden - falls die Entlassung nicht den gewünschten Erfolg bringe.

Alles das teilte uns die Ärztin durch zusammen gebissene Zähne mit. Den Entlassungsbericht würde sie uns zuschicken und wir könnten nun gehen, aber sie möchte noch einmal betonen dass sie findet dass es die falsche Entscheidung ist.

Aber: es war die richtige Entscheidung! Wir waren noch keine Stunde zu Hause in Jonathans gewohnter Umgebung als er eine große Milchflasche trank und danach glücklich einschlief.

Ok: der Korrektheit halber muss ich auch sagen dass er sich an diesem Tag erneut übergeben hat. Und das er auch weiterhin Durchfall hatte – doch nicht mehr so schlimm. Er trank und aß und man merkte ihm an das er glücklich war…er war wieder zu Hause!!

Die Entlassung aus der Klinik war samstags, und montags bin ich zur Sicherheit zu unserem Kinderarzt gefahren. Nur mal nachschauen lassen ob auch WIRKLICH alles ok ist und es Joni gut geht.

Das war der Fall. Er war nicht mehr dehydriert und der Arzt war zufrieden mit seinem Aussehen und dem was ich über seinen Zustand zu berichten hatte. Ich habe ihm dann erzählt das die Ärztin es als „lebensgefährlich“ beschrieben hat nach Hause zu gehen, worüber er sich maßlos aufregte und sagte das das total übertrieben war und uns vermutlich nur dazu bewegen sollte in der Klinik zu bleiben.

An der Stelle kann ich wirklich nur allen Eltern sagen: hört auf euren Bauch!! Sagt eure Meinung! Ärzte wissen auch nicht alles und IHR kennt euer Kind VIEL BESSER als jeder andere….


OP von Hodenhochstand und Leistenbruch
Jetzt hatte eine neue Woche begonnen, wir waren grade aus der Klinik nach Hause gekommen – und sollten noch diese Woche wieder einrücken zur OP. Das war alles ganz schön viel für mich! Ich schlief schlecht und hatte Magenprobleme…

Am Dienstag vormittag, wir waren zu Hause und hatten alle Termin abgesagt damit Jonathan sich erstmal erholen konnte, klingelte das Telefon. Unser „Lieblingschirurg“ war dran. Er wollte wissen wie es uns, vor allem aber Jonathan, gehe. Ich habe ihm erklärt wie die Situation ist und das er die Rota-Viren hat/hatte.

Daraufhin beschloss der Arzt dass die OP verschoben werden würde. Es sei zu riskant zu operieren wenn Jonathan noch so geschwächt sei. Die Kinderklinik würde sich bei uns melden um einen neuen Termin zu vereinbaren.

Ich war erleichtert. Unendlich erleichtert! Ein Aufschub! Dann konnten wir alle erstmal den letzten Klinikaufenthalt verkraften und durchatmen. Neue Kraft tanken!!....

Und uns um eine andere „Baustelle“ kümmern….

Diejenigen die meinen Blog schon länger verfolgen wissen dass wir mit Jonathan in einem Augenärztlichen Zentrum waren und unser Besuch dort nicht von Erfolg gekrönt war: sein Augeninnendruck, seine Netzhaut und der Augenhintergrund waren immer noch nicht kontrolliert worden. Wir hatten das die ganze Zeit über im Hinterkopf, aber noch keinen Augenarzt gefunden der in der Lage gewesen wäre die notwendigen Untersuchungen bei Jonathan durchzuführen.

Als wir mit dem Rota-Virus stationär in der Klinik waren, fielen uns dort Umbaumaßnahmen auf: im Foyer der Klinik war ein Ladengeschäft geschlossen worden, dort eröffnete einige Zeit später eine Augenklinik! Nach Aussage der Schwestern die wir befragten, zwar eigenständig und nicht eine Station des Krankenhauses, aber trotzdem im Haus und mit Zugang zu OP´s und Instrumenten für Kinder von Jonathans Körpergröße.

Da die OP verschoben worden war nutzten wir die Zeit und vereinbarten in der Augenklinik einen „Kennenlern-Termin“. Wieder sagte ich am Telefon worum es mir ging und wo die Probleme bei Jonathan lagen, doch nun konnte ich hinzufügen das die Augenklinik sich bitte die Unterlagen der Kinderklinik aushändigen lassen sollte um sich einen Überblick zu verschaffen.

Das wurde mir zugesagt und ein Termin vereinbart.

Der Termin verlief auch völlig unproblematisch. Der Arzt der uns erwartete hatte sich in groben Zügen über das Krankheitsbild informiert. Er teilte uns mit das er versuchen würde den Augendruck in diesem Termin zu messen, während Jonathan wach sei. Und es klappte auch: Jonathan machte gut mit und ließ sich die Untersuchung ohne zu meckern gefallen. Auch das Ergebnis war super: der Augendruck lag im normalen Bereich.

Nun wollte der Arzt noch einen Blick auf den Augenhintergrund werfen: dazu nahm er eine Art Prisma und eine Lampe in die Hand, strahlte mit der Lampe auf das Prisma und hielt letzteres vor Jonathans Augen. Das gefiel dem kleinen Mann nun allerdings ÜBERHAUPT nicht und er fing an sich zu winden und zu beschweren. Diese Untersuchung verlief demnach ohne Ergebnis: der Arzt konnte so überhaupt nichts erkennen. Im Grunde hatte er das schon erwartet, verriet er uns – aber einen Versuch war es wert gewesen.
Der Arzt erklärte uns, das man den Augenhintergrund definitiv noch einmal genauer ansehen sollte, dies sei dann wohl aber nur mit einer kurzen Vollnarkose möglich. Während dieser Narkose hätte man aber die Möglichkeit auch den Augendruck noch einmal mit einem anderen, besseren!, Gerät zu ermitteln und das Ergebnis sozusagen zu verifizieren.

Wer nun genau auf die Idee kam weiß ich heute nicht mehr…aber irgendwann stand die Idee im Raum, nach der Operation von Leistenbruch und Hodenhochstand die Kollegen der Augenklinik in den OP zu holen, damit sie die notwendigen Untersuchungen durchführen könnten während Jonathan in Narkose lag. Dann hätte man die Augenärztliche Untersuchung „in einem Aufwasch“ mit erledigt: Jonathan müsste nur EINE Narkose für zwei Untersuchungen bekommen!! Die Narkose würde maximal 15 Minuten länger andauern müssen als es ohne die Augenärztliche Untersuchung der Fall wäre.

Für mich hörte sich das nach einem guten Plan an!!!

Aber die Organisation gestaltete sich schwierig….
Die Kinderklinik hatte mit uns telefoniert um einen neuen Termin für die Operation zu vereinbaren. In diesem Telefonat hatte ich darauf hingewiesen das auch die Kollegen der Augenklinik mit ins Boot geholt werden müssten zwecks Terminabsprache. Daraufhin teilte man mir mit das man Rücksprache mit den Chirurgen, der Augenklinik und auch unserem Kinderarzt halten wolle und sich wieder melden werde.

Das hat die Kinderklinik auch getan: man hat uns einen Termin mitgeteilt an dem wir stationär aufgenommen würden. An diesem Tag sollten Gespräche mit den Chirurgen, mit der Augenklinik und mit dem Narkosearzt zwecks Narkoseaufklärung stattfinden – einen Zettel mit den Uhrzeiten zu denen wir bei den verschiedenen Ärzten erscheinen sollten hatte man uns mitgeschickt. Nachdem wir diese Termine wahrgenommen hatten würde einer von uns (mein Mann) mit Jonathan in der Klinik übernachten, damit man überwachen könne dass der kleine Mann auch nüchtern bliebe und am nächsten Morgen finde dann die OP statt. Die Kollegen der Augenklinik kämen dann gegen Ende der OP dazu und würden ihre Untersuchungen durchführen. Danach sollten wir, wenn alles komplikationslos verlaufe, noch einen oder zwei Tage stationär bleiben und könnten dann nach Hause gehen.

Das hörte sich gut an. Wenn es denn so einfach gelaufen wäre! Was natürlich nicht der Fall war…

Wir kamen am Tag der Aufnahme in der Klinik an und meldeten uns in der Kinderklinik. Wir wurden aufgenommen und auf Station geschickt wo man uns unser Zimmer zeigte und wir uns ein wenig „einrichteten“. Und nun fingen schon die ersten Probleme an: wir hatten die Elektrolyte die Jonathan täglich benötigte nicht mitgebracht – schließlich befanden wir uns in einer Klinik und es waren keine seltenen oder außergewöhnlichen Medikamente, also hatten wir gedacht das es sicherlich kein Thema wäre sie für uns dort zu besorgen. Aber weit gefehlt: die aufnehmende Schwester fand es mehr als problematisch diese Substanzen zu organisieren und hat uns sehr vehement erklärt das wir in Zukunft ALLES mitbringen müssten was Jonathan an Medikamenten benötige. Okay: wir werden es beherzigen!

Zum Glück hatten wir alle anderen Medikamente (gegen die epileptischen Anfälle, gegen den Bluthochdruck und zum Speichern der Elektrolyte dabei: bei diesen Medikamenten hatten wir nicht gewusst ob sie vorrätig waren).

Um es vorweg zu nehmen: die Elektrolyte wurden für uns besorgt, aber wir durften sie nicht mit in unser Zimmer nehmen. Wir mussten immer wenn eine Gabe anstand zu den Schwestern gehen, diese zogen dann die Dosis auf und brachten es uns - irgendwann wenn sie Zeit dafür hatten. So lange diese Medikamente nicht gegeben waren konnte Jonathan aber auch nichts essen: erst essen und dann Elektrolyte führt bei ihm zu Erbrechen….das ganze Vorgehen war lachhaft: wir machten das zu Hause ja auch immer allein und ohne Überwachung und das seit fast einem Jahr!! Und: über alle Medikamente die wir dabei hatten mussten wir die Schwestern NICHT informieren!!

Am zweiten Tag des Klinikaufenthaltes habe ich alles von zu Hause mitgebracht damit wir „autark“ handeln konnten. Und das haben wir auch genauso kommuniziert.

Aber zurück zum Tag der Aufnahme.




Nachdem wir uns auf Station eingerichtet hatten sollten wir zum Gespräch mit unseren Chirurgen gehen. Ja: CHIRURGEN, Mehrzahl. Ursprünglich war ja unser Wunsch gewesen das der Arzt Jonathan operieren sollte den ich versehentlich für einen Medizinstudenten gehalten hatte. Aber nachdem der andere Kinderchirurg der Klinik sich so liebevoll immer wieder nach uns erkundigt hatte und bei einem Gespräch auch den Wunsch geäußert hatte Jonathan operieren zu wollen…hatte man sich verständigt das eben einfach BEIDE die OP GEMEINSAM durchführen würden. 8o))

Also haben wir die beiden in ihrem Büro aufgesucht. Sie haben Jonathan untersucht und mit uns die Modalitäten der OP besprochen: was wird genau gemacht, wie lange wird es dauern, wo liegen die Risiken…mir war ja nicht so ganz wohl bei der Vorstellung das mein kleines Würmchen eine Vollnarkose und eine circa 3stündige OP haben würde. Aber wie mir schon bei der Voruntersuchung erklärt worden war: es war wirklich notwendig. Da musste ich wohl oder übel die Zähne zusammen beißen!!

Nach diesem Gespräch sollten wir zur Augenklinik gehen und auch dort alles besprechen.

Augenklinik…bis heute ein Reizwort bei mir! Denn diese Augenklinik in unserem Krankenhaus ist zwar bestens für uns geeignet weil alle notwendigen „Geräte“ für unseren kleinen Mann zur Verfügung stehen und man bestimmte Untersuchungen hier auch ohne großen Aufwand in Vollnarkose durchführen kann….aber!!
1. sind (zumindest einige) der Damen am Empfang unmöglich: sie sind inkompetent, oft unfreundlich und SEHR langsam…
2. sind die Wartezeiten hier schlichtweg unverschämt!!! Es muss ja nicht sein das man mit einem Baby einen Termin ausmacht und dann trotzdem 3 Stunden in einem total überfüllten Wartezimmer ausharren muss, oder??? Na gut…vielleicht liegt das auch einfach an den Damen am Empfang die nicht in der Lage sind Termine ordentlich zu koordinieren…

Auf jeden Fall war es eine größere Herausforderung unser Gespräch mit einem Arzt der Augenklinik bezüglich der OP zu bekommen.

Eigentlich war ja alles schon besprochen, angekündigt und auch geplant. EIGENTLICH. Aber die Dame am Empfang mit der ich gesprochen habe um mich anzumelden wusste überhaupt nicht um was es geht. Oder wollte es nicht verstehen. Ich habe ihr erklärt das ich einen Zettel von der Kinderklinik dabei habe in dem ich gebeten werde JETZT in der Augenklinik zu erscheinen und über die anstehende OP zu reden.

Das reichte der Dame aber nicht als Information: sie habe keine Akte von uns. Gut…das ist aber eigentlich nicht mein Problem, schließlich waren wir schon zu einer Untersuchung mit Jonathan in der Augenklinik, die anstehende OP war mit den Augenärzten geplant worden und wenn dort keine Akte angelegt worden war, war das sicherlich nicht MEIN Versäumnis.

Ich habe ihr dann den Vorschlag gemacht dass sie ja wegen der medizinischen Unterlagen in die Akte der Kinderklinik schauen könnte??? Aber das war technisch nicht möglich, sie habe keinen Zugriff. Okay….von unseren Chirurgen hatten wir einen Bogen mit Aufklebern (typische Krankenhausaufkleber mit Name, Geburts-Datum und Patientennummer von Jonathan) und weitere „Laufzettel“ bekommen die wir in der Augenklinik abgeben sollten: also habe ich diese Sachen auf den Tresen gelegt und gemeint das diese Unterlagen uns von Dr. …. ausgehändigt worden seien. Daraufhin wurde ich gefragt wer dieser Arzt sei??? Ich antwortete dass es der Chirurg ist. Leider war es aber auch mit diesen Unterlagen nicht möglich uns zu unserem Gespräch vorzulassen.

Wir bräuchten von der Kinderklinik weitere Unterlagen, erst dann könne in der Augenklinik eine Akte angelegt werden.

Langsam wurde ich ungehalten!! Wenn es gar keine Akte gab, wieso hatte ich dann JETZT einen Termin zum Gespräch bekommen???

Also habe ich noch einmal versucht der Dame zu erklären dass wir Unterlagen von den Chirurgen bekommen hätten und die OP doch schon gemeinsam mit der Augenklinik geplant sei. Daraufhin wurde ich von ihr zum zweiten Mal gefragt wer denn Dr….sei. „Immer noch der Chirurg der Kinderklinik!“ konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen. So eine Unfähigkeit machte mich echt rasend! Und langsam ließ auch der Ton der Dame zu wünschen übrig. Sie beharrte darauf das sie weitere Unterlagen benötige sonst könne sie uns nicht aufnehmen.

Gut, da war wohl nichts zu machen. Also sind mein Mann, Jonathan und ich wieder zurück zu den Chirurgen gelaufen und haben bei ihnen geklopft. Wir haben erklärt dass wir nicht vorgelassen werden und nicht verstehen wo das Problem genau liegt? Eine Akte MUSSTE doch existieren!! Und die Unterlagen die die Chirurgen uns mitgegeben haben reichten offensichtlich nicht aus.

Mein „Medizinstudent“ meinte dann wir sollten uns entspannen und Platz nehmen, er gehe jetzt zur Augenklinik und kläre das für uns.

Keine 10 Minuten später war er wieder da, hat mit den Augen gerollt und gesagt das wir nun einen zweiten Versuch starten und uns dort anmelden gehen könnten.

Ich weiß nicht was er dort gesagt oder gemacht hat, aber so freundlich und zuvorkommend wie die Dame am Empfang urplötzlich war habe ich sie bis heute nicht wieder erlebt. Auf einmal waren die Unterlagen ausreichend, die Anmeldung kein Problem und scheinbar war auch die Akte wieder aufgetaucht. Warum war es plötzlich so einfach? Keine Ahnung, ich möchte es auch gar nicht wissen….egal!! Wir waren nun im Wartezimmer und das war ja das Wichtigste!!

Nach geraumer Wartezeit wurden wir dann auch ins Sprechzimmer gerufen. Der Arzt ist mit uns noch mal im Detail durchgegangen was am kommenden Tag für Untersuchungen in der Narkose gemacht würden: der Augendruck würde noch einmal genauer gemessen werden und man würde sich den Augenhintergrund anschauen. Maximale Dauer der Untersuchung: 15 Minuten. Danach würden wir sofort das Ergebnis erhalten.

Hörte sich gut an. Und nun.. der letzte Punkt auf der To-Do-Liste: Gespräch mit dem Narkosearzt.

Also haben wir uns auf den Weg gemacht. Gar nicht so einfach sich in dieser Klinik nicht zu verlaufen! Alles sehr verwinkelt gebaut und die Anästhesie ist auch noch in einem anderen Stockwerk.

Aber wir haben es gefunden und uns angemeldet. Dann wurden wir in den Wartebereich gebeten, aber außer uns war niemand da: es würde also nicht so lange dauern. Und das hat es auch nicht. Schon nach wenigen Minuten wurden wir vom Anästhesisten abgeholt (ich kannte ihn sogar: Marvin war vor einigen Jahren auch schon mal in dieser Klinik operiert worden und damals war er auch derjenige der mit mir das Narkosegespräch führte).

In seinem Büro angekommen haben wir dann kurz besprochen was genau operiert werden würde, wo die Risiken der Narkose lagen und wie lange es in etwa insgesamt dauern würde. Wir haben ihn dann darauf hingewiesen das Jonathan unter einem sehr seltenen Gendefekt leidet. Natürlich war ihm diese Erkrankung nicht bekannt und er wollte nähere Informationen darüber haben. (Es war zudem auch unsere erste OP und niemand wusste ob und was für Auswirkungen die Narkose haben würde. Da war es sinnvoll in der Literatur zu stöbern!)

Ich schweife mal kurz ab: wir haben einen Leitz-Ordner voller Unterlagen über Jonathan – Arztbriefe, Untersuchungsergebnisse und auch alle Informationen die es über MOPD I im Netz gibt. Inklusive der Unterlagen die unsere Humangenetikerin uns zur Verfügung gestellt hat. Dieser Ordner war…zu Hause. Blöderweise. Wir hatten SO VIEL Gepäck dabei für diesen Klinikaufenthalt: Klamotten, Spielzeug, Bücher, Kuscheltiere und ein Kopfkissen für Jonathan…und natürlich hatte mein Mann auch eine Tasche für sich dabei. Wir hatten den Ordner schlichtweg vergessen…

..und ärgerten uns jetzt maßlos darüber! Denn wir hätten alle gewünschten Informationen mit einem Handgriff liefern können…aber ok: es war jetzt nun mal wie es war. (Seitdem haben wir den Ordner aber NIE mehr vergessen wenn wir einen Arzttermin hatten!)

Da wir uns intensiv mit dem Krankheitsbild beschäftigt hatten, konnten wir einige Internetadressen mit Informationen auch auswendig benennen. So suchte der Narkosearzt sich die Infos zusammen. Das dauerte natürlich ein wenig. Naja: es dauerte ein wenig länger…wir hatten nicht gedacht das wir SO LANGE hier sitzen würden. Jetzt war die Zeit gekommen zu der Jonathan Hunger bekommt. Zum Glück hatten wir den Wickelrucksack mit allem nötigen dabei. 8o)

Also habe ich ihm eine Flasche gemacht während mein Mann und der Arzt im Internet surften. Aber Jonathan fand das alles hier viel zu SPANNEND um anständig zu essen. Wir würden es dann später noch einmal versuchen, wir wollten sehen das er über den Tag ein wenig mehr aß als sonst: er musste ja 6 Stunden vor der OP nüchtern bleiben und das bedeutete, das er seine gewohnte Flasche in der Nacht nicht trinken dürfte.

Mir machte es schon ein wenig Sorgen wie er damit klarkommen würde: würde er in der Nacht sehr schlimm schreien vor Hunger? Oder würde die ungewohnte Umgebung ihm sowieso den Appetit verderben?

Immerhin versprach der Anästhesist das Jonathan ganz früh am Morgen operiert würde: Kinder seien immer die ersten im OP damit sie nicht unnötig lange ihren Hunger aushalten müssten.

Außerdem wollte der Anästhesist alle ausgedruckten Unterlagen einem Spezialisten der Augenklinik vorlegen. Vermutlich würde dieser bei einem so seltenen Krankheitsbild selbst mal vorbeikommen wollen.

Wir hatten damit kein Problem: seit wir wussten welche Diagnose Jonathan hat, haben wir immer deutlich zum Ausdruck gebracht das die Ärzte gerne über Jonathan veröffentlichen und in Medizinerkreisen berichten dürfen. (Wenn Bilder von ihm gezeigt oder gedruckt werden sollen werden wir vorher immer um unser Einverständnis gebeten.)

Wir denken dass es hilfreich sein kann so einen seltenen Fall in Medizinerkreisen bekannter zu machen. Ohne den Bericht der Mutter des Mädchens mit Elektrolytverlust hätten wir vielleicht unser Medikament nicht bekommen und ohne dieses Medikament..wäre Jonathan heute vermutlich nicht mehr da. Also: wer weiß wem es mal hilft medizinische Details über Jonathan zu finden!!! Und deswegen stimmen wir immer gern zu wenn ein Arzt sich Jonathan genauer anschauen möchte.

ABER: und das ist mir an der Stelle wichtig zu erwähnen!! Wir möchten nicht das Jonathan ein „Versuchskaninchen“ wird und wägen deswegen schon ab ob die durchgeführten Untersuchungen notwendig sind und ob sie einen Nutzen haben. Wir würden zum Beispiel nie einer invasiven Untersuchung zustimmen wenn sie nicht absolut notwendig erscheint!

Ein Beispiel: Kinder mit dem Gendefekt MOPD Typ 2 (der sich etwas anders darstellt und auch etwas anders verläuft als Typ 1, aber trotzdem in vielen Punkten identisch ist) haben eine sehr große Neigung zu Aneurysmen. Ein Aneurysma ist laienhaft gesagt eine sackartige Erweiterung einer Schlagader in Folge einer „Verstopfung“: zum Beispiel ausgelöst durch eine Trombose. Die Gefahr hierbei besteht in der Ruptur, also in einem Riss der Schlagader. Erkennt man ein Aneurysma im Gehirn rechtzeitig, besteht die Chance es zu „clippen“ - es also zu entfernen.

Es ist nicht so genau bekannt ob auch Kinder mit MOPD Typ 1 diese Neigung zu Aneurysmen haben – bei so wenigen Fällen, die auch noch sehr früh verstorben sind, kann man es nicht mit Sicherheit sagen. Um zu erfahren ob hier eine Gefahr droht müsste man in regelmäßigen Abständen ein MRT des Kopfes machen – natürlich in Vollnarkose, denn Jonathan würde nicht lange genug still halten um die Untersuchung durchführen zu können. Und: um die Adern wirklich sichtbar zu machen und kontrollieren zu können müsste man auch ein Kontrastmittel ins Gehirn einbringen.

Diese Untersuchung war eigentlich für den Zeitpunkt um seinen 2ten Geburtstag herum geplant. Gleichzeitig wollte man dabei kontrollieren wie, und ob, sich seine Hirnwindungen verändert haben.

Einige Monate vor der geplanten Untersuchung erhielten wir einen Anruf von unserer Humangenetikerin. Sie hatte mit der zuständigen Neurochirurgin gesprochen und diese meinte dass man bei Jonathans Kopfgröße ein Aneurysma nicht operieren könnte. Selbst mit den kleinsten ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten würde sie bei einer OP vermutlich noch mehr kaputt machen. Fazit: sollte beim MRT ein Aneurysma gefunden werden – könnte man es nicht operieren ohne noch größeren Schaden anzurichten. Mein Mann und ich haben uns intensiv unterhalten und entschieden dass wir in dem Falle gar kein MRT durchführen lassen werden. Denn diese Untersuchung hätte keinen Nutzen: sollte etwas gefunden werden, könnte man es nicht operativ beheben. Wir würden mit dem Wissen um ein Aneurysma das jederzeit rupturieren könnte nur unruhig werden…besser dann gar nichts zu wissen!!

Das in dem Falle die Ärzte auch nicht erfahren werden wie die Hirnwindungen heute aussehen - ist für uns nebensächlich.


Mit dieser kleinen „Geschichte“ habe ich jetzt aber circa ein Jahr vorgegriffen. Wir befinden uns ja eigentlich kurz nach Jonathans erstem Geburtstag in der Klinik und warten auf die OP am kommenden Tag.

Nachdem wir beim Narkosearzt fertig waren hatten wir alle Termine „abgearbeitet“ und konnten zurück auf Station. Jetzt hieß es noch ein wenig spielen, das Abendritual so gut wie möglich so wie zu Hause durchzuführen und Jonathan noch zweimal zu füttern bevor er nichts mehr zu sich nehmen durfte.

Alle diese Aufgaben lagen jetzt bei meinem Mann, ich verabschiedete mich und fuhr nach Hause um mich um Marvin zu kümmern.

An diesem Abend war ich sehr nervös. Ich hatte extreme Angst vor der Narkose: Jonathan hatte Bluthochdruck und Epilepsie, er war sehr klein und wog sehr wenig…ich hatte solche Angst das er aus der Narkose nicht mehr aufwachen würde, das irgendwas schief gehen würde.

Die Bilder des Krampfanfalls suchten mich wieder heim…die Angst und die Unruhe die ich verspürt hatte als ich glaubte mein Kind nicht mehr lebend zu sehen waren auch wieder da…mein Hals war eng, 1000 Schmetterlinge in meinem Bauch. Aber trotzdem musste ich äußerlich cool bleiben und Marvin davon überzeugen das alles gut gehen würde: „Das ist gar kein Problem: so eine OP machen die täglich! In ein paar Tagen ist Dein Bruder wieder zu Hause!“…glaubte ich das auch??? Ich MUSSTE es glauben, oder?? Selbsterfüllende Prophezeiung und so….

Irgendwann in dieser schlaflosen Nacht war ich kurz davor in die Klinik zu fahren und meinen Mann zu Marvin nach Hause zu schicken weil bei mir das Kopfkino einsetzte und ich mir vorstellte das dies die letzte Nacht von Jonathan auf Erden war – und die wollte ICH mit ihm verbringen…ich habe unfassbar doll und lange geweint. Und bin dann doch zu Hause geblieben weil ich mir selbst gesagt habe dass ich mich am Riemen reißen muss!!

Auch diese Nacht ging vorbei, der Wecker klingelte. Ich machte mich fertig, habe Marvin Schulbrote gemacht und ihm Frühstück hingestellt, ihn geweckt und bin losgefahren. Ich wollte pünktlich sein, denn es ging ganz früh in den OP.




Mein Mann und Jonathan warteten in Jonathans Zimmer auf Station auf mich. Was mich direkt überraschte war: Jonathan war gar nicht weinerlich, OBWOHL er seine gewohnte nächtliche Flasche UND sein Frühstück nicht bekommen hatte!! Ich war erleichtert. Denn das ich gestresst, aufgeregt und ängstlich war brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Die Vorstellung dann auch noch ein schreiendes, hungriges Kind in der Klinik vorzufinden war schon schlimm gewesen…

Ich habe versucht so normal wie möglich zu sein damit Jonathan nicht merkt das etwas anders ist als sonst. So ganz geglückt ist mir das nicht, denke ich…aber ich habe mich bemüht!

Jonathan hatte seinen (extra aus diesem Anlass gekauften) Jogginganzug an…so würden es die Ärzte im OP leichter haben ihn auszuziehen UND später könnten die Kabel des Überwachungsmonitors einfach zwischen dem Reißverschluss ihren Platz finden.

Für mein Empfinden hatte ich noch nicht genug Zeit mit meinem Jungen verbracht als die Schwester kam und sagte uns das es nun losginge…wir sollten Jonathan in sein Bettchen legen, das würde dann von ihr geschoben werden und wir dürften nebenher laufen – bis zum OP, dann müssten wir uns verabschieden.

Mein Mann wollte ihn gerne bis zum OP auf dem Arm tragen, aber leider: „Klinikvorschriften“. Jonathan musste in seinem Bett liegen…das war alles so unwirklich für mich! Mein klitzekleines Baby…in diesem RIESIGEN Bettchen…und dann schaute er uns auf dem ganzen Weg so durchdringend an. Als wüsste er was ihn erwartet, als wollte er uns bitten ihn nicht dorthin zu bringen…GANZ furchtbar!! Und dann musste ich „gute Laune“ verbreiten und durfte vor ihm nicht weinen…

Viel zu schnell waren wir im OP-Bereich angekommen. Nun ging es also wirklich los. Wir durften (ausnahmsweise sogar beide!!) noch mit in den Aufwachraum, hier wurde Jonathan von den Anästhesisten (ein Mann und eine Frau) in Empfang genommen. Die Frau kannte ich und das habe ich ihr auch gesagt: sie war auch bei Marvins OP vor einigen Jahren schon die betreuende Anästhesistin gewesen, was mich etwas beruhigte.

Ich habe erklärt das es etwas knifflig ist bei Jonathan einen Zugang zu legen: zum einen hat er sehr dünne Venen, die zu treffen selbst für einen erfahrenen Arzt eine Herausforderung ist…zum anderen sind seine Venen schon stark vernarbt weil sie sehr oft punktiert wurden. Eigentlich wollte ich beim Legen des Zugangs gerne dabei bleiben um ihn zu trösten. Doch leider durfte ich das nicht: der Zugang konnte aus hygienischen Gründen nicht im Aufwachraum gelegt werden und ich durfte aus hygienischen Gründen nicht mit in den OP.

Die Anästhesistin versprach mir aber das Jonathan eine Maskennarkose bekommen würde wenn man feststellte das der Zugang schwieriger zu legen war: dann würde er schlafen und es ihm nicht so weh tun. Damit musste ich mich wohl für den Moment zufrieden geben.

Wir haben unserem kleinen Jungen also „Tschüss“ gesagt, haben ihn gedrückt und geküsst und sind aus dem Raum gegangen. Meine Knie wackelten, mir war schlecht – ich hatte Angst…was, wenn ich ihn nie wieder sehen würde?? Was, wenn er das nicht überlebte??? Wenn irgendwas schief ging?? Auf der Frühchenintensivstation hatte Jonathan oft Herzfrequenzabfälle gehabt – was, wenn sein Herz die Narkose nicht mitmachte und einfach stehenblieb???

Die OP sollte circa 3 Stunden dauern. Wir hatten gesagt bekommen, das wir in die Cafeteria oder auf Station gehen sollten: man würde uns anrufen wenn Jonathan im Aufwachraum sei.

Aber ich wollte nicht weg gehen. Ich habe meinem Mann gesagt das ich mich in den Flur vor den OP setzen möchte: dort gab es Stühle und da würde ich bleiben – so nah wie möglich bei meinem Baby.

Mein Mann hat mich aber überredet mit ihm erst einmal frühstücken zu gehen, denn wir hatten beide noch nichts gegessen. Ich bin also wie in Trance hinter ihm hergelaufen Richtung Cafeteria. Eigentlich wollte ich gar nicht weg gehen, jeder Schritt fiel mir schwer und kam mir wie Verrat vor: ich lasse meinen Kleinen hier wirklich allein, ich gehe weg…

Appetit hatte ich keinen, ich habe einfach irgendetwas aus der Auslage genommen weil mein Mann das von mir verlangt hat. Dann habe ich mir einen Platz gesucht. Und bin während des ganzen Frühstücks unruhig auf meinem Stuhl hin und her gerutscht. Mein Essen habe ich einfach hinunter geschlungen, es hätte auch ein Pappdeckel sein können und ich hätte es nicht gemerkt.

Dann habe ich aus dem Fenster gestarrt und das Kopfkino begann: was alles passieren könnte…was wäre wenn…mein Mann hatte die Ruhe weg beim Essen: genüsslich hat er ein Brötchen gegessen und dann noch einen Kakao getrunken…und ich war unruhig und wollte wieder in den OP-Bereich. Am Ende habe ich es nicht mehr ausgehalten und ihn gebeten den Kakao (er war im Tetrapak) doch einfach mitzunehmen. Das hat er auch getan.

Ich bin fast gerannt. Blöd eigentlich: die OP war lange noch nicht fertig, ich konnte also dort nur genauso nutzlos sitzen wie auch in der Cafeteria. Aber ich fühlte mich hier besser.

Ja, da saßen wir nun und warteten. Zum Glück ist mein Mann alles andere als ungeduldig: warten macht ihm nichts aus. Aber irgendwann fiel uns ein, dass die Ärzte ja gar nicht wussten dass wir hier saßen. Die dachten wir wären auf Station und würden nach der OP sicherlich dort anrufen.

Da es sonst nichts zu tun gab ist mein Mann auf die Station gegangen um dort Bescheid zu geben das wir vor dem OP sitzen und warten würden bis man uns hole. Als er zurück kam hat er erzählt was die Schwester auf Station gesagt hatte: „Das ist aber nicht üblich das Eltern vor dem OP warten.“ Na und??? Es ist ein frei zugänglicher Flur mit Stühlen. Warum sollte ich nicht dort warten??? Wenn es mir dabei besser ging?? „Normalerweise warten die Eltern auf Station. Wir können jetzt nicht versprechen, dass wir daran denken den Ärzten auszurichten wo sie sind!“…okay: dann halt nicht! Ich war winsch (wie wir bei uns zu Hause, im Westerwald, sagen).

Ich darf ja wohl allein entscheiden wo ich die Zeit der OP meines Kinders verbringe, oder nicht? Mir ging es hier besser!! Hier, auf diesem Flur und auf genau demselben Stuhl!, hatte ich einige Jahre zuvor auch stundenlang gesessen während Marvin notoperiert worden war. Und hier, auf diesem Flur und auf genau diesem Stuhl, hatte ich die Nachricht bekommen das es ihm gut geht und er alles gut überstanden hat.

Wenn ich also jetzt genau hier sitzen bleiben würde…dann müsste doch auch diesmal alles gut gehen! Dachte ich mir so….

Mein Mann hatte keine Probleme mit meiner Entscheidung, er sagte es sei ihm egal wo er sitzt und wartet. Aber ein Problem blieb: wie sollten wir die Ärzte informieren wo wir waren? Klar, irgendwann würde man uns schon finden. Aber wir wollten ja so schnell als möglich nach der OP zu Jonathan!!

Der Zufall kam uns zu Hilfe!! Der Anästhesist, mit dem wir am Tag zuvor im Vorgespräch zusammen gesessen hatten, kam vorbei. Offensichtlich auf dem Weg in den OP, denn er trug schon die entsprechende Kleidung. Ich habe ihn kurz aufgehalten und ihn gebeten unseren Operateuren zuzurufen das wir hier seien: das  hat er uns versprochen. Na also: wer sagt es denn! Problem gelöst! 8o)

Die Zeit verging. Wir saßen und warteten. Haben Sie eine Ahnung wie das ist?? Wie lang sich die Minuten hinziehen können?? Was einem alles durch den Kopf geht?? Schrecklich…

Ich stand auf, ging den Gang auf und ab. Schaute auf die Uhr. Sollte nicht eigentlich die OP schon zu Ende sein??? Warum meldete sich keiner bei uns?? Handys kontrollieren: Akkus noch voll? Haben wir Empfang?? Ist vielleicht der Ton auf lautlos gestellt???

Und wieder den Gang hoch…und runter…und dann wieder hinsetzen…es war einfach nur furchtbar! Ich fühlte mich als würde mir ein Arm fehlen…oder ein Bein.

Plötzlich kamen zwei Männer den Flur heruntergelaufen. Der eine war der Arzt der Augenklinik den wir am Vortag zum Gespräch getroffen hatten, den anderen kannten wir nicht. Aber wir hörten das der, den wir kannten, zu dem anderen sagte: „Jonathan Kremer….MOPD 1…selten…“, und schauten ihn freundlich an. Da verstummte er, als sei er ertappt worden. Er hat auch nicht gegrüßt und ist einfach mit dem anderen Arzt weiter gegangen. Sie hatten einen großen Koffer dabei und waren schon in OP-Kleidung.

Nun ja: das hieß dann wohl dass nun die Augenklinik anwesend war und die Untersuchung beginnen konnte. Und DAS hieß dann wohl dass die OP des Hodenhochstands und Leistenbruchs vorbei und gut ausgegangen war. Ich war unendlich erleichtert. Die längste Zeit des Wartens war damit wohl vorbei. Tief durchatmen…ein ganzes Gebirge fiel mir vom Herzen!!

Nach circa 15 Minuten passierte plötzlich alles Schlag auf Schlag: unser Augenarzt kam mit dem anderen Arzt um die Ecke…das Handy meines Mannes klingelte…mein Handy klingelte…

Auf meinem Handy rief die Station an, das konnte ich an der Nummer sehen. Ich bin nicht dran gegangen: denn schließlich standen die Ärzte ja schon vor mir, ich wusste das die OP beendet war. Und ob alles gut gegangen war würde ich gleich erfahren.

Zuerst einmal stellte sich der mir noch unbekannte Arzt vor: er war der Sektionsleiter der Glaukom- und Hornhautchirurgie. Also derjenige, den der Anästhesist am Vortag informieren wollte. Später habe ich erfahren dass dieser Arzt eine wahre KORYPHÄE auf dem Gebiet der Glaukomforschung und –behandlung ist. Für uns sehr beruhigend da MOPD I-Patienten zu Glaukomen neigen und es gut zu wissen ist, das Jonathan sich mit diesem Problem in so guten Händen befindet.

Die Untersuchung war gut gelaufen, man hatte alle Daten ermitteln können die man brauchte. Der Arzt klärte mich darüber auf das Jonathans Augen gar nicht zu groß seien – wie man ja meint wenn man ihn anschaut. (Mein Mann hat mal gesagt: „Die Augen sind nicht zu groß, der Kopf muss nur noch drum herum wachsen!“)

Also kein Buphtalmus (vergrößerte Augäpfel) wie wir vermutet hatten und wie es auch für das Krankheitsbild typisch ist. Im Gegenteil: „eigentlich waren Jonathans Augen für sein ALTER  sogar zu klein…nur für den Kopf eben zu GROSS.“ (Originalaussage des Arztes)

Der Augeninnendruck war perfekt. Kein Grund zur Besorgnis also.

Ein Glaukom war nicht gefunden worden. Aber der Arzt sagte mir, dass wir diese Untersuchung in regelmäßigen Abständen wiederholen würden um sofort reagieren zu können FALLS eines auftreten sollte. Heilbar war ein Glaukom nämlich, WENN man es früh genug feststellte.

Das waren doch schon mal gute Neuigkeiten! Und was hatte mein Mann in Erfahrung gebracht???

Beim ihm hatte der „Medizinstudent“ angerufen und mitgeteilt das zum einen die OP erfolgreich und ohne Komplikationen abgelaufen sei. Wir würden gleich in den Aufwachraum geholt, er selber würde im Laufe des Tages auf Station noch einmal nach uns sehen. Zum anderen teilte er uns mit, dass sich der zweite Chirurg auf den Weg zu einem Kongress gemacht habe und deswegen leider nicht mehr mit uns sprechen könnte. Eigentlich hätte er schon längst unterwegs sein sollen, doch die OP von Jonathan hätte er unbedingt noch selbst machen wollen.

Super!! Alles gut gegangen!! Ich hätte weinen können vor Freude!! Diese Erleichterung kann ich gar nicht beschreiben. Schon wieder war mir Zeit geschenkt worden mit meinem Kind…

Nach einigen Minuten ging dann auch die Tür zum Aufwachraum auf und die Schwester sagte dass einer von uns beiden zu Jonathan dürfte. Ich habe meinen Mann angesehen und musste gar nichts sagen: mich hielt hier nichts mehr, ich wollte mein Baby sehen und im Arm halten. Aber ich habe meinem Mann versprochen dass ich in ein paar Minuten wiederkommen würde damit er hinein könnte.

Und da lag unser kleiner Wurm…in seinem Jogginganzug…mit einem Verband um den Fuß und war noch gar nicht richtig wach – wohl noch desorientiert von der Narkose. Aber er hat arg gewimmert.

Ich habe ihn sofort in die Arme genommen. War DAS SCHÖN ihn zu fühlen!!! Jonathan fing nach ein paar Minuten an extrem zu weinen und sich zu krümmen. Er hatte vermutlich Schmerzen???? Eine OP an den Hoden tut bestimmt weh…. Außerdem hatte er pupillenerweiternden Tropfen in die Augen bekommen damit die Augenärzte ihre Untersuchungen machen konnten. Das hieß aber, das er momentan kaum etwas erkennen konnte: er sah alles nur verschwommen.

Aus einem Schlaf aufzuwachen, nicht mehr richtig zu sehen, Schmerzen zu haben und nicht zu wissen warum das alles passierte – das würde einen Erwachsenen sicherlich auch ängstigen. Und dann erst Recht mein Kind das sowieso nicht alles verstand.

Was konnte er dagegen tun: weinen. Und das tat er eben auch. Lautstark….

Ich habe echt alles versucht um ihn zu beruhigen: streicheln, küssen, reden, auf dem Arm schaukeln. Aber es half nichts. Die Schwester die Aufsicht im Aufwachraum hatte kam zu mir und hat gefragt ob alles ok sei. Ich habe ihr erklärt das Jonathan sich von seinem Papa in der Regel besser und schneller beruhigen ließ als von mir. Und dann hat die Schwester etwas sehr liebes gemacht: sie ist zur Tür gegangen und hat meinen Mann hereingeholt – obwohl ich AUCH im Raum war und eigentlich immer nur EIN Elternteil hier sein darf. Aber: außer uns war nur noch ein anderes Kind hier und sie meinte dass es sich bei Jonathan ja schon um einen besonderen Fall handeln würde. Da könnte man doch mal eine Ausnahme machen!! 8o))
DANKESCHÖN AN DER STELLE AN DIESE LIEBE SCHWESTER!!!

Mein Mann kam herein und hat Jonathan sofort genommen, gekuschelt und mit ihm geredet. Und wie es wirklich IMMER bei uns ist: beim Papa beruhigt er sich viel schneller und besser als bei der Mama.
(Vielleicht liegt das daran das ich so ein „aufgedrehtes Hinkel“, also hektisch und mitunter sehr laut, bin??? Und mein Mann eher der ruhige Typ??? Oder aber es ist eine besondere Bindung die die beiden Männer aneinander haben. Ich weiß es nicht, aber der „Papa-Effekt“ funktioniert.)

Die Anästhesistin kam dann zu uns und hat erklärt dass es nicht einfach gewesen war einen Zugang zu legen (das hatte ich ihr ja schon im Vorfeld gesagt!). Und das man Jonathan eine Maskennarkose hatte geben müssen und einen Zugang nur im Fuß gefunden habe. In den Händen hätte es nicht funktioniert. Ansonsten wären unter der Narkose keine Probleme aufgetreten: keine Herzfrequenzabfälle, keine Atemaussetzer oder sonstiges. Alles problemlos und gut verlaufen.

War das nicht toll??? Endlich mal eine gute Nachricht!! Und wie so oft denkt man sich hinterher: die ganze Aufregung war umsonst!! Aber das weiß man ja vorher nicht.

Eine Weile mussten wir noch im Aufwachraum bleiben, Jonathan wurde überwacht und er sollte auch noch ein wenig Wasser oder Tee zu sich nehmen.

Der kleine Mann war wirklich ganz schön dösig, er bekam die Augen nicht richtig auf. Aber was ich sehen konnte war: die Pupillen waren echt RIESIG!! Von dem Medikament. Ich selber habe auch schon einmal eine Untersuchung unter Anwendung von Pupillenerweiternden Tropfen hinter mich gebracht und weiß dass es SEHR unangenehm ist. Man sieht echt nichts!! Die Augen sind offen und  man kann trotzdem einfach nichts erkennen. Mein armer kleiner Zwerg, er tat mir so leid – zumal man ihm auch nicht begreiflich machen konnte das dieser Zustand wieder weg ging.

Jonathan hat noch viel geschlafen im Aufwachraum, aber wenn er wach war hat er geweint. Wir haben ihn überredet nach einiger Zeit mal ein paar Schlucke Wasser zu trinken und als die drin blieben durften wir zurück auf Station.

Dort haben wir dann erst mal eine Milch „bestellt“: der arme kleine Mann war total ausgehungert!! Er hat eine große Flasche getrunken und ist dann zufrieden eingeschlafen.

Mein Mann und ich haben die Gunst der Stunde genutzt und sind in die Cafeteria Mittag essen gegangen.

Danach sind wir aber zügig wieder auf die Station zurückgekehrt: wir wollten ja nicht das Joni wach wird und Angst bekommt weil keiner mehr bei ihm ist. Er hat aber noch eine ganze Weile geschlafen vor Erschöpfung.

Als er dann nachmittags zu sich kam fiel mir auf das bei einem Auge die Pupille wieder normal groß war – bei dem anderen aber nicht. Dort war die Pupille immer noch RIESIG. Es war sehr irritierend ihn anzusehen: im ersten Moment wusste ich auch gar nicht was nicht stimmte, nur das irgendwas anders aussah. Ein ganz komischer Anblick: ein Auge normal und eines fast schwarz weil die Pupille nahezu die komplette Iris bedeckte.

Mir war ein wenig mulmig deswegen. Jonathan hatte schon einige Male diese Augentropfen bekommen und IMMER, wirklich IMMER, waren die Pupillen gleichermaßen „normal“ geworden. Aber diesmal eben nicht.

Sofort hatte ich den Gedanken dass dies verursacht worden sein könnte durch eine Hirnblutung. 
Also habe ich der Schwester Bescheid gegeben das sie doch mal die Augenärzte fragen möchte ob das normal sei.

Es dauerte seine Zeit bis die Schwester sich wieder bei uns meldete. Leider seien alle Ansprechpartner der Augenklinik schon im Feierabend.
Na prima!!! Und jetzt?? Ich hatte Panik.



Doch eine Ablenkung nahte an diesem Nachmittag: die Clowndoktoren waren auf Station! Wir hörten sie schon auf dem Flur vor den Zimmern Mundharmonika spielen, wir hörten ihr Lachen und auch das einiger Kinder.

Es dauerte dann auch nicht lange und die Tür zu unserem Zimmer ging auf und sie kamen herein. Eine Frau und ein Mann, beide total lustig angezogen: bunt und mit Scherzartikeln ausgerüstet, ein Kuscheltier und eine Mundharmonika dabei. Geschminkt und natürlich mit Clownsnasen.

Ich werde nie Jonathans Gesichtsausdruck vergessen: er starrte die beiden mit offenem Mund an und ich hätte echt viel darum gegeben seine Gedanken in diesem Moment zu kennen!! Er kannte nur „richtige“ Ärzte, hat er sich gefragt warum die beiden so komisch aussehen???

Der Gesichtsausdruck der beiden Doktoren als sie Jonathan erblickten war aber auch lustig. Sie waren begeistert und sagten er sei total süß; waren aber auch verwirrt weil er sie so neugierig betrachtete und doch so klein war, das man im ersten Moment glaubte er sei grade erst geboren worden.

Wir klärten die beiden Clowns auf und sagten ihnen das Jonathan schon über ein Jahr, aber kleinwüchsig sei. Daraufhin haben sie angefangen ihn zu belustigen: für ihn zu singen, Mundharmonika zu spielen und ihm auch ihre Scherzartikel vorgeführt.

Wieviel Joni davon wirklich erfassen konnte weiß ich nicht, aber er hat die beiden die ganze Zeit staunend betrachtet und war ruhig – also hat es ihm zumindest gefallen, denke ich.

Ich war wirklich begeistert von dieser kurzen Ablenkung, wobei ich dabei auch mehr an die etwas größeren Kinder hier auf Station dachte. Wenn man am Ende wochenlang hier liegen und sich langweilen muss…wie schön muss es für diese Kinder sein wenn ein Clown sich Zeit nimmt sie zum Lachen zu bringen!! Und außerdem ist lachten ja die beste Medizin – sagt man.
(Wer sich für dieses Projekt interessiert kann DIE CLOWNDOKTOREN googlen!)

Die Clowns waren weg, und Jonathans Pupille immer noch so riesig wie vorher. Das konnte doch gar nicht sein!! Die OP war schon STUNDEN vorbei und das andere Auge auch wieder ok…warum dieses eine nicht?? Ich war wirklich richtig nervös!! Schließlich war das nicht die erste Untersuchung bei der diese Tropfen verwendet wurden – aber so eine Reaktion hatten wir danach wirklich noch nie!

In der ganzen Aufregung hatte ich total vergessen dass unser Chirurg ja versprochen hatte noch einmal nach uns zu sehen - und er kam auch. Ich war total erleichtert, jetzt konnte ich IHN ja fragen ob das mit den Pupillen noch im normalen Bereich war.

Der Chirurg fand das Ganze nicht so besorgniserregend wie ich. Er meinte das es schon mal sein kann das die Pupille mehrere Stunden braucht um sich wieder zurückzubilden, wir sollten uns nicht verrückt machen. Allerdings sollten wir Bescheid geben wenn sie am nächsten Morgen immer noch derart vergrößert sei. Ok: ich war beruhigt.

Und er teilte uns noch etwas mit was mich sehr freute! Aber auch überraschte!

Nachdem er Jonathans Hoden und Leiste untersucht und uns noch einige Fragen bezüglich Nahrungsaufnahme, Fieber und Stuhlgang gestellt hatte sagte er: „Wenn alles so bleibt…können Sie morgen nach der Visite nach Hause gehen!“

WHAT??? Nach Hause??? Einen Tag nach der OP??? Echt jetzt??? …das ging mir in dem Moment durch den Kopf... Hammer!! Dabei hatten wir drei oder vier Tage Klinikaufenthalt eingeplant. Mein Mann hatte genug Klamotten dabei und auch Zeitschriften, Laptop und Filme.

Aber natürlich würden wir uns nicht beschweren wenn er das alles umsonst mitgenommen hätte und es nicht bräuchte! 8o))

Irgendwann bin ich dann nach Hause gefahren. Mit guten Nachrichten für Marvin: vielleicht durfte sein Bruder schon am nächsten Tag nach Hause!! Das wäre ja echt super!!

Am nächsten Morgen kam ich in die Klinik. Aufgeregt!! War alles gut?? Würden wir gehen dürften???

Jonathan war fit, er hatte auch relativ gut geschlafen in der Nacht: er war zwar ein paarmal wach geworden und hatte geweint – sicherlich vor Schmerzen. Aber nachdem er dann Schmerzmittel bekommen hatte war es auch wieder ok gewesen. Seine Temperatur war ein wenig erhöht, aber man konnte nicht wirklich von Fieber sprechen. Also alles soweit super!!

Jetzt hieß es waren auf die Visite. Und hoffen das wir gehen durften. Ich war schon sehr nervös. Die ganze Zeit hatte ich die Diskussionen mit der Ärztin im Kopf die uns mit/nach den Rota-Viren nicht entlassen wollte. Würde das am Ende heute wieder so kommen??

Die Visite kam recht früh am Vormittag. Der Chirurg (der Medizinstudent) und eine mir fremde Ärztin betraten das Zimmer. Zuerst untersuchten sie gemeinsam unseren „Zimmergenossen“, ein kleines Baby das auch am vorhergehenden Tag operiert worden war. Das Handy des Chirurgen klingelte und er verließ das Zimmer. Die Ärztin teilte den anderen Eltern mit das sie noch ein paar Tage bleiben müssten, die Wunden und das Fieber müssten weiterhin kontrolliert werden.

Mir rutschte das Herz in die Hose. Na toll! Ich hatte die Vermutung dass bei dem Baby dieselbe OP gemacht worden war wie bei Jonathan (mit Sicherheit wusste ich es aber nicht weil wir uns mit den Eltern nicht verständigen konnten. Sie sprachen kein Deutsch oder Englisch.). Wenn das Baby also bleiben musste – dann wir bestimmt auch!

Auf jeden Fall kam die Ärztin dann zu uns, begrüßte uns und wollte mit der Untersuchung beginnen. Da ich glaubte, eher von unserem Chirurgen als von ihr entlassen zu werden, fragte ich sie ob es ok sei wenn wir auf den Arzt warten würden – und er selber die Untersuchung vornehmen würde. Ich hatte ein wenig Bedenken ob sie sich davon „auf den Fuß getreten fühlen würde“, aber das war nicht der Fall. Wir warteten also einfach ein paar Minuten und dann kam der Chirurg zu uns.

Er begrüßte uns, lachte und sagte: „Wissen Sie wer das grade an meinem  Handy war?“…wir wussten das natürlich nicht, woher auch! 8o)) „Es war Dr. …(der andere Chirurg). Er hat zu mir gesagt DU BIST DOCH GRADE BEIM KLEINEN JONATHAN, WIE GEHT ES IHM DENN?...woher weiß er das ich grade bei Ihnen bin? Er ist auf einem Kongress in Amerika! Ich glaube er hat eine Kamera in mein Handy eingebaut und überwacht mich! Big brother is watching you!“ Dann lachte er schallend, und wir auch! Das war auch echt ein witziger Zufall, oder?? Und wieder mal ein Zeichen dafür wie sehr sich dieser Arzt für unseren Sohn interessiert! Es imponiert mir aber auch echt immer wieder aufs Neue!

Doch nun mussten wir ernst werden und der Arzt Jonathan untersuchen. Wie genau der Genitalbereich nach dieser OP aussah werde ich nicht schildern. Zum einen als Schutz für Jonathan…zum anderen aber auch als Schutz für alle Männer die diesen Blog lesen! Ich glaube die hätten richtige körperliche Schmerzen wenn ich die Hoden eingehender beschreiben würde. 8o))

Der Arzt war jedenfalls mit dem Gesamtbild zufrieden. Es war keine Entzündung vorhanden, Jonathan hatte immer noch kein Fieber – nur etwas erhöhte Temperatur, er hatte gegessen und getrunken und die Windeln waren voll.

„Alles super! Sie können nach Hause gehen! In 10 Tagen zum Kinderarzt: der soll dann die Wundpflaster entfernen die SIE bitte so lange drauf lassen. Ansonsten: sind Sie ja geübt mit Medikamentengaben gegen Fieber, und sollte Sie irgendetwas beunruhigen: melden Sie sich. Packen Sie schnell alles ein, wir wissen ja das Jonathan Kliniken nicht leiden kann und bevor er wieder die Nahrung verweigert…“

Wow!!!!! Das war mal eine Aussage!!! Mir fiel ein Stein vom Herzen, ich war so glücklich. Endlich mal ein Arzt der uns verstand und uns auch etwas zutraute. Der uns vertraute. Das war schon ein toller Moment!!

Ich bat noch um ein Foto: mein Sohn und unser Chirurg. Als Erinnerung an DIESEN Klinikaufenthalt. Da das Foto kurz vor der Entlassung entstanden ist schaue ich es auch bis heute gerne an!! 8o))

Und dann nichts wie heim! Alles zusammen packen: wir mussten zweimal laufen…aber egal. Böse Blicke von unseren Zimmergenossen. Wir dürfen gehen und sie mussten bleiben. Ganz ehrlich? In diesem Moment war mir das egal. In diesem Moment war ich einfach nur egoistisch und froh hier raus zu kommen!!

Zu Hause….ein tolles Gefühl!!
Wir hatten jetzt Anfang Juli 2016 und in den vergangenen zwei Monaten hatten wir 3 Krankenhausaufenthalte, 2 davon ungeplant!, gehabt. Das zehrt an den Nerven…grade mit einem solchen Kind wie Jonathan, bei dem man nie weiß wie er OPs und Krankheiten verkraftet.


Aber jetzt lag das hinter uns und wir hofften – und glaubten – das jetzt Ruhe einkehren würde. Das wir unser Leben zu viert nun endlich mal uneingeschränkt genießen könnten…und wir sollten Recht behalten! 



Übernachtung im Hotel
Wir wagten etwas völlig Neues!!! Einen Kurzurlaub mit Jonathan. Es ging in den Playmobil-Fun-Park nach Fürth.

Schon seit Marvin 3 Jahre alt ist fahren wir (mindestens!) einmal im Jahr in den Playmobil-Park. Ich bezeichne Marvin und mich gerne als „Playmobil-Fetischisten“, unsere Freunde werden das bestätigen: die kennen die Massen an Playmobil-Spielzeug das wir besitzen. 8o))

Da wir so oft dort gewesen waren wussten wir, das der Fun-Park auch für Jonathan bestens geeignet war: es gibt keine Achterbahnen – die Philosophie von Playmobil ist „selber machen und selber entdecken“, alles ist Kindgerecht und sicher gestaltet. Auch so ein kleiner Mensch wie Jonathan findet hier Beschäftigung: es gibt Sandkästen, Wasserspielplätze und Spielecken in denen Playmobil 1-2-3 zum Ausprobieren steht. Es gibt Mikrowellen um das Essen zu erwärmen und Ruheräume, in die man sich zurückziehen kann. Auch Sanitätsräume mit Ärzten sind vorhanden.

Marvin LIEBT diesen Park!!! Obwohl er mittlerweile schon die Grundschule hinter sich gelassen hat, ist der jährliche Ausflug in diesen Park für ihn der Höhepunkt des Jahres: ein lieb gewonnenes Ritual. Jede Ecke dort wird wie ein alter Freund begrüßt…er weiß schon wo er zuerst hingehen möchte und freut sich auf sein Lieblingsessen und den Shop!  

Und jetzt mal ehrlich und Hand auf´s Herz: wenn die Kinder Spaß haben – dann hat man selber doch auch Spaß, oder??? Aus diesem Grund liebe ich den Park so! Und auch deswegen weil hier weder Eintritt noch Essen überteuert sind. Es ist ein rundum Familienfreundlicher Park und ich kann ihn nur jedem ans Herz legen!!

Also buchten wir eine Übernachtung im Park-Hotel. Es ist gegenüber vom Park gelegen und hat nur knapp 40 Zimmer: hier in der Ferienzeit übernachten zu können bedarf einer gehörigen Portion Glück und einer frühzeitigen Buchung! Das Hotel ist aber auch der Hammer! Jedes Zimmer sieht aus wie aus Playmobil gebaut, die Möbel sind den Möbeln aus den Puppenhäusern nachempfunden. Playmobil-Bilder hängen an den Wänden: jedes Zimmer hat ein eigenes Thema (Feuerwehr, Wikinger, Zoo…). Außerdem gibt es ein Spielzimmer, wo man seine mitgebrachte Brotzeit essen kann und die Kinder sich an den Spieltischen austoben können.

Auf den Fluren stehen Pflanzen in Lechuza-Pflanzkübeln: der ein oder andere kennt sie aus dem Gartencenter – eine einzigartige und patentierte Bewässerungstechnik, die selbst Menschen ohne grünem Daumen (wie mir) erlaubt, Pflanzen länger als eine Woche zu besitzen. Was aber kaum einer weiß: die Lechuza-Pflanzkübel waren eine Erfindung von Horst Brandstätter, dem langjährigen Playmobil-Inhaber/“Mit-Erfinder“. Und deswegen gibt es neben dem Park auch einen Pflanzenshop. Wenn man diese Begebenheit nun kennt wundert es nicht, dass diese Blumen und Pflanzkübel die Vorlage für vielen Playmobil-Pflanzen sind. Aber das nur am Rande..8o))

Zugegeben: das Hotel kostet ein paar Euro mehr. Aber wir haben für uns entschieden dass wir das in Kauf nehmen. Dafür können wir mit Jonathan einfach aus dem Park heraus über die Straße in unser Zimmer gehen wenn es ihm zu viel wird und müssen nicht noch mit dem Auto irgendwohin fahren. Auch für die Kühlung des Medikaments ist das sehr praktisch: wir brauchen es nicht mit uns herum zu tragen.


Seit vielen Jahren haben wir in unserer Familie eine Tradition: am Geburtstag eines Familienmitglieds wird (wenn das möglich ist!) frei genommen und wir machen einen Ausflug. Das Geburtstagskind darf sich aussuchen wohin es geht: Zoo, Burgenbesichtigung, Stadtrundfahrt…egal! Wir unternehmen etwas. Und die Feier mit Familie und Freunden findet später statt. So schaffen wir uns Erinnerungen und genießen unsere Ehrentage in vollen Zügen ohne uns dem Stress einer Bewirtung von Gästen aussetzen zu müssen.

Dieser Ausflug nach Fürth…war MEIN Geburtstagsausflug! 8o)) Zwar fand er aufgrund der Tatsache das mein Geburtstag in diesem Jahr auf einen Mittwoch fiel erst ein paar Tage später statt (wegen der Schule), aber ich freute mich trotzdem riesig darauf und darüber!!

Für die meisten Eltern die diesen Blog lesen sind Wochenendausflüge mit Kleinkindern vermutlich normal. Man hat Lust dazu: dann macht man das!! Für uns…war es etwas ganz besonderes. Erstens weil es nach Jonathans Geburt einfach Zeiten gegeben hat in denen wir gar nicht sicher waren ob er lange genug bei uns sein würde um so etwas mit ihm zu unternehmen. Zweitens weil wir wegen Jonathans Immunsystem einfach nicht alles machen können was wir wollen. Unser Leben ist wirklich sehr stark eingeschränkt. Und drittens mussten wir uns erstmal an dieses Leben mit Jonathan gewöhnen. Die Medikamentengaben verinnerlichen, lernen welche Dinge in unserem Leben nun so unentbehrlich sind das wir ohne sie nicht verreisen können. Nicht zu vergessen: wir mussten auch unseren Jungen erst einmal richtig kennenlernen, seine Körpersprache deuten und ihn verstehen lernen. Fünf Monate im Krankenhaus tragen nicht in dem Maße dazu bei sein Kind zu kennen wie es zu Hause der Fall wäre.

Von daher: bedeutete uns dieser Ausflug sehr viel. Grade ich hatte das Gefühl ein Stück Lebensqualität zurückzubekommen, saß ich doch die meiste Zeit des Tages allein zu Hause. Nun durfte ich raus und etwas „erleben“, ein Stück „normales“ Familienleben spüren und einfach mal abschalten.


ABER…Haben Sie schon einmal einen Ausflug mit einem Baby oder einem Kleinkind gemacht??? Dann wissen Sie ja wieviel Gepäck man so mit sich herum schleppen muss.

Und nun stellen Sie sich das doppelte Gepäck vor. Das ist dann ungefähr das was WIR mitschleppen mussten….

Es sind nicht nur Gläschen, Quetschbeutel, Wechselwäsche und Windeln…wir müssen auch noch die ganzen Medikamente (einige doppelt falls uns eine Ampulle runterfallen und kaputt gehen sollte) mitnehmen: und eine Kühltasche weil wir dieses eine Medikament haben das dauernd gekühlt werden muss. Dann Spritzen und Nadeln zum Aufziehen der Medikamente. Außerdem die Spezialmilch: die gibt es nämlich nur in der Apotheke und dort muss sie meist bestellt werden. Das Notfallmedikament falls wieder ein Krampfanfall kommen sollte. Hautcremes, weil Jonathans Haut aufgrund der Krankheit sehr trocken ist und regelmäßig gecremt werden muss – und zwar mit unterschiedlichen Produkten für Kopf, Gesicht und Körper. Das Inhalationsgerät falls er einen Schnupfen bekommen sollte. Und die dazu gehörigen Medikamente.

Ich war, ehrlich gesagt, gestresst und auch mehrere Tage mit Packen beschäftigt. Einige Koffer und Taschen standen überall in der Wohnung herum und immer wenn mir etwas einfiel das mit musste, wurde es in einen hineingelegt. Horror diese Packerei!! Und hoffentlich würde ich nichts vergessen!!

Je näher unser Ausflug rückte, desto mehr Gedanken machte ich mir: wie würde Jonathan so einen Ausflug überhaupt finden?? Würde er die lange Autofahrt gut mitmachen? Würde er sich wohlfühlen am Zielort, oder würde ihn die unbekannte Umgebung ängstigen?? Würden WIR es hinbekommen unseren Tagesablauf einigermaßen einzuhalten und somit  Routine und Gewohnheit für ihn zu schaffen??

Vielleicht hätte ich mir solche Gedanken nicht (oder nicht in dem Umfang) gemacht wenn damals die Schwestern im Krankenhaus uns nicht folgendes erzählt hätten: „Kleinwüchsige haben ein Problem mit Ortsveränderungen. Sie sind immer gern in ihrer gewohnten Umgebung, alles Neue und Unbekannte löst bei ihnen Stress aus.“ Hmmmm….natürlich löst so eine Aussage bei uns Eltern das Kopfkino aus. Aber andererseits: wenn wir es nicht ausprobieren würden…dann würden wir auch nie wissen wie JONATHAN auf eine unbekannte Umgebung reagiert, oder?? Heißt es nicht: „Probieren geht über Studieren“?? Also…aber ein bisschen ängstlich darf man vor dem ersten Ausflug dann ja doch sein. 8o))  

Und noch etwas anderes machte mir ein bisschen „Angst“: das Jonathan wieder einen Krampfanfall bekommen würde – fernab „unserer“ Ärzte. Natürlich hatten wir das Notfallmedikament, aber ich zumindest fühle mich immer sicherer wenn ich in der Nähe bin und weiß das ich zur Not in die Klinik fahren kann in der Jonathan und seine Krankheit bestens bekannt sind. Aber gut: ich musste wohl versuchen diese Ängste abzuschalten oder wegzuschieben. Ansonsten blieb mir nur mich den Rest meines Lebens mit Jonathan einzuschließen und nicht mehr wegzufahren – was wohl keine Alternative war!

Dann war der Tag der Abreise gekommen. Circa 3,5 Stunden Fahrt lagen vor uns und wir wollten zur Parköffnung um 9 Uhr, oder spätestens um 9.30 Uhr, in Nürnberg sein. Also hieß das nach Adam Riese: mussten wir um 5.30 Uhr, spätestens 6.00 Uhr los….
Und das hieß für mich: um 4.30 Uhr klingelte der Wecker. Kaffee trinken, duschen, die restlichen Waschsachen zusammen packen, Brote für die Fahrt schmieren und alles bereitstellen was mein Mann dann ins Auto packen sollte…

Viel geschlafen hatte ich nicht, aber ich war so aufgeregt wegen dieser neuen Erfahrung das ich direkt aus dem Bett sprang als der Wecker klingelte...und ich geriet ganz schön in Wallung weil ich nichts vergessen wollte - ich hätte nach einer halben Stunde quasi schon wieder duschen können! 8o))

Und dann ging es endlich irgendwann los: alles war eingepackt, die Kinder saßen im Auto, das Navi war programmiert, die Nachbarin hatte den Haustürschlüssel damit sie sich um unsere Meerschweinchen kümmern konnte…jetzt konnte ich durchschnaufen und mich freuen!!

Natürlich waren die beiden Jungs noch sehr müde: wir hatten sie auch mitten in der Nacht geweckt. Aber eigentlich war genau das Teil des Plans gewesen…denn wenn sie noch müde waren, würden sie einen Großteil der Fahrt verschlafen und wir hätten weder Geschrei von Jona, noch  „Mama, wie lange dauert es denn noch? Können wir anhalten, ich habe Hunger/muss auf´s Klo!“ von Marvin zu ertragen. 8o)))

Also sind wir erst mal ein bisschen gefahren, die beiden haben geschlafen und ich konnte mich somit voll und ganz entspannen… aber wir mussten die Uhr ein wenig im Auge behalten, denn Jonathan brauchte –wie jeden Tag- Medikamente und sein Frühstück. Die regulären Zeiten müssen eben trotz Ausflug eingehalten werden!!

Wir hatten uns extra eine Kühlbox besorgt die man auch im Auto an den Zigarettenanzünder anschließen kann. Ich habe es ja bereits mehrfach erwähnt: Jonathan bekommt ein Medikament, gegen Bluthochdruck, das permanent gekühlt werden muss. Und wenn man längere Zeit unterwegs ist und mit Kühlakkus hantiert – auch noch im Hochsommer- dann ist das am Ende suboptimal. Also hatten wir uns zu dieser Lösung entschlossen und es klappte auch einwandfrei! Im Zimmer konnten wir die Box einfach an die Steckdose anschließen und waren somit nicht darauf angewiesen ob das Zimmer einen Kühlschrank hatte oder nicht.

Aus meiner Erfahrung kann ich heute sagen, dass es eigentlich für alle Probleme die sich im Alltag mit einem kleinwüchsigen Kind so bieten eine Lösung gibt…man muss nur erfinderisch und kreativ sein.

Die Fahrt selbst gestaltete sich sehr ruhig und angenehm. Zu Anfang schliefen beide Kinder – und hätten vermutlich auch die komplette Fahrt verpennt. Aber…und das ist manchmal halt einfach total blöd: wir MUSSTEN anhalten und Jonathan Essen geben damit er anschließend seine Medikamente nehmen konnte. Und die waren wichtig: am Vormittag bekommt er die Medikamente gegen Bluthochdruck und Krampfanfälle…nicht auszudenken was passieren würde wenn wir letzteres nicht geben und er im Park dann einen Anfall hätte!!

Also mussten wir ihn wecken und danach hat er dann auch nicht mehr geschlafen. Er ist wie ich: wenn er einmal wach ist – dann ist er wach! Marvin war sowieso aufgeregt, der WOLLTE dann gar nicht mehr schlafen…Aber zumindest waren beide Kinder ruhig und gut gelaunt.

Irgendwann kamen wir in Nürnberg an und sind erstmal ins Hotel gegangen: das Medikament dort abgeben, damit es an der Rezeption kühl gestellt würde bis wir das Zimmer am Nachmittag beziehen durften. Solche Arrangements sind eigentlich nie ein Problem: man muss nur nett fragen! 8o)) 

Und dann in den Park. ENDLICH!! Ok, wir waren erst um 10 Uhr dort. Aber immerhin: für den ersten Ausflug und dafür das wir noch eine Rast gemacht und noch im Hotel vorbei gegangen waren: lagen wir sehr gut im Zeitplan, finde ich!

Ich bin nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube der Parkbesuch war nun auch das erste Mal das wir unseren neu erhaltenen Schwerbehindertenausweis ausprobieren konnten. Jonathan hat nämlich aufgrund seiner Erkrankung eine 100%ige Schwerbehinderung erhalten – nach längeren Diskussionen und Einspruch unsererseits.

An der Stelle muss ich kurz abschweifen um einfach mal zu erzählen wie viele Steine uns Eltern von behinderten Kindern noch zusätzlich zu der ohnehin schon immensen Belastung in den Weg gelegt werden!

Also: wir hatten einen Schwerbehindertenausweis beantragt und alle ärztlichen Unterlagen (Gen-Analyse, Unterlagen der Orthopädin, Unterlagen über die Hirnfehlbildungen, Arztbrief vom Kinderarzt usw) eingereicht.

Es vergingen mehrere Wochen…dann kam irgendwann ein Brief vom Versorgungsamt, ich freute mich schon. Doch der Brief beinhaltete nur eine Mitteilung „dass es beim Versorgungsamt Umstrukturierungen gebe. Aufgrund dessen könnte es sein das die Bearbeitungszeiten sich etwas in die Länge ziehen. Bitte sehen Sie von Anrufen oder neuerlichen Schreiben/Faxen/Emails ab: das verzögert die Bearbeitung nur noch mehr!“.
Na super!! Aber ok…Umstrukturierungen sind MIR nicht fremd! Mit allem was dazu gehört…8o))

Also habe ich geduldig gewartet. Und irgendwann…ich glaube nach 5 MONATEN, habe ich dann ein Schreiben und einen Ausweis für Jonathan erhalten. Mit 50% Schwerbehinderung. Ganz ehrlich: ich fand das zu wenig! Mein Sohn hat eine Lebensverkürzende Erkrankung mit erheblichen körperlichen und geistigen Einschränkungen…also wenn ER nur 50% bekommt, was muss man dann bitte haben um 100% zu bekommen????

Auf Umstrukturierungen wollte ich jetzt keine Rücksicht mehr nehmen und habe zum Telefon gegriffen und die Bearbeiterin, die das Schreiben erstellt hatte, angerufen. Dann habe ich sie gefragt warum mein Sohn nur 50% erhalten hat. Sie teilte mir mit…und das ist jetzt mein voller Ernst, das habe ich mir nicht ausgedacht!!

„Wir haben die Hirnfehlbildungen nicht anerkannt. Ihr Sohn ist ja noch soooo klein, das Gehirn kann sich ja noch entwickeln – das weiß man heute gar nicht ob er da so eingeschränkt bleibt. Wir prüfen das erneut wenn er 6 Jahre alt ist: Sie sehen ja das der Ausweis deswegen befristet wurde.“ ….“Sie haben gelesen das mein Sohn die Diagnose MOPD Typ 1 hat?“…“Ja, das habe ich gelesen. Aber das kenne ich nicht.“….“Meinen Sie nicht wenn Sie Schwerbehindertenausweise erstellen und eine Diagnose nicht kennen sollten Sie sich VIELLEICHT mal im Internet schlau machen?? Mein Sohn wird unter Umständen die nächste Prüfung nicht mehr erleben: sein Gendefekt ist lebensverkürzend. Und da die Hirnfehlbildungen vom Gendefekt kommen gehen die auch nicht mehr weg!“…“Ach so..naja: Sie können ja Widerspruch gegen den Bescheid einlegen.“…….

Und das haben wir natürlich auch getan. Mein Anschreiben hatte nicht den freundlichsten Ton….Innerhalb von kürzester Zeit hatten wir aber einen neuen Ausweis in der Hand und diesen dann auch über 100% und das …unbefristet…so lange Jonathan lebt eben.

Soviel dazu. Das war nicht das erste und letzte Mal das ich mich mit Behörden, speziell auch mit der Krankenkasse!, auseinandersetzen musste!! Ich tue es: ich diskutiere und kämpfe. Weil es für meinen Jungen ist. Aber….es ist eine solche zusätzliche Belastung!! Denn jedes Mal wenn man solche Diskussionen wie die oben geschilderte führen muss, wird einem vor Augen gehalten das das eigene Kind diese schreckliche Diagnose hat.


Exkurs beendet. 8o))
Zurück zu unserem Tag im Playmobil-Funpark.
Wir haben also unseren Ausweis das erste Mal vorgezeigt. Jonathan selber ist zwar bei den meisten Unternehmungen aufgrund seines Alters sowieso noch kostenlos, aber durch den Ausweis haben wir nun auch eine Begleitperson frei. Das heißt, wir sparen ein bisschen Geld bei den Eintritten. Was mich total gefreut hat!!

Ja: wahrscheinlich kommen jetzt wieder die NEIDER die es uns nicht gönnen und uns vorwerfen das wir uns bereichern oder so etwas in der Art…
Aber ganz ehrlich: ist mir egal! Wir leben jeden Tag mit dieser Krankheit, wir müssen so viel aushalten und so viel Leid ertragen…wir dürfen uns auch mal an solchen kleinen Dingen erfreuen und einen positiven Nutzen aus (sorry!) dieser ganzen Scheiße ziehen!!

Und nun waren wir im Park!! Marvin und ich kannten ihn ja schon wie unsere Hosentaschen, wir waren schon so oft hier gewesen. Aber diesmal…hatten wir Joni dabei und wir konnten ihm alles zeigen. Marvin war total aufgekratzt!! 8o))

Zuerst ist man an der Baustelle. Hier ist es sehr laut, na klar: da wird ja auch gearbeitet!! Ganz viele Kinder haben Steine geschaufelt, in Eimer gefüllt und dann in Metallschächte geschüttet (gut: man hätte für die Schächte beim Bau auch ein anderes Material nehmen können – aber das hätte dann natürlich nicht so einen Lärm gemacht!).

Jonathan war sehr fasziniert von dem RIESENGROSSEN Baustellenfahrzeug das hier als Nachbau aus Holz und zum Klettern steht. Wir haben Jonathan und Marvin dann ins Führerhaus gesetzt: es sah so lustig aus! Das riesige Auto und der winzige Jonathan! 8o)

Ja, und dann ging es weiter durch den Park. Jonathan hat sich nicht für alles interessiert, irgendwann war auch einfach die Konzentration bei ihm weg. Er musste zwischendurch essen, Medikamente nehmen und natürlich auch mal schlafen. In der Zeit waren wir dann eben in den Klettergärten oder bei den Wasserspielplätzen: so kam Marvin auch auf seine Kosten.

Was Jonathan aber noch sehr gut gefallen hat waren die Wasserstraßen für die 1-3 Jährigen. Man muss sich das so vorstellen: ein Platz, komplett eingefasst mit Hecken. Überdacht mit einem Sonnensegel. Und dann steht da quasi eine lange Reihe „Tische“ aus Metall, eigentlich eher wie eine Rinne gebaut. Und die sind mit Wasser gefüllt in dem Playmobil-1-2-3-Spielzeug herumschwimmt. Die Kinder können sich dann an die Tische stellen und damit spielen. Und nach Herzenslust planschen und Wasser spritzen. Im Sommer bei Hitze unschätzbar!

Es WAR warm und so sind wir mit Jonathan dorthin gegangen. Es waren einige Eltern mit ihren Kindern da die spielten. Ich habe Jonathan mitgenommen, mich an einen Tisch gekniet und ihn darüber gehalten. Er hat sich ein Boot geschnappt, es hin und her geschoben und hatte wahnsinnigen Spaß dabei!! Er wollte das Boot auch gar nicht mehr loslassen!!! (Wir haben es dann später im Shop für zu Hause gekauft.)

Aber mal wieder: standen wir komplett im Mittelpunkt. Wir wurden begafft…Elternpaare steckten die Köpfe zusammen und begannen zu tuscheln, ein Pärchen war sich nicht zu schade dabei sogar mit dem Finger auf uns zu zeigen. NORMALERWEISE wäre ich mal wieder zu ihnen gegangen und hätte ihnen erklärt das Jonathan kleinwüchsig ist, aber trotzdem das Recht hat an diesen Wasserstraßen zu spielen – auch wenn es anders aussieht weil er nicht davor stehen kann. Doch an diesem Tag hatte ich einfach KEINE LUST mich mit irgendwem zu unterhalten oder RECHENSCHAFT abzulegen. Ich habe es ignoriert, wollte einfach meine Ruhe haben…

Das wurde allerdings schwierig als es zum Mittagessen ging. Wir haben Jonathan ein Gläschen gegeben und er hat vom Löffel gegessen. Dabei saß er in einem kleinen Stühlchen. Am Nachbartisch saß auch ein Elternpaar die ein Kleinkind fütterten und sie beobachteten uns sehr genau und begannen ebenfalls zu tuscheln. Allerdings war das eher ein absichtlich sehr lautes Tuscheln damit wir auch hören konnten was sie sagten: „Wie kann man ein so kleines Kind schon zwingen ein Gläschen zu essen?? Das ist ja voll die Quälerei und auch nicht normal!“…

Ich hatte einfach keinen Bock auf Erklärungen. Auch das habe ich ignoriert!! Aber ein Appell an alle Eltern: nicht immer sind die Dinge wie sie scheinen – und manchmal ist es besser den Mund zu halten wenn man nicht gefragt wird!!

Aufgeregt haben mich die Kommentare ja schon, wenn ich ehrlich sein soll!

Mit der Diagnose MOPD I zu leben ist sowieso schon eine wahnsinnige Herausforderung – man kann auch sagen: psychische Belastung. Dabei geht es mir nicht um die Krankheit an sich: mit Kleinwuchs und geistigen Einschränkungen habe ich mich mittlerweile abgefunden. Aber die Tatsache dass das eigene Kind nur eine sehr begrenzte Lebenserwartung hat bestimmt einfach den Alltag. Die Gedanken. Es tut weh. Sehr weh. Man kann das auch nicht einfach so vergessen, dieses Wissen ist immer da und begleitet einen überall hin. Manchmal sehe ich meinen Jungen an und dann bekomme ich keine Luft mehr – weil die Angst ihn zu verlieren dann einfach übermächtig wird.

Und weil man das alles psychisch auf Dauer so nicht aushalten kann schaffen wir uns „Auszeiten“ in denen wir etwas „normales“ zusammen unternehmen. Um auf andere Gedanken zu kommen, aber auch um ein paar Stunden ein Leben zu führen wie andere Eltern es auch führen. Und wenn wir dann dauernd angestarrt werden oder mitbekommen wie andere über uns tuscheln – dann trägt das nicht dazu bei das wir uns entspannen oder „normal“ fühlen können. Aber mit der Zeit lernt man den Ärger und die Traurigkeit in solchen Momenten einfach runterzuschlucken. Das ist allerdings ein Lernprozess: es ist schwierig und dauert auch bis man es schafft auf diese Art mit solchen Situationen umzugehen.

Wir MÜSSEN mit diesen Situationen klarkommen, aber…wie jemand „Außenstehender“ es erlebt sich mit Jonathan in der Öffentlichkeit zu bewegen sollte mir an diesem Nachmittag vor Augen geführt werden.

Nach dem Tod von Marvins Vater war ich mit Marvin zu einer Mutter-Kind-Kur im Schwarzwald. Dort hatten wir eine junge Frau mit Tochter kennengelernt. Ihre Tochter ist exakt am selben Tag wie Marvin geboren und über diese Tatsache kamen wir ins Gespräch. Schnell haben wir gemerkt dass wir uns gut verstehen. Wir waren dann in den drei Wochen Kur häufiger zusammen unterwegs und haben uns versprochen dass wir auch in Kontakt bleiben wenn wir zu Hause sind. Das verspricht man sich mit „Urlaubsbekannten“ ja gerne und meistens klappt es nicht. Aber bei uns schon! Wir sind seit damals befreundet. Getroffen wird sich mindestens einmal im Jahr: immer dann wenn wir im Playmobil-Funpark sind, denn die Familie wohnt nur ein paar Kilometer entfernt. Und deswegen waren wir auch an diesem Nachmittag verabredet.

Natürlich hatte ich bereits Fotos von Jonathan geschickt und auch die Diagnose erläutert.

Ein paar Tage vor dem Treffen habe ich dann noch einmal darauf hingewiesen das Jonathan WIRKLICH SEHR SEHR KLEIN ist…sie sollten sich bitte nicht erschrecken wenn wir uns treffen! (Das sagen wir eigentlich immer wenn wir jemanden treffen wollen der Jonathan noch nicht kennt. Aber meistens sind die Leute trotzdem geschockt weil er so winzig ist. Man kann es sich einfach nicht vorstellen, man muss es sehen!)

Mein Handy klingelte: meine Freundin und ihre Tochter waren da. Wir verabredeten einen Treffpunkt. Als die beiden dann auf mich zukamen konnte ich sehen das die Mutter schon etwas betroffen war weil sie sich Jonathan so klein nicht vorgestellt hatte…die Tochter aber war einfach nur euphorisch! „Mei, is der süß!!“ sagte sie unaufhörlich in ihrem reizenden fränkischen Dialekt. 8o) „Darf ich ihn mal anfassen?? Darf ich ihn halten?? Mei, is der niedlich!“…lach…es war so herzerwärmend wie schockverliebt sie war. …und bis heute ist, wenn ich das mal sagen darf!!

Und dann sind wir durch den Park gelaufen. Die beiden „großen“ Kinder wollten zu den Muscheln um im Wasser zu planschen. Danach sollte es zur Ritterburg gehen. Also immer quer durch den Park. Und irgendwann sagte meine Freundin dann zu mir: „Merkst Du das die Leute alle starren??? Aber echt alle!! Das ist ja VOLL SCHLIMM!! Das täte ich keine 5 Minuten aushalten!“ …ja…so wirkt das auf Außenstehende.

Ich habe ihr gesagt dass ich das natürlich merke, ich bin ja nicht blind. Aber mir bleibt nichts anderes übrig als es auszuhalten – es sei denn ich möchte mich mit Jonathan zu Hause einschließen. Sie war wirklich sehr betroffen. Hatte sie sich doch keine Vorstellung davon gemacht wie sehr unser Leben sich verändert hatte.

An diesem Abend sind wir dann in den Biergarten gegangen und haben noch zusammen gegessen -ihr Freund kam von der Arbeit aus dann auch noch dazu- und natürlich wollten die beiden dann wissen wie unser Leben sich so verändert hat durch Jonathans Geburt.

Nun…das ist eine Frage die wir in der Tat sehr häufig gestellt bekommen.

Jeder der selbst Kinder hat weiß ja wie sich das Leben durch die Geburt eines Babys verändert:
Alles dreht sich nur um das kleine Menschlein – man richtet seinen kompletten Tagesablauf nach den Bedürfnissen seines Babys aus. Kann nicht mehr so einfach entscheiden wann man selbst essen oder duschen gehen möchte – das sind Dinge die eben nur dann gehen, wenn das Baby zufriedengestellt und ruhig ist.

Man geht am Wochenende nicht mehr gemeinsam ins Kino oder in die Disko, ja in den ersten Jahren vermutlich gar nicht mehr gemeinsam aus. Man muss erstmal einen Babysitter finden und dann…muss man innerlich auch erstmal so weit sein das Baby bei einem Sitter lassen zu WOLLEN! Das ist ein Prozess der nicht so schnell von Statten geht – bei den meisten Eltern jedenfalls nicht, es gibt aber sicherlich auch Ausnahmen.

Themen über die man früher in der Partnerschaft geredet hat (zum Beispiel über Politik oder auch über den Job) geraten ins Hintertreffen hinter „Nahrungsaufnahme“ und „Verdauung“. Das ist ja auch irgendwie verständlich: denn einer der beiden Elternteile ist zu Hause um sich in Vollzeit um das Baby zu kümmern, da hat man nicht so viele Themen über die man reden könnte!!

Die Prioritäten verschieben sich – vollkommen. Man möchte das das Baby glücklich ist, man tut alles dafür: nimmt sich selbst nicht mehr so wichtig. Wenn man shoppen geht kommt man auf einmal mit 5 Tüten für das kleine Menschlein heim und stellt zu Hause fest das man für sich selber mal wieder nichts gekauft hat – was vor einem Baby undenkbar war!! Oder??

Die Nächte sind unruhig. Kaffee wird der beste Freund den man hat. Und die Hausarbeit bleibt liegen weil man jede Minute des Tages in der das Baby schläft dazu nutzt um sich selber aufs Ohr zu hauen.

Der Freundeskreis verändert sich oftmals. Man lernt über Spielkreise oder durch die Rückbildung neue Leute kennen. Gut: man hat jetzt halt auch nur noch ein Thema über das man gerne redet…das Baby…und die Freunde von „vorher“ die selber keine Kinder haben…sind mit ihrer Geduld einem zuzuhören auch irgendwann am Ende angekommen.

Aber bei all dem weiß man doch: die Situation wird sich in ein paar Jahren wieder ändern!!

Man geht zurück in den Job und hat wieder spannende Themen für Diskussionen mit dem Partner. Man wird einen Babysitter haben und gemeinsame Abende genießen können. Das Abenteuer Baby wird irgendwann Alltag sein und man sich selbst wieder wichtiger nehmen wollen – und können.

So ist es normalerweise. So war es auch bei mir und Marvins Papa.

Aber so ist es nicht mit Jonathan.

Das was mir immer als erstes einfällt wenn ich zu den Veränderungen in meinem Leben befragt werde sind die wahnsinnig vielen Termine die ich mit Jonathan wahrnehmen muss. Wir gehen zur Physiotherapie, wir machen Frühförderung, wir machen (bald) Logopädie, wir gehen zum Osteopaten und müssen auch sehr regelmäßig zum Kinderarzt. Therapeutisches Reiten. Regelmäßige Arztbesuche beim Kardiologen, Orthopäden und in der Sehschule. Und dann natürlich noch die Termine „die mal so nebenbei“ kommen: mal ein Termin bei der Humangenetikerin oder im Zentrum für seltene Erkrankungen. Ein Termin im Sanitätshaus oder mit dem Reha-Team um Hilfsmittel zu besprechen oder anzupassen. Ach ja: und wegen dem Pflegegrad bekommen wir auch noch mindestens zweimal im Jahr Besuch von einem „Unabhängigen Dienst der Krankenkasse“, dieser prüft ob uns der Pflegegrad noch zusteht.

So: das ist unsere Terminliste. Seid ihr schon gestresst oder schwitzt, weil ihr überlegt wie man das alles unter einen Hut bringen soll?? Dann lasst euch gesagt sein das ich noch einen Sohn habe! Der möchte mittags etwas zu Essen auf dem Tisch haben wenn er aus der Schule kommt. Und oftmals braucht er Hilfe bei den Hausaufgaben. Auch er hat Termine und muss zu bestimmten Uhrzeiten irgendwohin gefahren werden. Und nicht zu vergessen: auch er möchte Aufmerksamkeit und „quality time“ mit mir. Eine Gradwanderung!! Und wer ein gesundes und ein krankes Kind hat und erzählt dass er beide Kinder vollkommen gleich behandelt – sorry, aber der lügt! Das ist schlichtweg unmöglich!! Man hat nämlich nur zwei Hände….aber weil ich weiß das es so ist versuche ich natürlich alles um Marvin so wenig wie möglich zu benachteiligen. Das allerdings wiederum bedeutet das ich mich „vernachlässigen“ muss: denn mein Tag hat ja auch nur 24 Stunden. Ich komme nicht oft dazu mich mit einem Buch zu verkriechen und mal ein wenig zu schmökern – obwohl das meine Lieblingsbeschäftigung ist!! Oder mich mal in die Badewanne zu legen und zu entspannen….

…und der Punkt ist: während Eltern eines gesunden Kindes wissen das sie innerhalb weniger Jahre wieder in ein relativ normales Leben zurückkehren können werden mein Mann und ich nie mehr ein normales Leben führen können. Jedenfalls nicht so lange Jonathan bei uns ist – was hoffentlich noch sehr lange der Fall sein wird!!

Er wird mit den Jahren nicht selbstständiger werden, oder jedenfalls nur unwesentlich. Aufgrund seiner Erkrankung wird er weder körperlich noch geistig in der Lage sein sich um sich selber zu kümmern. Das werden Zeit seines Lebens immer wir tun müssen. Und seine Bedürfnisse werden Zeit seines Lebens immer Vorrang vor unseren Bedürfnissen haben.

Wegen der epileptischen Anfälle die Jonathan hatte trauen unsere Eltern und Geschwister sich nicht für uns den Babysitter zu machen. Was wir durchaus verstehen können!!! Das ist nicht der Punkt! Es ist eine riesige Verantwortung auf ihn aufzupassen und wenn man sich dem nicht gewachsen fühlt - ist es sinnvoller das auch zu sagen. Aber für unser tägliches Leben bedeutet das: mein Mann und ich können nicht zusammen ausgehen. Nie. Einer muss immer bei den Kindern sein. Das ist mitunter sehr belastend. An einer Ehe zu arbeiten und daran festzuhalten wenn man nie gemeinsame Zeit  allein hat…es ist eine große Herausforderung!!

Uns steht zwar wegen des Pflegegrades die Betreuung durch einen medizinischen Dienst zu – aber soweit unseren kleinen Jungen in den Händen von FREMDEN zu lassen…sind wir trotz allem noch nicht. Vielleicht irgendwann einmal. Aber nicht so bald.

Die beiden einzigen Abende in den letzten zwei Jahren die mein Mann und ich gemeinsam außer Haus verbringen konnten verdanken wir zwei ganz lieben Menschen mit medizinischem Hintergrund. Jeder von ihnen war einen Abend lang bei uns um Joni zu sitten, und dafür sind die beiden jeweils eine ganz schön weite Strecke gefahren.

DANKE!!! WIR SIND EUCH WIRKLICH DANKBAR!! UND WIR WISSEN DAS IHR DAS WIEDERHOLEN WERDET SOBALD ES EURE ZEIT EINMAL ERLAUBT.





Ich war früher ein sehr aktiver Mensch: engagiert im Beruf und immer offen dort Neues zu lernen, mich weiterzubilden. Geistig fit zu bleiben. Es gab viele Themen für die ich mich interessiert habe und ich war sehr oft unterwegs. Heute…ist das alles nicht mehr in der Form möglich und wird es nie mehr für mich sein.

Zwar beabsichtige ich tatsächlich wieder arbeiten zu gehen, doch das wird nur noch in Teilzeit stattfinden können – denn Jonathan braucht ja Betreuung. Ein so großes Engagement wie früher, das auch Dienstreisen beinhaltete, wird für mich nicht mehr möglich sein.

Und ausgehen…naja…Herbst/Winter/Frühling sind bestimmt von Infektionskrankheiten. Und die könnten für Jonathan gefährlich werden. Also muss ich mir sehr genau überlegen wohin ich gehen möchte, denn ich darf mich am besten mit nichts anstecken. Und da mein Mann arbeitet und ich Jonathan zu Hause betreue…verbringen wir die meisten Tage in diesen Jahreszeiten in unserem Haus. Und außer unseren Therapeuten ist mein Mann dann oft für mehrere Tage der einzige erwachsene Mensch den ich sehe…

Jonathan schläft immer noch nicht durch. Nächte in denen er das mal getan hat können wir auch heute noch an einer Hand abzählen. Es ist anstrengend, besonders für meinen Mann. Denn ich bin tagsüber so unter Druck an alle Medikamente zu denken, den Zeitplan einzuhalten, mich um beide Jungs  UND den Haushalt zu kümmern…das ich nachts einfach nicht wach werde wenn Jonathan schreit. Ich bin dermaßen erschöpft und am Ende das ich NICHTS um mich herum mehr mitbekomme. Und deswegen steht mein Mann jede Nacht auf. Jede Nacht mehrmals. Aber er muss am nächsten Morgen auch zur Arbeit fahren.

Und zu allem Überfluss ist da immer der Gedanke an die frühe Sterblichkeit von Jonathan. Das ist belastend. Sehr.

Durch Jonathans Gendefekt haben wir auch von einem „Traum“ Abschied genommen: der Traum eines dritten Kindes. Eigentlich hatten wir den Gedanken daran seit der Fehlgeburt der Zwillinge. Denn hätten wir sie bekommen hätten wir auch drei Kinder gehabt!

Aber heute wissen wir das MOPD I vererbt wird und wir es beide in uns tragen. Die Chancen dass ein weiteres Kind diese Krankheit auch hätte liegen zwar nur bei 25%, aber die Gefahr besteht. Und was machen wir wenn wir in der Schwangerschaft erfahren dass dieses Kind auch krank ist?? Was machen wir wenn die Schwangerschaft so problematisch verläuft wie die mit Jonathan: wenn ich nur liegen muss, aber mich doch um die Kinder kümmern muss?? Was machen wir wenn es ein Frühchen wird zu dem ich täglich in die Klinik fahren will, aber Jonathan nicht mitnehmen darf?? Nicht zu vergessen die psychische Belastung die eine weitere Schwangerschaft für mich bedeuten würde. Und aus diesen Gründen haben wir entschieden Maßnahmen zu ergreifen damit auf keinen Fall eine weitere Schwangerschaft stattfinden kann. Aber es ist mir nicht leicht gefallen mich von diesem Gedanken zu verabschieden! Ich habe monatelang mit mir gehadert und überlegt…mein Herz hat JA geschrien: ich will noch ein Kind!! Aber der Kopf hat gesiegt…

Ja…das ist heute unser Leben. Und so hat es sich verändert durch Jonathans Geburt.

Wenn ich meine eigenen Worte noch einmal lese dann habe ich einen Kloß im Hals. So schwarz auf weiß zu sehen wie viele negative Dinge und Momente der Alltag mit dem kleinen Mann mit sich bringt tut schon weh…das ist nicht das Leben das ich eigentlich führen wollte – so habe ich mir das nicht vorgestellt. Und doch ist es nun so…und mich hat niemand um meine Meinung gefragt.

Aber…dann sehe ich ihn an und er lacht mit mir. Seine Augen strahlen und er ist so wissbegierig! Und neugierig darauf seine kleine Welt zu entdecken!! Er möchte so viel und ist so dickköpfig!! Er lässt sich nichts sagen und trotzt allen Prognosen.

Und wenn ich das dann sehe und darüber nachdenke wie schlecht die Prognosen eigentlich waren und was wir gemeinsam schon erreicht haben…dann muss ich weinen weil ich glücklich darüber bin. Und dann sagt mein Herz mir das es das alles wert ist. Alles und noch viel mehr.

Auch wenn es nicht das Leben ist das ich führen wollte…das ist das Leben das ich habe! Und daraus muss ich nun das Beste machen. Das versuche ich ohne zu jammern….ich hoffe alle diejenigen die mich persönlich kennen empfinden das auch so!

Nun..das ist also in etwa das, was ich unseren Bekannten an diesem Abend im Playmobil-Park zu vermitteln versucht habe.

Ich hätte es vielleicht auch etwas kürzer ausdrücken können:
DAS LEBEN IST KEIN PONYHOF!!!

Der Abend im Biergarten des Playmobil-Funparks neigte sich dem Ende zu, es war mittlerweile sehr spät geworden.

Die „großen“ Kinder spielten Mini-Golf und Air-Hockey. Mein Mann war schon vor längerer Zeit mit Jonathan auf unser Zimmer gegangen um ihn ins Bett zu bringen. Es war ein großer Vorteil das wir das Parkhotel gebucht hatten: so war es möglich das ich mit meiner Freundin noch ein paar ruhige Stunden verbringen konnte. Denn die Zeit die wir miteinander verbringen ist rar - und geht für meinen Geschmack auch immer viel zu schnell vorbei. 8o))

Man verabschiedete sich, wir würden uns in einem Jahr wieder hier treffen. So wie wir es schon immer machen seit wir uns in einer Mutter-Kind-Kur kennengelernt haben – ein Ritual das ich sehr lieb gewonnen habe und auf das ich mich immer wochenlang im Vorfeld freue.

Und jetzt war es Zeit für mich und Marvin auch ins Hotel zu gehen. Die Nacht war etwas unruhig, Jonathan schläft sowieso schlecht und eine fremde Umgebung macht das nicht besser. Aber am nächsten Morgen konnten wir trotzdem voller Elan aufstehen: wir würden noch einen halben Tag im Funpark verbringen und erst nach dem Mittagessen wieder Richtung Heimat fahren.

Wir begannen den Tag mit einem Frühstück im „HOB-Center“. Dieses Gebäude ist Teil des Parks, es dient den Hotelgästen morgens als Frühstücksraum und ist eigentlich…eine riesige Indoor-Spielhalle!!! Es gibt einen Klettergarten, eine Bühne für die tägliche Minidisko und jede Menge Playmobil. Nach Themenwelten sortiert stand hier alles was der Spielzeugladen zu bieten hatte. Die Kinder konnten nach Herzenslust damit spielen…

…und wir Eltern: in Ruhe frühstücken! 8o) So lange der Park noch nicht geöffnet hat sind die Türen des HOB-Center verschlossen, man kann sein Kind also „frei laufen“ lassen – es kann nicht aus dem Raum hinaus. Ich genieße jedes Jahr aufs Neue hier ein ausgiebiges Frühstück während ich sicher bin das Marvin einen unbändigen Spaß hat!

Als der Park öffnete sind wir als erstes in die Goldgräberstadt. Auch eine Tradition bei uns: als erstes wird morgens nach Gold gegraben! Wir haben zwar mittlerweile gefühlte 5 Kilo Gold zu Hause, aber egal: Marvin muss immer wieder schürfen gehen. Also machen wir das.

Jonathan hatte aber auch furchtbaren Spaß in der Goldgräberstadt! Hier gibt es Sand ohne Ende und da es nicht kalt war haben wir ihm Schuhe und Socken ausgezogen und ihn den Sand an den Füßen spüren lassen. Er hat gequietscht und sich gefreut und wenn man ihn hochgehoben hat sah es aus als wolle er durch den Sand laufen! 

Wir hatten ein ganz tolles Wochenende hier im Park. Besonders schön fand ich das auch Jonathan hier etwas „tun“ und „erleben“ konnte: er hatte an den Wasserstraßen und im Sand gespielt, er hatte die überall herumstehenden (überdimensionalen) bunten Playmobil-Püppchen bestaunt, er hatte in einer Schaukel gelegen und auch kurz in einem Boot gesessen. Eine (Plastik-)Kuh gestreichelt und mit Papa gerutscht. Er hatte Eis gegessen.

Für ihn waren diese beiden Tage ein sehr aufregendes Erlebnis, er hatte unglaubliche viele neue Eindrücke gesammelt. Und man hatte gemerkt: es hatte ihn nicht geängstigt. Er hatte alles in sich aufgesogen, offensichtlich brauchte er mittlerweile immer wieder neuen „Input“.

Für uns bedeutete das: wir konnten unser altes Leben ein Stück weit wieder aufnehmen, wir konnten mit Jonathan aktiver werden und den ein oder anderen Ausflug unternehmen. Langsam zwar, nicht zu viel auf einmal – wir wollten ihn ja nicht überfordern! Aber wir spürten nach diesen beiden Tagen dass wir unser Leben erneut ein wenig verändern und für uns wieder ein Stückchen lebenswerter machen konnten. Das war ein sehr schönes Gefühl! Ein Gefühl als würde man ein wenig Kontrolle über sein Leben zurückbekommen…ein bisschen freier werden. Wir waren alle total euphorisch und machten uns schon Gedanken darüber wohin es als nächstes gehen sollte!! 8o))

Ein außergewöhnlicher Tagesausflug
Nur zwei Wochen später haben wir einen mal ganz anderen Tagesausflug gemacht: wir haben eine Straußenfarm besucht. Es gibt eine nur wenige Kilometer von uns entfernt. Hier werden die Strauße in Freilandhaltung gehalten. Und zwar ganzjährig.

Der Besuch begann mit einem Frühstück: Brötchen, Marmelade, Nutella und auch….Straußenwurst. Sehr außergewöhnlich und interessant. Nicht unlecker. Aber anders.

Nachdem wir uns alle gestärkt hatten sind wir in eine kleine Bahn eingestiegen. Kennt man als Touristen-Bahn aus jeder größeren Stadt: lauter kleine Wagen die von einer Lok gezogen werden. Jonathan hat das erste Mal in so einer Bahn gesessen: er hat sich sehr neugierig umgeschaut und als es losging hat er die vorbei rauschende Landschaft aufmerksam betrachtet.

Wir sind um die Weideflächen der Strauße herum gefahren, der Besitzer der Farm hat uns unterwegs mit Informationen über die Tiere versorgt: was essen sie, wie überstehen sie den Winter, sind sie aggressiv usw. Ok: das war für Jonathan weniger interessant, denn er hat nichts davon verstanden. Aber die riesigen Tiere die am Zaun standen hat er sehr wohl gesehen – und gerochen! Denn Strauße riechen sehr streng, das muss an der Stelle mal gesagt sein.

Nach der Rundfahrt ging es dann zurück auf den Hof. Hier gab es nun eine ganz besondere Leckerei: Straußenrührei. Ein Ei reicht für….20 Personen!! Echt krass!! Der Besitzer der Farm hat uns erklärt wie man ein Ei richtig öffnet, danach sind alle Kinder mit der „Bäuerin“ in die Küche gegangen und haben Rührei zubereitet. Wir haben in dieser Zeit erklärt bekommen wie man Straußenleder herstellt und wieviel dieses exklusive Leder kostet. Nichts vom Strauß wird auf dieser Farm verschwendet: auch die Federn werden weiter verarbeitet.

Das Rührei schmeckte –genau wie die Wurst vom Frühstück- anders, aber nicht unangenehm. Auch Jonathan hat ein wenig probiert. Nachdem wir alle noch etwas getrunken und in der Scheune mit den Straußenartikeln gestöbert hatten, ging es dann auch schon wieder nach Hause.

Ok, zugegeben: für Jonathan war der Ausflug eher weniger spannend. Aber wir genossen es wieder einmal etwas als Familie unternehmen zu können – Jonathan war dabei, zufrieden und offensichtlich glücklich. Was wollten wir mehr????


Der erste Besuch beim Ur-Opa
Mein Opa, der Vater meines Vaters, erfreut sich noch bester Gesundheit. Jonathan ist nicht sein erster Urenkel. Aber ein besonderer Urenkel: denn mein Opa hat Medizin studiert. Und interessiert sich im hohen Alter von 98 Jahren immer noch für Krankheiten, Gendefekte und all das was damit zusammenhängt.

Warum wir ihn erst so spät zum ersten Mal besuchten weiß ich heute auch nicht mehr so genau…ich weiß nur: mein Opa wohnt nicht um die Ecke und als Jonathan aus dem Krankenhaus entlassen wurde - waren lange Autofahrten mit ihm etwas schwierig. Außerdem stehen mit Jonathan immer so viele Termine an, ganz ehrlich: da bin ich auch froh wenn ich mal NICHT Auto fahren muss….

Nun stand aber endlich ein Besuch bei meinem Opa an. Mein Vater hatte ihn natürlich über alles informiert, er wusste also das Jonathan sehr klein war und auch warum. Kleinwuchs war ihm als Mediziner ja nun auch nicht ganz fremd! Vielleicht konnte er mit dieser Diagnose sogar mehr anfangen als jeder andere in unserer Familie. 8o)))

Jedenfalls haben wir uns dann auf die Couch gesetzt und mein Opa hat Jonathan betrachtet. Seine Hände angefasst und die Finger angeschaut. Irgendwann meinte er dann: „Kind, können wir ihn mal bis auf die Windel ausziehen? Ich würde seine Arme und Beine gerne mal nackt sehen!“…lol…ich finde es soooo cool dass sich mein Opa in seinem Alter noch so für medizinische Aspekte interessiert. Und deswegen: klar habe ich es gemacht!! Habe Jonathan auf den Couchtisch gelegt und ausgezogen.

Mein Opa hat ihn betrachtet, berührt, abgetastet…Und man hat gemerkt: der Uropa hatte sichtlich Spaß dabei! Jonathan übrigens auch. Er hat gelacht, sehr zum Gefallen meines Opas. 8o))

Irgendwann durfte ich den kleinen Mann wieder anziehen und dann haben mein Opa und ich die Prognosen der Ärzte durchgesprochen, ich habe alles erläutert was ich wusste. Mein Opa hat schon damals gesagt das er Jonathan nur in die Augen zu sehen braucht und einfach weiß, das er sehr pfiffig ist und alles nicht so schlimm kommen wird wie die Ärzte sagen! (Lebens-)Erfahrung ist manchmal mit Gold nicht aufzuwiegen….

Ich bin sehr froh meinen Opa noch zu haben, das ist nicht selbstverständlich in meinem Alter! Und dann ist mein Opa geistig auch noch rege und nimmt Anteil an Jonathans Erkrankung, ist interessiert an ihm und seiner Entwicklung und diskutiert mit mir immer wieder medizinische Befunde. Eine Erfahrung die nicht jedem vergönnt ist und deswegen bin ich sehr dankbar dafür.






Ich war früher ein sehr aktiver Mensch: engagiert im Beruf und immer offen dort Neues zu lernen, mich weiterzubilden. Geistig fit zu bleiben. Es gab viele Themen für die ich mich interessiert habe und ich war sehr oft unterwegs. Heute…ist das alles nicht mehr in der Form möglich und wird es nie mehr für mich sein.

Zwar beabsichtige ich tatsächlich wieder arbeiten zu gehen, doch das wird nur noch in Teilzeit stattfinden können – denn Jonathan braucht ja Betreuung. Ein so großes Engagement wie früher, das auch Dienstreisen beinhaltete, wird für mich nicht mehr möglich sein.

Und ausgehen…naja…Herbst/Winter/Frühling sind bestimmt von Infektionskrankheiten. Und die könnten für Jonathan gefährlich werden. Also muss ich mir sehr genau überlegen wohin ich gehen möchte, denn ich darf mich am besten mit nichts anstecken. Und da mein Mann arbeitet und ich Jonathan zu Hause betreue…verbringen wir die meisten Tage in diesen Jahreszeiten in unserem Haus. Und außer unseren Therapeuten ist mein Mann dann oft für mehrere Tage der einzige erwachsene Mensch den ich sehe…

Jonathan schläft immer noch nicht durch. Nächte in denen er das mal getan hat können wir auch heute noch an einer Hand abzählen. Es ist anstrengend, besonders für meinen Mann. Denn ich bin tagsüber so unter Druck an alle Medikamente zu denken, den Zeitplan einzuhalten, mich um beide Jungs  UND den Haushalt zu kümmern…das ich nachts einfach nicht wach werde wenn Jonathan schreit. Ich bin dermaßen erschöpft und am Ende das ich NICHTS um mich herum mehr mitbekomme. Und deswegen steht mein Mann jede Nacht auf. Jede Nacht mehrmals. Aber er muss am nächsten Morgen auch zur Arbeit fahren.

Und zu allem Überfluss ist da immer der Gedanke an die frühe Sterblichkeit von Jonathan. Das ist belastend. Sehr.

Durch Jonathans Gendefekt haben wir auch von einem „Traum“ Abschied genommen: der Traum eines dritten Kindes. Eigentlich hatten wir den Gedanken daran seit der Fehlgeburt der Zwillinge. Denn hätten wir sie bekommen hätten wir auch drei Kinder gehabt!

Aber heute wissen wir das MOPD I vererbt wird und wir es beide in uns tragen. Die Chancen dass ein weiteres Kind diese Krankheit auch hätte liegen zwar nur bei 25%, aber die Gefahr besteht. Und was machen wir wenn wir in der Schwangerschaft erfahren dass dieses Kind auch krank ist?? Was machen wir wenn die Schwangerschaft so problematisch verläuft wie die mit Jonathan: wenn ich nur liegen muss, aber mich doch um die Kinder kümmern muss?? Was machen wir wenn es ein Frühchen wird zu dem ich täglich in die Klinik fahren will, aber Jonathan nicht mitnehmen darf?? Nicht zu vergessen die psychische Belastung die eine weitere Schwangerschaft für mich bedeuten würde. Und aus diesen Gründen haben wir entschieden Maßnahmen zu ergreifen damit auf keinen Fall eine weitere Schwangerschaft stattfinden kann. Aber es ist mir nicht leicht gefallen mich von diesem Gedanken zu verabschieden! Ich habe monatelang mit mir gehadert und überlegt…mein Herz hat JA geschrien: ich will noch ein Kind!! Aber der Kopf hat gesiegt…

Ja…das ist heute unser Leben. Und so hat es sich verändert durch Jonathans Geburt.

Wenn ich meine eigenen Worte noch einmal lese dann habe ich einen Kloß im Hals. So schwarz auf weiß zu sehen wie viele negative Dinge und Momente der Alltag mit dem kleinen Mann mit sich bringt tut schon weh…das ist nicht das Leben das ich eigentlich führen wollte – so habe ich mir das nicht vorgestellt. Und doch ist es nun so…und mich hat niemand um meine Meinung gefragt.

Aber…dann sehe ich ihn an und er lacht mit mir. Seine Augen strahlen und er ist so wissbegierig! Und neugierig darauf seine kleine Welt zu entdecken!! Er möchte so viel und ist so dickköpfig!! Er lässt sich nichts sagen und trotzt allen Prognosen.

Und wenn ich das dann sehe und darüber nachdenke wie schlecht die Prognosen eigentlich waren und was wir gemeinsam schon erreicht haben…dann muss ich weinen weil ich glücklich darüber bin. Und dann sagt mein Herz mir das es das alles wert ist. Alles und noch viel mehr.

Auch wenn es nicht das Leben ist das ich führen wollte…das ist das Leben das ich habe! Und daraus muss ich nun das Beste machen. Das versuche ich ohne zu jammern….ich hoffe alle diejenigen die mich persönlich kennen empfinden das auch so!

Nun..das ist also in etwa das, was ich unseren Bekannten an diesem Abend im Playmobil-Park zu vermitteln versucht habe.

Ich hätte es vielleicht auch etwas kürzer ausdrücken können:
DAS LEBEN IST KEIN PONYHOF!!!

Der Abend im Biergarten des Playmobil-Funparks neigte sich dem Ende zu, es war mittlerweile sehr spät geworden.

Die „großen“ Kinder spielten Mini-Golf und Air-Hockey. Mein Mann war schon vor längerer Zeit mit Jonathan auf unser Zimmer gegangen um ihn ins Bett zu bringen. Es war ein großer Vorteil das wir das Parkhotel gebucht hatten: so war es möglich das ich mit meiner Freundin noch ein paar ruhige Stunden verbringen konnte. Denn die Zeit die wir miteinander verbringen ist rar - und geht für meinen Geschmack auch immer viel zu schnell vorbei. 8o))

Man verabschiedete sich, wir würden uns in einem Jahr wieder hier treffen. So wie wir es schon immer machen seit wir uns in einer Mutter-Kind-Kur kennengelernt haben – ein Ritual das ich sehr lieb gewonnen habe und auf das ich mich immer wochenlang im Vorfeld freue.

Und jetzt war es Zeit für mich und Marvin auch ins Hotel zu gehen. Die Nacht war etwas unruhig, Jonathan schläft sowieso schlecht und eine fremde Umgebung macht das nicht besser. Aber am nächsten Morgen konnten wir trotzdem voller Elan aufstehen: wir würden noch einen halben Tag im Funpark verbringen und erst nach dem Mittagessen wieder Richtung Heimat fahren.

Wir begannen den Tag mit einem Frühstück im „HOB-Center“. Dieses Gebäude ist Teil des Parks, es dient den Hotelgästen morgens als Frühstücksraum und ist eigentlich…eine riesige Indoor-Spielhalle!!! Es gibt einen Klettergarten, eine Bühne für die tägliche Minidisko und jede Menge Playmobil. Nach Themenwelten sortiert stand hier alles was der Spielzeugladen zu bieten hatte. Die Kinder konnten nach Herzenslust damit spielen…

…und wir Eltern: in Ruhe frühstücken! 8o) So lange der Park noch nicht geöffnet hat sind die Türen des HOB-Center verschlossen, man kann sein Kind also „frei laufen“ lassen – es kann nicht aus dem Raum hinaus. Ich genieße jedes Jahr aufs Neue hier ein ausgiebiges Frühstück während ich sicher bin das Marvin einen unbändigen Spaß hat!

Als der Park öffnete sind wir als erstes in die Goldgräberstadt. Auch eine Tradition bei uns: als erstes wird morgens nach Gold gegraben! Wir haben zwar mittlerweile gefühlte 5 Kilo Gold zu Hause, aber egal: Marvin muss immer wieder schürfen gehen. Also machen wir das.

Jonathan hatte aber auch furchtbaren Spaß in der Goldgräberstadt! Hier gibt es Sand ohne Ende und da es nicht kalt war haben wir ihm Schuhe und Socken ausgezogen und ihn den Sand an den Füßen spüren lassen. Er hat gequietscht und sich gefreut und wenn man ihn hochgehoben hat sah es aus als wolle er durch den Sand laufen! 

Wir hatten ein ganz tolles Wochenende hier im Park. Besonders schön fand ich das auch Jonathan hier etwas „tun“ und „erleben“ konnte: er hatte an den Wasserstraßen und im Sand gespielt, er hatte die überall herumstehenden (überdimensionalen) bunten Playmobil-Püppchen bestaunt, er hatte in einer Schaukel gelegen und auch kurz in einem Boot gesessen. Eine (Plastik-)Kuh gestreichelt und mit Papa gerutscht. Er hatte Eis gegessen.

Für ihn waren diese beiden Tage ein sehr aufregendes Erlebnis, er hatte unglaubliche viele neue Eindrücke gesammelt. Und man hatte gemerkt: es hatte ihn nicht geängstigt. Er hatte alles in sich aufgesogen, offensichtlich brauchte er mittlerweile immer wieder neuen „Input“.

Für uns bedeutete das: wir konnten unser altes Leben ein Stück weit wieder aufnehmen, wir konnten mit Jonathan aktiver werden und den ein oder anderen Ausflug unternehmen. Langsam zwar, nicht zu viel auf einmal – wir wollten ihn ja nicht überfordern! Aber wir spürten nach diesen beiden Tagen dass wir unser Leben erneut ein wenig verändern und für uns wieder ein Stückchen lebenswerter machen konnten. Das war ein sehr schönes Gefühl! Ein Gefühl als würde man ein wenig Kontrolle über sein Leben zurückbekommen…ein bisschen freier werden. Wir waren alle total euphorisch und machten uns schon Gedanken darüber wohin es als nächstes gehen sollte!! 8o))

Ein außergewöhnlicher Tagesausflug
Nur zwei Wochen später haben wir einen mal ganz anderen Tagesausflug gemacht: wir haben eine Straußenfarm besucht. Es gibt eine nur wenige Kilometer von uns entfernt. Hier werden die Strauße in Freilandhaltung gehalten. Und zwar ganzjährig.

Der Besuch begann mit einem Frühstück: Brötchen, Marmelade, Nutella und auch….Straußenwurst. Sehr außergewöhnlich und interessant. Nicht unlecker. Aber anders.

Nachdem wir uns alle gestärkt hatten sind wir in eine kleine Bahn eingestiegen. Kennt man als Touristen-Bahn aus jeder größeren Stadt: lauter kleine Wagen die von einer Lok gezogen werden. Jonathan hat das erste Mal in so einer Bahn gesessen: er hat sich sehr neugierig umgeschaut und als es losging hat er die vorbei rauschende Landschaft aufmerksam betrachtet.

Wir sind um die Weideflächen der Strauße herum gefahren, der Besitzer der Farm hat uns unterwegs mit Informationen über die Tiere versorgt: was essen sie, wie überstehen sie den Winter, sind sie aggressiv usw. Ok: das war für Jonathan weniger interessant, denn er hat nichts davon verstanden. Aber die riesigen Tiere die am Zaun standen hat er sehr wohl gesehen – und gerochen! Denn Strauße riechen sehr streng, das muss an der Stelle mal gesagt sein.

Nach der Rundfahrt ging es dann zurück auf den Hof. Hier gab es nun eine ganz besondere Leckerei: Straußenrührei. Ein Ei reicht für….20 Personen!! Echt krass!! Der Besitzer der Farm hat uns erklärt wie man ein Ei richtig öffnet, danach sind alle Kinder mit der „Bäuerin“ in die Küche gegangen und haben Rührei zubereitet. Wir haben in dieser Zeit erklärt bekommen wie man Straußenleder herstellt und wieviel dieses exklusive Leder kostet. Nichts vom Strauß wird auf dieser Farm verschwendet: auch die Federn werden weiter verarbeitet.

Das Rührei schmeckte –genau wie die Wurst vom Frühstück- anders, aber nicht unangenehm. Auch Jonathan hat ein wenig probiert. Nachdem wir alle noch etwas getrunken und in der Scheune mit den Straußenartikeln gestöbert hatten, ging es dann auch schon wieder nach Hause.

Ok, zugegeben: für Jonathan war der Ausflug eher weniger spannend. Aber wir genossen es wieder einmal etwas als Familie unternehmen zu können – Jonathan war dabei, zufrieden und offensichtlich glücklich. Was wollten wir mehr????


Der erste Besuch beim Ur-Opa
Mein Opa, der Vater meines Vaters, erfreut sich noch bester Gesundheit. Jonathan ist nicht sein erster Urenkel. Aber ein besonderer Urenkel: denn mein Opa hat Medizin studiert. Und interessiert sich im hohen Alter von 98 Jahren immer noch für Krankheiten, Gendefekte und all das was damit zusammenhängt.

Warum wir ihn erst so spät zum ersten Mal besuchten weiß ich heute auch nicht mehr so genau…ich weiß nur: mein Opa wohnt nicht um die Ecke und als Jonathan aus dem Krankenhaus entlassen wurde - waren lange Autofahrten mit ihm etwas schwierig. Außerdem stehen mit Jonathan immer so viele Termine an, ganz ehrlich: da bin ich auch froh wenn ich mal NICHT Auto fahren muss….

Nun stand aber endlich ein Besuch bei meinem Opa an. Mein Vater hatte ihn natürlich über alles informiert, er wusste also das Jonathan sehr klein war und auch warum. Kleinwuchs war ihm als Mediziner ja nun auch nicht ganz fremd! Vielleicht konnte er mit dieser Diagnose sogar mehr anfangen als jeder andere in unserer Familie. 8o)))

Jedenfalls haben wir uns dann auf die Couch gesetzt und mein Opa hat Jonathan betrachtet. Seine Hände angefasst und die Finger angeschaut. Irgendwann meinte er dann: „Kind, können wir ihn mal bis auf die Windel ausziehen? Ich würde seine Arme und Beine gerne mal nackt sehen!“…lol…ich finde es soooo cool dass sich mein Opa in seinem Alter noch so für medizinische Aspekte interessiert. Und deswegen: klar habe ich es gemacht!! Habe Jonathan auf den Couchtisch gelegt und ausgezogen.

Mein Opa hat ihn betrachtet, berührt, abgetastet…Und man hat gemerkt: der Uropa hatte sichtlich Spaß dabei! Jonathan übrigens auch. Er hat gelacht, sehr zum Gefallen meines Opas. 8o))

Irgendwann durfte ich den kleinen Mann wieder anziehen und dann haben mein Opa und ich die Prognosen der Ärzte durchgesprochen, ich habe alles erläutert was ich wusste. Mein Opa hat schon damals gesagt das er Jonathan nur in die Augen zu sehen braucht und einfach weiß, das er sehr pfiffig ist und alles nicht so schlimm kommen wird wie die Ärzte sagen! (Lebens-)Erfahrung ist manchmal mit Gold nicht aufzuwiegen….

Ich bin sehr froh meinen Opa noch zu haben, das ist nicht selbstverständlich in meinem Alter! Und dann ist mein Opa geistig auch noch rege und nimmt Anteil an Jonathans Erkrankung, ist interessiert an ihm und seiner Entwicklung und diskutiert mit mir immer wieder medizinische Befunde. Eine Erfahrung die nicht jedem vergönnt ist und deswegen bin ich sehr dankbar dafür.




Der 1.Urlaub am Meer
Nachdem ich bei unserem Wochenendtrip in den Playmobil-Park gesehen hatte WIEVIEL Gepäck wir mitschleppen mussten für 3 TAGE…hatte ich ja ÜBERHAUPT keine Lust zu einem längeren Urlaub!!

Für mich war der Kurzurlaub schon Stress pur gewesen! Alles packen…nichts vergessen…alles auspacken..alles wieder einpacken…daheim alles waschen..schrecklich! Aber ich denke das verstehen nur die Frauen unter den Lesern zu 100%! 8o))

Mein Mann jedenfalls war von der Idee, im Sommer einen gemeinsamen Urlaub fern der Heimat zu machen, mehr als begeistert. Nachdem ich ein- oder zweimal gesagt hatte das ich dazu wirklich keine Lust hätte weil das alles mit viel zu viel Aufwand verbunden sei, sagte er zu mir: „Lass uns das mal lieber machen. Wer weiß ob wir es nächstes Jahr mit Jonathan noch machen KÖNNEN!“…damit hatte er „gewonnen“: wir würden in Urlaub fahren. Denn er hatte ja Recht: wir durften nichts auf die lange Bank schieben.

Also haben wir eine Woche Holland gebucht, im Ferienhaus. So waren wir wenigstens unter uns - kein Speisezimmer im Hotel in dem Bakterien herumschwirrten. Und wir konnten kommen und gehen und essen wann wir wollten, bzw. wie es in Jonathans Tagesablauf hineinpasste.

Die Vorbereitungen…ätzend!! Wir wollten nach Holland. Und da wusste man ja nie wie das Wetter war – auch im Sommer nicht. Also mussten wir alle dünne Sachen mitnehmen (falls es warm war) und auch dicke Sachen (falls es kalt war). Da wir aber nicht wussten wie sich in der einen Woche das Wetter gestalten würde: mussten ausreichend Klamotten für warmes und kaltes Wetter mit – und das für 4 Personen! Von denen eine ein Baby war das sich gerne vollspuckte oder bei dem die Windel überlief. Also zumindest bei Jonathan: alles in dreifacher Ausfertigung.

Schon eine Woche bevor es losging war ich mit waschen beschäftigt. Und dann habe ich die Klamotten auf die Seite gelegt damit keiner sie mehr angezogen hat. Überall in den Schlafzimmern stapelten sich die Klamotten für die Reise.

Dann war ein Besuch in der Drogerie fällig: Gläschen, Quetschbeutel, Windeln und Feuchttücher einkaufen. Ich wollte lieber alles mitnehmen weil ich ja nicht wusste ob es das, was wir benutzen, auch im Ferienort geben würde. (Im Endeffekt tat ich gut mit dieser Entscheidung: die Gläschen die wir benutzen gab es im Ferienort NICHT. Die Windeln gab es, aber sie waren mehr als doppelt so teuer als in Deutschland!)

Die gesammelten Einkäufe aus der Drogerie kamen auf den Kinderzimmerboden, damit ich nichts vergaß wenn ich Koffer packte. Dazu noch die Spucktücher, Lätzchen, Jacken, Mützen und…Jonathans neue SONNENBRILLE!!! Bis wir die in den Händen halten konnten war es auch ein etwas längerer Weg….

Auf die Sonnenbrille waren wir besonders stolz: eine Maßanfertigung, natürlich!! Denn in Jonathans Größe, bzw für seinen kleinen Kopf, kann man keine Brille von der Stange kaufen.

Die Sonnenbrille ist nicht deswegen wichtig damit Jonathan „cool“ aussieht – was er definitiv mit der Brille tut, das ist gar nicht die Frage! Sie ist in Wahrheit aber wichtig weil der kleine Mann Probleme mit tränenden Augen hat. Das liegt vielleicht an den leichten Glubschaugen, ich weiß es nicht so genau. Auf jeden Fall tränen ihm sehr oft die Augen - wenn ihn die Sonne blendet ist es aber wirklich extrem schlimm: er kneift die Augen dann komplett zu und sieht nichts mehr. Und es wäre doch blöd wenn er in einer Woche Urlaub das Meer gar nicht sehen würde, oder???

Also überlegten wir was wir machen könnten. Und dann fiel mir ein das wir einen Optiker in der Nähe haben der tatsächlich noch eine eigene Werkstatt hat - und deswegen in der Lage ist auch auf individuelle Wünsche der Kunden einzugehen.

Als wir den Urlaub geplant hatten war ich mit Jonathan zu ihm gefahren und hatte erklärt was mir vorschwebte: eine kleine Sonnenbrille mit Bügeln die um die Ohren herum gehen damit sie nicht so leicht abzusetzen wäre.

Der Optiker hörte sich alles an und meinte dass er das „Grundgerüst“ einer Brille immer bestellen müsste. Das würde er jetzt mal tun: ein paar Brillen-Modelle von der kleinsten Sorte die es gebe. Dann würde er sich melden.

Das tat er auch und ich bin mit Jonathan wieder hingefahren. Ok….die Brillengestelle waren alle VIEL zu groß! Also von den Bügeln mal abgesehen  (die er sich hätte zweimal um den Kopf schlingen können), waren die Gläser auch viel zu riesig. Und die Nase zu klein: die Brille konnte auf der Nase nicht sitzen, sie rutschte herunter. Der Optiker kam ins Grübeln…

Er hat dann Jonathans Augenabstand, Länge bis zum Ohr, Länge der Nase usw ausgemessen und sich die Daten notiert. Eine Internetrecherche nach einem „Grundgerüst“ sei fällig. Er habe da schon so eine Idee wo er das herbekommen könnte. Er würde sich melden…

Nach einer Woche hat er mich angerufen und gesagt dass er nur ein Brillengestell finden konnte das von den Maßen her einigermaßen passen könnte – wenn man es noch ein wenig anpasste und umbaute. Ich sollte vorbeikommen und es mir ansehen. Mittlerweile hatte ich die Hoffnung auf eine Sonnenbrille für Jonathan schon fast aufgegeben und als er mir sagte das es EIN Gestell gebe..da war es mir egal wie das aussieht! Ich hätte auch rosa mit Blumenmuster genommen!

Aber…die Brille war blau und rund und ich fand sie auch noch hübsch!! Was will man mehr!!

Natürlich war sie zu groß. Der Optiker hat Jonathan die Brille aufgesetzt und die benötigte Länge an den Bügeln angezeichnet. Dann hat er gesagt dass er die Bügel nun entsprechend kürzen und den Bogen der auf dem Nasenrücken sitzt schmaler machen würde. Dann kämen Sonnengläser hinein, denn momentan war es einfach ein „normales“ Brillengestell. Er würde sich bei mir melden.

Zu dem Zeitpunkt bekam ich das erste Mal Zweifel ob die Brille noch bis zum Urlaub fertig werden würde! Ich sagte dem Optiker wann ich sie spätestens benötigte und er versprach mir sein Möglichstes zu tun.

Ich hörte nichts mehr vom Optikergeschäft. Nach einiger Zeit habe ich dort angerufen und gefragt wie weit man sei. Noch nicht fertig, man würde sich bei mir melden.

Jetzt bekam ich zum zweiten Mal Zweifel und sagte schon zu meinem Mann dass es nichts werden würde mit der Brille. Die Zeit wurde langsam knapp! Und wenn ich zum Abholen fuhr und sie nicht passte – dann hätten wir ein Problem!!

Aber…nur wenige Tage vor der „deadline“ rief der Optiker an und sagte ich könnte kommen. Habe ich umgehend gemacht. Und was soll ich sagen? Die Brille passte perfekt!!!

Die Bügel waren gekürzt und es waren Gummiaufsätze draufgesteckt worden die halbrund waren und das Ohr umschlossen. Diese Aufsätze waren so lang das ich sie, sollte Jonathan wachsen, noch ein wenig herausziehen konnte um den Bügel zu verlängern. So würden wir nicht sofort eine neue Brille benötigen!! Perfekt.

Das Gestell war aus einer Art Gummi, so konnte es nicht kaputt gehen wenn Jonathan die Brille mal ein wenig rabiater behandelte.

Ich war glücklich! Der Holland-Urlaub mit viel Sonnenschein konnte beginnen!!!

…wenn wir Brillenträger unter den Lesern haben wird denen nun die Frage nach den Kosten durch den Kopf gehen. Das kann ich an der Stelle gerne beantworten. Denn es ist mal ein positiver Punkt den ich über unsere Krankenkasse zu berichten habe..
Die Brille hat 120€ gekostet und die Kosten wurden komplett von der Krankenkasse übernommen.
Wir haben alle zwei Jahre das Recht auf eine Brille für Jonathan. Ob es eine Sonnenbrille oder eine „normale“ Brille ist, spielt keine Rolle.

Also auch die Sonnenbrille kam in ihrem Etui nun auf den Haufen der Dinge die ich noch einpacken musste.

Die Augen waren nun also vor der Sonne geschützt, aber was war mit der Haut??? Sollte es warm genug sein das wir Zeit am Strand verbringen oder sogar ins Meer gehen könnten dann müsste Jonathan entsprechende Kleidung haben! Grade bei der empfindlichen Haut die er hat…

Von Marvins Kleinkindzeit wusste ich dass wir gute Erfahrungen mit UV-Anzügen gemacht hatten. Meist Ganzkörperanzüge, ein- oder zweiteilig, die einen Lichtschutzfaktor hatten und so die empfindliche Haut vor Sonnenbrand schützen könnten. Dazu passend gab es meist noch Mützen mit Sonnenschutz im Nacken.

Davon erzählte ich meinem Mann und sagte dass ich so etwas bestellen wollte. Gesagt, getan. Das es problematisch werden würde bemerkte ich erst als ich am Internet saß und sah, in welchen Größen diese Anzüge vorhanden waren: es gab sie definitiv nicht in Jonathans Größe. Sie waren alle meilenweit zu groß! Und wenn der Anzug an allen Ecken und Enden schlabbert, sei mal dahin gestellt ob der UV-Schutz dann wirken würde!

Also: stundenlange Recherche im Internet! Bei einem (ausländischen) Anbieter haben wir dann etwas in der nächstgrößeren Größe gefunden: einen einteiligen Anzug und einen Zweiteiler. Wir haben beides bestellt.

Schon kurze Zeit später hielt ich mein Päckchen in den Händen.

Der Zweiteiler hatte lange Arme und lange Beine – und die waren wirklich lang! ZU lang. Der ging echt gar nicht. Klar hätten wir die Ärmel umkrempeln können, aber das UV-Schutz-Material ist ja glatt, und so rutschten die Ärmel immer wieder auf…also: zurückschicken.

Der Einteiler hatte kurze Arme und Beine. Und das war unser Glück! Denn die waren bei Jonathan genau richtig lang!!! Der Schritt saß zwar knapp über dem Knie und der Halsausschnitt bedeckte das Kinn – aber es ging einigermaßen und mit dem Anzug wäre Jonathan gut vor der Sonne geschützt. Also: den würden wir behalten!!
(Heute, mehr als 1 Jahr später…haben wir den Anzug immer noch und er ist immer noch zu groß!)

Schwimmwindeln und Anzug kamen auf den Boden im Kinderzimmer. Man wusste ja nicht ob es nicht DOCH warm genug sein würde um im Meer zu planschen! Und besser man war für alle Eventualitäten gerüstet.


Weiter ging es mit…den Medikamenten. Dafür hatte ich mir vom Kinderarzt noch Rezepte geholt und war in die Apotheke gefahren: das Medikament das uns aus den USA geliefert wurde noch einmal bestellen. Denn sollte das Fläschchen das wir hatten in Holland kaputt gehen, würden wir dumm aus der Wäsche schauen. Also lieber schon im Vorfeld für Ersatz sorgen! Genau wie bei dem Medikament für den Bluthochdruck, das dauernd gekühlt werden muss. Das wurde ja für uns in der Apotheke gemischt. Also lieber auch doppelt dabei haben.

Elektrolyte und den Rest hatten wir noch. Also: alles auf den Kinderzimmerboden gestellt.

Jetzt noch Milchpulver. Gab es auch nur in der Apotheke, also eine ausreichende Menge mitnehmen! Lieber ein bisschen zu viel.

Fläschchen…Schnuller…seinen Wärmeteller und Löffel. Eine Waage: denn wir wiegen das Essen immer, um eine Übersicht zu haben wieviel er so zu sich nimmt am Tag. Spritzen für die Medikamente, Behälter um die Elektrolyte mitzunehmen wenn wir unterwegs sein sollten…

Spielzeug für Jonathan. Einen Schlafsack. Oder lieber mal zwei??? Bücher. Seine Kuscheltiere…Ich legte alles auf den Boden im Kinderzimmer.

Sandspielzeug??? Nun ja: Jonathan konnte noch nicht allein sitzen. Aber vielleicht hätte er trotzdem Lust mal eine Schippe in die Hand zu nehmen und mit uns gemeinsam im Sand zu buddeln??? Also kam auch eine Tüte mit Sandspielzeug auf den Kinderzimmerboden.

Sollte es sonnig werden in Holland: bräuchten wir Schatten wenn wir den ganzen Tag mit Jonathan am Meer sein wollten. Zum Glück hatten wir noch eine Strandmuschel aus einem Urlaub von vor einigen Jahren. Schnell in den Keller laufen und die Strandmuschel holen. Und zu den anderen Sachen legen.

Schwimmflügel??? Zum ersten Mal dachte ich darüber nach was passieren würde wenn Jonathan im Wasser planschen wollte. Normalerweise kauft man dann Schwimmflügel und legt sie dem Kind an – zur Sicherheit. ABER: das war bei uns ja gar nicht möglich!! Joni hat so dünne, kleine Arme…es gibt einfach keine passenden Schwimmflügel für ihn!

Vielleicht einen Schwimmgürtel??? Den man um den Bauch macht?? Eigentlich eine gute Idee. Aber leider auch das nicht möglich weil Jonathans Bauchumfang zu schmal ist für diese Gürtel, die halten bei ihm gar nicht.

Für dieses Problem haben wir damals keine Lösung gefunden und uns dann einfach gesagt: WENN das Wetter gut genug ist das er ins Meer kann, dann wird immer einer von uns mitgehen und ihn festhalten. Anders ist es nicht möglich.

Das Reisebett musste auch noch mit: denn irgendwo musste Jonathan ja schlafen. Für dieses Bett hatten wir eine Matratze gekauft damit er ein wenig weicher und komfortabler liegen könnte. Die beiden Sachen kamen also auch noch auf den Boden dazu.

Mir fiel nichts mehr ein was ich noch einpacken müsste, ich glaubte dass ich nun an alles gedacht hätte. Und deswegen schaute ich mich mal etwas genauer um. Jonathans Zimmer ist nicht klein, aber auch nicht riesig. Jedenfalls war der komplette Boden mit Gepäck bedeckt. Ich fragte mich wie DAS alles ins Auto passen sollte! Und das war ja nur Jonathans Gepäck! Es gab aber noch drei Personen in diesem Haushalt!!

Ich schaute alles noch einmal durch und überlegte genau ob ich es wirklich brauchte. Das war aber der Fall: es gab nichts dass ich überflüssig fand. Also musste das wohl alles mit!!

Am Ende hatte Jonathan zwei Koffer dabei: einer mit Medikamenten und Essen und einer mit dem Rest. Marvin hatte einen Koffer dabei: mit Kleidung und jeder Menge Büchern (er ist eine Leseratte!). Und mein Mann und ich teilten uns einen Koffer. Dazu kam dann noch die Kühlbox und…unser Buggy. Hierbei handelt es sich um einen Rehabuggy, das bedeutet er ist nicht klein. Hat annähernd die Ausmaße eines Rollstuhls.


Mein Mann fährt einen Van mit einem echt großen Kofferraum. Aber wir bekamen trotzdem nicht alles hinein. Und haben uns dann entschieden das der Rehabuggy zu Hause bleiben muss. Stattdessen haben wir dann den Unterteil des Kinderwagens mit einem Adapter für das MaxiCosi eingepackt: das nahm doch etwas weniger Platz weg. War aber auch nicht so schön für Jonathan weil er darin weniger sah als in seinem Buggy. 

Aber wir mussten Abstriche machen wenn wir nicht noch einen Anhänger kaufen wollten für den Urlaub!!



Ich hätte ja nicht geglaubt dass der Moment mal kommen würde, aber irgendwann war tatsächlich alles eingepackt und im Auto verstaut.

Wir sind wieder am frühen Morgen gefahren, mit der Uhrzeit hatten wir auch gute Erfahrungen auf dem Weg in den Playmobilpark gemacht.

Die Fahrt war gut: bis zu unserem Urlaubsort brauchten wir nicht einmal 4 Stunden. Pausen machten wir: Jonathan musste ja essen und seine Medikamente bekommen. Das klappte aber alles einwandfrei. Stau gab es auch keinen. Ein super Beginn unseres Urlaubs!

Per Mail hatten wir von unserer Vermieterin die Mitteilung bekommen das wir ab 15 Uhr unser Appartement beziehen könnten. Natürlich waren wir aber viel früher vor Ort. Wir haben vor der Unterkunft geparkt und das halbe Auto ausgeräumt um an den Kinderwagen zu kommen. 8o)

Dann haben wir die Taschen und Koffer durchwühlt, und unsere Strandsachen und Essen für Jonathan in den Wagen gepackt. UND DANN: ging es erstmal los ans Meer.

Marvin war nicht zu bändigen! Er liebt das Meer. Wenn man ihn fragt wohin er im Urlaub möchte, dann kann man sicher sein das er ans Meer will.

Der Weg war nicht so weit: vielleicht 800 Meter. Wir kamen auf der Strandpromenade an: herrlicher Sonnenschein und es war warm. Jonathan bekam seine Sonnenbrille und eine Sonnenmütze aufgezogen und dann ging es an den Strand. Marvin hatte uns seine Schuhe in die Hand gedrückt und war eh schon weg…

Wir mussten erstmal den Wagen eine Treppe hinunter-, und dann auch noch über den Strand tragen. Schieben auf Sand, wenn das Gefährt beladen ist mit Handtüchern und Essen – eher nicht möglich! Aber schnell hatten wir einen Platz gefunden an dem wir den Wagen lassen konnten, haben Jonathan aus seinem Wagen geholt und sind ans Wasser gegangen.

Er war so begeistert! So interessiert!! Hat sich alles betrachtet und auf die Geräusche gelauscht. Sich umgesehen. Es war einfach so schön zu sehen dass er Freude daran hat!!

Natürlich waren wir die Attraktion am Strand. Ein so winziges Baby mit Sonnenbrille und Mütze…viele Leute sind stehen geblieben und haben gelächelt oder uns gewunken. Wir sind es ja schon gewohnt…

Die Mittagszeit kam, Jonathan brauchte Medikamente und auch sein Essen. Also mussten wir uns wohl ein Lokal suchen.

Ich habe zu meinem Mann gesagt das ich mich in Holland ausschließlich von Fisch ernähren werde und wir deswegen ein Lokal suchen sollten in dem es Fisch gibt.

Also: den Wagen wieder auf die Strandpromenade tragen und sich umschauen was es da so gibt. Genau gegenüber auf der anderen Straßenseite gab es ein Lokal. Ich weiß den Namen nicht mehr, aber er versprach Fischgerichte. Also sind wir dorthin gegangen und haben uns einen Platz gesucht.

Es hat EWIG gedauert bis jemand zu uns kam. Aber nur um uns zu sagen das in diesem Lokal nur Gäste des Hotels essen dürften – das es eigentlich war. Super!! Mir hing der Magen in den Kniekehlen, Jonathan würde auch nicht mehr lange ruhig bleiben und dann waren wir hier nicht einmal erwünscht. Na gut: alles wieder einpacken und weiter suchen.

Relativ schnell haben wir ein weiteres Lokal entdeckt. Auch hier weiß ich den Namen nicht mehr. Aber die Dekoration waren Piraten, Schiffe und Angelutensilien. Also musste es hier ja wohl Fisch geben!
Wir haben uns einen Platz gesucht. Prompt kam eine Bedienung und wir haben Getränke geordert und die Speisekarte bekommen. Ja, und dann kam die große Überraschung: das hier war…ein PFANNKUCHENHAUS!!!

Ich wollte es nicht glauben. Direkt am Strand, eingerichtet wie ein Piratenschiff und dann gab es NUR PFANNKUCHEN.

Aber wir hatten Hunger, hatten schon Getränke bestellt und konnten jetzt auch nicht schon wieder auf die Suche nach einem neuen Lokal gehen. Also haben wir uns alle etwas ausgesucht und eben hier gegessen. Zumindest war das Lokal sehr kinderfreundlich: es gab eine Mikrowelle in der wir Jonathans Essen erwärmen konnten.

Zwar hatte ich mir mein erstes Essen in Holland am Meer etwas anders vorgestellt. Aber wenigstens haben wir heute noch diese Geschichte zu erzählen die uns immer wieder zum Schmunzeln bringt!! 8o)

Nachdem alle einen vollen Bauch  (und Jonathan auch eine frische Windel) hatten sind wir wieder an den Strand gegangen. Es war traumhaftes Wetter!!! Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel und es war warm! Ich wünschte mir dass es die ganze Woche so bleiben möge. Jonathan hat das Meer betrachtet, dem Rauschen der Wellen gelauscht und war total fasziniert. Er hat sich umgeschaut, war ganz ruhig dabei und es sah aus als würde er alle diese Eindrücke in sich aufsaugen wie ein kleiner Schwamm.

Nachmittags mussten wir dann zu unserer Ferienwohnung: die Schlüsselübergabe sollte stattfinden, die Vermieterin hatte angerufen das alles bereit sei für uns. Wir haben alles zusammen gepackt und sind zurück gelaufen.

Die Vermieterin war wirklich sehr nett und unsere Wohnung zwar eine Kellerwohnung, aber sehr luxuriös eingerichtet: wir konnten uns auf knapp 100m2 austoben und das mit der edelsten Einrichtung! Regenwalddusche, eine tolle Couchlandschaft, ein großer Esstisch der zur abendlichen Spielerunde einlud, eine Stereoanlage mit CD´s quer durch sämtliche Genres, eine Küche mit allen Geräten die das Herz begehrte: ich war begeistert!! Wir würden ja jeden Tag ab dem frühen Abend hier sein weil Jonathan Abendessen und sicherlich auch ein wenig Ruhe benötigte, es war schön zu wissen das wir es hier so gemütlich hatten!

Jetzt hieß es: uns einrichten. Koffer auspacken und uns mit der neuen Umgebung vertraut machen. Damit endete der erste Tag unseres ersten Urlaubs!

Am nächsten Morgen, nach einer für Jonathan erstaunlich ruhigen Nacht, zeigte der Blick durchs Fenster einen grauen Himmel. Einen SEHR grauen Himmel!! Okay: Strandwetter war das eher nicht. Was sollten wir mit diesem Tag anfangen?? In unserer Wohnung lagen Broschüren mit Sehenswürdigkeiten aus der Gegend, die haben wir dann mal studiert. Und festgestellt das unser Ort eine Autorennstrecke besaß!! Früher war hier Formel1 gefahren worden - heute gab es noch die DTM-Rennen. Aktuell fand zwar kein Rennen statt, aber die Strecke konnte man sich trotzdem anschauen. Da unser Ferienort nicht grade eine Millionenmetropole war sollte die Distanz bis zur Rennstrecke gut zu Fuß zu bewältigen sein.

Mein Mann schaute sich auf dem Handy den Weg an, ich machte Jonathan „ausgehfertig“ und packte Essen und Medikamente ein. Und dann ging es los! Unsere erste Ortserkundung!! 8o))

Ich schob den Buggy mit Jonathan, Marvin ging neben uns und jammerte weil er keine Lust zum Spazieren gehen hatte und mein Mann lief vorne weg: sehr sicher wohin wir gehen mussten um zur Rennstrecke zu kommen. Am Anfang dachte ich mir noch nichts und lief ihm hinterher. Wir kamen durch ein Wohngebiet…dann an einer Schule vorbei…liefen auf einen Sportplatz zu…hinter dem Sportplatz war ein Golfplatz, das Betreten war nur Mitgliedern des Golfclubs erlaubt. Und hier endete die Straße. Es war eine Sackgasse.

Aber immer noch war mein Mann sich sicher das DAS der richtige Weg zur Rennstrecke war…ich wollte jemanden fragen, aber „Quatsch! Das ist richtig hier! Schau mal, da ist ein Weg: der führt auf die Dünen!“…auf die DÜNEN???? Mit dem BUGGY??? Ernsthaft???

Ich habe ihm gesagt dass das mit mir nicht machbar ist und dass wir einen anderen Weg brauchen. Und das es auch nicht richtige Weg sein KANN: es kann doch nicht angehen das der einzige Weg zu einer großen Rennstrecke über DÜNEN führt…

Also: wir wieder ein riesiges Stück zurück. Irgendwann kam ein Weg der Richtung Meer führte und wir wussten von Fotos das die Rennstrecke am Meer lag. Also haben wir beschlossen den Weg mal auszuprobieren. Wir haben Wohnanlagen gefunden – für TAUBEN!! Kein Scherz!! Das Gebiet rechts und links neben dem Weg sah aus wie eine Reihenhaussiedlung für Zwerge und hier wohnten TAUBEN. Die sind über uns herumgeflogen und haben gegurrt. Alles war voller Taubendreck und wieder…endete der Weg als Sackgasse. Und zwar nicht am Meer, sondern schon weit vorher. Also: wieder umdrehen und einen neuen Weg suchen.

Mittlerweile nörgelte Marvin stärker. Er hatte ja von Anfang an keine Lust zum Laufen gehabt und dass wir nun noch nicht mal den Weg fanden machte die Sache nicht besser!!

Ich wurde auch langsam unruhig. Jonathan würde bald Essen brauchen und es sah nicht so aus als würden wir in der näheren Zukunft an der Rennstrecke ankommen.

Wir sind bis ins Wohngebiet zurückgelaufen – und das war ein ziemliches Stück!! Hier war mein Mann sich dann sicher dass er nur falsch abgebogen war. Wir hätten nicht Richtung Schule laufen sollen sondern in die andere Richtung. Ok: probieren wir es aus! Was blieb uns auch anderes übrig.

Also in die andere Richtung. Alles was es hier gab war: Wohngebiet. Komisch. Weit und breit noch nicht mal Meer!! Aber mein Mann sagte dass wir bald da sein müssten, so weit war die Rennstrecke doch von unserer Ferienwohnung gar nicht entfernt. Also wackelten Marvin und ich immer hinter ihm her. Es begann zu regnen. Marvins Laune wurde dadurch nicht besser. Und ich immer genervter…und noch immer war keine Rennstrecke zu sehen.

Wir kamen an eine ziemlich große…Hauptstrasse??? Die hatte ich hier noch gar nicht gesehen. War das nun gut oder nicht?? Hmmm….

Ein CenterPark. Interessant. Da kamen wir nicht durch, wir mussten außen herum laufen. Marvin war mittlerweile im Dauernörgel-Modus: seine Füße taten weh, er hatte Hunger und es regnete – drei Dinge die für ihn gar nicht gehen.

Ich wurde immer wütender auf meinen Mann…wo war denn nun diese dumme Rennstrecke? Das konnte doch nicht sein!! Wir hatten uns verlaufen, da war ich ganz sicher und er konnte das nicht mal zugeben oder nach dem Weg fragen…schlimm!! 8o((  Zum Glück war Jonathan relativ entspannt. Er schaute sich seine Umgebung an, gut geschützt unter Decken und einem Regennetz. Trotzdem ging mein Blick immer wieder zur Uhr, die Zeit wurde knapp und das Ziel war noch nicht in Sicht. Mittlerweile war ich soweit das ich bei der Tankstelle, die ich einige hundert Meter vor uns sehen konnte, nach dem Weg fragen wollte. Aber wir kamen um die Kurve herum und…sahen das Meer und die Strandpromenade!! Halleluja!!

Jetzt ist es in unserem Ferienort so, dass am Strand ganz viele Lokale stehen. Und jedes Lokal hat eine Nummer, diese Nummer weht auch als Fahne über dem Lokal. So kann man sich super orientieren! Wir waren bei  Nummer 17 angekommen. Auf dem Lageplan stand dass die Rennstrecke bei Nummer 23 war. Das wäre noch ein gutes Stück zu laufen gewesen. Mit Marvin nicht mehr möglich. Und mit Jonathan auch nicht, der brauchte Medikamente und Essen. Also haben wir beschlossen in Nummer 17 einzukehren und etwas zu trinken, wenn es uns gefallen sollte: auch etwas zu essen. Marvin und ich waren versöhnt und machten meinem Mann auch nicht länger Vorwürfe…nein…jetzt machten wir uns lustig über ihn weil er den Weg nicht gefunden hatte. Der Weg wäre so leicht zu finden gewesen wenn wir einfach an der Uferpromenade entlang gegangen wären!!! Und nicht quer durch den Ort!!! …8o)) LOL

Diese Aktion ist ein „running gag“ bei uns geworden. Wenn wir nicht wissen wo genau es hingeht sagen wir meinem Mann immer das ER den Weg nicht raussuchen darf!!! Aber: Schwamm drüber… damals hat es mich sehr genervt, aber rückwirkend betrachtet war es doch irgendwie lustig. Weil so typisch MANN, oder?? Nicht nach dem Weg fragen wollen und so….

Jedenfalls kehrten wir nun in Nummer 17 ein. Nach dem langen Fußmarsch hatten wir Durst, also haben wir gleich große Getränke bestellt: Marvin eine Cola und wir jeweils ein Bier. Und dann haben wir uns die Karten fürs Mittagessen bringen lassen. Einmal reinschauen reichte: die Preise waren definitiv nicht unsere Liga!! Fast 6€ für ein 0,4l Bier….das war so krass! Ich brauchte die Speisekarte gar nicht anschauen, da verging einem ja der Appetit!

Also haben wir dem Kellner gesagt dass wir uns anders entschieden hätten und nichts essen wollten, aber gerne die Rechnung hätten. Und dann sind wir aufgebrochen und auf der Strandpromenade weitergelaufen um ein anderes Lokal zu finden. Die Suche nach einem Lokal kam mir bekannt vor! 8o))

Nun ja, heute brauchten wir nicht weit zu laufen: schon Nummer 18 sah vielversprechend aus. Vor dem Eingang stand ein Hummer aus Pappmache, das würde ja nun hoffentlich ein Fischlokal sein! Wir sind dort eingekehrt und was soll ich sagen? Dieses Lokal wurde für den kompletten Urlaub unser zweites Zuhause! (Und auch im Jahr danach, denn wir haben noch einmal in diesem Ort Urlaub gemacht!)



Dieses Lokal war für mich der Himmel auf Erden: Fisch auf der Speisekarte soweit das Auge reichte! Endlich!! Auch die Preise schienen moderat zu sein. Wir waren froh dass wir uns gegen das erste Restaurant entschieden hatten, denn so waren wir hier gelandet.

Unser erster Fisch in Holland war KIBBELING. Hörte sich lustig an und ich dachte noch so bei mir das ich das noch NIE gegessen hatte, obwohl ich immer viel Fisch esse. Bis die Bedienung, die perfekt Deutsch konnte, dann erklärte das es sich hierbei schlicht und ergreifend um KABELJAU handele. LOL. Ok, hatte ich vielleicht ja doch schon mal gegessen!

Wir haben alle drei Kibbeling gegessen, und er war wirklich fantastisch zubereitet. Jonathan hat eine Pommes bekommen und begeistert auf ihr rumgelutscht.

Das Lokal selber war toll eingerichtet: überall hingen Fischer-Utensilien, sogar eine Gallionsfigur konnte man sehen. Draußen gab es eine Terrasse mit direktem Blick zum Meer. Glasscheiben schützen aber vor herumfliegendem Sand und auf den meisten Tischen brannte ein kleines Feuer. Dann gab es noch eine überdachte Couchlandschaft: und hier haben wir uns eingerichtet. Und das… für die komplette nächste Woche! Wir sind jeden Tag mit Buggy und Gepäck in diesem Lokal eingefallen: haben uns auf der Couchlandschaft ausgebreitet, uns in der Toilette zum Schwimmen gehen umgezogen, danach in der Toilette wieder „trocken gelegt“, haben Jonathan dort gefüttert und gewickelt.

In den ersten Tagen habe ich mich ein wenig unwohl gefühlt weil ich dauernd dachte das gleich ein Kellner kommt der uns rausschmeißt weil wir uns ein bißchen ZU WOHL dort fühlen…aber es hat nie jemand ein Wort gesagt. Okay: wenn wir den ganzen Tag dort waren haben wir natürlich auch einiges getrunken und gegessen. Vielleicht hat dieser Punkt überwogen. Oder es war Jonathan geschuldet: in ihn waren alle Kellner und Kellnerinnen total verliebt!

(Und, das muss ich mal an der Stelle vorweg nehmen: unsere 4 Lieblingskellner haben uns ein Jahr später tatsächlich wiedererkannt und wussten auch unsere Namen noch!! Das hat mich schon schwer beeindruckt, denn in einem Jahr sieht man als Kellner in Holland vermutlich schon einige Gesichter!!)

An unserem zweiten Urlaubstag besserte sich das Wetter nicht mehr. Wir sind nach dem Essen zwar noch mal auf den Strand und ans Meer gegangen – haben die Wellen angeschaut und angehört und wir „Großen“ waren auch mal mit den Füßen im Wasser, aber wirklich Strandwetter war das nicht. Also haben wir überlegt wie wir diesen Tag sinnvoll nutzen könnten und haben uns entschieden durch den Ort zu bummeln.

Marvin war begeistert: er LIEBT bummeln und shoppen. (Das hat er NICHT von mir! Lach)

Wir sind also durch die Fußgängerzone gelaufen und haben Schaufenster betrachtet, sind auch in ein paar Läden hinein gegangen und haben uns umgesehen. Als wir einen Spielzeugladen entdeckt haben gab es für Marvin kein Halten mehr!!

Er war direkt verschwunden auf der Suche nach LEGO und PLAYMOBIL. Vielleicht gab es hier in Holland ja ein paar Sets die es in Deutschland nicht gab???

Eigentlich hatten wir nicht beabsichtigt für Jonathan etwas zu kaufen, aber…kaum das wir den Laden betreten hatten haben wir die TutTut-Babyflitzer entdeckt. Da gab es nun für MICH kein Halten mehr! 8o))

Leider gab es keine anderen Autos als in Deutschland, aber diese hier sprachen natürlich holländisch und ich habe mich relativ schnell in ein Taxi verliebt: Thjis. Der Name war so lustig!!! Also habe ich meinen Mann so sehr genervt bis er sagte: er kauft das Auto. Und das war das Beste was wir tun konnten, denn den restlichen Urlaub hat Jonathan das Auto nicht mehr aus der Hand gelegt, wir hätten keine anderen Spielsachen gebraucht! Und bis heute ist es eins seiner absoluten Lieblingsautos. 8o))

Den restlichen Abend haben wir also mit dem TutTut-Taxi verbracht und sind dann recht früh zu Bett gegangen. Die Seeluft macht wirklich wirklich müde!!

Und da wir recht früh ins Bett gegangen waren…waren wir auch früh wieder wach. Aber der Blick aus dem Fenster zeigte uns das das Wetter sich seit dem Vortag nicht verbessert hatte: eher im Gegenteil – wir hatten starken Wind. SEHR starken Wind…

Nach dem Frühstück haben wir beschlossen wieder in unser Lieblingsrestaurant zu gehen und uns dort „breitzumachen“. Vielleicht würde das Wetter im Laufe des Tages ja besser werden.

Als wir die Ferienwohnung verlassen haben....haben wir eine MINI-Schnecke gefunden. Und ich meine: eine Mini-Schnecke. Ich habe noch nie in meinem Leben so eine kleine Schnecke gesehen! Sie war wie für Jonathan gemacht. Kleine Hände, kleine Schnecke! 8o)) Wir haben sie ihm auf die Hand gesetzt und er hat sie sehr neugierig betrachtet. Offensichtlich hat sie ihn auch gekitzelt, denn er hat mehrfach gelacht…

Nachdem der kleine Mann aber genug von der kleinen Schnecke hatte sind wir losgegangen Richtung Strand. (Wir haben uns zum Glück auch nicht verlaufen!) Es war so windig, das war unfassbar!!! Ich hatte das Gefühl das wir weg geweht werden. Auf der Strandpromenade haben wir den Buggy losgelassen und er ist von allein gefahren…und das obwohl er voll beladen war mit Handtüchern, Windeln, Klamotten, Essen, Büchern, Spielen und noch einigem mehr…

Zuerst mal sind wir in unserem neuen Lieblingsrestaurant eingekehrt und auch trotz des Windes ans Meer gegangen. Ich habe Jonathan über meinen Kopf in die Luft gehalten und der Wind war so stark das sein Schnuller an der Schnullerkette waagrecht in der Luft hing. 8o) Uns war klar: Strandtag ist das leider wieder nicht.

Bis zum Mittagessen sind wir trotzdem am Strand und im Lokal geblieben. Als dann alle gegessen hatten haben wir beschlossen einen Spaziergang am Meer entlang zu machen. Bei Wind. Mit dem Buggy. Das mache ich NIE mehr, ich schwöre!! Allein den beladenen Buggy durch den Sand zu schieben ist eine Kunst für sich – aber wenn es auch noch stürmt und einem der Sand in die Augen fliegt…nein, nicht schön!!

Mehrfach mussten mein Mann und ich den Buggy gemeinsam tragen weil es anders nicht ging. Das hieß dann gebückt aber den Strand laufen und einen Buggy tragen der gefühlte 25 Kilo wog und dabei flog einem der Sand um den Kopf. Igitt…es war die falsche Entscheidung nicht die Uferpromenade zu nehmen. Lol….

Aber wenigstens haben wir SO unser Ausflugsziel für den Nachmittag gefunden: am Strand gab es ein „Museum“ - klein aber der Eintritt war kostenlos. Hier wurden Strandfundstücke ausgestellt. Fanden wir alle ziemlich spannend und deswegen haben wir beschlossen uns das anzuschauen. Draußen konnte man eh nicht viel unternehmen bei dem Wetter, also…

Total witzig was dort alles zu sehen war: von Rinderknochen (da hatte bestimmt jemand auf einem Schiff gegrillt und die Knochen über Bord geworfen), über Schnuller und Barbiepuppen, Matchbox-Autos, Playmobil, Ferngläser, Taschenlampen und Abzeichen von Bundeswehr und Marine bis hin zu Baby-Trinkflaschen und Gummi-Dinosauriern war alles vertreten. Bei diesen Sachen konnte man sich ja noch vorstellen dass sie beim Spielen oder versehentlich ins Meer geraten waren…aber bei den ganzen Abfällen die auch im Museum zu sehen waren ahnte man das hier Vorsatz am Werk gewesen war. Selbst Marvin war betroffen als wir die Tonnen von Plastikmüll, Kanistern und sonstigem Kram betrachteten die man am Strand gefunden hatte, weil sie von der Flut angeschwemmt worden waren. Traurig was die Menschen ihrer Umwelt so antun!!!

Doch neben der Betroffenheit hatten wir auch Spaß in diesem Museum…es gab Aquarien in denen lebende Tiere ausgestellt waren…es gab Sattelitenteile der NASA zu bestaunen die im Meer gelandet waren und wir lernten: Strandgut gehört offiziell dem Bürgermeister der Stadt. Das hieß für uns: sollten wir einen Schatz am Strand finden, gehörte er dem Bürgermeister und nicht uns…8o)))

Wir ließen den Tag bei einem ausgiebigen Abendessen ausklingen und hofften dass am nächsten Tag besseres Wetter sein möge damit wir einen Strandtag einlegen könnten.

Dem war aber leider nicht so. Am nächsten Morgen zeigte der erste Blick aus dem Fenster einen genauso grauen Himmel wie in den Tagen davor. Aber: wir ließen uns davon nicht die Laune verderben! Wir hatten Urlaub, den ersten Urlaub mit Jonathan, und daraus würden wir das Beste machen.

Also beschlossen wir: der richtige Tag um mit dem Zug nach Amsterdam zu fahren und uns die Stadt anzusehen!!

Weder mein Mann noch ich waren jemals in Amsterdam gewesen. Wir wollten dort eine Stadtrundfahrt machen, im HardRock-Cafe zu Mittag essen und dann auch schon gemütlich wieder zurück fahren um Jonathan nicht zu überfordern.

Gesagt, getan. Der Buggy wurde mit allem beladen was wir so für einen Tag mit Jonathan brauchten. Dann haben wir unsere Sachen zusammen gepackt, Regenjacken angezogen und sind losgelaufen. Der Bahnhof war quasi um die Ecke und die Fahrt nach Amsterdam sollte laut unserer Vermieterin nur circa 30 Minuten dauern.

Aber allein die Tickets zu kaufen war eine Herausforderung. Es gab keinen Ticketschalter an dem man mit einem Menschen hätte reden können. Die Tickets mussten an einem Automaten erstanden werden und der konnte nicht richtig Deutsch…aber irgendwann hatte mein Mann es geschafft und drei Tickets für die Hin- und Rückfahrt in der Hand.

Also ab in den Zug und los ging´s. Jonathans erste Zugfahrt. Marvin hat ihn auf den Arm genommen und durch das Fenster hat Jonathan staunend die vorbeirasende Landschaft betrachtet. Ich habe ein Foto nach dem anderen geschossen. Wir waren einfach total glücklich! Fühlten uns frei…eine Zugfahrt und eine Stadtbesichtigung mit Jonathan. Wer hätte gedacht das dass eines Tages einmal möglich sein würde?? Wahnsinn…

Nach etwas mehr als einer halben Stunde kamen wir in Amsterdam an. Als wir aus dem Hauptbahnhof heraus und auf die Straße gingen fiel mir als erstes ein Gebäude auf…ein Parkhaus. An sich ja nichts Besonderes: gibt es bei uns überall. Aber: das hier war ein Parkhaus für….FAHRRÄDER!!! Sowas hatte ich noch nicht gesehen. Mehrere Ebenen und jede Ebene war überflutet mit Fahrrädern. Total krass. Tausende von Fahrrädern! Ich habe direkt zu meinen Männern gesagt: „Wie soll man da SEIN Fahrrad wiederfinden?“

Gegenüber vom Fahrrad-Parkhaus war ein Cafe, und da Jonathan Hunger hatte sind wir dort hingegangen um ihn vor der Stadtrundfahrt noch zu füttern. Eins muss man sagen: die Holländer sind ja wirklich kinderfreundlich!! Wir wurden hier nicht so angestarrt wie zu Hause oder mit Fragen gelöchert. Man hat uns weitestgehend in Ruhe gelassen und das war wirklich SEHR entspannend!!!

Nach der „Raubtierfütterung“ sind wir dann zu einer Stadtrundfahrt mit einem „Hop on/Hop of-Bus“ aufgebrochen. Zuerst habe ich mir ein paar Gedanken gemacht ob Jonathan eine knapp 2stündige Busfahrt gut mitmacht. Oder ob es ihm zu langweilig ist und er am Ende den ganzen Bus zusammen schreit. Aber weit gefehlt!!! Er hat bei meinem Mann auf dem Schoß gesessen und aus dem Fenster geschaut. Und zwar INTERSSIERT aus dem Fenster geschaut!!! Zwar nicht die komplette Fahrt über, das ist klar. Aber er hat Kanäle mit Hausbooten gesehen und eine Windmühle. Und fand es offensichtlich spannend!!

Am HardRock-Cafe sind wir aus dem Bus ausgestiegen: mein Mann ist riesiger Fan und das HardRock-Cafe Amsterdam hatte er noch nie besucht. Es war mittlerweile sowieso schon fast Mittag und dann könnten wir dort auch gleich noch etwas essen.

Das HardRock-Cafe selbst ist echt cool!! Toll eingerichtet, toll gelegen und hat tolle Erinnerungsstücke an große Künstler ausgestellt. Aber vom Service waren wir ein wenig enttäuscht. Im kinderfreundlichen Holland war es hier leider nicht möglich ein Gläschen für Jonathan in der Mikrowelle aufzuwärmen. So etwas haben wir weder vor unserem Besuch hier, noch danach jemals erlebt. Man konnte uns auch nicht sagen wo genau das Problem lag, nur dass es nicht möglich ist. Wir haben ein großes Glas gefüllt mit heißem Wasser auf den Tisch gestellt bekommen und mussten dann selbst versuchen das Gläschen darin zu erwärmen. Was von mäßigem Erfolg gekrönt war: wir haben das Essen nur lauwarm bekommen. Und lauwarme Pute mit Kartoffelpüree und Mais fand Jonathan nicht ganz so spannend….hmmmm.

Wir waren enttäuscht von dieser „Behandlung“. Ganz ehrlich: bei den Preisen die man im HardRock-Cafe für Essen und Getränke bezahlt hatte ich eigentlich ein wenig mehr Entgegenkommen von Seiten der Service-Kräfte erwartet. Natürlich ist es sicherlich nicht Usus das Kleinkinder hier zum Essen herkommen – aber ein Wickelraum existierte, also so ganz unvorbereitet war man auf den Besuch von Windelträgern offensichtlich nicht.

Nun ja…wir haben dann spontan beschlossen dass wir KEIN HardRock-Cafe mehr zu einer Mahlzeit aufsuchen werden bis Jonathan alt genug ist vom Tisch zu essen.

Trotz dieser kleinen „Panne“: uns hat das Essen geschmeckt, natürlich sind wir danach noch im Shop gewesen und haben ein paar Kleinigkeiten als Erinnerungen gekauft. Dann ging es wieder zurück zum Bus um den Rest der Stadtrundfahrt zu machen. Jonathan war müde und hat diesen Teil der Fahrt verschlafen. 8o))
Als wir wieder am Hauptbahnhof, und damit dem Ende der Stadtrundfahrt ankamen, haben wir uns entschieden dass der Tag in Amsterdam für uns damit zu Ende geht. Natürlich hätte es noch einige Sachen gegeben die wir gerne gemacht hätten: zugesehen wie in einer Fabrik Diamanten geschliffen werden, den Zoo besuchen, in der ICE-BAR etwas trinken…aber wir wollten Jonathans Geduld nicht überstrapazieren und ihn auch nicht überfordern.

Wir sind also zurück gefahren in unseren Urlaubsort, und was soll ich sagen? Als wir dort ankamen hatten wir STRAHLENDEN SONNENSCHEIN!! Wir haben uns ein bisschen geärgert das wir nicht doch hier geblieben waren: wer weiß wie lange das Wetter schon so traumhaft war, da hätten wir einen prima Strandtag einlegen können!! Aber gut…ließ sich nicht ändern!

Jetzt wollten wir keine einzige Minute Sonnenschein verpassen und sind direkt an den Strand gegangen! Die Jungs hatten Spaß: Marvin hat im Sand getobt und war im Meer schwimmen. Jonathan hat die Wellen beobachtet, dem Rauschen des Meeres zugehört, und alles beobachtet was am Strand so los war.

Natürlich sind auch an diesem Tag wieder eine Menge Menschen stehen geblieben und haben ihn angelächelt – er sieht aber mit dieser Sonnenbrille einfach zu niedlich aus!!

Es war für uns ein rundum perfekter Tag und eigentlich wollten wir ihn auch nicht beenden…aber Jonathan brauchte Medikamente, Abendessen und ein wenig Ruhe. Also mussten wir aufbrechen.

An diesem Abend haben wir noch eine Runde UNO gespielt um den Tag ausklingen zu lassen. Das wir zusammen spielen ist nichts Besonderes, das machen wir öfter. Aber dieser Spieleabend ist mir in Erinnerung geblieben weil Jonathan mitgespielt hat! 8o))

Er saß auf dem Arm meines Mannes und hat ihm in die Karten geschaut (leider kann er nicht sprechen, sonst wäre er ein prima Spion gewesen!). Und dann hat er sich irgendwann eine Karte ausgesucht und sie sich geschnappt. Was ein Zufall war es eine Karte die grade für meinen Mann passend zum Ablegen war. Und deswegen hat er Jonathan erklärt dass die nun auf den Tisch gelegt werden muss. Er hat Jonathan über den Tisch gehalten, aber…es war nichts zu machen! Der junge Mann wollte die Karte nicht mehr hergeben. Wir mussten sie ihm dann mit „Gewalt“ abnehmen, aber das fand er nicht lustig.

An dem Abend haben wir einige Witze darüber gerissen das Jonathan das Spiel noch nicht verstanden hat…8o))




Die Zeit verging wie im Flug und schon brach der 5.Urlaubstag an.

Der morgendliche Blick aus dem Fenster zeigte: einen strahlend blauen Himmel!!! Juchuuuuu!! Strandwetter!!! Wir würden den kompletten Tag am Strand verbringen. Marvin war aus dem Häuschen: ich sagte es ja schon einmal…für ihn ist Urlaub nur dann Urlaub wenn er ans Meer kann. 8o))

Also: alles zusammen packen was wir für einen Tag so brauchten und ab Richtung Meer.

Auf dem Weg dorthin kamen wir an einem Geschäft vorbei in dem es Luftmatratzen und Strandspielzeug gab. Marvin war nicht mehr zu halten: er brauchte UNBEDINGT eine Luftmatratze. Also gut. Am Ende wurde es dann ein fast 2 METER (!!!) großer aufgeblasener Delphin. Für Jonathan haben wir einen kleinen Drachen in Form einer Möwe gekauft.

Und dann ging es endlich in Richtung unseres Lieblingslokal wo wir uns wieder wohnlich einrichteten. 

Marvin war keine 5 Minuten dort und schon Richtung Meer verschwunden. Was auch besser so war weil dieser Delphin einen Platz einnahm im Lokal – das war mir schon peinlich! Mindestens 3 Leute hätten auf der Couch sitzen können wenn der Delphin nicht dort geparkt hätte.

Nun gut: das Gummitier und mein großer Sohn hatten Spaß im Wasser. Bis…der Himmel sich zuzog und ein Regenschauer kam. Ein so dermaßen heftiger Regenschauer! Ich bezweifelte das wir an diesem Tag noch mal an den Strand gehen könnten. Aber…das Wetter in Holland ist echt witzig! Keine halbe Stunde später war der Himmel wieder strahlend blau. Verrückt!

Wir haben den Drachen für Jonathan steigen lassen. Aber: er hat es nicht so richtig wahrgenommen. Vielleicht war der Drachen zu klein und er konnte ihn nicht gut sehen wenn er einige Meter über ihm geflogen ist. Vielleicht war er schlicht und einfach noch zu klein um das zu verstehen. Der Rest der Familie hatte aber trotzdem Spaß…

Später am Nachmittag haben wir Jonathan den UV-Anzug angezogen und ihn im Sand spielen lassen: mit nackten Füßen. Am Anfang fand er es ein wenig merkwürdig. Aber dann ist er gehüpft und hat sich gefreut.

Spannender fand er aber auf jeden Fall das Meer: die Wellen die an den Strand kamen und sich wieder zurückzogen haben ihn sehr fasziniert. Das Wetter war zwar traumhaft und uns war es auch warm, aber das Wasser war MEGA-KALT und aus diesem Grund wollten wir ihn nicht komplett ins Meer lassen, wir hatten Angst dass er sich erkälten könnte. Doch da er so fasziniert war haben wir seine Füße in den Sand gehalten und immer gewartet bis das Wasser sie berührt hat. Auch hier war er am Anfang skeptisch und etwas erschrocken, fand es danach aber super!!

Wir sind tatsächlich bis zum späten Nachmittag am Strand geblieben, für Marvin war das eigentlich noch nicht genug: er wäre auch bis zum Einbruch der Nacht hier geblieben. 8O))

Abends in der Ferienwohnung haben wir festgestellt das Jonathan gebadet werden musste: er hatte tatsächlich überall Sand – in den Haaren, in den Ohren, in der Windel…8o))

Nur: WO baden wir ihn?? Es gab keine Wanne, sondern nur eine Dusche, und die Duschwanne war so flach – sie eignete sich nicht für ein Bad. Also…dann blieb nur eins: das Spülbecken!! Jonathan war ja so klein das er problemlos hineinpasste. Wir haben also Wasser einlaufen lassen und ihn in der Spüle gebadet. Fand er prima!!

Am nächsten Morgen….begann der 6., und damit unser letzter!, Urlaubstag: morgen würden wir wieder nach Hause fahren. Warum geht die Zeit eigentlich immer so schnell vorbei wenn man Spaß an etwas hat???
Wir haben uns entschlossen in den Nachbarort zu fahren, Marvin wollte unbedingt nach Yu-Gi-Oh-Karten Ausschau halten. Ein Kartenspiel im Manga-Stil, ich denke die wenigsten in unserer Generation kennen es.

Um es kurz zu machen: er hat seine Karten gefunden und bekommen. 8o))) Nachdem wir in einem Cafe noch einen super leckeren Kakao getrunken hatten sind wir wieder zurück gefahren denn wir wollten unbedingt am letzten Tag noch mal an den Strand.

Das Wetter war super und so stand dem nichts im Wege.

Der Delphin kam wieder zum Einsatz; Jonathan genoss das Wetter, die Umgebung und das Meer.

Weil wir unseren Urlaub mit etwas besonderem ausklingen lassen wollten haben wir beschlossen abends kein Brot zu essen sondern uns an einem Wagen am Strand Fisch mitzunehmen. Gesagt, getan. Jetzt hatten wir aber diesen riesigen Delphin dabei und Marvin war nicht geneigt ihn an dieser Bude selbst zu halten „das ist ja voll peinlich!“. Also hat mein Mann sich den Delphin geschnappt und mit ihm zusammen in der Schlange angestellt. Ich muss mich heute noch jedes Mal kaputt lachen wenn ich das Foto sehe wo der Delphin an der Fischbude ansteht. 8o)))

Die letzte Nacht brach an…ich hatte abends schon begonnen zu packen. Denn am nächsten Morgen würde es früh Richtung Heimat gehen.

Schade dass der Urlaub schon vorbei war. Ja: erst war ich von der Vorstellung mit Jonathan in Urlaub zu fahren nicht so begeistert gewesen - mein Mann hatte mich überreden müssen. Aber nun konnte ich sagen dass er mit der Entscheidung auch Recht gehabt hatte! Es war gut gewesen raus zu kommen, und es war gut gewesen das Jonathan einmal andere Eindrücke bekommen hatte. Ganz davon abgesehen, das mir die Meerluft unfassbar gut getan hatte: seit ich vor einigen Jahren mehr als 5 Wochen mit Lungenentzündung zu kämpfen hatte bin ich Asthmatikerin. Hier am Meer, grade auch bei leichtem Wind, ist mir das Atmen so leicht gefallen wie seit Jahren nicht mehr!

Wir waren alle traurig das wir nun nach Hause mussten…aber es half ja nichts: der Urlaub war nun einmal zu Ende. Aber wir haben beschlossen im nächsten Jahr wiederzukommen. 8o))

Da Marvin extrem geknickt und traurig war haben wir beschlossen ihm die Rückfahrt dahingehend zu versüßen das wir bei der Fastfoodkette mit den „goldenen Bögen“ anhalten und er etwas dort essen darf. Das hat ihn dann auch aufgemuntert…lach…

Und Joni…der hat zum ersten Mal in seinem Leben eine Pommes versucht! Nach dem Gesichtsausdruck zu schließen war sie okay…aber das Eis, dass er von seinem Papa bekommen hat war eindeutig mehr nach seinem Geschmack. Da ging die kleine Schnute dauernd wieder auf und es wurde Nachschub gefordert.

Dass die Erholung relativ schnell vorbei war als wir zu Hause ankamen – weil Unmengen von Sachen ausgeladen/ausgeräumt und Wäsche gewaschen werden musste…das muss ich niemandem sagen. Ich war echt froh als das alles erledigt war!

In den kommenden Tagen hatte mein Mann noch Urlaub, aber wir hatten geplant nichts zu unternehmen und Jonathan jetzt –nach dieser einen Woche mit extrem vielen Eindrücken!- einfach mal einige Tage Ruhe zu gönnen.

Ja….und dann….war Jonathan dermaßen unleidlich!! Hat gequengelt und gemosert. Er war mit nichts zufrieden. Am zweiten Tag habe ich dann zu meinem Mann gesagt dass ich glaube…dass er sich langweilt!! Er hatte im Urlaub so viel Input und hat jeden Tag etwas anderes unternommen, er fand es öde wieder zu Hause zu sein und „nur“ zu spielen.

Wir haben überlegt was wir in der näheren Umgebung unternehmen könnten und sind dann zum Minigolf gefahren.

Kaum waren wir dort und Jonathan hatte wieder etwas Neues zum Anschauen: war er zufrieden und ruhig. Verrückt! Da dachten wir er braucht Ruhe…weit gefehlt! Action war angesagt…8o))

Marvin hatte noch Ferien, mein Mann noch Urlaub und wir hatten festgestellt das Jonathan keineswegs Ruhe brauchte – also: haben wir überlegt was wir in den kommenden Tagen noch unternehmen könnten. Es gab ein Ausflugsziel an das ich schon seit vielen Jahren fahren wollte und doch hatte es noch nie geklappt: das Kloster Eberbach. Hier wurde „Der Name der Rose“ gedreht, und das Kloster ist landschaftlich sehr schön gelegen. Und nicht so weit von uns entfernt.

Also: auf ins Kloster!! 8o)) 

Wir haben Jonathan aus dem Auto geholt und in seinen Buggy gesetzt. Er hat sofort alles aufmerksam in Augenschein genommen. Vielleicht ist ihm auch das aufgefallen was mir als erstes aufgefallen ist: die Ruhe…es war als würden alle Geräusche verschluckt.

Ein sehr beeindruckender Ort! Und nicht nur weil hier große Filmstars dieselben Wege gegangen sind wie die Besucher. Sondern auch weil das Gebäude sehr alt ist, hier ist Geschichte geschrieben worden. Ich habe mich gefragt was diese Mauern wohl schon alles gesehen haben mögen.

Wir haben hier einen sehr schönen Tag verbracht, alles angeschaut was man anschauen durfte: die Kapelle, die Weinpressen, die Ausstellung und alle frei zugänglichen Räume des Klosters. Dann haben wir etwas gegessen und Jonathan gefüttert, der nach dem Essen sofort und ohne Murren eingeschlafen ist. Es waren dann offensichtlich doch genug Eindrücke für ihn!

Eine Rittergewandung für Joni
Es ist kein Geheimnis: wir sind Mittelalterfans. Mein Mann und ich sind seit einem gemeinsam besuchten Mittelalterfestival ein Paar. Auch geheiratet wurde mittelalterlich: in Gewandungen auf einer Burg. Unsere komplette Hochzeitsgesellschaft, immerhin 30 Personen, mussten sich auch gewanden – und diesen Spaß haben alle mitgemacht!! Es war ein grandioser Tag, der natürlich auch mit einem Ritteressen ausgeklungen ist.

Das Schöne an dieser Art der Hochzeit ist: wir können unsere Hochzeitskleider regelmäßig tragen. Nämlich immer dann wenn wir mal wieder ein Mittelalterfestival besuchen – und das machen wir mehrmals im Jahr.

Marvin war bei der Hochzeit dabei und hatte seine Tempelrittergewandung. Aber Jonathan war noch nicht standesgemäß ausstaffiert und das wollten wir ändern! Denn wie sieht das aus wenn wir zu dritt in so tollen Kleidern auflaufen und Jonathan dann „normal“ aussieht…???

Also haben wir uns ins Auto gesetzt und sind in den Mittelalterladen unseres Vertrauens gefahren. Hier haben wir schon für unsere Hochzeit eingekauft, ich wusste also das der Laden mit einer Schneiderin zusammen arbeitet: sie hatte mein Brautkleid maßgeschneidert. Und das es eine Schneiderin gab war ja wichtig zu wissen: denn für Jonathan konnten wir definitiv nichts von der Stange kaufen!!!

Der Besitzer des Ladens kannte uns noch, Jonathan sah er heute zum ersten Mal. Wir haben ihm unsere Geschichte grob umrissen erzählt.

Und ihm gesagt das wir den Wunsch haben das Jonathan denselben Templerwaffenrock bekommt wie Marvin – nur einige Nummern kleiner eben. Er fand die Idee spitze und meinte das die Anfertigung auch kein Problem sei, es würde nur ein wenig dauern. Aber technisch: machbar. Jonathan wurde vermessen – seine Schulterbreite waren 10cm…das hat dem Besitzer des Ladens ein kleines Schmunzeln entlockt. So einen winzigen Waffenrock hatte er noch nie bestellt!

Wir haben uns noch über den Preis unterhalten – ein nicht unwichtiger Punkt für uns. Und der Waffenrock war schließlich eine Maßanfertigung!! Aber der genannte Preis lag sogar weit unter dem was wir uns als Obergrenze überlegt hatten, also wurde er bestellt. 8o)
(Michael: diesen Satz hast Du überlesen!! Lol)

Ein paar Wochen später wurden wir angerufen das die Gewandung für Jonathan fertig sei. Wir sind sofort in den Laden gefahren und haben ihm den Waffenrock angezogen. Er sah sooo süß aus damit!! Noch eine Kordel kaufen um den Waffenrock ordentlich festzubinden und…natürlich!!...ganz standesgemäß: ein Trinkhorn!!! Unser Mittelalterladen hat Trinkhörner für Babys, die haben sogar einen gefrästen Rand damit man einen Sauger für Milch oder Tee daran befestigen kann! 8o)) Und dann: konnte es losgehen zum nächsten Mittelalterfestival! Mit dem kleinsten Ritter den man jemals gesehen hatte.

Aber bevor wir vier in der Zeit zurückreisen und ins dunkle Mittelalter abtauchen konnten…stand Marvins Einschulung in der weiterführenden Schule auf dem Programm.

Marvins Einschulung in der 5.Klasse
Da Jonathan aufgrund seiner Krankheit ein schlechtes Immunsystem hat meiden wir mit ihm normalerweise große Menschenansammlungen – aus Angst dass er sich mit irgendetwas anstecken könnte. Aber für Marvin war die Einschulung ein wichtiger Tag, ein neuer Lebensabschnitt begann und er wollte seinen Bruder unbedingt dabei haben um das mit ihm zu teilen.

Also sind wir alle vier zur Einschulung gefahren. Einen Vorteil hatte das Ganze: alle Mitschüler - und die Eltern der Mitschüler -  würden Jonathan sehen, wir könnten erklären das er einen Gendefekt hat…und damit würden sich in Zukunft vielleicht Hänseleien oder dumme Kommentare gegenüber Marvin vermeiden lassen. Dachten wir. Aber es sollte an diesem Tag ganz anders kommen….

Eigentlich lief alles gut: die Feier war schön, die Klassenlehrerin schien nett zu sein und die meisten Mitschüler kannte Marvin schon aus der Grundschule oder dem Sportverein. Ich war erleichtert! Einem guten Start auf dieser Schule –meiner Schule: ich hatte hier mein Abitur gemacht- stand somit nichts im Weg.

Und dann sind wir zum Parkplatz gegangen um nach Hause zu fahren. Mein Mann trug Jonathan auf dem Arm und wir haben uns unterhalten. Als uns plötzlich eine Frau „überholte“, sich umdrehte, uns anschaute und dann sagte: „Ach Gott! Der sieht ja aus wie ein kleiner Affe!“……hallo???? Ich habe zu ihr gesagt das dass kein AFFE, sondern mein Kind ist!! Und Marvin…SO VIEL schlagfertiger als ich!!!...sagte: „Gegen das Aussehen könnte man ja was tun – aber Blödheit bleibt!“…….und das lassen wir jetzt mal so stehen.



Jonathans erster Besuch auf einem Mittelaltermarkt
Nur wenige Wochen nachdem wir den kleinen Tempelritter-Waffenrock bekommen hatten, ergab sich die Gelegenheit ihn zum ersten Mal „auszuführen“.

In unserer Stadt fand ein (kleiner) Mittelaltermarkt statt. Genau das Richtige für Jonathan!! Nicht so groß und voll das es ihn überfordern würde, aber doch groß genug um ein paar neue Eindrücke zu gewinnen.

Also haben wir uns alle gewandet, Jonathan bekam sein kleines Trinkhorn und dann sind wir losgezogen. Ich war total aufgedreht!! Schön, dass wir dieses Hobby nun auch zu viert genießen konnten!!

Natürlich war Jonathan DIE Attraktion auf dem Mittelaltermarkt. So viele Leute haben geschaut, gelacht und uns angesprochen: „Das ist aber ein süßer kleiner Ritter!“..8o))

Jonathan selbst war DAS natürlich egal. Aber er hatte seinen Spaß mit den Stelzenläufern die vor Ort waren!! Aufmerksam betrachtete er den Waldläufer und eine Fee (ich hoffe ich gebe es richtig wieder!!!). Jonathan war dermaßen fasziniert, vermutlich von der Größe: für IHN müssen die beiden ja noch größer gewesen sein als für uns!! Er hat die Fee angehimmelt und die hat Seifenblasen für ihn gemacht…es war wirklich wirklich schön!!

Und dann kamen dunkle Gestalten: Orks näherten sich…8o)) Ich dachte schon das Jonathan jetzt Angst bekommen würde, denn ehrlich: die sahen gruselig aus!!! Die Masken und die Verkleidung waren HAMMER GEIL, aber eben auch schaurig….doch Jonathan…war einfach nur fasziniert und selbst als der Ork ihm eine Kralle reichte war unser „Zwerg“ weder ängstlich noch angewidert - sondern einfach nur neugierig.

Marvin durfte bei einem Schmied richtig schmieden: eine Brosche in Drachenform entstand – mit viel Schweiß und lahmen Armen!!! 8o))
Zum Abschluss des Besuches auf dem Mittelaltermarkt durfte Jonathan aus seinem Horn einen Saft trinken und an einem Schokoladenbrötchen lutschen – und hat sich natürlich direkt den ganzen Waffenrock beschmiert….zum Glück kann man den aber selber waschen und muss ihn nicht in die Reinigung bringen, von daher war es mir egal!


Kirmes
Mittlerweile war es Oktober geworden und in unserem Ort stand die Kirmes bevor.

Wir wohnen ländlich…SEHR ländlich. Vielleicht liegt es daran das es hier nicht viel Ablenkung gibt: wir können FEIERN…was das Zeug hält!! Und das tun wir einmal im Jahr an Kirmes. Und zwar gleich für 5 Tage!!

Es war nicht Jonathans erste Kirmes, im letzten Jahr waren wir mit ihm auch schon hier gewesen – damals war er grade mal 4 Wochen aus dem Krankenhaus zu Hause. Aber er hatte im vorigen Jahr von allem nichts mitbekommen und in seinem Kinderwagen geschlafen.

Dieses Jahr war das anders. Er saß in seinem Reha-Buggy und konnte sich alles ansehen. Natürlich konnte er nicht viel „machen“: Entchen angeln oder Autoscooter fahren waren nichts für ihn. Trotzdem wollten wir dass unsere Kirmes für ihn ein Erlebnis wird und deswegen haben wir ihm einen Schaumkuss gekauft – seinen allerersten Schaumkuss. Er mochte ihn!! 8o))

Und dann durfte er mit Papa eine Runde auf dem Karussell drehen: auf einem Pferdchen-Karussell. Das war genau nach Jonathans Geschmack! Er hatte ein Lächeln im Gesicht….es war soo schön anzusehen!!

Am zweiten Tag unserer Kirmes kamen wir ein wenig ins Grübeln. Es ist Usus das die Eltern den Kindern „Kirmesgeld“ geben: und das dürfen die Kinder auf der Kirmes nach Herzenslust ausgeben – für Süßkram, Fahrgeschäfte oder auch an der Schießbude.

Natürlich hatte auch Marvin Kirmesgeld bekommen. Jonathan aber nicht...und außer mal einer Runde auf dem Karussell würde er auf dem Kirmesplatz auch nichts machen können. Und dann kam mir der Gedanke…das er eben eine andere Art von „Kirmesgeld“ bekommen würde!

Schon damals liebte Jonathan seine TutTut-Babyflitzer über alles (und das ist bis heute so geblieben!). Und deswegen hat er ein Straßenset mit einer Ampel bekommen, die blinkt… singt… und redet. Und ich muss an der Stelle sagen…dieses Set…war UNUNTERBROCHEN…JEDEN TAG…für 10 Monate in Gebrauch bevor ich es wegräumen konnte ohne das er gejammert und es gesucht hat. 8o))

(Marvin war zwischenzeitlich schon mehr als genervt von den immer wiederkehrenden Melodien und Sätzen der Ampel. Ich weiß auch nicht wie oft wir die Batterien ausgetauscht haben weil sie leer waren. Aber Jonathan konnte sich nicht allein fortbewegen und irgendwie war es für ihn total super auf diese Ampel zu drücken und dadurch das Blinken und die Musik auszulösen.)

So schön unsere Kirmes auch ist und so heftig wir „Landeier“ auch feiern können – irgendwann neigen sich diese 5 Tage trotzdem dem Ende zu.

Und dieses Ende wird bei uns traditionell mit einem Markttag gefeiert. Händler aus der ganzen Region kommen in den Ort und bauen ihre Marktstände auf: man kann von der Blumenzwiebel über Socken und Kochtöpfe bis zu Gewürzen alles kaufen. Der halbe Ort ist mit Marktbuden zugestellt (ok..unser Ort ist auch KLEIN, aber trotzdem!) und jedes Jahr auf´s Neue bricht das Verkehrschaos aus weil hunderte von Besuchern in unseren Ort kommen und irgendwo parken müssen - einige Straßen aber von vornherein gesperrt sind wegen der Buden.

Überall unterschiedliche Gerüche…so viele bunte Farben…laut schreiende und um Käufer buhlende Händler: für mich einer der schönsten Tage im Jahr…schon seit meiner Kindheit und bis heute!!

Für Jonathan war es der erste Markt den er bewusst mitbekommen hat. Und er war sehr aufmerksam und neugierig. Hat sich überall umgeschaut und alles genau betrachtet. So viel Neues und so vieles zu entdecken!! Der Mittagsschlaf ist an diesem Tag ausgefallen….8o))

Als Abschluss unserer Kirmes durfte der kleine Mann dann noch mal auf dem Pferdchen-Karussell fahren. Er sah so unfassbar glücklich aus!

Das war ich auch…weil es einfach wundervolle Tage gewesen waren. Auch das, Kirmes feiern, war nun mit Jonathan möglich! Wir mussten nicht zu Hause sitzen bleiben – wir konnten am Ortsgeschehen teilnehmen.

Und das wir das auch taten..kam bei einigen anderen Einwohnern ziemlich gut an! Wir wurden mehrfach angesprochen: wie schön es doch sei das wir uns im Ort zeigten..das wir Jonathan zeigten! Uns nicht schämten oder verkrochen, sondern einfach offensiv damit umgingen das wir ein behindertes Kind hatten – dazu standen und darüber redeten.

Viele mögen jetzt denken: ja – wofür sollte man sich auch schämen? Und warum sollte man nicht mit Jonathan in die Öffentlichkeit gehen???

Sehe ich genauso!! Aber wir wohnen eben in einem sehr kleinen Ort…in einem Ort in dem die Uhren noch anders ticken, wo der Altersdurchschnitt sehr hoch ist – viele hier gehören einer anderen Generation an und wurden anders erzogen. Über Behinderungen redet man nicht, die werden tot geschwiegen oder bestenfalls schön geredet. „Es gehört sich nicht“ so etwas zu thematisieren und es ist ein Stück weit sowieso „peinlich“ wenn man einen Behinderten in der Familie hat.

Von daher war unser offensiver Umgang mit diesem Thema anders. Neu.  Modern?? Es war und ist bis heute auf jeden Fall UNSER Weg….und wir fahren gut damit.

Auch wenn es nicht jedem passt. NATÜRLICH wird in einem so kleinen Ort wie unserem geredet!!! „Tratschen“ (wie es bei uns heißt) ist das größte Hobby von sicherlich mehr als der Hälfte der Einwohner!!! Es passiert ja sonst auch nicht viel, irgendwie muss man sich beschäftigen…8o))

Es passte nicht jedem das mein Mann und ich auch Kirmes feierten: das wir Bier tranken!! Hinter unserem Rücken wurde geredet….“Die haben ein BEHINDERTES KIND und trinken ALKOHOL!“ SKANDAL!!!

….LOL…ich habe noch NIE etwas darauf gegeben was andere reden/lästern. Interessiert mich nicht DIE BOHNE. Es hat uns eher amüsiert das wir SO WICHTIG waren das man über uns geredet hat!! Ich war noch nicht oft Thema des Dorftratsches!! 8o))

Das war im Jahr 2016. In 2017 haben wir mittlerweile auch Kirmes gefeiert – und mein Mann und ich haben WIEDER Bier getrunken!! 8o))) Lol …


Der erste Besuch auf dem Bauernhof
Da wir auf dem Land wohnen gibt es bei uns natürlich einige Bauernhöfe. Mit einem Landwirt bin ich schon seit der Grundschule bekannt/befreundet. Er hat einen Milchbetrieb (ich hoffe das ist das richtige Wort mein Lieber???), hat also nur Kühe – und Felder.

Schon in unserer Jugend war es so dass bei seinen Geburtstagsfeiern alle Bier oder Radler getrunken haben – nur ich nicht: ich wollte MILCH. Warm, direkt von der Kuh. Lach…

Und nun wollte ich Jonathan auch gern mal frische Kuhmilch trinken lassen. Die schmeckt nämlich wirklich um LÄNGEN besser als die, die man im Supermarkt kaufen kann.

Also: schnell eine SMS geschrieben und gefragt ob wir kommen dürfen. Klar durften wir!!!

Zuerst sind wir mit Jonathan mal in den Kuhstall gegangen und haben uns die Kühe „von Angesicht zu Angesicht“ angesehen. So ein Kuhkopf ist im Verhältnis zu Jonathans Kopf wirklich ganz schön groß!! Aber Angst hatte der kleine Mann keine, er war neugierig.

Danach durfte er mit Papa auf den großen Traktor klettern und am Steuer sitzen. Und der Traktor WAR groß: die Reifen überragten MICH ein ganzes Stück! Aber auch hier hatte Jonathan keine Angst, neugierig schaute er sich die Umgebung an…sicher in Papas Arm sitzend.

Und bevor wir heimgingen bekamen wir dann noch eine Flasche mit 1 Liter frischer Kuhmilch. Die haben wir an diesem Abend zum Abendbrot getrunken, auch Jonathan!! Der hat aber erst mal nur einen kleinen Schluck bekommen weil ich nicht wusste ob er sie verträgt.

Er hat die Milch vertragen, das kann ich schon mal vorweg nehmen…und er hat sie GELIEBT!! Er konnte gar nicht genug bekommen: dauernd hat er seinen kleinen Mund aufgesperrt und wollte MEHR!!! 8o))) So niedlich!!

Halloween-Party
Nur wenige Tage nach unserem Besuch auf dem Bauernhof war Halloween. EIGENTLICH finde ich es ja wichtiger am 31.10. Reformationstag zu feiern….aber was will man machen wenn man Kinder (Marvin) hat die Halloween feiern möchten??? Naja…man feiert eben.

Also haben wir Jonathans Patentante mit Familie eingeladen, ihr Sohn ist Marvins bester Freund. Und eine Party vorbereitet. Inklusive Deko im Esszimmer. Zu essen gab es Fingerfood und wir wollten alle zusammen Brettspiele spielen.

Es war keine Kostümparty, das ist nicht so unser Ding…aber die „großen Kinder“ waren unterwegs und haben Süßigkeiten gesammelt. Jonathan blieb zwar zu Hause, hatte aber auch ein Skelett-Kostüm an und hat mit uns zusammen die Tür geöffnet wenn Kinder klingelten. Die meisten haben sich über ihn einfach kaputt gelacht! Weil er ÜBERHAUPT nicht zum Fürchten aussah – sondern einfach nur niedlich…8o))


Der 1.Sankt-Martins-Umzug
….wäre fast ins Wasser gefallen. Weil ich (mal wieder) nicht mitbekommen hatte WANN er in unserem Ort stattfinden sollte. Ich kann mich auch nicht mehr erinnern wie ich überhaupt von dem Termin erfahren habe – auf jeden Fall habe ich vormittags erfahren das am selben Tag abends der Umzug war…und ich hatte die Laterne noch nicht gebastelt!!

Da bin ich in Panik verfallen! Das war schließlich der ERSTE Sankt-Martins-Umzug auf den wir mit Jonathan gehen wollten, das konnte ja nicht einfach ausfallen….also habe ich mich ans Basteln gemacht. Nicht ohne Murren und Motzen weil ich eigentlich gar keinen Bock hatte…meine Männer hatten es an diesem Vormittag weiß Gott nicht leicht mit mir!

Unter großem Getöse habe ich das Bastelset zusammengesetzt, das hatte ich zum Glück schon gekauft! Ein kleiner grüner Drache sollte es werden. Und es wurde auch ein kleiner grüner Drache den Jonathan sehr skeptisch beäugte als er fertig war.

Es wurde Abend, Jonathan bekam etwas früher als üblich sein Abendbrot. Dann wurde er ganz dick eingepackt und kam zu mir in die Bauchtrage. Die Laterne festhalten konnte der kleine Mann leider noch nicht, also habe ich den Laternenstab seitlich auch in die Bauchtrage geklemmt: so schwang der kleine leuchtende Drache vor Jonathans Gesicht. 8o))

Und los ging´s! Ich war ganz schön aufgeregt!!

Der erste Sankt-Martin mit Jonathan…und der erste Sankt-Martin ohne Marvin!! Denn er war seit kurzem bei der Jugendfeuerwehr und musste an diesem Abend „arbeiten“: Wege absperren, mit der Fackel den Weg erleuchten, das Martinsfeuer entzünden und bewachen, die Martinsbrezeln verteilen…. Ich habe ihn an diesem Abend nur kurz gesehen und ein Foto mit ihm gemacht. Beim Umzug wusste ich nicht wo er war und habe ihn auch nicht gesehen. Das war schon ein bisschen komisch für mich! So zum ersten Mal…

Dafür konnte ich mich dann voll und ganz auf Jonathan konzentrieren. Der hatte sehr viel Spaß!! Er schaute sich um und beobachtete die Laternen die überall leuchteten. Drehte seinen Kopf hierhin und dorthin um nur ja nichts zu verpassen…war sehr aufmerksam als die Sankt-Martins-Lieder gesungen wurden.

Und auch das Feuer das vor unserer Mehrzweckhalle entzündet worden war hat ihn schwer fasziniert. Sowas hatte er ja auch noch nie gesehen!!!

Als dann Marvin auf uns zukam hat Jonathan ihn sofort erkannt und ist wie verrückt in der Bauchtrage herumgehüpft!! 8o))


Alles in allem: ein sehr gelungener erster Laternen-Umzug. Ich war glücklich! Weil Jonathan glücklich schien…für mich ist es einfach gut zu sehen das er sein Umfeld wahr- und am Geschehen auch teilnimmt. Es könnte alles noch sooo viel schlimmer sein!! 


Es war im November 2016 als Jonathan sich das erste Mal von allein …drehte!!

Er war jetzt etwas mehr als 1 Jahr aus dem Krankenhaus entlassen und genauso lange arbeiteten wir schon mit der Physiotherapie an seiner Motorik. Bisher erfolglos. Es passierte nichts, es ging nicht vorwärts. Zeitweise war ich schon kurz davor gewesen einfach aufzugeben…schließlich hatten die Ärzte im Krankenhaus gesagt das er nicht in der Lage sein würde zu krabbeln oder zu laufen – vielleicht hatten sie ja Recht damit und ich bemühte mich hier völlig umsonst.

Und…das habe ich in einem früheren Beitrag schon mal erwähnt: die Therapie nach Vojta war nicht angenehm!! Jonathan weinte und wehrte sich mitunter ziemlich stark…TROTZDEM: ich habe jeden Tag mit ihm geturnt!! Jeden Tag….außer sonntags, da hatten wir frei.

Also: ein Jahr lang turnte ich täglich mit ihm und es passierte einfach…NICHTS…das war SO frustrierend!!

Und dann, ganz plötzlich! Liegt er unter seinem Spielbogen und fängt an auf dem Popo zu hopsen und sich mit den Beinen abzustoßen. Dabei kam er vorwärts…naja, eigentlich eher: rückwärts…also er ist in die Richtung gekommen in der sein Kopf lag, aber halt auf dem Rücken liegend. Es sah zum Schießen aus!!

Irgendwie hat er ziemlich überrascht geschaut dass er auf einmal ganz allein seine Position verändern kann. Und dann hat es nicht mehr lange gedauert bis er raus hatte das er seine Position auch ändern kann indem er sich umdreht.

Ich habe grade mit ihm gespielt als er auf einmal sehr angestrengt aus der Wäsche schaute und sich mit aller Macht nach rechts schmiss: die erste Drehung war gelungen….ich hatte Tränen in den Augen und habe sofort meinen Mann angerufen und versucht seine Drehungen auf Video aufzunehmen. Was aber nicht geklappt hat. (Kennt ihr das? Das Kind kann was Neues und GENAU DANN wenn man es filmen will: macht das Kind es einfach nicht mehr…)

Dieser ersten Drehung sollten in den nächsten Wochen noch ganz viele folgen, allerdings immer NUR über die rechte Seite und nie über die linke. Er hatte eine Lieblingsseite entwickelt. Die Frühforderung und ich haben verstärkt darauf geachtet ihn auch für die linke Seite zu sensibilisieren – was schlussendlich auch funktioniert hat: heute dreht er sich über beide Seiten. Aber auch das war harte Arbeit und kam nicht von allein. Wie fast nichts bei Jonathan…

Er hat in den folgenden Wochen auch seine Technik perfektioniert sich auf seinem Po in Richtung seines Kopfes fortzubewegen. Das hat irgendwann gut und schnell geklappt. Allerdings kam er so nie dorthin wo er EIGENTLICH hinwollte weil er ja nichts gesehen hat…das führte dann zu Frust und Heulerei…

Mitunter nicht einfach mit anzusehen wenn das Kind etwas möchte, aber einfach nicht in der Lage ist das auch umzusetzen! Und man es ihm nicht erklären kann weil es einen nicht versteht….an der Stelle ist es manchmal schwierig ein behindertes Kind zu haben. Das Mama-Herz blutet und man kann nicht helfen, man muss die Situation einfach aushalten. Mit dem Kind weiterarbeiten und hoffen dass es irgendwann in der Lage sein wird seine Ziele auch umzusetzen…

Nikolaus
Auch in diesem Jahr, zum zweiten Mal für Jonathan, hatten wir einen Nikolaus vom Nikolausservice unserer Stadt bestellt.

Marvins bester Freund und dessen Mutter, die Jonathans Patentante ist, waren an diesem Tag bei uns und warteten mit uns gemeinsam darauf das es klingeln würde.

Das tat es auch irgendwann. Und herein kamen …ein ENGELCHEN..und der Nikolaus in rotem Ornat und so groß das er gebückt durch unsere Tür gehen musste.

Die großen Jungs waren BESTENS vorbereitet…nämlich überhaupt nicht! O man…sie konnten kein Gedicht und kein Lied….aber wenigstens konnten sie die Geschichte vom Heiligen Nikolaus erzählen und retteten somit ihre Ehre. 8o))

Das kleine Engelchen war schockverliebt in Jonathan und dem Nikolaus beim Besuch bei uns keine große Hilfe…lach…

Und Jonathan selbst?? Der saß mit offenem Mund auf meinem Schoß und starrte den Nikolaus ehrfürchtig an. Der nahm sich Zeit und redete lange mit ihm: auch wenn Jonathan noch so „klein“ war erzählte der Nikolaus ihm doch trotzdem was er gut machte (das er so gut bei der Physiotherapie mitmachte und schon Erfolge erzielte) – und was er nicht so gut machte: zum Beispiel das er nicht durchschlafen wollte in der Nacht. (Genutzt hat diese Ansage aber nichts, der junge Mann schläft immer noch nicht durch!)

Geschenke gab es dann selbstverständlich auch noch für die Kinder und Jonathan schaute dem Nikolaus lange hinterher als dieser sich mit einem „Husch, husch kleines Engelchen!“ verabschiedete.

Weihnachtsmarktbesuch
Traditionell sind wir auch in diesem Jahr wieder auf den Weihnachtsmarkt in unsere Landeshauptstadt gefahren. Hier waren wir im letzten Jahr auch schon und mussten einiges ertragen: von angeglotzt werden, über Antatschen und dumme Kommentare war damals alles dabei. Aber…wir trauten uns trotzdem und fuhren hin! Schlimmer konnte es ja dieses Jahr nicht mehr kommen…

Kam es auch nicht. Es war okay. Vielleicht lag es daran das wir nun, ein Jahr später, besser in der Lage waren mit der Situation umzugehen. Vielleicht lag es auch einfach daran das Jonathan doch ein wenig größer geworden war. Zwar sah er nicht aus als sei er eineinhalb Jahre alt, sondern eher als sei er wenige Wochen alt – aber er war nicht mehr so auffällig klein wie im vergangenen Jahr. Und so wurden wir weitgehend in Ruhe gelassen….natürlich sprach der ein oder andere uns an und wollte wissen wie alt Jonathan war, aber damit hatte es sich dann auch.

Und so konnten wir den Besuch auf dem Weihnachtsmarkt genießen. Jonathan betrachtete die ganzen Lichter, bestaunte das Karussell. Wir haben auch mal kurz überlegt ob wir ihn damit eine Runde drehen lassen sollten, aber die Betreiber teilten uns mit das es leider nicht möglich sei das ein Erwachsener mit auf dem Karussell fuhr – auch dann nicht wenn er bezahlte. Und somit war das Vorhaben für uns gestorben, Jonathan konnte ja nicht alleine sitzen und deswegen auch nicht alleine fahren….



Der Weihnachtsbaum der Familie Braunsdorf-Kremer….8o))
Dieses Jahr feierten wir zwar nicht das erste Mal Weihnachten mit Jonathan, aber wir feierten das erste Mal Weihnachten in unserem eigenen Haus. Und deswegen hatte Marvin eine Idee von der er sich nicht mehr abbringen ließ: wir würden unseren Weihnachtsbaum dieses Jahr SELBER SCHLAGEN gehen.

Okay: dann also los!

Es gibt in unserer Nähe einen Tannenbaumverkauf wo man einen Baum selber schlagen kann: ein riesiges Gelände, man bekommt eine Säge und dann geht man los und sucht sich einen Baum. Hat man ihn gefunden: fällt man ihn und schleppt ihn zur Kasse. Der Preis berechnet sich nach Größe und Art des Baumes, man weiß also vorher nicht so ganz genau was er kosten wird….

Eine Woche vor Weihnachten haben wir Jonathan dick eingepackt und sind losgezogen um uns unseren Weihnachtsbaum auszusuchen.

Ich kam mir ein bisschen vor wie die Familie Griswold auf der Suche nach dem perfekten Weihnachtsbaum, nur das bei uns kein Schnee lag wie im Film.

Wir sind über das Gelände gestiefelt und haben die Bäume betrachtet. Der eine war zu krumm, der andere zu klein, ein weiterer hatte kaum Äste oder eine unschöne Spitze: es war nicht einfach mit Marvin DEN Baum zu finden! Aber irgendwann hatte er sich für einen entschieden.

Also haben mein Mann und Marvin die Säge gezückt und losgelegt. Gar nicht so einfach einen Baum selber zu schlagen stellte Marvin fest: denn während man sägt..hängen einem ja die Äste ins Gesicht!! Mein Mann hat sich auch prompt eine blutige Wunde im Gesicht geholt, aber zum Glück ist er kein typischer Mann und jammert nicht bei jeder Kleinigkeit. 8o)))

Nachdem der Baum geschlagen, zur Kasse geschleift und bezahlt, in ein Netz verpackt und im Auto verstaut war….gab es zur Belohnung noch warmen Kakao und eine Waffel. Für Jonathan war der Ausflug so anstrengend (oder aufregend) dass er eingeschlafen ist bevor wir überhaupt die Getränke hatten!! 

Und noch eine Sache ist mir von diesem Tag in Erinnerung geblieben…wir haben unseren Nikolaus beim Baum schlagen getroffen!!! Natürlich war er nicht als Nikolaus hier, sondern „in Zivil“ – deswegen habe ich ihn erstmal nicht erkannt (schäm). Wie auch schon am Nikolausabend war er in Begleitung seiner Tochter. Bei Getränken und Waffeln hat sich ein wunderschönes, so verständnisinniges Gespräch entwickelt an das ich noch lange zurückdenken musste.

Wieder einmal hatten wir –durch Jonathan!- so wundervolle Menschen kennengelernt. DAS ist ein Geschenk das wir durch unseren Sohn bekommen: wir haben in den letzten 2,5 Jahren so viele tolle Menschen kennengelernt – so viele tolle Gespräche geführt – so viel Verständnis erfahren. Ohne Jonathan…wäre das nicht so und wir wüssten es auch nicht zu schätzen.

Zu Hause angekommen haben wir unseren Baum ins Wohnzimmer gestellt und das Netz zerschnitten. Und NEIN: die Äste haben NICHT die Wohnzimmerscheibe zerschmettert! 8o))
Da stand unser Baum und er roch so gut und er sah auch gut aus! Wir haben beschlossen ihn sofort zu schmücken…EINE WOCHE vor Weihnachten!! Das haben wir auch noch nie gemacht…aber gut: manchmal ist einfach die Zeit gekommen neue Traditionen auszuprobieren!

Wir haben uns für die rot/weiße Deko entschieden und auch Jonathan hat geholfen die Kugeln an den Baum zu hängen. Dazu ließen wir Weihnachtsmusik laufen um uns schon mal in Stimmung zu bringen! 8o)

Heiligabend
Wie jedes Jahr schien der Tag des Heiligen Abends viel länger zu sein als alle anderen Tage im Jahr – jedenfalls für Marvin!! Obwohl er nun schon so GROSS war und gar nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubte..hatte dieses Fest für ihn seinen Reiz nicht verloren und er war den ganzen Tag über aufgeregt und ungeduldig. Am Nachmittag begannen seine Ohren zu glühen und wurden rot: eine Sache die er von seinem Papa hat! Der hatte auch immer rote Ohren bei Aufregung und Vorfreude…8o))

Nun ja…ich muss gestehen das mein Mann und ich diesen Tag dahingehend ein wenig auskosten das wir alles extrem laaaaaaaangsam angehen lassen und uns gar nicht heeeetzen….8o))

Nachdem es mittags nur eine Kleinigkeit zu essen gegeben hatte kochten wir abends. Dann wurde in aller Ruhe ein Drei-Gänge-Menu verspeist. Marvin rutschte schon nach der Vorspeise ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her…

Nach dem Essen setzten wir uns alle vor den Weihnachtsbaum auf den Boden, Marvin und ich packten unsere Flöten aus und dann wurden ein paar Weihnachtslieder gespielt – mein Mann sang. Und erst DANACH konnte die Bescherung beginnen. Ich glaube länger hätten wir Marvin auch nicht mehr hinhalten können!! 8o))

Jonathan war ganz erstaunt und neugierig was hier nun wohl passieren würde. Der Kamin war an, die Kerzen am Baum brannten, im Hintergrund leise Weihnachtsmusik aus dem CD-Player. (Wenn ich heute so drüber schreibe kann ich fast den Geruch des Weihnachtsbaums noch riechen! Es war ein wirklich schöner Abend!)

Bei uns läuft die Bescherung sehr gemütlich ab und zieht sich sehr lange hin: ein Geschenk wird unter dem Baum hervorgeholt und verteilt. Dann schauen alle zu was da ausgepackt wird und freuen sich mit dem Beschenkten. Oftmals wird das Geschenk auch erst noch „ausprobiert“, bevor dann das nächste Päckchen den Weg zu seinem neuen Besitzer findet.

So dauerte die Bescherung recht lange, obwohl es nicht wahnsinnig viele Geschenke gab:

Jonathan bekam die Weltraumstation von den TutTut-Babyflitzern und hatte Spaß mit dem kleinen Raumschiff.
Außerdem bekam er „Prinz Henry“ von der KLEINEN ENTDECKERBANDE: ein Püppchen das man auf den Rücken eines Pferdes setzt und dann läuft das Pferd von allein durch den Raum. SEHR faszinierend für Jonathan! Er hatte noch nie ein Spielzeug gehabt das sich von allein bewegte.

Natürlich hatte sich „der Weihnachtsmann“ bei diesem Geschenk etwas gedacht: Jonathan krabbelte oder robbte zu diesem Zeitpunkt noch nicht und eventuell könnte ihn Prinz Henry ja dazu animieren???

Ob es daran lag oder an anderen Dingen, aber zwei Monate später begann Jonathan tatsächlich sich vorwärts zu bewegen….8o))

So schön der Abend auch war und so viel Spaß wir auch hatten: Jonathan wurde natürlich zur gewohnten Zeit müde und musste ins Bett gebracht werden. Marvin hingegen liebt eine ganz bestimmte Familientradition an Weihnachten: er darf so lange aufbleiben wie er will – quasi bis er unter dem Weihnachtsbaum einschläft. Also haben wir nachdem Jonathan im Bett war noch die neuen Brettspiele ausprobiert und die Männer haben noch ein wenig auf der Konsole „gezockt“.

Die Weihnachtsfeiertage verbringen wir normalerweise immer bei unseren Eltern: am einen Tag bei den einen, am anderen Tag bei den anderen. 8o)

In diesem Jahr sah das aber leider etwas anders aus…

Aufgrund seiner Grunderkrankung hat Jonathan ja leider ein schlechtes Immunsystem. Und wenn man auch nicht viel über MOPD Typ 1 weiß (weil es in 200 Jahren nur 40 betroffene Kinder gegeben hat), so weiß man eins ganz sicher: wenn diese Kinder sterben, dann sterben sie an Infekten. Also sind wir immer sehr vorsichtig, grade im Herbst und Winter wenn viele Infekte auftreten. Bedeutet: wer krank ist kommt nicht zu uns zu Besuch. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!! Warum etwas riskieren das man auch vermeiden kann???

Tja, und in diesem Jahr waren meine Eltern leider an Weihnachten erkältet. Deswegen fiel der Besuch bei ihnen aus, aus Vorsicht. Denn an einem Tisch zu sitzen und zusammen zu essen war natürlich „gefährlich“: ganz schnell fing man sich so die herumschwirrenden Bakterien ein…

Für mich war es total deprimierend. Ich kann mich nicht erinnern in meinem ganzen Leben ein Weihnachtsfest ohne meine Eltern gefeiert zu haben….deswegen haben mein Mann und ich die Möglichkeit diskutiert das ich allein zu meinen Eltern fahre, mit Mundschutz um mich nicht anzustecken. Aber das wäre einfach nicht dasselbe gewesen: Weihnachten ist ein Fest für die Kinder, und dann ohne die Enkel hinfahren???

Im Endeffekt kamen meine Eltern für eine Stunde am Nachmittag zu uns, haben sich jeweils einen Mundschutz übergestreift und sich von Jonathan ferngehalten. Sie haben unsere Geschenke gebracht, ihre Geschenke bekommen und vor allem hatte man sich so an Weihnachten gesehen – wenn auch nur sehr kurz und ganz anders als wir es gewohnt waren…

Den anderen Weihnachtsfeiertag verbrachten wir bei und mit der Familie meines Mannes, die zum Glück alle gesund waren.

Und auch die Paten von Jonathan waren von der grassierenden Erkältungswelle zum Glück verschont geblieben und konnten uns so zwischen den Jahren einen Besuch abstatten.

Nachdem also alle Weihnachtsbesuche erledigt waren neigte das alte Jahr sich auch langsam dem Ende zu….




Silvester
…haben wir in diesem Jahr so unspektakulär gefeiert wie noch nie….nämlich irgendwie gar nicht.

Wir hatten Fingerfood vorbereitet weil uns das an unserer Halloween-Party so gut geschmeckt hatte. Und dann haben wir traditionell auch wieder „Dinner for one“ angeschaut. Ein paar Brettspiele gespielt, nachdem Jonathan im Bett war. Und dann…wurden Marvin und ich müde…der junge Mann ist auf der Couch eingeschlafen – das ist sonst immer mir vorbehalten. Und deswegen habe ich mich zu ihm gelegt und auch die Augen zugemacht.

Mein Mann hat uns kurz vor Mitternacht geweckt, wir sind auf die Straße gegangen und haben unser kleines Feuerwerk angezündet und angestoßen. Dann sind wir wieder reingegangen und wollten eigentlich noch das Tischfeuerwerk anzünden das wir für Marvin gekauft hatten. Aber er war zu müde und hatte gar keine Lust dazu: er wollte lieber ins Bett und schlafen.

Ein sehr merkwürdiges Silvesterfest. Hatten wir in der Form auch noch nicht. So vollkommen unspektakulär…

Eine weitere OP
Am 3.1. stand eine weitere (geplante) OP an, diesmal aber zum Glück nur ambulant.

Bei der OP des Leistenbruchs hatten die Augenärzte den Augenhintergrund untersucht. Aufgrund dessen das bei MOPD eine verstärkte Neigung zu Glaukomen besteht sollten wir das häufiger kontrollieren lassen, was nur unter Vollnarkose möglich ist - weil Jonathan sonst nicht richtig still hält.

Und diese Kontrolle war nun geplant. Gleichzeitig sollte noch ein Gerstenkorn entfernt werden das sich am linken oberen Augenlid gebildet hatte.

Dass die OP überhaupt stattfinden konnte grenzte auch an ein Wunder – fast hätten uns mal wieder Klinikvorschriften einen Strich durch die Rechnung gemacht…

Mit den Augenärzten war beim letzten Termin alles besprochen worden. Zwischen den Jahren sollte dann noch der Termin mit den Anästhesisten stattfinden.

Es war Erkältungszeit und wir versuchen immer Jonathan (soweit das möglich ist) vor Infekten zu schützen. Außerdem sollte die OP in der Klinik stattfinden in der Jonathan zur Welt gekommen und die ersten 5 Monate seines Lebens verbracht hatte, in der Klinik in der schon mal eine Operation unter Beteiligung der Augenklinik und natürlich auch der Anästhesisten stattgefunden hatte.

Von daher habe ich mir unseren medizinischen Ordner geschnappt und bin allein zum Termin beim Anästhesisten gefahren.

Und wurde im Vorzimmer heruntergeputzt: „Wo ist das Kind? Das geht so gar nicht! Ohne das Kind kann hier kein Narkosegespräch stattfinden!“

Ich war wirklich etwas irritiert weil ich die Problematik nicht verstand. Jonathan war doch hier bekannt und es gab Unterlagen über ihn. Musste man ihn SEHEN um eine Narkose BESPRECHEN zu können???

Nachdem ich der Dame erklärt hatte WARUM Jonathan nicht dabei war, nämlich wegen seines schlechten Immunsystems, wurde eine Anästhesistin herbeigerufen die beurteilen sollte ob man das Gespräch auch ohne „das Kind“ führen könne. Ich habe dieser Dame auch erklärt warum Jonathan nicht anwesend ist und sie fand das zum Glück nicht so problematisch wie die Dame am Empfang….Juchuuuu! Also: ab zum Anästhesie-Gespräch, ich hatte schon geglaubt die Fahrt sei umsonst gewesen.

Wir haben über die Grunderkrankung geredet, über den Bluthochdruck und die Herzfrequenzabfälle die zu Klinikzeiten verstärkt vorhanden gewesen waren.

Das bei der letzten OP keine Komplikationen aufgetreten waren (außer dass es schwierig gewesen war den Zugang für die Narkose zu legen)  konnte die Ärztin im Computer nachlesen.

Da Jonathan nicht dabei war hat sie mir erklärt dass er am Tag der OP gewogen werden müsse um zu ermitteln wie viel Narkosemittel er benötige. Außerdem sollte ich noch eine aktuelle Aufstellung der Blutwerte von unserem Kinderarzt mitbringen. Das war ja alles kein Problem!

Am Operationstag sind mein Mann und ich dann morgens mit Jonathan in die Klinik gefahren. Marvin war an diesem Tag bei seinen Großeltern, es waren ja noch Ferien und mitnehmen wollten/konnten wir ihn nicht.

Als wir durch die Türen der Klinik traten ging mir mal wieder der Hals zu…die Gerüche, die Geräusche…die ganze lange Zeit die wir mit Jonathan hier verbracht hatten – alles wieder da und so greifbar.

Zudem stand heute wieder eine OP auf dem Plan und ich war MEGA aufgeregt und hatte Angst dass etwas schief gehen könnte. Zwar waren nur circa 20 Minuten angesetzt, aber auch dabei konnte viel passieren.

Mein Mann war die Ruhe selbst. Er hat Jonathan auf dem Arm herum getragen und belustigt während wir warteten – ich hätte dafür überhaupt keinen Nerv gehabt, ich hatte mit mir selber mehr als genug zu tun. Die Zeit verging, und niemand holte uns ab. Dabei war es schon eine halbe Stunde später als vereinbart!! Mein Magen tat weh…

Irgendwann wurden wir dann aber abgeholt. Eine junge Ärztin kam zu uns, holte die Blutwerte von Jonathan ab die uns unser Kinderarzt ausgehändigt hatte und schaute sich das Gerstenkorn noch einmal an.

Dann wurden wir in einen Raum geführt in dem wir Jonathan ausziehen und ihm einen OP-Kittel anziehen sollten. Das gestaltete sich aber etwas schwierig, weil…es keinen Kittel in seiner Größe gab!! Der kleinste Kittel war RIESIG für ihn…wir haben die Ärmel gefühlte 10Mal umgeschlagen, der Kittel selber war ungefähr doppelt so lang wie Jonathan! Wir konnten ihn komplett darin einwickeln wie in eine Decke…8o))

Anschließend habe ich mich noch umgekleidet um Jonathan in den OP-Bereich zu bringen. Mein Mann musste warten, es durfte nur einer von uns hinein.

Ich bin mit dem kleinen Mann in eine Art Aufwachraum gegangen, dort kamen dann 3 Anästhesisten und noch ein paar Ärzte zu mir und haben mir Fragen gestellt. Über die Krankheit an sich: scheinbar hatte sich herum gesprochen dass heute ein Kind mit seltenem Gendefekt hier war. Ich habe alle Fragen so gut ich konnte beantwortet, noch einmal darauf hingewiesen das das Legen eines Zugangs bei Jonathan nicht ganz so einfach war und ihn dann einer Anästhesistin in die Arme gedrückt. Habe ihm TSCHÜSS gesagt und bin gegangen.

Es war sehr schwer ihn einfach dort, bei Fremden, so zurückzulassen! Aber manchmal muss man eben Dinge tun die man nicht mag…

Zurück in die Schleuse und wieder die normalen Klamotten anziehen und dann zu meinem Mann in den Wartebereich…und jetzt hieß es mal wieder: warten…..ätzend!!

Irgendwie dauerte es länger als wir gedacht hatten. Ich wurde unruhig. War doch etwas schief gegangen? Oder hatte man im Augenhintergrund etwas Beunruhigendes gefunden???
Ich hatte eine Zeitung zum Lesen dabei, konnte mich aber überhaupt nicht konzentrieren und gab schließlich auf es zu versuchen. Rutschte auf meinem Stuhl hin und her….und hoffte dass bald jemand kommen und uns gute Nachrichten bringen würde.

Irgendwann öffnete sich die Tür und der Arzt den wir bei der letzten OP schon als Koryphäe im Glaukombereich kennengelernt hatten kam heraus. Endlich! Er kam zu uns und sagte das soweit alles ok sei: er habe die Untersuchung ohne Probleme durchführen können. Und im Augenhintergrund etwas gesehen…er sei zwar eigentlich sicher dass es KEIN Glaukom sei, aber er wisse momentan nicht genau WAS es sei. Und somit wäre dann eine erneute regelmäßige Kontrolle notwendig. Augeninnendruck und sonstiges sei alles ok, da bestünde kein Grund zur Sorge. Aktuell werde noch das Gerstenkorn entfernt, in wenigen Minuten könnten wir dann zu unserem Sohn.

Na, zum Glück! Auch das hatten wir dann offensichtlich gut hinter uns gebracht! Ich war erleichtert. Jetzt fiel mir das Warten nicht mehr so schwer, ich wusste ja schon dass das Schlimmste geschafft war und es Jonathan gut ging.

Es dauerte dann auch nicht mehr lange und die junge Ärztin die morgens das Gerstenkorn untersucht hatte kam zu uns. Alles ok: einer von uns dürfte nun zu Jonathan.

Ich brauchte meinen Mann nur anzuschauen und er wusste das ich diejenige sein wollte die hinein ging. Also wieder in die Schleuse und Kittel überstreifen und dann durfte ich zu meinem Baby…

Was uns keiner gesagt hatte und uns beide schockte: er hatte einen riesigen Verband auf dem Auge. Mit Mullbinden. Das Auge war gar nicht mehr zu sehen und weil der Kopf so klein ist – war auch der halbe Kopf verschwunden. Darauf war ich in keinster Weise vorbereitet! Ich hätte nicht gedacht dass die Entfernung eines Gerstenkorns solch einen Verband nötig macht.
Die Schwester die mich kurz informierte teilte mir mit, dass Jonathan eine richtige Wunde am Auge habe und diese auch blutet. Deswegen wäre es am besten wenn der Verband bis zum folgenden Tag am Auge bleiben könnte. WHAT???

Also wir hatten ja schon eine Untersuchung an den Augen hinter uns gebracht und ich wusste somit ziemlich genau wie schlimm es gewesen war als er nicht richtig gesehen hatte wegen der Pupillenerweiternden Tropfen…wenn jetzt einen Tag lang das eine Auge komplett abgeklebt bleiben sollte: PROST MAHLZEIT…

Noch war Jonathan nicht wach, er jammerte ein wenig vor sich hin – aber im Schlaf…ich habe mich an sein Bett gesetzt und seine Hand gesucht um sie zu halten und zu streicheln. Er war eingepackt wie ein kleiner Eskimo: in Tücher und Decken…

Es dauerte nicht lange und er wurde wach. Jammerte und weinte. Ich habe ihn auf den Arm genommen und die Schwester kam um seine Werte zu kontrollieren. Da wir ganz allein in dem Raum waren habe ich sie gefragt ob mein Mann vielleicht ausnahmsweise dazu kommen darf, er wäre sowieso derjenige von uns der Jonathan viel besser beruhigen könnte wenn er weinte. Weil wir wirklich komplett allein im Raum waren und die Schwester offensichtlich auch ein wenig fasziniert von Jonathan war…ist sie meinen Mann holen gegangen.

Rückwirkend betrachtet hatten wir in solchen OP-Situationen wirklich immer Glück und durften GEMEINSAM an Jonathans Bett sitzen. Was diese Momente für mich erträglicher macht…ich bin ja eher der hippelige, ungeduldige und manchmal auch unruhige Typ: und das ist in solchen Momenten oftmals nicht gut. Mein Mann ist der ruhige, leise und EXTREM geduldige Part in unserer Beziehung und er holt mich dann immer auf den Boden zurück und beruhigt mich…8o))

Jonathan hat an diesem Vormittag wieder extrem geweint und ständig versucht den Verband von seinem Auge zu ziehen. Wir haben ihm zwar immer gesagt das er den Verband drauf lassen muss – aber, um ehrlich zu sein: das versteht er ja leider nicht. Also mussten wir ihm die Hände festhalten, was auch nicht unbedingt dazu führte das er besser gelaunt gewesen wäre.

Ich konnte ihn ja auch verstehen! Man wird aus der Narkose wach und das eine Auge „ist weg“. Und er verstand nicht warum es weg war und das es wiederkommen würde. Alles was er tun konnte um seinen Unmut zu äußern war eben schreien….also schrie er.
(Hatten wir ja schon mal erlebt, als er die OP am Hodenhochstand gehabt und man ihm die Pupillenerweiternden Tropfen gegeben hatte.)

Am späten Vormittag durften wir Jonathan Milch geben und danach beruhigte er sich ein wenig und schlief wieder ein. Seine Werte wurden noch mehrfach kontrolliert und waren immer gut, also durften wir relativ schnell wieder nach Hause fahren. Erfreulich: wir hatten uns eigentlich nach unseren diversen Krankenhauserfahrungen auf einen längeren Aufenthalt eingestellt.

Als wir im Anmeldebereich auf unsere Entlassungspapiere warteten, haben wir mit dem Handy Fotos für unsere Eltern gemacht und sie ihnen geschickt. Alle waren total geschockt vom Anblick unseres kleinen Zwerges: ein RIESEN-Pflaster auf dem Auge….und das auch noch etwas blutig. Sah schon schlimm aus.

Auf der Heimfahrt hat Jonathan geschlafen, er war noch total erledigt von der OP. Als wir zu Hause ankamen wachte er aber sofort auf und schien so erleichtert wieder hier zu sein. Das ist ein Verhalten das ich schon öfter bei ihm beobachtet habe: wenn wir aus der Klinik heimkommen (vom stationären oder auch nur ambulanten Aufenthalt) dann betrachtet er seine Umgebung so aufmerksam und scheint erleichtert zu sein. Er ist aufgedreht und möchte alles erkunden: wie um sich zu versichern das er wirklich wieder hier ist.

Wir haben ihn dann auch den Boden zum Spielen gelegt um in Ruhe sein Essen machen und alles ausräumen zu können.

Was soll ich sagen? Es hat keine 15 Minuten gedauert und das Pflaster war abgerissen. Jonathan kann sehr hartnäckig sein wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat – und offensichtlich hatte er sich in den Kopf gesetzt dass das Pflaster runtermusste….

Das Auge sah gar nicht so schlimm aus: es war nur ein kleines Loch auf dem Augenlid zu sehen wo das Gerstenkorn gewesen war. Und das Loch war ein wenig blutig. Aber ansonsten…sah man nichts.


Und Jonathan war hoch zufrieden dass er nun wieder beide Augen benutzen konnte!! 8o)) 




Die Heiligen Drei Könige
Ich habe es ja schon einige Male erwähnt: wir sind Protestanten und deswegen gehört der Brauch „Die heiligen drei Könige“ nicht unbedingt zu den Bräuchen die WIR pflegen.

Aber…im März des vergangenen Jahres waren wir in mein Elternhaus eingezogen und so dachten wir uns: eine Segnung des Hauses könnte ja nicht schaden.

Als es klingelte baten wir also die drei „Sternsingerinnen“ und die Begleiterin herein. Sie stellten sich im Flur auf und begannen zu singen als mein Mann mit Jonathan auf dem Arm in den Flur trat. Die Begleiterin war lange Jahre unsere Nachbarin gewesen und so wusste sie um Jonathans Krankheit. Doch die jungen Damen die an diesem Tag als Sternsinger unterwegs waren – wussten das nicht.

Ich habe mich prächtig darüber amüsiert wie sie krampfhaft versuchten weiter zu singen…und doch dauernd aus dem Takt kamen und Jonathan sprachlos anstarrten. Und der wiederum starrte sie mit offenem Mund und staunend an. 8o)) Verkleidet waren sie, hatten Kronen auf dem Kopf und eine hatte einen riesigen Stern in der Hand. Auch ein Behälter, aus dem Weihrauch verteilt wurde, gehörte zur Ausstattung. So etwas hatte Jonathan noch nicht gesehen und gerochen. Er war total fasziniert! Und die Ladies auch…lol…


Der 1. Zahnarztbesuch
Jonathan war nun schon 1 Jahr und 9 Monate alt und die Zähne ließen sich Zeit. Mit viel gutem Willen war zu diesem Zeitpunkt ein Zahn durchgebrochen, aber bei mir stand ein Kontrolltermin beim Zahnarzt an und ich dachte dass es nichts schaden könnte Jonathan mitzunehmen und ihn an die Gerüche und Geräusche zu gewöhnen. Und daran das er hier den Mund aufmachen musste.

Es ist bekannt dass bei Kindern mit MOPD I die Zähne nur sehr wenig Zahnschmelz haben und deswegen leicht abbrechen können. Somit wäre es ja für die Zukunft gut, wenn Jonathan beim Zahnarzt keine Angst hätte und freiwillig den Mund aufmachen würde!!

Ich habe Jonathan auf den Schoß genommen und erst mal selbst eine Kontrolle bekommen – dabei konnte der kleine Mann schon mal zuschauen und sehen dass nichts schlimmes passierte. Mir machen Zahnarztbesuche nichts aus, im Gegenteil. Vermutlich habe ich noch nicht mal erhöhten Puls und ich glaube, ich bin eine der wenigen der es schon mal gelungen ist auf dem Stuhl einzuschlafen - während ich auf den Arzt und das Ziehen eines Weisheitszahns gewartet habe. Kein Scherz! Der Arzt musste mich damals wecken und hat sich kaputt gelacht über mich, weil ich so die Ruhe weg hatte….8o) Aber das ist eine andere Geschichte….

Die Kontrolle bei mir war –wie fast immer!- ohne Befund, alles prima und kein weiterer Handlungsbedarf.

Jonathan hatte von der Helferin einen Plastikbecher zum Spielen bekommen, mit dem quietschte er vergnügt herum. Und nun war er dran. Ich habe ihn auf meinen Bauch gesetzt und die Ärztin hat ihm erklärt dass sie nun gerne in seinen Mund schauen würde. Keine Chance. Er schmiss sich immer wieder nach hinten und fing zu kreischen an…er zappelte und gebärdete sich wie verrückt.

Nachdem er nicht zu beruhigen war bat ich die Ärztin den Mundschutz abzunehmen. Das hat sie auch gemacht und siehe da: nun ließ Jonathan sich die Untersuchung gefallen….ich habe es schon öfter erwähnt, er ist hospitalisiert. Es ist kein Hirngespinst, es ist die Wahrheit! So unvorstellbar das auch ist, weil man denkt das ein Mini-Baby gar nichts mitbekommt. Jonathan ist das lebende Beispiel dafür das dem anders ist.

Mehr als ein kurzer Blick in den Mund war heute aber gar nicht nötig. Ein Zahn war durchgebrochen, einer im Anmarsch…
Da ich um die (vielleicht) schlechte Situation seiner Zähne wusste: habe ich mit dem Zahnarzt vereinbart das ich nun alle drei Monate mit Joni zur Kontrolle vorbeikommen würde. Der Arztbesuch selbst dauerte ja nur ein paar Minuten, half Jonathan aber vielleicht seine Angst vor Mundschutz und Handschuhen zu überwinden….

Das 1.Mal im Schwimmbad
In unserem Sommerurlaub war das Wasser zu kalt gewesen um darin zu schwimmen. Und da Jonathan ein schlechtes Immunsystem hat und anfällig für Infekte ist, waren wir mit ihm auch noch nie in einem Schwimmbad/Thermalbad. Unser Kinderarzt hatte uns stark davon abgeraten da sich zum einen Bakterien in dem warmen Klima sehr gut vermehren können, zum anderen das Chlor im Wasser vermutlich nicht gut für Jonathans Haut wäre.

(Der junge Mann hat starke Probleme mit der Haut: sie ist extrem trocken, grade am Kopf. Wir cremen ihn mindestens 3mal am Tag komplett ein und trotzdem hat er immer wieder gerötete Hautstellen.)

Also war Jonathan außer ab und an in der Badewanne (auch nicht soooo oft weil baden die Haut zusätzlich austrocknet!) noch nie im Wasser gewesen. Mir ging schon längere Zeit durch den Kopf das ich das schade fand: Wasser ist ein tolles Element – grade für Kinder! Ich erinnerte mich so oft daran welche Freude Marvin im Babyschwimmen gehabt hatte….aber das war leider mit Jonathan nun mal nicht möglich.

Aber unsere „Frühfördertante“ kam mit einem Vorschlag um die Ecke…

Die Lebenshilfe hat ein eigenes Schwimmbad, naja: ein Therapiebecken. Auf jeden Fall so groß das hier auch Babyschwimmkurse stattfinden, Materialien zum Spielen und Lernen waren also vorhanden. Der Schwimmkurs findet immer am gleichen Wochentag um dieselbe Uhrzeit statt und dauert 10 Wochen – danach steht das Becken an diesem Tag und um diese Uhrzeit leer, aber der Lebenshilft zur Verfügung. Und es war genau der Zeitraum in dem wir immer Frühförderung hatten!!! Was wäre also wenn wir uns statt bei uns zu Hause…im Schwimmbad treffen würden? Und statt Frühförderung..eben schwimmen würden??? Und zwar so lange bis der nächste Schwimmkurz startete, wir hätten also ein paar Wochen Zeit.

Ich war gleich Feuer und Flamme! Ich meine..wann hat man bitte mal die Gelegenheit ein Schwimmbad ganz für sich alleine zu haben? Eine bessere Gelegenheit Jonathan das Element Wasser näher zu bringen OHNE das er Gefahr lief sich bei anderen Kindern anzustecken würde uns bestimmt nicht mehr geboten werden.

Trotzdem wollte ich das Thema noch mal mit unserem Kinderarzt besprechen. Und das tat ich auch umgehend. Er war leider nicht begeistert…das wir allein ins Schwimmbad gehen würden fand er zwar gut und sah an der Stelle auch kein Problem – aber er hatte Bedenken wegen der Haut. Denn gechlort war das Wasser trotzdem, und in einem Therapiebecken auch -ehrlich gesagt- nicht zu knapp. Das bisher einzige Mal ließ ich mich aber von seiner Meinung nicht überzeugen und habe ihm erklärt das ich trotzdem schwimmen gehen würde: mir war es einfach wichtiger Jonathan die Freude am Wasser zu gönnen…

Der Kinderarzt respektierte meine Entscheidung auch, gab mir aber noch ein paar Tipps und eine Bitte mit auf den Weg:
Zum einen sollte ich Jonathan nach dem Schwimmen nicht im Schwimmbad waschen, zu viele Keime und Bakterien in der Dusche! Ich sollte ihn dick eincremen und zu Hause ordentlich waschen und erneut eincremen.
Zum anderen sollte ich gut auf sein Verhalten achten: wenn ihm das Schwimmen nicht geheuer war oder ich den Eindruck hatte das es ihm nicht gut tat…dann sollte ich es bei diesem einen Besuch belassen (das hätte der Arzt mir nicht sagen brauchen, das hätte ich sowieso genauso gehandhabt!).
Als letztes musste ich ihm noch versprechen: WENN die Haut nach einem Besuch im Schwimmbad schlechter wurde, schuppte oder Jonathan Ausschlag bekam – dann war es das Ende unseres Schwimmexperimentes. Ok: damit konnte ich leben!

Also dann: das Experiment SCHWIMMBAD konnte starten! Unsere Frühfördertante freute sich mindestens genauso sehr wie ich. In der ersten Stunde würde auch die Leiterin des Schwimmkurses anwesend sein: sie sollte uns zeigen welche Spiele wir mit Jonathan machen könnten, welche „Übungen“.

Die erste Stunde fand in den Ferien statt und so konnte auch Marvin mitkommen: er freute sich wie ein Keks, ist er doch eine Wasserratte schlechthin.

Einen UV-Anzug für Jonathan hatten wir noch aus dem letzten Urlaub, einen Bademantel ebenfalls. Also packte ich alles zusammen..und fuhr mit beiden Kindern los.

Ok..es war schon ein recht großer Aufwand für die kurze Zeit die wir im Wasser verbringen wollten. Ich musste eine Schwimmtasche für drei Leute packen, ich musste den Wickelrucksack mitnehmen mit Essen und Trinken, ich musste den Wagen ins Auto packen damit ich Jonathan bis zum Schwimmbad „fahren“ konnte….dann dort angekommen: alles ins Schwimmbad bringen, drei Leute umziehen und kurz abduschen – und später alles in umgekehrter Reihenfolge…

Aber ich will mich nicht beschweren: unsere Frühfördertante und die Schwimmlehrerin mussten einige Türen aufsperren und hinter uns wieder zusperren. Sie mussten nach der Schwimmstunde aufräumen und das Schwimmbad „abziehen“ damit die Fliesen alle trocken waren…also von daher war es für uns alle ein immenser Aufwand. Ich muss sagen, ich bin allen die es uns ermöglichen dort schwimmen zu gehen extrem dankbar!! Sie hätten uns das nicht anbieten müssen, das wäre für alle stressfreier – aber dann hätte Jonathan auch nicht so viel Spaß!

Denn den hat er zweifellos im Wasser!! Er paddelt und planscht, er freut sich und strahlt über alle vier Backen. 8o) Er juchzt und plappert…wenn wir unser Abschlusslied singen und es aus dem Becken rausgeht dann beschwert er sich immer und möchte nicht gehen….eine kleine Wasserratte ist er!!

Die kleinen Spiele die er im Wasser machen soll (Entchen schieben, Bälle einsammeln oder Rutschstopper von einer Seite des Beckens zur anderen transportieren) macht er alle gerne und super mit.

Nach der ersten Schwimmstunde habe ich ihn (wie dem Kinderarzt versprochen) dick eingecremt und erst zu Hause gewaschen. Am Nachmittag und Abend habe ich ihn noch einmal dick eingecremt. Und: er hat keinen Ausschlag oder trockene Haut bekommen, alles war wie immer. Der Kinderarzt war sehr zufrieden als ich das beim nächsten Besuch genauso erzählen konnte wie vom Spaß den Joni im Wasser gehabt hatte.

Seitdem sind wir einige Male im Schwimmbad der Lebenshilfe gewesen. Mit Marvin, der dann entweder mit Jonathan spielt oder auch mal mit mir – manchmal auch ohne Marvin, wenn er zur Schule muss. Immer hat Jonathan eine wahnsinnige Freude dabei und wir sind uns alle einig: DESWEGEN lohnt sich der Aufwand den wir betreiben!!


Fasching
Wir sind keine Faschingshasser, aber auch nicht die weltgrößten Fans dieser närrischen Tage - doch wenn man Kinder hat kommt man um manche Sachen nicht herum.

Im letzten Jahr waren wir bei keinem Umzug gewesen weil wir einfach fanden dass Jonathan zu klein war und es zu laut und aufregend für ihn wäre. Doch in diesem Jahr, nachdem wir mittlerweile schon so viele Ausflüge mit ihm gemacht und gesehen hatten wie gut er damit zurecht kam und wieviel Spaß er auch hatte: beschlossen wir zu einem Umzug zu fahren.

Nur…wie verkleiden wir Jonathan??? Alle gängigen Faschingskostüme (selbst die für Neugeborene) waren alle zu groß, denn eigentlich immer ist eine Kopfbedeckung dabei und bei Jonathans kleinem Kopf…das ging gar nicht. Außerdem mussten wir auch etwas haben was er über die normale Kleidung ziehen konnte, denn wenn das Kostüm UNTER der Jacke war…dann brauchte ich ihm auch gar keins anzuziehen!

Ich stöbere ja gerne online nach Kleidern für die Kinder und somit hatte ich nun eine prima Ausrede das mal wieder zu tun. 8o)

Recht schnell hatte ich auch etwas gefunden: einen Overall aus Teddyplüsch der aussah wie der „Tigger“ aus WinniePooh. Ich bin ja riesiger WinniePooh-Fan und von daher hätte mir dieses Teil jetzt keiner mehr ausreden können! Es war aber auch perfekt - weil einfach warm.

Der Tag des Faschingsumzugs kam und morgens fiel mir auf: ich selbst hatte gar kein Kostüm. Marvin wollte sich nicht verkleiden…mein Mann auch nicht. Ich schon. Aber ich hatte mir nichts gekauft (…kennt ihr das? Man denkt immer nur ans Kind und nicht an sich!).

Nun ja…ich bin London-Fan. Und so habe ich eine Kappe und Schuhe mit Union Jack, dazu noch ein blaues Tshirt und ein Fähnchen in die Hand – fertig. Ich ging als Englische Flagge – wobei meine Verkleidung auch eigentlich unrelevant war….8o)))

Los ging´s es also zum ersten Faschingsumzug.

Jonathan hatte natürlich keine Ahnung was ihn hier erwartete, aber er nahm die vielen Menschen wahr die auf der Straße standen. Die lautstark johlten und natürlich auch „komisch“ aussahen. Hinter uns stand ein junges Pärchen und sie hatte ein Rentier-Geweih auf dem Kopf - das hat Jonathan schwer interessiert. Dauernd hat er sich den Kopf nach der jungen Frau verdreht und das Geweih angehimmelt…oder eher SIE??? Ich weiß es nicht so genau…8o))

Auf jeden Fall hatte Jonathan Spaß die Wagen und die Menschen zu bestaunen die vorbeikamen… vermutlich kamen sie ihm vor wie aus einer anderen Welt entsprungen -  weil sie so bunt und verrückt gekleidet waren.

Unter den Motivwagen waren auch einige „alte Bekannte“: zum Beispiel die Straußenfarm die wir im Sommer besucht hatten….allerdings hatte diese KEINE lebenden Strauße dabei – schade eigentlich. LOL…

Natürlich fiel Jonathan mal wieder auf: so viele Menschen sprachen uns an „Ist der süß!“ und lächelten. Alles in allem war es ein gelungener Tag, auch wenn wir uns nach zwei Stunden wieder auf den Heimweg machten weil wir dachten das der Lärm und die Aufregung nun genug für Jonathan seien….8o))

Ganz ehrlich? Ich mag Fasching nicht soo gerne…aber ich war schon ziemlich glücklich an diesem Tag. Warum??? Weil ich lange Zeit nicht geglaubt hätte das wir sowas wie heute mit unserem Kleinen mal machen könnten – und er auch noch Spaß dabei empfinden würde!

Manchmal geht das Leben ganz eigene Wege: manchmal hält es Überraschungen bereit. Manchmal wandelt sich eine Situation die man für ausweglos hielt und die Angst macht dann doch zu etwas wertvollem und schönem.

Etwas schönem das man viel mehr zu schätzen weiß….weil man nie glaubte das es SO GUT werden würde. Nach den Prognosen der Ärzte haben wir mit VIEL SCHLIMMEREM gerechnet…jeder Tag ist ein Geschenk für uns!! Und wir leben jeden Tag sehr intensiv.


Das sollte sich dann auch in den kommenden Osterferien bemerkbar machen! 8o)) 




Osterferien und einige Familienausflüge
Das Leben in vollen Zügen genießen….etwas zusammen erleben…quality time als Familie…wir hatten Nachholbedarf!!!

BESONDERS ICH….

Mein Mann geht arbeiten, Marvin zur Schule und nachmittags zu Freunden. ICH bin diejenige die zu Hause ist und deren Leben so anders ist…so anders als früher…und so anders als ich es mir vorgestellt und gewünscht hätte.

Jonathans Immunsystem ist schlecht und der Kontakt mit kleinen Kindern wegen der Ansteckungsgefahr für ihn gefährlich. Aber alle meine Freundinnen haben kleine Kinder….also: kann ich sie tagsüber nicht sehen. Deswegen – bin ich meistens alleine…

Klar sehe ich die Therapeuten und Ärzte, denn ich habe jeden Tag irgendwo einen Termin mit Jonathan. Aber so gerne man sich auch mag, und auch wenn man über die Jahre „zusammen gewachsen“ ist und sich gut kennt – im Grunde sind es „Fremde“ mit denen ich nicht über das rede was mir wichtig ist oder mich beschäftigt.

Außerdem ist Jonathans Tag extrem „durchgetaktet“: Medikamente geben (15 Mal am Tag), ihn füttern (6 Mal am Tag), ihm trinken geben, ihn wickeln, Termine wahrnehmen, kochen, Physio-Übungen mit Jonathan machen…..manchmal komme ich noch nicht mal dazu nur spazieren zu gehen. Und sehe den Großteil des Tages nur die vier Wände um mich herum.
(Diese Situation ist nicht immer einfach für mich und als ich letztens mit einem sehr guten und langjährigen Freund darüber geredet habe wie mein Leben heute aussieht -und während dieses Gesprächs auch ganz fürchterlich in Tränen ausgebrochen bin- hat er gesagt: „Das ist ja schlimmer als Gefängnis!“ …Ja…..manchmal ist es das. Besonders im Winter: wenn es morgens lange dunkel ist und früh wieder dunkel wird. Da habe ich oft das Gefühl das das Leben komplett an mir vorbeigeht und ich nichts davon mitbekomme….)

Also…bin ich immer froh wenn mein Mann Urlaub hat, das Wetter gut ist und wir raus können. Klar sind Unternehmungen mit Jonathan auch immer Stress für mich: an alles denken und alles einpacken, und auch wenn man unterwegs ist muss man dauernd auf die Uhr schauen um keine Medikamentengabe zu vergessen….ABER: man sieht mal was anderes und bekommt ein paar neue Eindrücke. UND….ich fühle mich ein bisschen wie früher als ich noch in der Lage war viele verschiedene Dinge zu erleben und die Welt zu erkunden.

Jetzt standen die Osterferien bevor, mein Mann hatte eine Woche Urlaub. Das Wetter war schön und das wir etwas unternehmen würden war klar. Schon vor einigen Jahren haben wir eine Liste gemacht mit Dingen die wir in unserer Umgebung unternehmen wollen. Diese Liste haben wir uns nun zu Gemüte geführt und geschaut was realisierbar war. Wir haben uns für ein paar Ausflüge entschieden, es würde auch Ruhetage daheim geben die wir vor dem Fernsehen oder –wie Marvin jetzt neuerdings sagt- CHILLEND verbringen würden.

Der erste Ausflug führte uns in unsere Landeshauptstadt, nach Wiesbaden. Hier hatten Marvin und ich viele Jahre gelebt und hier fühlten wir uns immer noch zu Hause.

In Wiesbaden gibt es etwas das ich unbedingt mit Jonathan machen wollte….8o))…Nerobergbahn fahren!!

Die Nerobergbahn ist die letzte Wasserlast- und Zahnstangenstandseilbahn Deutschlands und überwindet auf einer Länge von 438 Metern und einer durchschnittlichen Steigung von 19% einen Höhenunterschied von 83 Metern (Daten aus WIKIPEDIA).

Von der Talstation fährt man auf den Neroberg. Von hier oben hat man einen traumhaften Ausblick über ganz Wiesbaden und es gibt hier ein kleines Amphitheater, einen Tempel, eine Kirche, ein Schwimmbad und einen Kletterwald. In den wollten meine „großen“ Männer auch unbedingt. 8o))

Zuerst einmal haben wir natürlich Tickets gelöst und uns in der gelben Bahn einen Platz gesucht. Wir waren nicht allein im Wagen und unsere „Mitfahrer“ haben über Jonathan gelächelt, uns aber in Ruhe gelassen und keine Fragen gestellt.

Jonathan selbst fand die Fahrt jetzt nicht sooo spektakulär, ich glaube er hat gar nicht wirklich verstanden was da passierte. Man ist auch nicht lange unterwegs: nur ein paar Minuten, dann steigt man schon wieder aus.

An der „Bergstation“ angekommen wollte Marvin unbedingt ein Foto mit Jonathan vor der Bahn machen und der Schaffner hat sich kaputt gelacht. Naja: er wusste ja auch weder was so besonders an Jonathan noch was so besonders für uns am heutigen Tag war.

Wir waren zwar nach dem Frühstück weggefahren, aber wir mussten auch einige Kilometer bis Wiesbaden zurücklegen, dann hatten wir noch auf die Bahn gewartet….jetzt war es schon fast Zeit für Mittagessen, also sind wir in das Lokal auf dem Berg gegangen. Nicht ganz kostenneutral dort – aber dafür mit Aussicht. 8o))

Wir haben lecker gegessen und das auch noch in Ruhe! Denn Jonathan hat sich in seinem Wagen mit seinem TutTut-Auto aus Holland, Thjis-Taxi, beschäftigt. Total toll! Mal in RUHE essen!!! Hat Seltenheitswert!!!

Nach dem Essen konnte Marvin seine Ungeduld nicht mehr länger zügeln: er wollte jetzt unbedingt in den Kletterwald. Also habe ich den Männern gesagt das sie gehen sollen, ich würde mit Jonathan hier bleiben: ihn füttern und wenn er dann (hoffentlich) seinen Mittagsschlaf halten würde – könnte ich ein wenig lesen.

Babystühle gab es in diesem Lokal leider nicht, also musste Jonathan zum Essen in seinem Wagen – im Grunde dem Autositz der mit einem Adapter auf ein Kinderwagenuntergestell montiert war – sitzen bleiben. Ich hatte Einweglätzchen dabei, davon habe ich ihm eins um den Hals gemacht. Keine Ahnung warum, aber der kleine Mann hatte auf einmal so wahnsinnig gute Laune und lachte mich an - mit diesem weißen Papierding um den Hals aus dem wirklich nur der kleine Kopf herausschaute: ein Bild das ich so witzig fand das ich einfach lauthals losgelacht habe….mehrere Leute glotzten mich an, vermutlich dachten sie das ich nicht mehr alle Latten am Gartenzaun habe – aber egal! 8o))

Der kleine Mann hat gut gegessen und ist dann zufrieden eingeschlafen. Zeit für mich auch mal etwas abzuschalten und ein wenig zu lesen. Bei herrlichem Sonnenschein und einem Bier mit Blick über Wiesbaden – was will man mehr???

Nach circa zwei Stunden waren die „großen Männer“ auch wieder zurück vom Klettern - geschwitzt aber glücklich. Sie haben noch was getrunken und dann haben wir die Heimreise angetreten. Der erste Tag mit schönem Ausflug war vorbei, aber am nächsten Tag wollten wir etwas mindestens genauso Tolles unternehmen!!!...


….nämlich einen Besuch beim höchsten Kaltwassergeysir der ERDE!! Und dieser befindet sich in Andernach, in der Nähe von Koblenz (Rheinland-Pfalz). Ja: ihr habt richtig gelesen! Es ist der höchste Kaltwassergeysir der ERDE und er befindet sich in Deutschland….ehrlich gesagt hatten wir überhaupt keine Ahnung das er existierte und dann auch noch in unserer Nähe!! Erfahren haben wir davon durch einen Kollegen meines Mannes. Er wohnt viel weiter von Andernach weg als wir und hat meinem Mann dann irgendwann erzählt dass er den Geysir besucht hat und total begeistert war – wir wären ja sicherlich auch schon dort gewesen??? Waren wir nicht, weil wir gar nichts davon wussten…peinlich! Dieser Fauxpas musste ausgemerzt werden, also haben wir beschlossen uns dieses Naturwunder anzuschauen!

Morgens wurde also wieder mal gepackt: Klamotten, Essen, Medikamente und diesmal auch der Reha-Buggy damit Jonathan auch gut sehen konnte unterwegs. Das Wetter war perfekt: Sonne, aber nicht zuuuu warm. Die Fahrt bis Andernach dauert ungefähr eine Stunde, wir sind schon früh gestartet und haben uns am Geysir-Zentrum unsere Tickets geholt – aber erst für den Nachmittag. Was man mit diesen Tickets alles machen kann, erzähle ich später. Erstmal sind wir in die Stadt gegangen und haben ein wenig Kulturprogramm genossen. Man muss wissen: Andernach ist die Stadt der kurzen Wege! Alle Sehenswürdigkeiten sind hier höchstens 5 Gehminuten auseinander und so schafft man in kürzester Zeit unfassbar viel an Kultur. 8o))

Wir haben eine Kirche besichtigt und Reste der Stadtmauer, haben eine Burgruine gesehen und den „runden Turm“. Danach hatten wir genug und sind Mittag essen gegangen….8o)))

Durch Zufall haben wir einen ganz kleinen, aber unfassbar GUTEN!, Italiener gefunden – der in Wirklichkeit gar kein Italiener war. Aber es schmeckte PHANTASTISCH und der Service war grandios! Ich war genauso begeistert wie am Tag zuvor auf dem Neroberg: unsere Familie, zusammen und auf einem Ausflug, gutes Essen und einfach Zeit miteinander – es konnte doch gar nicht besser laufen!!

Nach dem Essen war es Zeit zum Geysir-Zentrum aufzubrechen. Es ist so: wenn man den Geysir besuchen will kann man das nicht auf eigene Faust machen, denn er befindet sich in einem Naturschutzgebiet in das man nur als „geführte Gruppe“ Zutritt hat.

Im Ticketpreis ist eine Besichtigung des Geysir-Zentrums inklusive, laut Internet werden hier eineinhalb Stunden empfohlen. Uns hat diese Zeit NICHT gereicht!! Wir waren 2 Stunden hier und hätten noch länger bleiben können…dieses Zentrum ist ganz ganz toll gemacht! Mit Filmen und „Mitmach-Stationen“ an denen man die Wirkung von Geysiren ausprobieren kann: an denen man auch über Gesteine, Erdschichten und Umwelteinflüsse informiert wird und etwas lernt. Für Marvin, der Museen liebt, war es hier der Himmel auf Erden. Dass dieses Zentrum für Jonathan eher langweilig war erklärt sich von selbst. Aber mal geht es um das eine Kind – und mal um das andere, nicht wahr? 8o))

Im Anschluss an das Museum begibt man sich auf ein Schiff das nur wenige Meter entfernt vor Anker liegt. Mit diesem Schiff wird man dann 20 Minuten über den Rhein gefahren und ins Naturschutzgebiet gebracht wo man von Bord geht. Nach einem kurzen Fußmarsch erreicht man den Geysir. Er bricht circa alle 100 Minuten aus, die Touren sind so geplant dass man zur Eruption vor Ort ist. Und diese ist gewaltig: 60 Meter hoch ist die Wassersäule die unter Getöse in den Himmel schießt. Ja, es ist auch laut!!! Und das Wasser spritzt alles in einem Umkreis von bestimmt 30 Meter nass….So hatte ich mir das gar nicht vorgestellt.

Selbst Jonathan hat den Geysir aufmerksam betrachtet, wahrscheinlich auch wegen des Lärms. Ich bin mit ihm ein wenig näher heran gegangen so dass ihn die Wassertropfen getroffen haben..das Wasser des Geysirs ist voller Schwefel, es riecht und man schmeckt das natürlich auch. Woher ich das weiß? Nach dem Ausbruch ist ein Angestellter der Geysir-Tour mit einem Eimer herumgegangen in dem er Wasser aus dem Geysir aufgefangen hatte und wer sich getraut hat: durfte einen Schluck probieren!! 8o))
(Eins kann ich sagen: es schmeckt nicht so streng wie das Wasser aus Wiesbadens Kochbrunnen!)

Auf jeden Fall hat also auch Jonathan das Wasser gespürt und gerochen, Eindrücke die er auf jeden Fall wahrnehmen kann. Genau wie die Bootsfahrt. Er hat alles aufmerksam beobachtet, den Geräuschen der Turbinen gelauscht und einen Keks gelutscht…8o)))

Dieser Tag war lang….wir sind nach dem Frühstück losgefahren und waren zum Abendbrot wieder zu Hause. Glücklich und…müde!!! Wir haben beschlossen am nächsten Tag noch einmal etwas zu unternehmen, aber nur einen „kleinen und kurzen“ Ausflug. Wir wollten Jonathan nicht überfordern.


Klein und kurz….es sollte ein Besuch in einer Einkaufsmall werden. Ich liebe bummeln gehen, klar: ich bin eine Frau! 8o)) Aber…auch Marvin liebt shoppen über alle Maßen – ein Punkt der unseren Opa immer wieder dazu anregt Marvin auf die Schippe zu nehmen.

Wir sind also bummeln gefahren. Das Einkaufszentrum war geschmückt, überall Deko: Blumen und Ostereier, in der Mitte waren sogar Osterhasen aufgebaut die sich bewegten und denen man beim Eier färben oder Möhren ernten zuschauen konnte. Fand Jonathan extrem spannend!! Für ihn muss es so ausgesehen haben als würden sich echte Tiere bewegen! 8o))

Natürlich haben wir auch ein paar Kleinigkeiten gekauft: ein Buch für Marvin und eins für Jonathan…Bücher sind bei uns ein Heiligtum, Marvin und ich sind Leseratten – wir haben sogar eine Bibliothek in unserem Haus weil wir sonst nicht wüssten wohin mit den Büchern. Aber ich finde, dieses Hobby muss man in der heutigen Zeit auch unterstützen, grade bei Jugendlichen! Normalerweise sitzen die doch fast nur noch am Handy oder der Konsole, da finde ich es gut wenn auch gelesen wird. Deswegen würde ich NIE „Nein!“ sagen wenn ein Kind ein Buch haben möchte.

Wir sind nicht so lange im Einkaufszentrum geblieben, heute wollten wir ja ein wenig langsamer machen. Aber: auch das war ein schöner Tag gewesen. Ich hatte in den letzten Tagen so viele neue Eindrücke gewonnen, war so froh mal rausgekommen zu sein.
(Letztens hat mich eine Freundin gefragt wie es überhaupt möglich ist das ich mich immer so genau und detailliert an unsere Unternehmungen erinnere, obwohl diese schon mehr als 1 Jahr zurückliegen. Tja, ich denke weil ich so froh bin das überhaupt erleben zu können?? Das prägt sich dann einfach viel mehr ein!)


In ein paar Tagen war Ostern. Auch das würden wahnsinnig schöne Tage im Kreise der Familie werden. Bis dahin hatten wir aber auch noch einiges vorzubereiten…..




Ostervorbereitungen und Ostern
Ich finde Traditionen wichtig. Egal wie alt die Kinder sind, es gibt Dinge die einfach dazugehören: und zu Ostern gehört es Eier zu färben. Also wird das in unserem Haus jedes Jahr zelebriert. Auch wenn Marvin es mittlerweile nicht mehr ganz so spannend findet….

In diesem Jahr jedoch war etwas anders…Jonathan färbte mit! 8o))) Mit unserer „Frühfördertante“ hatte er ja schon mit Fingerfarben gematscht und es hatte ihm Spaß gemacht. Also dachte ich dass er dann auch mit Fingerfarben Ostereier bemalen könnte!! Um einfach dabei zu sein und dasselbe zu tun wie sein Bruder!

Gesagt getan.

Nachdem ich Eier gekocht und den Tisch mit einer Wachstischdecke „gesichert“ hatte, haben Marvin und ich Eier traditionell ins bunte Farbbad getaucht. Mein Mann und Jonathan haben sich Fingerfarben geschnappt und ein Ei mit roter Farbe bemalt. Naja….also Jonathan hat nicht NUR das Ei bemalt – sondern auch meinen Mann. Der hatte sich aber glücklicherweise auf meinen Ratschlag hin schon mal das T-Shirt ausgezogen. Sein Gesicht sah trotzdem ziemlich….farbig aus! 8o))) Irgendwann nachdem das Ei genug bemalt war und Jonathan immer noch SEHR VIEL Fingerfarbe an den Händen übrig hatte, haben wir einfach Papier geholt und ihn das bemalen lassen. So hatten wir ein prima Geschenk für die Großeltern! 8o))

Und dann war auch schon der Ostersonntag da. Obwohl Marvin schon so groß ist…findet er es immer noch toll wenn er seine Ostereier, die Schokolade und eine Kleinigkeit zum Spielen…suchen darf! In diesem Jahr hat schon wieder das Wetter nicht mitgespielt und so wurde wieder alles in der Wohnung versteckt. Also: die Sachen für Marvin. Die für Jonathan nicht, denn er hat den Sinn und Zweck einer Geschenkesuche noch nicht verstanden. 8o)

Marvins Ohren haben geglüht vor Aufregung, er ist durch jeden Raum gelaufen und hat sich genau umgeschaut und auch tatsächlich alles entdeckt. Jonathan hat seine Ostergeschenke dann im Wohnzimmer bekommen: ein großes Polizeiauto von TutTut und…die allererste Schokolade.
(Die durfte Jonathan nach dem Abendbrot probieren und was soll ich sagen? Er hat sie zwar offensichtlich lecker gefunden, aber sie blieb nicht drin…..lol….)

Nachdem die Kinder nun glücklich waren haben wir alles Notwendige zusammen gepackt und sind zum Osteressen zu meinen Eltern gefahren. Vor einem Jahr hatten wir am Ostersonntag auch schon zusammen gegessen: damals gab es allerdings Essen vom Partyservice, denn genau ein Jahr zuvor hatten wir alle gemeinsam Jonathans Taufe gefeiert. So schnell verging die Zeit, unfassbar!! Ich erinnere mich sehr gerne an die Zeremonie: an die dunkle Kirche, nur mit Kerzen erleuchtet - an die Gefühle als der Pfarrer unseren Jungen getauft und meinen Mann und ich mich gesegnet hat. Jetzt war schon wieder ein Jahr vergangen…ein Jahr in dem wir so viel erlebt hatten!!!

Hätte mir an diesem Ostersonntag 2017 jemand gesagt das sich unser Leben in ein paar Wochen komplett verändern sollte und das unser Jahr 2017 mit Abstand das aufregendste und emotionalste Jahr unseres Lebens werden würde – ich hätte ihm nicht geglaubt. Und doch ist genau DAS passiert…..

Aber zuerst…feierten wir nichts ahnend Jonathans zweiten Geburtstag. 8o)

Der 2.te Geburtstag..
..begann mit einem Kuchen, Kerzen und einem Lied. Wie jedes Geburtstagskind in unserer Familie bekam auch Jonathan einen Kuchen: ich hatte mich wirklich schwer ins Zeug gelegt und ihm einen Kuchen in WinniePooh-Form gebacken und ihn mit Lebensmittelfarben glasiert – das ALLERERSTE Mal in meinem Leben das ich DAMIT gearbeitet hatte! Das Ergebnis war dann auch kein Meisterwerk, aber Jonathan konnte den Kuchen sowieso nicht essen – es ging allein um die Geste….(Und wer mich kennt weiß was diese Geste bedeutet denn ich HASSE backen! Und kochen übrigens auch….)

Aber ich hatte beschlossen ihm einen ganz besonderen Kuchen zu schenken mit zwei Kerzen darauf und den sollte er auch schon morgens direkt nach dem Aufwachen bekommen. DENN: im letzten Jahr hatten wir seinen Geburtstag nicht feiern können wie wir es uns vorgestellt hatten – da lag Jonathan nach einem Krampfanfall im Krankenhaus. Deswegen wollten wir das dieses Jahr alles PERFEKT war…naja: vielleicht nicht wirklich PERFEKT, aber perfekt so wie wir es uns vorstellten!

Also sind Marvin und ich morgens ins Schlafzimmer marschiert (da schlief Jonathan mit meinem Mann), den Kuchen mit den brennenden Kerzen in der Hand und haben lauthals (und vermutlich sehr falsch!) HAPPY BIRTHDAY gesungen. Jonathan hat vielleicht Augen gemacht! 8o) Er hat ja sowieso sehr große Augen, aber in diesem Moment schienen sie noch größer zu sein.

Er hat den Kuchen angestarrt und uns…und wusste gar nicht wie ihm geschieht. Dann haben wir ihm geholfen die Kerzen auszupusten und uns stellvertretend für ihn etwas gewünscht. Was….das verrate ich nicht, denn sonst geht es ja nicht in Erfüllung! 8o))

Ich hatte ja bereits erwähnt das wir an unseren Geburtstagen immer Ausflüge machen die sich das Geburtstagskind wünscht. Nun gut: DAS war bei Jonathan etwas schwierig weil er ja nicht sprechen und somit seine Wünsche nicht äußern konnte. Also musste an der Stelle der Familienrat tagen und beschließen welcher Ausflug für den kleinen Mann geeignet und machbar war.

Wer genau den Vorschlag gemacht hat weiß ich gar nicht mehr, aber wir waren uns schnell einig: das „Schmetterlings-Schloß Sayn“ sollte es sein! 8o))

Das Schloß Sayn, im Landkreis Mayen-Koblenz gelegen, befindet sich heute im Besitz der Fürsten zu Sayn-Wittgenstein-Sayn und hat eine lange Geschichte vorzuweisen. Im Garten, oder mehr: der Parkanlage!, befindet sich ein Schmetterlingshaus. Und dorthin führte uns unser heutiger Ausflug.

Das Schmetterlingshaus war wunderschön angelegt: mit kleinen Seen und Flüßen über die Brücken führten, verschlungene Wege direkt durch die ganze Vegetation – so waren die Schmetterlinge überall um einen herum. Und nicht nur Schmetterlinge: es gab auch Schildkröten, Fische, einen Leguan, Vögel und Gottesanbeterinnen.

Es war nicht riesig, das hatten wir schon vorher gewusst – wenn man sich Zeit ließ die Hinweistafeln zu lesen und alles genau zu betrachten, auch mal ein paar Minuten Rast auf einer Bank einlegte um die Schmetterlinge zu beobachten…dann war man nach circa eineinhalb Stunden komplett durch. Aber für Jonathans Ausflug war DAS genau richtig! Es gab nämlich genug Input für ihn mit den Farben, Gerüchen, Geräuschen und auch der Wärme die hier herrschte. Und dann ist auch noch ein Schmetterling auf ihm gelandet….er war in der Bauchtrage und der Schmetterling hat auf seinem Arm Platz genommen! Jonathan hat so irritiert geschaut, das war dermaßen lustig!!! 8o))

Wir sind Mittagessen gegangen und während unser Geburtstagskind in seinem Wagen geschlafen hat, konnte der Rest der Familie das Schloss besichtigen. Daran hatte dann besonders Marvin Spaß, er ist geschichtlich nämlich so wahnsinnig interessiert!

Und ich…. war hin und weg von den im Schloss ausgestellten Brautkleidern der Prinzessinnen zu Wittgenstein. DAS waren Brautkleider!!! Meine Güte!!! Ich meine mich zu erinnern das bei einem besonders schönen Modell vermerkt war es habe 20.000€ gekostet….(zum Vergleich: unsere komplette Hochzeit hat nicht mal ein VIERTEL gekostet!)

Vollgepackt mit diesen ganzen Eindrücken ging es dann auch wieder nach Hause wo Jonathan noch seine Geburtstagsgeschenke aufpacken durfte: den Flughafen von den TutTut-Babyflitzern und ein Buch, außerdem ganz kleine – und für seine Finger geeignete- Holzrasseln (die ihm Marvin gekauft hatte).

Es wartete aber auch eine Überraschung vor unserer Haustür: ein mit Helium gefüllter Luftballon an dem ein kleiner TutTut-Traktor hing…8o)

Dieses Geschenk war von meiner Freundin: von Anja, die ich durch Jonathans Geburt näher kennengelernt und ganz feste in mein Herz geschlossen habe….sie ist immer für mich da, bis heute. Sie geht diesen nicht leichten Weg mit mir gemeinsam, total unaufgeregt und ohne Vorurteile oder negative Worte. Und sie ist einer der GANZ wenigen Menschen die ALLES für mich tun – ohne eine Gegenleistung dafür zu ERWARTEN. Sie tut das alles weil sie empathisch und in der Lage ist zu helfen…meine/unsere Freude scheinen ihr Lohn genug zu sein.

Seit über zwei Jahren ist sie ganz eng an meiner Seite und manchmal kann ich immer noch nicht fassen dass ICH solch einem Menschen begegnet bin und ihn MEINE FREUNDIN nennen darf.
DANKE SÜSSE!! DU BIST EIN GANZ BESONDERER MENSCH FÜR MICH GEWORDEN….


Auch dieser Tag neigte sich nun dem Ende entgegen: wir hatten Jonathans zweiten Geburtstag gefeiert…verrückt! Wer hätte das vor zwei Jahren gedacht??? Die Prognosen waren so schlecht gewesen, aber nun saßen wir hier. Mit einem fröhlichen kleinen Jungen der eine wahre Kämpfernatur hatte und allen Voraussagen trotzte. Wenn man sich das vor Augen hielt…..war das schon ganz schön ergreifend!!

Und irgendwie stimmte mich das auch ein wenig melancholisch. Wir hatten schon viel mehr mit Jonathan erreicht als man uns prophezeit hatte…wir hatten ihn schon viel länger bei uns als der Altersdurchschnitt der Kinder vermuten ließ. Wie viel Zeit mit ihm blieb uns noch??? Wenn ich es hätte erfahren können…würde ich es wissen wollen??? Oder lieber nicht?? Keine Ahnung….

Aber ich wollte etwas mit ihm unternehmen: ich wollte mit ihm in den Zoo fahren. In DEN Zoo in dem ich mit Marvin an SEINEM 2.ten Geburtstag gewesen war. Es war so ein Gefühl….ich musste alles sofort erledigen, ich hatte Angst sonst keine Gelegenheit mehr dazu zu bekommen. Schwachsinnig vermutlich…aber so war es.

Also haben wir ein Wochenende ausgewählt an dem wir Zeit hatten und an dem das Wetter auch super war und sind in den Zoo gefahren. Erst mit dem Auto bis zu einem Park&Ride-Parkplatz und dann mit der Bahn in den Zoo. Und das erste was wir sehen als wir vor dem Zoo ankommen ist…ein PINKES Fahrrad! Und das wo Jonathan doch so auf PINK steht. Das war ein Zeichen! 8o)))

Wir hatten einen wunderschönen, entspannten Tag im Zoo – bei traumhaftem Wetter. Wir wurden weder angestarrt noch angesprochen….wir konnten einfach SEIN und GENIESSEN.

Der Zoo war groß und bei Jonathan reichte die Konzentration nicht für alle Tiergehege. Manche Tiere hat er gar nicht wahrgenommen. Aber die Gorillas: die hatten es ihm angetan!!

Das Menschenaffenhaus ist neu gebaut, ohne Gitter – nur mit Glas. Kein gekachelter Boden wie früher: es gibt richtige Erde und Lehm, mit Blättern bedeckt und Bäume zum Klettern und tropische Temperaturen und viele Verstecke. So optimal an den natürlichen Lebensraum angepasst wie es einem Zoo nur möglich ist - würde ich sagen. Und dafür belohnten die Tiere dann auch indem sie Nachwuchs bekamen.

Kleine Gorillas sind nicht anders als kleine Kinder: sie haben nur Unfug im Kopf, toben herum und ärgern die Erwachsenen…8o)

Als wir im Menschenaffenhaus waren, tobten zwei kleine Gorilla-Kinder direkt an der Glasscheibe herum: spielten Verstecken und bewarfen sich gegenseitig mit Stroh. Machten dabei ein Riesengetöse und „lachten“ auch??? Hörte sich jedenfalls so an. Auf jeden Fall war Jonathan sehr fasziniert!! Er hat die Affenbabys fixiert und sie bei allem beobachtet was sie gemacht haben, bewegt hat er sich überhaupt nicht mehr – selbst am Schnuller hat er nicht mehr genuckelt.

Wir haben uns ein wenig über ihn kaputt gelacht weil er diese kleinen drolligen Wesen so angehimmelt hat…und ich hätte gerne seine Gedanken gehört! Hat er gespürt dass diese Tiere uns so unfassbar ähnlich sind??? Hätte er gerne mit ihnen mitgespielt??? …leider werden wir das nie erfahren. Aber in diesem Moment im Menschenaffenhaus wusste ich das wir alles richtig gemacht hatten damit dem Zoo einen Besuch abzustatten! Diese wenigen Minuten der Freude und Faszination bei Jonathan waren den Aufwand des Tages wert gewesen….

Bald danach traten wir die Heimfahrt an, wieder mit der Bahn zum Park&Ride-Parkplatz. Wir waren mit unserem Reha-Buggy unterwegs und schon in der Bahn fiel mir eine Frau auf die mit drei Kindern unterwegs war, und eins dieser Kinder saß ebenfalls in einem Reha-Buggy.

Lustigerweise stieg diese Familie an derselben Haltestelle aus wie wir und dann…Zufälle gibt´s!...hatten sie auch noch ihr Auto GENAU NEBEN UNS geparkt. Das war für mich der Moment die Frau anzusprechen, was ich sonst nicht so gerne mache – weiß ich doch selber dass es sehr nervig sein kann immer und überall angequatscht zu werden. Aber in dem Falle fand ich dass es Schicksal war….

Der Frau war natürlich auch schon aufgefallen das Jonathan nicht gesund war und so hat sich sehr schnell ein sehr intensives Gespräch entwickelt. Es brauchte gar nicht vieler Worte, wir verstanden uns auch so. Ich erwähnte „Physiotherapie“ und SIE wusste genau Bescheid. Sie erwähnte die Blicke von Fremden wenn man unterwegs war und ICH wusste Bescheid.

Das ist ein Punkt am Leben mit einem behinderten Kind: man sieht andere Familien mit behinderten Kindern und man ist direkt auf demselben Level. Ist sich direkt nah. Man sieht sich an und es bedarf fast keiner Worte, man WEISS einfach wie es ist und man fühlt sich diesen Menschen direkt verbunden. Wie eine geheime Gruppe der man beigetreten ist – na gut: wohl eher in der man sich den Beitritt Tag für Tag hart erkämpft!! Aber auch  eine Gruppe in der es keine bösen Kommentare und keinen Neid gibt. Es ist fast als habe man eine „neue Familie“ gefunden…und die sollten wir auch sehr bald finden! Denn…..



…dieser Tag sollte einer der letzten Tage unseres „alten Lebens“ sein…wenige Tage nach unserem gemeinsamen Zoobesuch habe ich eine Entscheidung getroffen die unser aller Leben komplett verändert hat…. 




Der Schritt in die Öffentlichkeit
Für mich ist eine Welt untergegangen als ich erfuhr dass ich ein behindertes Kind - ein Kind mit nur sehr geringer Lebenserwartung! - bekommen habe. Wie geht man damit um und wie verarbeitet man das???

Ich denke dafür gibt es kein „Geheimrezept“, das muss jeder für sich selber herausfinden. Wichtig ist nur DAS man einen Weg findet damit umzugehen!! Denn findet man den Weg nicht…geht man daran kaputt. Und vielleicht auch die Partnerschaft/Ehe. Das wollte ich unbedingt vermeiden!! Beides…

Nun ist es so dass ich in meinem Leben schon einige Schicksalsschläge einstecken musste und gelernt habe damit umzugehen, vielleicht sogar an ihnen zu wachsen. Denn….man wächst und reift nicht an dem was im Leben GUT läuft – sondern an dem was im Leben SCHLECHT läuft. Die negativen Erfahrungen machen einen zu dem Menschen der man ist….

(An der Stelle muss ich dann auch mal sagen das ich es aus diesem Grund auch komisch finde das man in Fotoalben immer nur die schönen Momente des Lebens abbildet, aber nie die schlimmen. Dabei sind es doch DIE, die uns verändern!!! Und es sind auch DIE, die uns viel mehr in Erinnerung bleiben!! Oder nicht?? Denkt mal drüber nach!)

Mein Weg mit diesem Schicksalsschlag umzugehen war….aufzuschreiben was in meinem Leben passierte und wie es mir damit ging.

Ursprünglich wollte ich das nur tun um NICHTS zu vergessen was in Jonathans Leben passierte…um mich an alles erinnern zu können wenn er mal nicht mehr da sein sollte. Um die Bilder in meinem Kopf wieder heraufbeschwören zu können und von ihnen zu zehren.

Immer wenn ich aber am PC saß und in Worte fasste was passiert war und wie es mir damit ging….kamen mir die Tränen. Ich suchte mir mit Absicht Zeiten zum Schreiben aus in denen ich allein war, so konnte ich meinen Tränen ungestört freien Lauf lassen und beim Schreiben einfach alles rauslassen. Danach: ging es mir viel besser! Das alles schwarz auf weiß zu sehen, mich überhaupt noch einmal damit auseinanderzusetzen…DAS war meine Therapie!! Das war genau DAS was ich brauchte um damit klarzukommen und mich mit meinem Schicksal zu arrangieren.

Irgendwann…hat mein Mann ein wenig in meinem Blog gelesen und mich gedrängt: „Stell das online, das ist fantastisch!“…und ich habe nur gesagt: „Ach Quatsch!! Es wird NIEMANDEN interessieren wie es MIR geht und was ICH fühle!“…das war meine felsenfeste Überzeugung und ich habe mich geweigert auch nur darüber NACHZUDENKEN meine Worte im Internet für jeden zugänglich zu machen.

Das sollte sich ändern als ich eines Nachmittags Besuch von einer jungen Frau bekam die in einem Online-Auktionshaus bei mir etwas gekauft hatte. Als wir kurz an der Haustür redeten hat sie mir erzählt das sie Zwillings-Jungs hat, von denen einer leider unter großen Einschränkungen leidet: die Ärzte hätten ihr prognostiziert das er nie laufen oder reden wird, er habe auch epileptische Anfälle. Normalerweise bitte ich nie Fremde zu uns in die Wohnung – aber in diesem Moment habe ich ihr gesagt das sie mal mitkommen soll.  

Im Wohnzimmer lag Jonathan auf dem Boden, er quietschte und lachte und rollte sich wie ein Rollmops durch die Gegend. Die junge Frau betrachtete ihn, wir setzten uns zu ihm auf den Boden und ich habe ihr unsere Geschichte erzählt. Angefangen von der Diagnose über die geringe Lebenserwartung und die Prognosen der Ärzte. Und ich sagte ihr das Jonathan das alles widerlegt hat! Das er Dinge kann die man nie für möglich hielt….und dann…begann sie zu weinen. So sehr zu weinen – vor mir, einer Fremden….und sie sagte zu mir das ihr das so viel Hoffnung gibt! Denn wenn UNSER Junge den Aussagen der Ärzte getrotzt hat: dann vielleicht auch IHR Junge?

Dieser Besuch hat mich so berührt….als sie ging wollte sie meine Handynummer um mit mir in Kontakt zu bleiben und ich kann das an der Stelle gerne sagen: wenn wir uns auch seitdem selten sehen oder hören – aber wir sind in Kontakt geblieben!!
Abends kam mein Mann von der Arbeit und ich habe ihm erzählt was nachmittags passiert ist….und wie sehr es mich berührt hat. Und ich kam ins Grübeln. Das habe ich zwei Tage lang getan und dann hatte ich einen Entschluss gefasst:

MEIN BLOG WÜRDE ONLINE GEHEN!!

Wenn es dieser jungen Frau geholfen hatte mit mir zu reden oder zu hören wie Jonathan sich entwickelte, was er alles lernte und wie er den Prognosen trotzte…dann würde das NOCH MEHR MENSCHEN helfen!

Ab diesem Moment war DAS mein Ziel: ich wollte durch unser Schicksal anderen Menschen helfen. Ich wollte dass Jonathans Leben nicht umsonst ist. Das etwas von ihm bleibt und das alles das, was wir „erleiden“ mussten anderen Menschen dienen sollte.

Ich bin der festen Überzeugung dass alles im Leben einen Sinn hat. Den erkennt man nicht immer sofort, manchmal braucht es auch Jahre – aber irgendwann erkennt man ihn. Und ich hatte nun für mich den Sinn gefunden warum ich mich unter Tränen mit unserem Leben auseinandergesetzt hatte – und war total euphorisch und glücklich!!  

Ein Punkt mit dem ich aber SEHR haderte waren…FOTOS!

Ich war IMMER…und ich meine wirklich IMMER!!!....der Auffassung gewesen das Fotos meiner Kinder NICHTS im Internet zu suchen haben. Mein Mann hatte von mir ein striktes Verbot bekommen bei Facebook Fotos der Kinder zu posten, ich selber war dort gar nicht angemeldet.

Aber….nun musste ich überlegen was mir wichtiger war. Wollte ich anderen Menschen helfen? Dann musste ich auch Fotos von Jonathan zeigen – denn wer liest so viel Text ohne sich Bilder anzuschauen? Ohne eine Vorstellung davon bekommen zu können wie Kinder mit MOPD I aussehen….ein Blog ohne Fotos ist wie ein Butterbrot ohne Butter – es geht GAR NICHT. Also bin ich sehr intensiv in mich gegangen und habe diesen Punkt überdacht.

Wie ihr ja alle wisst: bin ich an der Stelle über meinen Schatten gesprungen. Es gibt Fotos von Jonathan und Marvin im Internet. ABER….mein Mann und ich haben uns intensiv mit Fotobearbeitungsprogrammen auseinandergesetzt. Wir suchen die Fotos SEHR bewusst aus und diskutieren auch oft darüber ob dieses oder jenes Foto wirklich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte. Oftmals verkleinern wir das Bild oder bearbeiten den Hintergrund (wenn es unseren Aufenthaltsort verrät), Bilder die unsere Kinder in intimen Situationen zeigen oder mit deren Veröffentlichung Marvin nicht einverstanden ist werden nicht gezeigt…. und andere Menschen werden unkenntlich gemacht (wenn sie keine Genehmigung zur Veröffentlichung gegeben haben) – denn das ist ein Punkt der mir extrem wichtig ist: in meinem Blog (und auch bei Facebook) wird NIEMAND ohne sein ausdrückliches Einverständnis gezeigt oder beschrieben. Jedes Foto das „fremde Menschen“ zeigt ist von diesen Personen genehmigt worden – jeder der in meinem Blog erwähnt wird hat dem vorher zugestimmt. Alles andere ist für mich ein ABSOLUTES „NO-GO“.

Und so gibt es ein paar Menschen die in unserem Leben eine Rolle spielen und die ich gerne erwähnt hätte….die aber nicht erwähnt oder gezeigt werden MÖCHTEN – also werden sie das auch nicht.

Nun gut…aber wieder zurück zum Thema.

Zum Thema Fotos, das ich mir also nicht leicht gemacht habe. Der Wunsch anderen Menschen Mut zu machen und ihnen durch unsere Geschichte vielleicht sogar zu helfen – hat überwogen. Ich wollte den Blog online stellen!!

Mein Mann ist gelernter ITler und einen Blog zu „bauen“ war für ihn somit kein Problem. Wir haben uns abends gemeinsam an den Computer gesetzt und ich habe zuerst einen Hintergrund ausgesucht, dann haben wir uns einen Namen überlegt den die Seite haben sollte: mein Mann meinte der Name sollte prägnant sein, aber trotzdem mit dem Thema das Blogs zu tun haben. Der Titel ist mir dann ziemlich lang geraten und am Anfang war ich nicht sicher ob das gut ist. Aber es war genau das was ich sagen wollte, also blieb es einfach so.

Dann haben wir ziemlich lange herum probiert: Schriftgröße und Schriftart unseres Blognamens auf dem ausgewählten Hintergrund – wie wirkt das? Kann man den Hintergrund überhaupt noch erkennen oder ist er komplett von Buchstaben bedeckt?? Erschlägt einen die Überschrift oder ist sie aufdringlich???

….wir sind am ersten Abend nicht mit der Gestaltung fertig geworden. Was aber auch voll in Ordnung ist: so eine Sache will gut überlegt sein und ich muss hinter jedem einzelnen Detail mit meinem ganzen Herzen stehen.

Der schwierigste Part kam noch…wir mussten ein Foto auswählen auf dem man Jonathan sehen konnte, das sollte auf die Startseite. Ansprechend sollte es wirken, damit die Besucher der Seite hier „hängen blieben“ und Lust bekamen die Geschichte dieses Jungen zu lesen.

Aber für mich war es nicht leicht das allererste Foto von Jonathan fürs Internet auszuwählen. Ich wollte das er nicht „richtig“ zu sehen war….so lange hatte ich meine Meinung über Kinderfotos im Netz konsequent vertreten – an den Gedanken, das nun doch bald welche für jedermann zu sehen wären, musste ich mich trotz allem erstmal gewöhnen.

Und das ist der Grund warum man auf der Startseite unseres Blogs das Foto von Jonathan mit Mütze und Sonnenbrille sieht….8o) Weil man ihn eben NICHT richtig sieht…

Aber rückwirkend betrachtet hätte ich auch gar kein besseres Bild von ihm auswählen können! Es ist eins der schönsten Bilder die von ihm existieren - dieses kleine Lächeln das um seinen Mund spielt wirkt so niedlich, es zaubert mir heute noch selbst ein Lächeln ins Gesicht wenn ich es betrachte. Und….dieses Foto zeigt Jonathans Charakter wie kaum ein anderes Bild: er ist ein so freundliches kleines Wesen, fast immer gut gelaunt schaut er offen und neugierig in die Welt.

FÜR DIESES PHANTASTISCHE FOTO MÖCHTE ICH MICH AN DIESER STELLE, MAL WIEDER, BEI MEINER FOTOGRAFIN UND FREUNDIN ROSEMARIE HOFER BEDANKEN!! DU SCHAFFST ES SEIT SO VIELEN JAHREN UNS AUF FOTOS NICHT NUR GUT AUSSEHEN ZU LASSEN - SONDERN AUCH UNSERE CHARAKTERE EINZUFANGEN!! GANZ, GANZ GRANDIOS!! DANKE!

Noch ein Thema musste geklärt werden und dann konnte es endlich losgehen: wie wollte ich den Aufbau gestalten??? Ich hatte ehrlichweise bisher nicht viele Berührungspunkte mit Blogs anderer Leute gehabt (ich bin eigentlich nicht so der Internetjunkie), deswegen konnte ich mir gar nicht vorstellen wie das alles aussehen sollte.

Mein Mann musste mir viel erklären oder zeigen indem wir es für meinen Blog einfach ausprobierten. Schlussendlich habe ich mich für die Variante entschieden die ihr alle kennt: einzelne Reiter die verschiedene Themen beinhalten, je nach Interesse kann man den einen oder anderen Reiter anklicken – und den Rest der Seite auch einfach ignorieren…

Für mich als „Internet-Legastheniker“ war es wichtig das der Blog klar strukturiert und einfach zu bedienen war. Damit auch Leute die von Internet und Technik nicht so viel Ahnung hatten (wie ICH!!) hier klarkommen und Spaß haben würden.

Zu Beginn gab es nur 4 Reiter:
Einen auf dem ich „bloggen“ würde. Als mein Mann mir zeigte wie das dann aussieht habe ich festgestellt dass dabei der neueste Beitrag immer oben steht und wenn man den Text in der richtigen Reihenfolge lesen möchte müsste man sich von unten nach oben durcharbeiten. Das ging für mich als alte Leseratte ja gar nicht! Das war gar nicht aufgebaut wie ich Buch, das hatte ich mir so nicht vorgestellt…hmmmm…

Also gab es damals noch einen zweiten Reiter: einen auf dem ich „unsere Geschichte“ in der richtigen Reihenfolge einstellen konnte und somit den Lesern das Gefühl vermitteln konnte ein Buch zu lesen. (Diesen Reiter gibt es heute nicht mehr. Man kann nämlich nur eine bestimmte Anzahl von Reitern in den Blog integrieren. Heute sind ein paar Reiter dazu bekommen und einer ist mir dabei sehr wichtig: „Medizinische Fakten“, doch dazu später mehr.)   

Der dritte Reiter war der mit den Fotos. Die von mir, bis heute!, sehr sorgfältig ausgewählt wurden/werden. Zu Beginn habe ich auch viele Fotos eingestellt in denen Jonathan nicht komplett zu sehen war: es gab Fotos von seinen Händen oder Beinen. Allerdings muss ich hier sagen dass ich dies AUCH gemacht habe um einen Eindruck davon vermitteln zu können an welchen Stellen er sich von „gesunden“ Kindern unterscheidet.

Der vierte Reiter war der mit den Danksagungen. Schon damals war es mir ein sehr großes Bedürfnis den Menschen in unserem Umfeld zu danken!! Wir spürten dass einige sehr viel mehr für uns taten und leisteten als sie gemusst hätten. Natürlich haben wir auch immer persönlich DANKE gesagt. Aber wo kann man heutzutage mit seinem Dank ein besseres Statement abgeben als im Internet???

Dieser vierte Reiter ist bis heute derjenige der mich die meisten Tränen kostet. Wenn ich für jemanden aus unserem Umfeld Worte des Dankes formuliere dann sehe ich diese Person vor mir und versuche alle meine Gefühle für sie in Worte zu fassen. Schriftlich fällt es auch leichter manche Dinge zu sagen…und so kann ich auf diesem Weg WIRKLICH sagen was ich empfinde und das rührt mich einfach total oft zu Tränen.

Mein Mann dachte das ein fünfter Reiter sinnvoll wäre: ein Kontaktformular. Wir haben uns nämlich bewusst gegen ein Gästebuch entschieden…unser Blog sollte keine Möglichkeiten zur Diskussion bieten, sondern lediglich ein Einblick in unser Leben und unsere Gefühle sein. Eine „Einbahnstrasse“ sozusagen. Trotzdem wollten wir Menschen die Möglichkeit bieten mit uns in Kontakt treten zu können. Also haben wir ein Formular eingerichtet das man an uns senden kann. Wir entscheiden dann ob wir auf diese Nachrichten antworten und damit UNSERE Email-Adresse preisgeben. Das war mir ganz Recht so: ich hatte am Anfang wirklich große Angst vor Beschimpfungen und wollte so wenig Daten wie möglich von mir zugänglich machen.


Nach ein paar Abenden Arbeit und auch einiger Diskussionen war das Layout also fertig….nun könnte es theoretisch losgehen! Aber zuerst…stand ein schon lange geplanter Ausflug an….




Wochenendausflug nach Bochum
Wir verbrachten ein verlängertes Wochenende in Bochum: Marvin nahm an der Deutschen Meisterschaft im Yu-Gi-Oh teil und wurde im Jugendbereich direkt 8.ter!!!

Während er in der Kongresshalle seine Turniere ausfocht haben mein Mann, Jonathan und ich Bochum unsicher gemacht. Wir waren shoppen, lecker essen und im Tierpark. Übrigens dem SCHÖNSTEN TIERPARK den ich bis jetzt zu Gesicht bekommen habe!! Die Gehege waren wunderschön angelegt und wo dies möglich war nicht mit Maschendraht oder Zäunen abgesperrt, sondern mit natürlichen Barrieren wie aufgeschichtetem Holz.

Zwei Sachen sind mir –abgesehen vom Stolz auf Marvin!- von diesem Wochenende besonders in Erinnerung geblieben…

Zum einen: der Spielplatzbesuch im Tierpark. Der war riesig und wunderschön!!! Mein Mann ist mit Jonathan auf das Klettergerüst gegangen und hat den Sand mit ihm erkundet. Ich habe die beiden beobachtet und fotografiert. Neben mir stand ein etwas älteres Ehepaar. Sie zeigte –nicht grade unauffällig!- auf meinen Mann und Jonathan und fing an mit ihrem Mann zu tuscheln. Das war mir echt zu doof und deswegen habe ich sie einfach angesprochen und gesagt: „Wenn Sie Fragen haben können Sie mir die auch einfach stellen!! Mein Sohn ist 2 Jahre alt und kleinwüchsig, aber er möchte ja trotzdem auf den Spielplatz gehen wie andere Jungs in seinem Alter auch!“…daraufhin war die Dame dermaßen peinlich berührt das sie nur nickte und mit ihrem Mann von dannen zog.

Zum anderen: das Hotel. Das war wirklich unter aller Kanone!!!
Ein Viersterne-Hotel wohlgemerkt. Nicht ganz billig. Wir hatten es gebucht weil sich ein italienisches Restaurant im Haus befinden sollte und wir uns dachten: da können wir abends gemeinsam essen und wenn Jonathan dann müde wird kann einer mit ihm hoch gehen und die anderen können noch eine Runde Karten spielen oder ähnliches.

Nun gut. Das Lokal gab es schon lange nicht mehr. Sowohl im Internet als auch im Schaukasten vor dem Hotel wurde aber noch eifrig damit geworben! Eine Unverschämtheit in meinen Augen und das habe ich an der Rezeption auch gesagt. Aber eine noch größere Unverschämtheit kam noch!!

Wir reisten an, im Gepäck unsere Kühlbox mit dem Medikament das dauernd gekühlt werden musste. Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten habe ich die Schränke gecheckt und einen Kühlschrank gefunden in dem Licht brannte. Prima: dann mussten wir die brummende Kühlbox nicht dauernd am Strom lassen! Also ab mit dem Medikament in den Kühlschrank.

Was wir eigentlich sofort bemerkten war die brütende Hitze im Zimmer! Es war Pfingsten, also noch kein Hochsommer…aber in diesem Zimmer herrschten gefühlte 50 Grad und es gab keine Klimaanlage. Ich sagte zu meinem Mann dass ich nicht wusste wie wir mit Jonathan hier die Nacht überstehen sollten!! Und die wurde auch schlimm!! Wir sind um 0.30 Uhr noch mit ihm durch die Lobby gelaufen weil es dort einigermaßen kalt war. Im Zimmer war es unerträglich und wir hatten zwei Nächte gebucht…mir graute schon vor der nächsten Nacht: mein Mann und ich würden überhaupt keinen Schlaf bekommen….

Der nächste Morgen hatte dann auch eine Überraschung für uns parat: das Medikament im Kühlschrank…war WARM!!! Der Kühlschrank ebenso.

Ich war entsetzt und geschockt: hatte das Medikament nun seine Wirkung verloren? Es war Pfingsten, wir waren nicht mal in der Nähe unseres Arztes oder unserer Klinik…wo sollten wir Ersatz bekommen???

Also habe ich beschlossen zur Rezeption zu gehen und mich zu beschweren. Brachte mir zwar auch kein neues Medikament, aber ein wenig Erleichterung in meiner Wut! Aber was soll ich sagen…das einzige was die Dame an der Rezeption von sich gab, war: „Wie, Sie haben einen KÜHLSCHRANK im Zimmer??? Die sollte es aber nicht mehr geben, die funktionieren nämlich nicht!“ Ach neeee…..interessant!!!

Ich bin…gelinge gesagt…ausgeflippt. „Sie müssen doch wissen wie die Zimmer in Ihrem Hotel aussehen!“…“Das Hotel gehört mir nicht, ich arbeite hier nur!“…nach dieser Aussage stieg mein Blutdruck auf 360….ehrlich!! Also allein diese Aussage obwohl sie GENAU wusste was ich gemeint hatte!!! Davon abgesehen: kann ich nicht von einer Mitarbeiterin im Hotel erwarten das sie WEISS wie die Zimmer ausgestattet sind?? Und in diesem Hotel gab es circa 30 Zimmer, keine 500!! Und hätte ich nicht erwarten können dass man mich bei der Anreise informiert dass der Kühlschrank nicht funktionsfähig ist????

(Nun, um es kurz zu machen: ich habe an diesem Tag keine Entschuldigung gehört. Und auf meinen Beschwerdebrief den ich im Nachgang an die Geschäftsleitung geschrieben habe…noch nicht einmal IRGENDEINE ANTWORT erhalten.

Jonathan ist zwar nichts passiert, entweder hat das Medikament seine Wirkung nicht verloren oder wir haben einfach nur Glück gehabt. Aber: dieses Medikament ist gegen Bluthochdruck und wenn wir es nicht haben kann das eine lebensbedrohliche Situation auslösen. Das sowohl Angestellte als auch Hotelleitung nicht einmal ein Wort der Entschuldigung für uns hatten – ist unverzeihlich!!!)

Der nächste Beschwerdegrund war die unerträgliche Hitze im Zimmer…wir hatten noch eine Nacht vor uns, die vergangene war wirklich schlimm gewesen. Wenigstens hatte man in diesem Punkt insoweit Mitleid mit uns das man uns „Ausnahmsweise, normal machen wir das nicht!“ einen Ventilator zur Verfügung stellte.

Die Nacht war mit Ventilator erträglicher. Jonathan schlief früh ein, er war sicherlich auch sehr erschöpft nach der vergangenen Nacht und den ganzen Eindrücken des Tages.

Den Ventilator haben wir zur Wand gedreht damit er keinen von uns direkt anpustete und ihn die ganze Nacht laufen lassen.

Es war ja eigentlich klar: kaum waren wir zu Hause, hatte Jonathan einen Schnupfen….wir mussten inhalieren und Medikamente geben. Das hat meinen Hass auf dieses Hotel nicht grade gemindert!!

Aber Ablenkung nahte, denn….


Unser Blog geht online
Bei der Gestaltung und beim Layout des Blogs hatte mein Mann mir geholfen. Aber nun war ich auf mich allein gestellt: der Text war „mein Baby“, mein Part….ich bin diejenige die diese Beiträge schreibt!

(Das ist jetzt der passende Moment um kurz abzuschweifen: ich bin mittlerweile EINIGE MALE gefragt worden ob ich den Text ganz allein schreibe oder ob ich einen „Ghostwriter“ habe? Ob ich im Bekanntenkreis jemanden habe der Autor ist und mir beim Schreiben hilft?
Dazu möchte ich mal öffentlich Stellung nehmen….8o))
ICH SCHREIBE DIESE TEXTE WIRKLICH UND WAHRHAFTIG KOMPLETT ALLEIN. JEDER EINZELNE BUCHSTABE KOMMT AUS MEINEM HERZEN, UND ALLES WAS IHR HIER IN DIESEM BLOG LESEN KÖNNT ENTSPRICHT 100% DER WAHRHEIT.

Um mich an Begebenheiten genauer erinnern zu können die schon etwas länger her sind, nehme ich unsere Fotos zu Hilfe und betrachte sie bevor ich die Texte schreibe. Meistens reicht mir das dann.
Manche Beiträge liest mein Mann Korrektur bevor sie online gehen weil ich mich nicht mehr an jedes Detail erinnern kann und ihn bitte mir auf die Sprünge zu helfen – die meisten Beiträge liest allerdings auch mein Mann erst wenn sie bereits online sind.
Marvin DARF diesen Blog lesen, aber er möchte es nicht. Allerdings gibt er zu jedem Foto das von ihm hier gezeigt wird sein Einverständnis.)

Also setzte ich mich an den Computer und begann zu lesen was ich für meinen Blog geschrieben hatte. Das erste „Problem“ war: ich musste eine Art Kapitel bilden. Irgendwo im Text einen Schnitt machen, dieser sollte natürlich auch thematisch passend sein…die einzelnen Beiträge durften aber auch nicht zu lang oder zu kurz sein, beides würde die potentiellen Leser sonst bestimmt vergraulen.

Während ich meinen eigenen Text zu lesen begann….wurde mir der Hals immer enger….ich hatte alle diese Worte zu Papier gebracht und danach NIE wieder gelesen. Es war wie eine Explosion meiner Gefühle gewesen sie zu Papier zu bringen, es hatte mich viele Tränen gekostet und ich hatte nie das Bedürfnis gehabt den Text erneut zu lesen – mich noch einmal mental in die Situationen zurückzuversetzen die ich hier beschrieb.

Jetzt musste ich das aber tun. Denn ich war im Begriff meine Worte und meine Gedanken JEDEM DORT DRAUSSEN zugänglich zu machen – dann wollte ich auch sicher sein das ich keinen „geistigen Dünnpfiff“ von mir gab.

Auch an diesem Tag kostete es mich wieder einige Tränen….aber ich war zufrieden mit dem was ich las. Es war die Wahrheit…die reine Wahrheit!! Lange habe ich über dem Part gegrübelt in dem ich beschreibe dass ich Jonathan „am liebsten umgetauscht hätte“ als wir die Diagnose bekamen.

Ich habe meinen Mann gefragt ob ich das WIRKLICH so online stellen soll: ich hatte unfassbare Angst vor einem ShitStorm! Eine Mutter die sagt dass sie ihr Kind ablehnte?? Wie würden fremde Menschen reagieren? Was würden sie von mir denken??? Würden sie mich für einen schlechteren Menschen halten weil ich zugab solche Gedanken gehabt zu haben???

Mein Mann überdachte das kurz und fragte mich: „Hast Du damals genauso empfunden und genau das gedacht?“…und ich sagte ohne zu überlegen und aus tiefstem Herzen: „JA!“…darauf meinte er: „Dann gehört das auch genauso in Deinen Blog! Du möchtest anderen Menschen damit helfen – dann musst Du auch absolut ehrlich sein! Du darfst Dir keine Gedanken darüber machen was ANDERE denken – schäm Dich nicht dafür was war, heute liebst Du Jonathan doch und das ist das Wichtigste!“

Damit war auch das entschieden: ich würde, auch auf die Gefahr hin das andere mich dafür verurteilten, in der Öffentlichkeit zugeben das ich mein Kind zu Anfang abgelehnt hatte. Tief in meinem Herzen….hatte ich damals schon die Vermutung das ich nicht die einzige Frau war die so empfand – aber vielleicht eine der wenigen Frauen die es ZUGAB!! (Und diese Vermutung hat sich für mich bestätigt…mittlerweile habe ich einige Nachrichten von anderen Frauen erhalten die sagten das ich ihnen mit diesen Worten aus der Seele gesprochen habe!)

Bevor ich aber nun meinen ersten Beitrag wirklich online stellen konnte brauchte ich noch einen Anfang für meinen Blog: ein paar einleitende Worte die kurz erklärten worum es hier ging.

So einfach es mir auch immer gefallen war Begebenheiten und Gefühle zu beschreiben…mit dieser Einleitung tat ich mich sehr schwer! Vielleicht weil ich sehr aufgeregt war: ich würde mit meinen Worten ONLINE gehen! Da musste ich jetzt jedes einzelne Wort gut überlegen.

Also dauerte es noch einmal einen Tag: schreiben, lesen – Dokument schließen. Am nächsten Tag erneut lesen – und dann (zum Glück!) für gut befinden!! (Und das ist eine Sache die ich mir bis heute bewahrt habe: ich schreibe meine Blogbeiträge „vor“, ich lese jeden mindestens zwei Mal um wirklich sicher zu sein das es gut ist, das es genau das ausdrückt was ich denke…und nicht selten wird vor der Veröffentlichung noch einmal korrigiert, neu geschrieben oder verändert!)

Aber dann kam der Moment wo ich absolut sicher war: so konnte der Text bleiben! Das Layout stand….Fotos waren ausgesucht….jetzt musste ich nur noch den Text einfügen und auf „Enter“ drücken…

Ich habe meinen Mann und Marvin zu mir geholt damit wir das gemeinsam machen und um einen Trommelwirbel gebeten! LOL….habe den Text kopiert, eingefügt und…AUF ENTER GEDRÜCKT!!!

Meine Güte!! Ein großer Moment für mich…für uns! WIR WAREN ONLINE…unser Schicksal jedem zugänglich. Hoffentlich war es der richtige Schritt gewesen.

Wie würden aber nun die Leute auf uns aufmerksam werden?

Mein Mann teilte meinen Link auf seiner Facebook-Seite und schrieb eine kurze Erklärung dazu.

Ich schrieb Freunde und Bekannte per WhatsApp an und erzählte von unserem Blog.

Mal sehen was nun für Feedback kommen würde!!

Das erste Feedback…kam von Marvin! Der war so aufgeregt über diese ganze Sache das er zu mir sagte: „Mama, wenn Du 1000 Klicks auf Deinen Blog hast: dann kaufe ich Dir von meinem Taschengeld eine Tafel Schokolade!“ ....ich weiß nicht genau wieso es passierte, aber…ich hatte bereits nach zwei Tagen MEHR ALS 1000 Klicks! Marvin war sprachlos. Und ich noch viel mehr!!! Ich hätte nie erwartet das sich IRGENDWER für das interessierte was ich dort beschrieb – doch scheinbar traf ich einen Nerv.

Mein Blog ging bereits in den ersten Tagen durch die Decke! Ich bekam sehr viele Nachrichten über das Kontaktformular und ich muss sagen: sie waren alle positiver Natur!!

Sehr gefreut hat mich das ich immer wieder von anderen Mamis behinderter Kinder gesagt bekam das ich ihnen aus der Seele sprach: viele andere hatten das gleiche Problem wie ich!! Sie hatten zu Beginn Schwierigkeiten damit ihre Kinder anzunehmen. Sich auf das Leben einzustellen das sie nun gezwungen waren zu führen. Schöne Gespräche sind entstanden, man hat sich ausgetauscht – und gemerkt dass man nicht allein ist.

Am meisten gefreut haben mich aber die Nachrichten in denen mir andere Mütter mitteilten das sie aus meinen Worten Kraft schöpften, das diese Worte ihnen halfen nicht aufzugeben. Das war GENAU DAS was ich mit meinem Blog erreichen wollte: anderen helfen, ihnen Mut machen!!

Ich dachte dass es nun nicht besser kommen könnte und stellte weitere Beiträge online. Zuerst tat ich das „nach Gutdünken“: oft zweimal die Woche, wann immer ich Zeit hatte. Die Klickzahlen stiegen….unser Kinderarzt sprach mich an und gratulierte mir zu diesem fantastischen „Werk“… mein Mann wurde sogar auf der Arbeit angesprochen dass unser Blog grandios sei.

Allerdings meinte eine Kollegin meines Mannes das sie es besser fände wenn es einen festen Tag geben würde an dem neue Beiträge online gingen, so wüsste sie immer wann sie sich an den Rechner setzen müsste. Das gab mir zu denken….und nachdem ich darüber nachgedacht hatte kam ich zu der Einsicht dass es keine schlechte Idee sei! Und deswegen: gibt es seitdem jede Woche FREITAG einen neuen Beitrag! 8o)

So gingen die Wochen ins Land....

Ich „nullte“….8o)))
4o Jahre war ich nun alt. Eine Zahl vor der ja vielen graut…mir nicht! Ich konnte zurückblicken ohne depressiv zu werden: meine Ziele die ich mir mit 20 Jahren für mein Leben gesetzt und mit 30 Jahren noch einmal überdacht hatte waren alle erreicht….ich hatte Kinder, einen Mann, ein Haus und ich hatte Karriere gemacht. Jetzt war ich 40, so what???


Alle Ziele waren erreicht, ich hatte nichts zu bereuen und außerdem das Gefühl das das kommende Lebensjahr sehr spannend und aufregend für mich werden sollte – und damit sollte ich Recht behalten! 




Jonathan in der Presse
Meine Vermutung das mein neues Lebensjahr spannend werden würde bewahrheitete sich als sich eines Tages unsere lokale Tageszeitung (NASSAUISCHE NEUE PRESSE) dazu entschloss über uns zu berichten:  über Jonathan und meinen Blog….eine Tageszeitung mit nicht geringer Auflage!!

Ich schwebte wie auf Wolken!! Mit SO einer Reaktion hatte ich wirklich nicht gerechnet: über uns würde in der Tageszeitung berichtet werden!! WIE GEIL WAR DAS DENN BITTE???

Wir haben mit der Reporterin einen Termin ausgemacht an dem sie uns besuchen kommen würde. Vorher war bei uns Ausnahmezustand: Wohnung putzen, aufräumen…welche Klamotten ziehen wir an??? Müssen wir zum Friseur??? Ich schminkte mich sorgfältig…schließlich wollte die Reporterin Fotos machen und da die in die ZEITUNG kamen wollte man ja gut aussehen, nicht wahr!!

Wir waren aufgeregt ohne Ende!!! Okay: ICH war aufgeregt….meine Männer eher nicht so. LOL

Und dann klingelte es.  Ich öffnete und vor der Tür stand eine attraktive, junge Frau. Schon auf den ersten Blick war sie mir total sympathisch! Dieser Eindruck sollte sich im Laufe unserer „Zusammenarbeit“ noch bestätigen.

Das „Interview“ dauerte annähernd zwei Stunden, war aber ungezwungen. Ich erzählte ihr auch Dinge und sagte „Das möchte ich nicht erwähnt haben!“…und sie schrieb es nicht. Das baute ein großes Vertrauensverhältnis zwischen uns auf.

Sie fotografierte, zeigte uns die Bilder und ließ uns selbst aussuchen was wir in der Zeitung gedruckt sehen wollten – sehr sehr cool!!

Eine Aussage von ihr an diesem Nachmittag sollte unser komplettes Leben verändern – und das meine ich genauso wie ich es schreibe!!!
Sie fragte: „Gibt es schon ein Spendenkonto für Jonathan das wir erwähnen können?“..und wir sagten „Nein!“. Sie meinte wir sollten schleunigst eines eröffnen, es würden bestimmt Spenden erfolgen. Ich wiegelte noch ab und sagte das das nie unser Gedanke war: wir wollten einfach nur helfen mit unserem Blog. Die Reporterin schaute mich sehr intensiv an und fragte: „Haben Sie denn keine Träume für Ihren Sohn?“…und aus mir platzte es heraus: „Doch klar! Wir möchten reiten gehen weil die Orthopädin und die Physiotherapeutin sagen das wäre gut für ihn! Aber das ist zu teuer für uns!“…“Na, sehen Sie! Sie WERDEN reiten gehen!!“, kam von ihr zurück…ich schaute meinen Mann an und mein Kopf schwirrte.

Ich schwöre: bis zu diesem Moment hatten wir nie daran gedacht das unser Schritt in die Öffentlichkeit uns finanzielle Möglichkeiten für Jonathan eröffnen könnte die wir einfach nicht hatten…aktuell kann ich nicht arbeiten gehen, mein Mann ist Alleinverdiener. Wir haben zwei Kinder und ein Haus gekauft. Und…entgegen dem was Eltern gesunder Kinder vielleicht denken…kommt die Krankenkasse leider nicht in voller Höhe für alle notwendigen Therapien auf, so dass wir einiges selber zahlen müssen. Deswegen waren die Kosten einer Reittherapie einfach nicht drin.

Aber wenn die Reporterin so sicher war das wir ein Konto angeben sollten, dann wollten wir das auch machen. Einen Versuch war es wert, oder??? Also gingen wir in den folgenden Tagen zur Bank und eröffneten ein Konto, nur für Jonathan. Denn eins war mir von Anfang an wichtig: wir wollten „durchsichtig“ bleiben. Spenden für Jonathan: werden auch für Jonathan verwendet!! Dessen soll jeder sicher sein der uns unterstützt, also geht es für uns GAR NICHT das wir UNSERE Bankdaten angeben.

Ich teilte der Reporterin die Bankverbindung mit. Sie erklärte mir daraufhin das es über uns nicht nur EINEN, sondern ZWEI Zeitungsartikel geben würde!!! Einen der sich mehr mit dem Thema Blog beschäftigen sollte und einen der von Jonathan und seiner Krankheit erzählte. Wow!!! Gleich zwei Artikel auch noch!!! Und einer davon in der Samstagsausgabe….als sie uns allerdings sagte WANN die Artikel erscheinen würden war ich ein wenig traurig: GENAU in unserem Urlaub. Wir wären also an beiden Tagen nicht zu Hause und könnten uns die Zeitung nicht kaufen um uns druckfrisch selbst darin zu sehen…

Aber auch das war kein Problem: wir würden per Email eine PDF-Datei bekommen und könnten dann einfach dort hineinschauen. Prima!!

Bis dahin….vergingen aber noch fast zwei Wochen….

Und wieder Urlaub in Holland…
Eigentlich wollte ich in diesem Jahr keinen Sommerurlaub machen. Aus einem einzigen Grund: mein Elterngeld war zu Ende…wir hatten ein Haus gekauft. Ich hatte ein wenig Angst dass das Geld nicht reichen würde. Also hatten wir eigentlich geplant im Sommer zu Hause zu sein und den ein oder anderen Tagesausflug zu machen.

Doch dann erhielt mein Mann unverhoffter Weise eine Bonuszahlung. Und meinte direkt: „Komm, damit fahren wir DOCH in Urlaub! War doch schön in Holland letztes Jahr! Schau doch mal ob es noch ein Ferienhaus in dem Ort gibt!“ …also schaute ich nach. Und fand auch etwas: sehr nah am Strand und am Supermarkt. Wir waren im letzten Jahr auf unserem täglichen Weg zum Strand sogar immer an diesem Haus vorbeigekommen und erkannten es auf den Bildern. Die Lage war toll und der Preis…ok. Nicht billig…aber ok. Also buchten wir.

Als fest stand das wir nun doch für eine Woche ans Meer fahren würden habe ich mich gefreut…war ja doch irgendwie schön mal rauszukommen!

Wie das mit dem Packen bei uns so läuft: brauche ich nicht noch einmal zu erzählen, das war wie im Jahr zuvor! 8o)) Auch die Fahrt nach Holland verlief genau gleich…alles war prima und wir kamen relativ schnell am Urlaubsort an, fanden die Unterkunft sofort und luden das Auto aus. Der Schlüssel war für uns hinterlegt worden und so erkundeten wir allein unser neues Zuhause….

Ja….und hier hatten wir dann doch den GROSSEN Unterschied zum Vorjahresurlaub: damals waren wir in einer Luxusunterkunft gewesen, riesig und wunderschön eingerichtet. In diesem Jahr…nun ja…ich sage mal so: wir nannten unsere Ferienwohnung liebevoll „unsere Bruchbude“.

Türen hingen schief in den Angeln…der Fußboden (PVC) schlug Wellen (beim Staubsaugen hat mein Mann fast den kompletten Bodenbelag aus dem Wohnzimmer aufgesaugt weil er nicht festgeklebt war) …die Wände sahen teilweise feucht aus…in die Schränke im Schlafzimmer wollte man nicht hineinsehen: da bekam man Alpträume weil sie so dunkel und dreckig waren und man erwartete jeden Moment von einer Ratte oder schlimmerem angefallen zu werden. Das absolute Highlite aber war das Bad. Zum einen gab es hier kein Waschbecken, dafür war das Bad zu klein. Das Waschbecken befand sich im Elternschlafzimmer…ging Marvin also nachts aufs Klo, dann kam er anschließend zu uns um Hände zu waschen…..(und wenn der ein oder andere jetzt sagt: Hände waschen in der Küche!...keine gute Idee!!! Der Wasserhahn hier war SO LOCKER, den hatte ich mehr als einmal in der Hand beim Abspülen!)….der Clou am Bad war aber: zog man an der Klospülung….tanzte der Abfluss in der Dusche Samba! Und das meine ich wörtlich! Er kam aus seiner Verankerung und tanzte wild in der Dusche umher. Als ich das zum ersten Mal sah war ich fassungslos und starrte mit offenem Mund in die Dusche – mein erster Gedanke war wirklich das Ratten aus dem Abfluss hochkommen, doch dann habe ich gemerkt das es nur mit der Klospülung zusammenhing.

Mein Mann wollte ausziehen. Ich sagte ihm dass es doch gar nicht sooo schlimm sei, es ging BESTIMMT auch schlimmer.

Es ging schlimmer…..
Nachdem ich die erste Maschine Wäsche gewaschen hatte (wir hatten extra darauf geachtet das unsere Unterkunft Waschmöglichkeiten hatte um nicht soo viele Kleider mitnehmen zu müssen)..wäre ICH am liebsten ausgezogen!!! 40 Grad, Feinwäsche….dauerte…ACHTUNG:TROMMELWIRBEL!!!!....ungelogen fast 6 Stunden!!! In Worten: SECHS STUNDEN!!! Ich war wieder fassungslos….Wie KANN eine Maschine 6 Stunden brauchen um Feinwäsche zu waschen??? Keine Ahnung…..
Wer jetzt denkt das es nun aber wirklich NICHT schlimmer geht….doch: geht es! Sonntag Morgen….ich stand auf und wollte mir Kaffee machen…doch die Kaffeemaschine ging nicht an. Stecker drin? Ja….Wasser in der Maschine? Ja…komisch….die anderen Geräte in der Küche gehen auch nicht….im Wohnzimmer: ebenfalls kein Strom…und irgendwie: war es auch kalt oder nicht? Richtig: die Heizung war auch aus…und damit das warme Wasser! Prima!!! Und das am Sonntag.

Ich habe unserem Vermieter, den wir bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gesehen hatten, eine Email geschrieben und habe gebetet dass er sie schnell lesen möge. Hat er auch…und innerhalb von 30 Minuten war er da um nachzusehen was los war. Gemeinsam und mit englisch/deutscher Verständigung hatten wir den Fehler bald gefunden: unser Boiler hatte sich abgeschaltet…warum auch immer. Vielleicht hatte er auch einfach keinen Bock mehr auf diese Bruchbude.

Aber ein Gutes hatte dieser Urlaub: wir können heute noch lustige Geschichten davon erzählen!! 8o)

Naja, und es war nicht alles NUR schlecht!!!

Wir hatten einen tollen Tag im Amsterdamer Zoo. Wir haben endlich die Rennstrecke gefunden und gesehen!! Die Kellner in unserem Lieblingslokal am Strand haben uns wiedererkannt und sogar noch mit Namen ansprechen können. Wir hatten insgesamt schon recht schöne Tage hier, das Wetter hat diesmal allerdings nicht mitgespielt….

Ein paar Tage bevor unser Urlaub zu Ende war erschien der erste Zeitungsartikel. Ich bin morgens schon im Morgengrauen aus dem Bett gestiegen und habe meine Emails gecheckt: die Reporterin hatte mir geschrieben das ich direkt im Online-Portal der Zeitung schauen könnte. Was ich auch umgehend gemacht habe.
Und da waren wir!!! Mit Foto und langem Text und fetter Überschrift:

      „Mutter schreibt Blog über ihren schwerbehinderten Sohn
                Jonathan soll nicht vergebens leben“

Wow!!! Ich hatte erstmal Tränen in den Augen. Überhaupt war der ganze Text so toll geschrieben. So einfühlsam. So liebevoll. So wahr, aber ohne auf die Tränendrüse zu drücken.

Und dann kamen auch schon die ersten SMSen von Freunden und Bekannten. Die Klickzahlen für meinen Blog gingen nach oben. Nachrichten über das Kontaktformular erreichten uns. ...was für eine Resonanz! Hätte ich NIE gedacht….

Wir genossen die restlichen Urlaubstage. Am letzten Tag den wir in Holland verbrachten erschien der zweite Artikel über uns:

                        „Jonathan ist ein Geschenk“

Das Foto dazu war seitenfüllend groß und obwohl wir es selbst ausgesucht hatten liefen mir die Tränen als ich es sah, als ich es mit den Augen eines „Fremden“ zu sehen versuchte der heute die Zeitung aufblätterte: Marvin und Jonathan beim Schmusen.

Auch dieser Artikel war unfassbar schön geschrieben. Unser Kinderarzt war interviewt worden und hatte auf unseren Wunsch hin zur medizinischen Seite dieser Krankheit Stellung genommen. Und auch Jonathans Kontonummer war abgedruckt worden – allerdings nur in der Papierausgabe, im Onlineartikel erschien sie nicht.

Das fand ich aber überhaupt nicht schlimm!! Ich sagte an diesem Tag noch zu meinem Mann: „Naja, wenn wir so 200€ bekommen – dann freue ich mich schon riesig!! Davon können wir vielleicht nicht dauerhaft reiten gehen, aber ein paar neue Musikinstrumente für Joni wären drin und ein paar Physiomatten für unsere Übungen!“ ….zu diesem Zeitpunkt hatte ich wirklich ÜBERHAUPT keine Ahnung WAS ALLES noch auf uns zukommen würde…. 

Unser Urlaub war nun vorbei und wir machten uns auf den Heimweg…gut gelaunt und irgendwie auch…naja: ein bisschen stolz!! Man erlebt es schließlich nicht alle Tage dass man zwei seitenfüllende Zeitungsartikel über sich selber lesen kann.

Ich war echt SEHR GESPANNT wie es mit meinem Blog weitergehen würde…ob sich jetzt noch mehr Menschen bei mir meldeten und mir Feedback gaben??? Würde JETZT vielleicht negatives Feedback dabei sein, jetzt wo die Zeitung meinen Blog bekannter gemacht hatte und ihn mehr Menschen lesen würden??


Was an diesem Tag auf dem Heimweg noch passierte…damit hatte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet…..




Ein Fernsehbericht???
Als wir unterwegs auf einen Rastplatz fuhren um Pause zu machen hatte mein Mann eine Email vom Kontaktformular des Blogs…..er schaute rein und sagte nur: „ÄÄÄÄÄÄHHHHH, FRAU…..das solltest Du UNBEDINGT sofort lesen!“, und reichte mir sein Handy. Ich habe es zweimal gelesen und dann nur: „ÄÄÄÄÄÄHHH, ist das ein SCHERZ???“ gesagt…..in der Email stand:

„Liebe Frau Braunsdorf-Kremer,
ich arbeite beim Hessischen Rundfunk und habe von Ihrer Geschichte gelesen, die mich sehr berührt hat. Wir möchten gerne mit Ihnen einen Bericht machen fürs Fernsehen.“
Natürlich waren auch die Kontaktdaten angegeben, die Dame kam aus der Redaktion MAINTOWER.

Am liebsten hätte ich SOFORT zurückgerufen!!! Aber mein Mann mahnte mich zur Geduld. Ich solle das erstmal sacken lassen und darüber nachdenken was ein Bericht im Fernsehen überhaupt für uns bedeuten würde: WOLLTEN wir das???

Einen Blog im Internet und Zeitungsartikel zu haben war die eine Sache, aber WOLLTEN wir wirklich ins FERNSEHEN??? Zwar „nur“ regionales Fernsehen, aber trotzdem Fernsehen.

Okay…mein Mann hatte ja irgendwie Recht! Erstmal drüber nachdenken. Zurückrufen könnte ich morgen ja immer noch und bis dahin könnte der Familienrat tagen und sich überlegen was wir machen wollten.
(Denn: solche Entscheidungen werden bei uns NICHT ohne Marvin getroffen. Er ist Teil dieser Familie und auch er muss hinter den Schritten in die Öffentlichkeit stehen und die Art dieser Schritte gut finden! Auch er wird mit den Auswirkungen konfrontiert: in Schule und Vereinen.)

Also redeten wir abends, wieder zu Hause, beim Abendbrot darüber. Generell fanden wir die Idee ins Fernsehen zu gehen gut: mein Blog würde mehr Aufmerksamkeit bekommen und vielleicht noch mehr Menschen helfen. Auch Jonathans Krankheit würde bekannter werden, und wer weiß: vielleicht gab es ja doch noch ein paar weitere –bisher nicht diagnostizierte- Fälle von MOPD 1 in Deutschland und wir könnten Ärzte und Eltern auf die richtige Diagnose bringen???

Aber….es gab Dinge die wir NICHT mitmachen würden. Welche, sind an dieser Stelle hier unwichtig. (Ich kann nur sagen: bis jetzt haben wir NICHTS gemacht hinter dem wir nicht alle zu 100% stehen würden – und das soll auch so bleiben!)

Am nächsten Tag telefonierte ich mit der Dame von Maintower und hörte mir an was sie zu sagen hatte: wie der Beitrag gestaltet und was gezeigt werden sollte…was einfach die „Botschaft“ des Beitrages wäre…

Was sie sagte gefiel mir grundsätzlich. Aber ich war skeptisch weil sie mir sagte dass ich nicht die Möglichkeit hätte den Beitrag schon vor der Ausstrahlung zu sehen. Ich würde ihn genau wie alle anderen Zuschauer erst im Fernsehen anschauen können….

…ich habe ein behindertes Kind. Ich möchte nicht das Jonathan im Fernsehen „blamiert“ oder in peinlichen Situationen gezeigt wird. Am wenigsten möchte ich das seine seltene Krankheit ausgeschlachtet wird nur für fette Schlagzeilen oder hohe Zuschauerzahlen….

Es gehörte also ein wenig Vertrauen in die Redakteurin dazu. Ich musste ihr vertrauen dass sie den Bericht in unserem Sinne drehen würde. Dieses Vertrauen hatte ich nach dem ersten Telefonat noch nicht…..nicht so ganz. Sie war mir sympathisch, aber ich war skeptisch.

Doch einen Drehtermin zu finden war für uns sowieso nicht so leicht. Auf der einen Seite waren unsere Termine mit den Therapien…auf der anderen Seite waren ihre Termine mit anderen Drehs und sie hatte noch mal Urlaub. Es stellte sich also heraus dass wir uns erst in 5 Wochen zum Drehen treffen könnten. Scheinbar merkte sie auch dass ich noch nicht vollkommen überzeugt von der ganzen Angelegenheit war und deswegen vereinbarten wir in den kommenden Wochen wieder zu telefonieren und weitere Details zu besprechen. Bei Fragen könne ich mich auch jederzeit bei ihr melden, sagte sie.

Nun ja…das war schon alles ziemlich aufregend!!!

Und kaum war das alles geklärt, ging es direkt aufregend weiter! Mein Mann hatte schon wieder eine Email über unser Kontaktformular im Blog:

„Hallo Familie Kremer,
hallo Jonathan!
Wir, der Dartclub Babylon xx, haben in der Zeitung euren Bericht gelesen. Dieser ist uns sehr nahe gegangen und wir haben beschlossen euch ein wenig zu unterstützen. Unser erstes Benefiz-Dartturnier möchten wir gerne Jonathan widmen.“

Wow!!! Ein Benefizevent!! Für Jonathan!! Und dann auch noch DARTS!! Ich LIEBE Darts!! Ich war total aufgeregt…..ehrlich: in diesen Tagen ging mein Puls gar nicht mehr RUNTER!!! Es kam ja wirklich eine Aufregung nach der nächsten….

Ich habe dem Herrn geantwortet und diese Nachrichten, die wir damals ausgetauscht haben, waren der Beginn einer Freundschaft….KANN ICH SO SAGEN MEIN LIEBER, ODER??? 8o)))

In den kommenden Wochen tauschten wir weitere Nachrichten und SMSen aus, wir telefonierten auch oft. Irgendwann kam die Idee auf, beim Dartturnier auch eine Tombola zu veranstalten…

Wir besprachen so viel: wie sollten Flyer und Plakate aussehen??? Wo würden die aufgehängt/ausgelegt werden??? (Wo war ich unterwegs und wo er und seine Vereinskollegen: so teilten wir die Arbeit auf)....welche Unterstützung bekamen wir bei der Werbung für das Turnier durch Online-Plattformen???... wen könnten wir um Preise für die Tombola bitten???

…es war ein sehr intensive Zeit- für den Dartclub mehr als für uns, keine Frage!! Dieser Club hängte sich DERMASSEN ins Zeug!!! Für uns, für Menschen die keiner von ihnen vor dem Zeitungsartikel jemals gesehen hatte. Diese Nächstenliebe ist für uns bis heute UNFASSBAR…

...hört sich theatralisch an: aber diese Geste hat mir ein bisschen den Glauben an die Menschheit wiedergegeben! Nicht jedem dort draußen sind seine Mitmenschen egal….WIRKLICH: nicht jedem!!!

Und dieses Wissen, das Menschen die uns nicht kennen, helfen möchten…sich voll ins Zeug legen für unseren Jungen…das machte diese Zeit für UNS so intensiv…schön…und echt aufregend…ich habe mich mittlerweile so oft bei diesem Dartclub bedankt und habe trotzdem immer wenn wir uns sehen das Gefühl das ich DANKE sagen möchte…

Bis das Dartturnier stattfinden sollte waren es aber noch ein paar Wochen. Wer jetzt denkt das Ruhe in unserem Leben herrschte in dieser Zeit…weit gefehlt!! 8o)))

Denn schon stand das nächste „Benefizevent“ an!! Diesmal hatte sich der Sportverein aus unserem Ort gemeldet. Mein Vater war hier viele Jahre als 1.Vorsitzender tätig, man kannte uns. Und so hatte der Verein sich überlegt dass er einen Teil der Einnahmen des bevorstehenden Pokalspiels an uns spenden würde. Und das Spiel würde schon in wenigen Tagen stattfinden…KRASS!!

Mein Mann und ich haben damals etwas beschlossen und das haben wir auch bis heute eingehalten/einhalten können:
Wenn Benefizevents für Jonathan durchgeführt werden und es die Uhrzeit sowie die räumlichen Gegebenheiten erlauben, ist Jonathan selbst anwesend. Ist das nicht möglich, ist zumindest einer von uns anwesend und steht für Fragen zur Verfügung und (für uns SEHR WICHTIG!) zeigt RESPEKT für die Arbeit die man sich für uns gemacht hat.

Also sagten wir dem Sportverein dass wir alle anwesend sein würden. Man fragte mich ob ich mit aufs Feld kommen würde um ein paar Worte zu sagen: zu erklären was Jonathan für eine Krankheit hat und wofür wir das Geld benötigten.

…ich bin nie um Worte verlegen und habe in meiner Firma auch Schulungen gehalten…aber das konnte ich dann doch nicht! Es wurden mehr als 300 Zuschauer erwartet, ich traute mich einfach nicht – aus Angst dass ich dort stehen und in Tränen ausbrechen könnte.

War aber kein Problem, ein Mitglied des Vereins sagte ein paar Worte und wies darauf hin das wir am Spielfeldrand für alle Fragen zur Verfügung standen.

Die meisten Menschen die bei diesem Spiel anwesend waren kannten uns ja sowieso und viele Fragen wurden uns auch nicht gestellt. Aber es kamen einige Leute zu uns die einfach mal sagen wollten, dass sie unsere Art mit Jonathans Gendefekt umzugehen sehr gut fanden!! Dass sie den Schritt in die Öffentlichkeit richtig und wichtig fanden. Und an diesem Nachmittag wurde uns zum ersten Mal bewusst das wir durch die Zeitungsartikel Berührungsängste abgebaut hatten!!!

Natürlich sah man uns im Ort spazieren gehen oder traf uns auf der Kirmes. Und sicherlich hatte fast jeder mittlerweile mitbekommen das Jonathan nicht gesund war. Aber viele hatten bis zum Erscheinen des Zeitungsartikels trotzdem nicht gewusst wie sie mit uns umgehen sollten: konnte man uns ansprechen und uns Fragen stellen? Oder würden wir das blöd finden?? Wollten wir dazu keine Auskunft geben?? Aber jetzt….waren wir an die Öffentlichkeit gegangen und hatten dort offen und ehrlich über alles geredet. Nun wusste jeder: es ist ok mit uns über Jonathan zu sprechen! Und das erleichterte die Menschen. Von dieser Seite hatte ich das alles noch nie betrachtet. Und ich freute mich umso mehr dass wir den richtigen Schritt gegangen zu sein schienen und dass es einen weiteren positiven Nebeneffekt gegeben hatte!!

Dieser Nachmittag war wirklich überwaltigend…..
Zum einen die grade geschilderten Reaktionen und Aussagen der Anwesenden.
Zum anderen gab es auch noch einen Stand an dem Tshirts zu unseren Gunsten verkauft wurden. Die beiden Damen die den Stand betreuten hatten sich ganz viel Arbeit gemacht: Bilder und Texte aus meinem Blog ausgedruckt um den Menschen zu zeigen wer Jonathan überhaupt war, und sie hatten eine Spendendose selber gebastelt.
Außerdem MUSSTEN wir alle vier mit aufs Feld: für ein Mannschaftsfoto mit beiden Mannschaften!! Mir wurde später zugetragen dass der GEGNER sich geweigert hat das Spiel zu beginnen bevor nicht ein Foto mit uns gemacht worden sei.

Mein Mann ist relativ früh mit Jonathan nach Hause aufgebrochen, er brauchte Medikamente und Essen.

Ich bin noch mit meinem Vater vor Ort geblieben, habe nach dem Spiel noch mit den Mannschaften gesprochen und….bekam schon die ersten Spenden überreicht. Unsere Mannschaft hatte in der Kabine die „Spendendose“ herumgehen lassen. Die gegnerische Mannschaft überreichte einen Umschlag. Einzelpersonen kamen zu mir und drückten mir Umschläge oder manchmal auch einfach einzelne Scheine in die Hand. Überwältigend….das ist wirklich das Wort das diesen Tag am ehesten beschreibt….

Mein Mann und ich bekamen an diesem Abend das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht. Keiner…wirklich keiner!...der sowas nicht schon einmal selbst erlebt hat kann sich vorstellen, wie es sich angefühlt hat das „fremde Menschen“ sich so für Jonathan einsetzten und versuchten uns auf unserem nicht so einfachen Weg zu begleiten.

Wir waren „geflashed“….wie im Traum, denn: an diesem Tag ist eine vierstellige Summe für uns zusammengekommen!!!

Auch auf Jonathans Konto gingen nach Veröffentlichung der Zeitungsberichte schon die ersten Gelder ein: Privatpersonen und ein Verein hatten uns sehr großzügig bedacht….wir hatten das nie erwartet und waren einfach nur DANKBAR!!!


Und somit konnte ich mich nun an den Computer setzen und eine Reittherapiestätte in unserer Nähe suchen. DENN…unser Traum konnte nun wahr werden! Jonathan würde beginnen zu reiten….so unfassbar schön!


Wir gehen auch mit Facebook online
Die Veranstaltung unseres Fußballvereins…die Spendenbereitschaft der Leute…das alles hat uns so wahnsinnig berührt und DANKBAR gemacht. Wir haben natürlich allen gedankt die wir getroffen haben….aber bei vielen war das nicht möglich weil wir ihnen nie begegnet sind. Und das hat mich beschäftigt: denn ich bin dazu erzogen worden DANKE zu sagen. Das ich das nun nicht bei ALLEN Leuten tun konnte, lag mir wie ein Stein im Magen.

Deswegen, und NUR deswegen!, habe ich die Entscheidung getroffen eine Facebook-Seite für Jonathan zu erstellen. Um auch den Menschen danken zu können bei denen ich es auf anderem Weg nicht konnte. In der heutigen Zeit ist wohl nichts geeigneter um viele Menschen zu erreichen als die sozialen Netzwerke!

Also hat sich mein Mann wieder einmal an den Computer gesetzt und begonnen für mich eine Seite zu erstellen. Es hat zwar nicht ganz so lange gedauert wie das Erstellen der Blog-Seite, denn diesmal hatten wir schon Fotos die wir verwenden konnten. Aber trotzdem war es nicht an einem Abend erledigt!! Denn ich wollte die Texte die ich bei „Info“ hinterlegen konnte gut formulieren, wollte die Sicherheitseinstellungen der Seite genauestens anschauen und musste die Beteiligten des Fußballspiels erst fragen ob ich ihre Fotos einstellen durfte.

Außerdem wollte ich der „Seitenadministrator“ werden und dazu: benötigte ich selbst auch eine Facebook-Seite, die ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht hatte. Diese musste auch erst erstellt werden.

Aber nach zwei Tagen: sind wir auch mit unserer eigenen Jonathan-Facebook-Seite online gegangen…8o)))

Wir dankten dem Sportverein und posteten Fotos der Veranstaltung. Zu diesem Zeitpunkt war ich davon überzeugt dass ich die Seite nur dazu verwenden würde von Benefizevents zu berichten und Fotos davon zu posten um DANKE zu sagen.

Doch nach einigen Tagen hatten wir schon über 500 Abonnenten!! Und wir bekamen Nachrichten dass es wunderschön sei den kleinen Jonathan nun auch bei Facebook sehen zu können und auf diese Weise an unserem Leben teilhaben zu dürfen.

Und da erst habe ich realisiert das diese Seite viel mehr sein würde als nur eine Plattform um anderen zu danken!! Diese Seite würde das Fenster sein durch das alle Menschen dort draußen in unser Leben schauen könnten. Ein unschätzbares Geschenk!! Wir würden in der Lage sein bei noch mehr Menschen Berührungsängste abzubauen und ihnen Mut zuzusprechen, Jonathans Krankheit bekannter zu machen und vielleicht auch in ferner Zukunft die Forschung etwas anzukurbeln?

Deswegen begann ich aus unserem Alltag zu posten.

Doch wie auch schon bei meinem Blog gab und gibt es bis heute Dinge die mir wichtig sind:
-niemand wird gepostet wenn er das nicht will
-unsere Kinder werden nicht in beschämenden Situationen gezeigt
-alle Fotos werden genauestens ausgesucht und zur Not werden die
-Fotos bearbeitet um z.B. keine Rückschlüsse auf unseren Aufenthaltsort      und/oder andere anwesende Personen zuzulassen
-wir sind absolut ehrlich und spielen niemandem etwas vor: alles was wir posten entspricht der Wahrheit
-niemand wird auf unserer Facebook-Seite in Verlegenheit gebracht
-wir posten NICHT unsere Adresse oder unsere Kontaktdaten im Internet

An diesen Punkten halte ich eisern fest.

Ich möchte das unsere Seite den Menschen dort draußen Freude macht… ihnen hilft und/oder Mut macht wenn sie selber in schwierigen Lebenssituationen stecken….unsere „Follower“ sollen an unserem Leben teilhaben so wie es ist: mit Höhen - und auch mit Tiefen… sie sollen unsere Freude sehen im Leben mit Jonathan – aber auch die Herausforderungen und Ängste die dieses Leben mit sich bringt.

Das was auf Facebook seit damals von uns zu sehen und zu lesen ist: das sind wirklich wir, das entspricht unseren Charakteren und unserem Leben. Und alle die uns persönlich kennen werden das bestätigen können. 8o)))

Aber nun bin ich ein wenig abgeschweift – mal wieder….

Dabei stand bald ein aufregender Termin für uns an: die Dreharbeiten für den Hessischen Rundfunk würden in wenigen Tagen stattfinden. 


Dreh mit dem Hessischen Rundfunk
Wenn ich sagen würde das ich aufgeregt wegen dem Dreh war…dann wäre das glatt UNTERTRIEBEN!!!

…schon eine Woche vorher betete ich: „Hoffentlich bekomme ich keinen Pickel!“
…die Fenster wurden geputzt: wie würde das denn bitte aussehen wenn man unseren Bericht im FERNSEHEN sehen und denken würde die Dreharbeiten hätten bei Nacht stattgefunden??? Und dabei kam nur kein Sonnenlicht mehr durch die Scheiben….
…ich machte einen „Nottermin“ bei meiner Friseurin aus, die zum Glück alles möglich machte damit ich vor den Dreharbeiten noch mal kommen konnte.
…was ziehe ich nur an??? Ich hatte NICHTS anzuziehen!! (Kennt ihr das? LOL)

Mein Mann hatte zum Glück bezüglich des Kleiderproblems ein Einsehen und schickte mich in die Stadt zum Einkaufen….

Ich habe Marvin mitgenommen damit er auf Jonathan aufpassen könnte wenn ich in der Umkleidekabine beschäftigt wäre. Und dann ist uns so etwas lustiges passiert…..

Wir waren im Geschäft, ich habe mich von der Verkäuferin beraten lassen und bin dann mit den Sachen in der Kabine verschwunden. Marvin stand mit Jonathan (im Wagen) davor. Und auf einmal höre ich eine Frau sagen: „Ach, ist das nicht das Baby das in der Zeitung war????“…und Marvin sagt: „Ja, das stimmt.“….ich war grade fertig, öffnete den Vorhang und sagte: „Und hier ist auch die Mama dazu!“.

Die Frau war ganz angetan davon uns zu treffen und hat einige Fragen gestellt. Dann kam die Verkäuferin dazu, die von dem Gespräch nichts mitbekommen hatte, sah Jonathan an und fragte mich wie alt er sei. Und dann….LOL…bevor ICH etwas sagen konnte!! Sagte die andere Frau: „Das ist der Jonathan, er ist zwei und hat einen seltenen Gendefekt! Haben Sie das denn NICHT in der Zeitung gelesen?!“……ich musste so lachen!! Es war DAS ERSTE MAL das mal nicht ICH Stellung nehmen musste zu den Fragen. Wir waren schon so bekannt dass man ÜBER UNS Auskunft gab. 8o)))

Die Verkäuferin war auf jeden Fall verdutzt und meinte: „Sie waren wirklich in der Zeitung?“, das habe ich bestätigt und dann beide Damen sprachlos gemacht als ich erklärte das ich grade für einen Fernsehdreh einkaufte.

Nun ja…eine lustige Geschichte an die ich wirklich gerne zurückdenke!! Es war DAS ERSTE MAL das wir erkannt wurden. Seitdem ist das noch öfter passiert…..und ich muss sagen: das ist für uns SEHR ANGENEHM!!! Es geht nicht darum im Mittelpunkt zu stehen (das tun wir sowieso immer, egal wohin wir mit Jonathan gehen – einfach weil er auffällt). Es geht darum das wir nun seltener „dumme Blicke“ ertragen müssen oder „dumm angesprochen“ werden. Denn die Leute erkennen uns, wissen um Jonathans Krankheit und gehen nun ganz anders mit uns um.

Es ist doch sehr viel schöner von Fremden mit einem „Hallo Jonathan!“ begrüßt zu werden als mit einem „Wieso ist er denn so klein? Was hat er denn für eine Krankheit? Wird er noch größer?“…oder schlimmeren Kommentaren.

Gut gelaunt nach dieser schönen Begegnung und mit einer gut gefüllten Kleidertüte sind wir wieder nach Hause gefahren.

Und dann kam der Morgen des Fernsehdrehs. Unser Familienleben sollte gezeigt werden: eine gemeinsame Mahlzeit, unser Alltag mit Therapieterminen, aber auch wie wir mit Jonathan spielen, Medikamentengaben….durch die Telefonate mit der Redakteurin war ich relativ gut auf das vorbereitet was gedreht werden sollte.

Marvin hatte noch Ferien, mein Mann einen halben Tag Urlaub genommen und unsere Physiotherapeutin öffnete nur für uns heute ihre Praxis: denn eigentlich hatte sie in dieser Woche Urlaub.

Alles war geklärt und alle Beteiligten gut vorbereitet..und ich machte mir fast in die Hose vor Angst. Ich weiß nicht wie viele Male ich an diesem Morgen ins Bad gerannt bin, mein Magen rebellierte. Wir würden tatsächlich gleich für´s FERNSEHEN gefilmt werden! Unfassbar!

Und dann parkte ein Auto vor dem Haus. Das erste was wir nach einem Blick aus dem Fenster sagten: „Das Auto hat ja gar kein HR-LOGO drauf!“…dabei wollten wir doch so gerne die Nachbarn beeindrucken!! LOL

(…das ist uns aber trotzdem gelungen, denn was die dreiköpfige Crew an Equipment auslud, blieb unseren Nachbarn nicht verborgen! Mehrfach mussten sie laufen um Lichtgiraffen, Schirme, Kameras und Mikrofone aus dem Auto zu holen.)

Und dann standen die Redakteurin und ich uns das erste Mal gegenüber. Sie sah ganz anders aus als ich erwartet hatte: blond, schlank, hübsch…und sehr viel jünger als ich nach den Telefonaten geglaubt hatte. Ich war also bezüglich der Optik schon mal positiv beeindruckt.

Mit ihr zu reden war vertraut, wir hatten bis zu diesem Tag schon einige Male telefoniert. Meine Aufregung blieb allerdings und das sagte ich ihr auch. Aber sie winkte nur ab und meinte dass ich mich beruhigen könne: der Dreh werde ganz familiär und es gebe nichts weswegen wir aufgeregt sein müssten. Wenn wir etwas sagten was wir danach blöd fanden sollten wir einfach Bescheid sagen, dann würde noch mal gedreht werden – kein Thema.

Und dann begann der Drehtag….

Wir wurden beim Frühstück gefilmt. Ich hätte mir nicht vorstellen können vor der Kamera etwas zu essen, also fütterte ich Jonathan. Was nicht immer einfach ist, weil er sich oftmals in seinem Stuhl windet und schreit. Und aus Angst das er das wieder tun könnte und DAS wenn die Kamera lief…fing ich fürchterlich an zu schwitzen!!! (Wer sich den fertigen Bericht auf YouTube anschaut sieht in dieser Szene wie meine Nase trotz Puder glänzt!)

Aber ganz ehrlich…trotz der Aufregung und des Schwitzens…nach einigen Minuten fängt man an sich zu entspannen. Man vergisst die Kamera zwar nicht, aber man „wird wieder man selbst“ und versucht nicht besonders toll auszusehen oder besonders tolle Sachen zu sagen. Also jedenfalls war das bei uns so.

Und das war auch gut, denn uns war es wichtig bei diesem Dreh das wir so gezeigt wurden wie wir sind, wir wollten authentisch sein und keine Rolle spielen.

Nach dem Frühstück wurde Jonathan beim Spielen gefilmt. Was sich recht schwierig gestaltete denn der kleine Mann hatte großen Gefallen an den Lichtgiraffen gefunden und krabbelte immer wieder dorthin um an den Ständern zu wackeln. Der Kameramann hatte kein ganz so leichtes Spiel….LOL

Was ich persönlich bei der Zusammenarbeit mit unserer Redakteurin am meisten schätze, ist die Tatsache das sie versucht sich in unser Leben einzupassen – und nicht umgekehrt. Schon im Vorfeld hatten wir am Telefon besprochen um welche Uhrzeiten Jonathan Essen, Trinken oder Medikamente bekommt. Und sie hatte einen Plan entwickelt wann was gefilmt würde: um Jonathan so wenig wie möglich in seinem normalen Ablauf zu stören. Wenn die Zeit gekommen war das er etwas trinken musste, gab es eben Einzelinterviews mit den anderen Familienmitgliedern.

Mir hat es imponiert das so viel Rücksicht auf Jonathan genommen wurde. Dieses Vorgehen hat natürlich auch dazu beigetragen das er und der Rest der Familie entspannt waren und DAS wiederum führte zu guten Aufnahmen!

Gemeinsam mit dem Fernsehteam bin ich zu unserer Physiotherapeutin gefahren. Marvin und mein Mann blieben zu Hause. Warum? Weil der Bericht unser Leben genauso schildern sollte wie es ist und da mein Mann arbeitet und Marvin zur Schule geht: nehme ich Therapietermine allein wahr.

Ich sollte mit meinem Auto fahren und das Team mit dem eigenen Auto folgen. Bevor es aber losgehen konnte sollte noch in unserem Hof gedreht werden wie ich mit Jonathan ins Auto einsteige. Also: ich raus in den Hof, Auto auf, Kind rein, anschnallen, Tür zu und selbst einsteigen, losfahren. Und STOP!
Jetzt das Ganze nochmal und nun stand der Kameramann an einer anderen Stelle. (Das wird gemacht damit man im Bericht verschiedene Einstellungen derselben Sequenz zusammenschneiden kann.)
Und noch ein drittes Mal: diesmal saß der Kameramann auf dem Fahrersitz in meinem Auto und filmte mich beim Anschnallen von Jonathan. Und da merkte ich dass ich meine Handtasche nicht umgelegt hatte wie bei den beiden Malen vorher. Also STOP! Und nochmal…lach…
(Fernsehdrehs sind gar nicht so spektakulär wie man denkt, sie sind anstrengend! Weil man oftmals dasselbe immer wieder machen muss damit verschiedene Perspektiven gefilmt werden.)

Während wir also alle im Hof hin und herliefen und filmten kam eine Nachbarin in ihrem Auto vorbei und ich sah aus dem Augenwinkel wie sie ganz verdutzt zu uns rüber schaute. 8o)) Ich musste schon ein wenig schmunzeln als ich mir vorstellte wie diese Szene auf jemanden wirken musste der keine Ahnung hatte was hier passierte.

Endlich waren aber alle Bilder im Kasten und wir fuhren zur Physiotherapie. Die Therapeutin war so dermaßen aufgeregt, ein reines Nervenbündel. Da war ich am Morgen ja gar nichts dagegen gewesen!

Da ich aber nach einigen Stunden Dreh schon voll der Profi war…lach…habe ich versucht  sie zu beruhigen und ihr zu erklären das das alles gar nicht schlimm ist. Hatte nur mäßigen Erfolg. Wir starteten trotzdem mit dem Dreh.

Und nach einigen Minuten tat unsere Redakteurin etwas was mich einerseits erneut beeindruckte und andererseits mein Vertrauen in sie stärkte: es wurde gefilmt wie ich mich über Jonathan beuge der auf dem Boden liegt. Da sagte sie plötzlich: „STOP!! Ihr Ausschnitt war grade etwas zu tief, das drehen wir noch mal!“

…ich kann mich auf sie verlassen. Sie blamiert weder mich, noch mein Kind. Ab diesem Moment war ich VOLLKOMMEN entspannt. Beruhigt. Und nun vollends davon überzeugt die richtige Entscheidung mit diesem Dreh getroffen zu haben!!


Nach der Physiotherapie wurden noch einige Sequenzen bei uns zu Hause gedreht. Gegen 14 Uhr war der Dreh beendet, das Drehteam packte sein Equipment wieder zusammen…….. 



Unser Drehtag hatte über 6 Stunden gedauert. Ich war platt. Die Interviews waren für mich sehr kräftezehrend gewesen weil ich mich mit vielen Themen/Punkten auseinandersetzen und dazu Stellung nehmen musste die einfach sehr belastend für mich sind.

Bei wem von Müdigkeit oder Erschöpfung nichts zu merken war: war Jonathan. Wir hatten den Eindruck dass IHM der Drehtag sehr gut gefallen hatte – er hatte regelrecht mit der Kamera geschäkert und gespielt. Der kleine Mann liebt es schon sehr wenn er im Mittelpunkt steht!! 8o)))

Wann der Bericht ausgestrahlt werden würde stand noch nicht fest: das Material musste gesichtet, geschnitten und mit einem „Kommentator vertont“ werden. Die Info über den Ausstrahlungstermin bekämen wir aber rechtzeitig.

Es hat circa zwei Wochen gedauert und dann bekamen wir einen Anruf: am heutigen Abend würde unser Bericht ausgestrahlt werden.

AUFREGUNG!!!
..Familie und Freunde informieren….bei Facebook einen Hinweis posten…eine Aufnahme am Fernseher programmieren damit wir den Bericht häufiger anschauen könnten..UND: eine Flasche Sekt kaltstellen!! Den würden wir uns zur Feier des Tages genehmigen.

Nun hieß es abwarten. Ich hasse warten. Ich bin ungeduldig – schon immer und von Natur aus. Habe ich von meinem Vater. LOL

Aber auch dieser Tag ging irgendwie vorbei und der Beginn der Sendung „Maintower“ rückte näher. Wir platzierten uns vor dem Fernseher und schossen noch schnell ein Selfie: für unsere Redakteurin, um ihr zu zeigen wie wir die Ausstrahlung des gemeinsamen Berichts zelebrierten.

Dann ging es los. Die Titelmelodie war zu hören und die Vorschau der Sendung begann. Und da war Jonathan!!!! Verrückt…..

Schon die Worte der Moderatorin in der Vorschau „Jonathan aus Hadamar ist kleinwüchsig. Wie seine Familie diese besondere Herausforderung meistert!“ trieben mir direkt Tränen in die Augen. Für mich war es schon immer sehr ergreifend zu hören wie andere Menschen -mit objektivem Blick- unser Leben beurteilen, wie sie es sehen.

In solchen Momenten wie dem als die Moderatorin davon spricht dass unser Leben eine „Herausforderung“ ist, wird mir SO SEHR bewusst wie ANDERS bei uns alles ist. ANDERS nicht nur im positiven Sinn. Das tägliche Leben mit Jonathan ist ein Kampf…ein Kampf an vielen Fronten: in erster Linie ein Kampf gegen die Angst wegen seiner frühen Sterblichkeit. Aber auch ein Kampf um jeden Erfolg, jeden Fortschritt des kleinen Mannes. Ein Kampf um unser Familienleben – und um unsere Ehe, die durch die großen Einschränkungen in unserer Freizeitgestaltung zu zweit leidet.

Dazu kommt noch das ich auch immer sehr nah am Wasser gebaut bin wenn Menschen uns Komplimente darüber machen wie gut wir unsere Situation meistern – damit kann ich überhaupt nicht umgehen, um ehrlich zu sein. Denn wir haben ja keine Wahl, oder??? Jonathan ist da, er lebt und er hat Freude am Leben. ER kämpft. Was bleibt UNS denn dann anderes übrig als diesen Weg mit ihm zu gehen und ihn für Jonathan so angenehm wie möglich zu gestalten??? Für mich ist das, was wir tun und wie wir es tun einfach selbstverständlich. Und wenn ich dafür Komplimente erhalte dann weiß ich nicht wie ich darauf reagieren soll….

Während wir also den Bericht schauten vergoss ich aus diesen Gründen einige Tränen. (Was ich übrigens bis heute immer wieder tue wenn ich den Bericht ansehe!)

Es war aber auch wirklich ein wundervoller Beitrag geworden. Er zeigte unser Familienleben genauso wie es war. Die Krankheit und die Herausforderungen des Alltags wurden geschildert, aber es wurde nicht auf die Tränendrüse gedrückt. Wir waren alle begeistert.

Marvin allerdings war noch von einer anderen Tatsache als nur dem Bericht begeistert…nachdem wir „uns“ zu Ende angeschaut hatten sagte er total trocken: „Auf unserem Fernseher ist Jonathan größer als in echt!“…lol…


Ein ganz besonderer Geburtstag…
Zwei Wochen nach Ausstrahlung unseres Berichts bei Maintower feierten wir Geburtstag. Und zwar einen ganz besonderen Geburtstag: mein Opa wurde 100!!!!
Und das war noch nicht alles: mein Mann hat am gleichen Tag wie mein Opa Geburtstag, er wurde 39 (schade eigentlich das er nicht 40 wurde, das wäre irgendwie cooler gewesen).

Normalerweise unternehmen wir an unseren Geburtstagen immer etwas was dem Geburtstagskind Spaß macht. Leider gilt das nicht für den Geburtstag meines Mannes: denn an diesem Tag sind wir IMMER, und in diesem Jahr natürlich GANZ UNBEDINGT!, bei meinem Opa – der zu diesem Zeitpunkt auch noch in seiner eigenen Wohnung lebte!

Bevor ihr nun aber „Mitleid“ mit meinem Mann bekommt: für ihn ist es kein Opfer seinen Geburtstag in diesem Rahmen zu begehen.
Zum einen habe ich eine sehr große Familie. Eine sehr große und laute Familie. Es ist wirklich IMMER Stimmung in der Bude. Zum anderen ist mein Opa trotz seines hohen Alters geistig noch fit und interessiert auch an „modernen“ Themen. Er weiß dass mein Mann ITler ist und so unterhält er sich mit meinem Mann immer über „Hardware“ und „Software“, was mein Mann ausgesprochen „COOOL!“ findet.

Und an noch einem anderen Thema ist mein Opa interessiert: an der Medizin. Er hat Medizin studiert und bis heute ist das seine große Leidenschaft - natürlich hat er auch Wissen in diesem Bereich!

Jonathan und sein Gendefekt sind also Themen die immer besprochen werden wenn wir meinen Opa sehen.

An diesem Tag konnte ich einen vorwärts robbenden Jonathan präsentieren und mein Opa war BEGEISTERT: „Kind, ich hätte NIE gedacht das er das mal können wird! Das ist fantastisch!!“

Auch der Rest meiner Familie war beeindruckt von der Entwicklung die Jonathan im letzten Jahr vollzogen hatte (die meisten meiner Tanten und Onkel sehe ich nur einmal im Jahr wenn mein Opa Geburtstag hat: weil sie einfach überall verstreut leben).

Die anfänglichen Berührungsängste die der ein oder andere aus der Verwandtschaft noch vor einem Jahr gehabt hatte waren spätestens dann verflogen als Jonathan durchs Wohnzimmer robbte, sich lässig auf die Seite legte und alle beobachtete. 8o)))


Ein Besuch mit „Folgen“
Am nächsten Tag erwarteten wir Besuch: ein Schulkamerad von mir (mit dem ich zu Schulzeiten befreundet gewesen war – ihn über die Jahre aber aus den Augen verloren hatte) hatte mich „wiedergefunden“ und durch ein Telefonat mit mir von Jonathan und seiner Krankheit erfahren. Jetzt wollte er vorbei kommen und den kleinen Mann in „echt“ kennenlernen.

(An der Stelle muss ich erwähnen das dieser Schulkamerad heute Musiker ist: er hat eine Band; singt und spielt Klavier im Duett mit einer Partnerin und tritt auch solo als Keyboard-Begleitung für andere Musiker auf - z.B. im ZDF-Fernsehgarten.)

Ich freute mich wirklich sehr auf diesen Besuch!! In den vergangenen Jahren hatte ich mich oft gefragt wie es ihm ergangen war und was er machte – früher waren wir Freunde gewesen und als solchen habe ich ihn ganz oft vermisst.

Tja…und dann stand er vor mir. Nach zig Jahren sahen wir uns das erste Mal wieder – aber es fühlte sich an als hätten wir uns erst vor ein paar Tagen gesehen und gesprochen: die Vertrautheit von früher war sofort wieder da.

Und so fiel es mir auch SEHR leicht ganz offen mit ihm über Jonathan -und das Leben das wir nun führten- zu reden. Ich habe ihm von den Herausforderungen und Ängsten erzählt die uns jeden Tag begleiten, von den Prognosen der Ärzte und von unseren Träumen für Jonathan.

Er hat sich alles ganz ruhig angehört und mir auch einige Fragen gestellt. Er hat Jonathan auf den Arm genommen und mit ihm gekuschelt.

Dann hat er mich angesehen und aus tiefstem Herzen gesagt: „Jonathan ist so ein süßer Kerl, ich möchte euch helfen! Ich werde ein Benefizkonzert für euch spielen!“

Wir hatten so lange keinen Kontakt gehabt und trotzdem bot er uns direkt diese großartige Möglichkeit für Jonathan an. Ich wusste in diesem Moment zwar nicht genau was ich sagen sollte, weil ich einfach total überwältigt und gerührt war – aber ich wusste: er war ein wirklicher Freund!!!

Das Konzert würde allerdings nicht sofort stattfinden können weil er aktuell zu viele Engagements und keine Zeit hatte, aber wir würden einen Termin zu Beginn des kommenden Jahres finden. Und jetzt natürlich auch in Kontakt bleiben!!!

(…das tun wir auch bis heute. Und vielleicht weil wir älter und reifer sind als zu Schulzeiten…vielleicht weil wir beide viele Rückschläge im Leben einstecken mussten…vielleicht auch aufgrund meiner aktuellen Situation mit Jonathan an der ich ihn SEHR offen teilhaben lasse….ist unsere Freundschaft um einiges tiefer und intensiver geworden als sie es jemals war.)


Kurztrip mit (fast) der ganzen Familie
Wiederum zwei Wochen später feierten mein Vater und meine Schwester an zwei aufeinanderfolgenden Tagen ihre Geburtstage. Und diese beiden Tage lagen dieses Jahr auf einem Wochenende.

Also hatten wir beschlossen etwas zu tun was wir tatsächlich (warum auch immer!) vorher noch NIE gemacht hatten: wir würden mit der kompletten Familie einen Kurzurlaub machen!!!

Mit der kompletten Familie?? Naja, nicht ganz!!
Meine Eltern, meine Geschwister sowie Marvin und ich würden gemeinsam an den Chiemsee reisen – aber mein Mann und Jonathan würden zu Hause bleiben….

Der ursprüngliche Plan war das auch sie mitkommen sollten, aber als wir es logisch überdachten stellten wir fest: Marvin hatte freitags noch Schule, dann Mittagessen und Hausaufgaben. Die Fahrt dauerte circa 6 Stunden - bis wir dann am Zielort ankämen wäre es später Abend. Den nächsten Tag, Samstag, hätten wir zwar komplett zur Verfügung – aber am Sonntag müssten wir spätestens nach dem Mittagessen wieder zurückfahren weil Montag natürlich Schule war!

Für Jonathan wäre dieser Wochenendausflug nur Stress gewesen: mindestens 12 Stunden Autofahrt für nur einen vollen Tag „Urlaub“. Aus diesem Grund entschlossen wir uns dazu dass Marvin und ich allein fahren würden….


Enttäuschung bei der restlichen Familie: wir würden also NICHT alle zusammen das Wochenende verbringen – aber die Gründe verstanden hat trotzdem jeder. 



Es war nicht das erste Mal das mein Mann das Wochenende mit Jonathan allein verbringen würde: ich war bereits das ein oder andere Mal unterwegs gewesen, entweder mit Marvin – oder mit meiner Cousine.

Mit Marvin war ich in der Vergangenheit unterwegs gewesen damit auch er mal wieder im Mittelpunkt stand, damit sich (wenigstens 2 Tage lang) mal wieder alles um ihn drehte und Sachen gemacht wurden die IHM Spaß machten.

Wenn man zwei Kinder hat, wovon eins behindert ist und besonderer Aufmerksamkeit bedarf: dann muss das andere Kind öfter mal zurückstecken. Grade dann wenn der Altersunterschied so groß ist wie bei uns und das gesunde Kind schon selbstständig handeln kann.

(Ich rede hier nicht von LIEBE: natürlich LIEBEN wir beide Kinder gleich, sowohl ich – als auch mein Mann. Er ist zwar „nur“ Marvins Stiefvater, aber er liebt ihn wie seinen eigenen Sohn - liebt ihn genauso sehr wie Jonathan. Unsere Familie und Freunde können das bestätigen.)

…es geht um die Aufmerksamkeit die man schenken kann, und um die Zeit die man zur Verfügung hat… die ist bei zwei Kindern mit so unterschiedlichen Bedürfnissen NICHT gleich und NICHT gerecht verteilt.

Und jeder der sich in einer ähnlichen Situation befindet und der von sich behauptet beiden Kindern in gleicher Weise gerecht zu werden: der LÜGT.

Mein Mann und ich halten an der Stelle nichts von Augenwischerei, wir haben uns schon ein paar Monate nachdem Jonathan aus der Klinik entlassen worden war eingestanden das wir Marvin nicht mehr in der Weise gerecht werden (können) wie früher.

Und wir haben uns die Frage gestellt wie wir die Situation verbessern können.

Zum einen haben wir eine WIRKLICH tolle Familie hinter uns!!

Meinen Eltern war von Anfang an klar dass wir Unterstützung benötigen würden. Sie hatten Marvin ja schon zu der Zeit aufgefangen als Jonathan noch im Krankenhaus lag und wussten dass sich die Situation nicht komplett entspannen würde wenn der kleine Mann zu Hause war.

Also hat mein Papa begonnen mit Marvin (und oft auch einem oder mehreren seiner Freunde) Ausflüge zu unternehmen: schwimmen oder minigolfen zu gehen, solche Sachen eben. Bei seinem Opa steht Marvin sowieso VIEL MEHR im Mittelpunkt als zu Hause und hier darf er auch Sachen die er zu Hause nicht darf – also war das schon mal PERFEKT und hat ihm gefallen. 8o))

Aber Marvin braucht natürlich auch Aufmerksamkeit von meinem Mann und mir. Doch immer wenn wir gemeinsam mit Jonathan unterwegs sind gehen die Bedürfnisse des kleinen Mannes eben vor.

Deswegen unternehmen wir regelmäßig und abwechselnd auch etwas mit Marvin allein: zum Basketball, Eishockey oder Fußball gehen. In ein Spaßbad fahren und MEGA-RUTSCHEN ausprobieren. Ausstellungen oder Museen ansehen. In Freizeitparks mit Achterbahnen fahren. Die Tournee der „Ehrlich-Brothers“ besuchen. Was immer Marvin machen möchte.

Mein Mann war es also schon gewohnt mit Jonathan (auch länger) allein zu sein wenn Marvin und ich unser „Mama-Marvin-Wochenende“ verbrachten. Und er war es noch aus einem anderen Grund gewohnt. Denn….

..ab und an….breche ich auch zu einem „Mama-Wochenende“ auf: mit meiner Cousine. Nur wir beide – ohne Kinder und ohne Männer.

Städtereisen…Shopping…Konzertbesuche…egal! Hauptsache wir sind zusammen und mal „nur für uns“.

Ich brauche diese freie Zeit. Um Kraft zu tanken. Um mal wieder das Gefühl zu haben das ich „mein eigener Mensch“ bin, der eigene Entscheidungen treffen darf und NICHT abhängig ist von Uhrzeiten, Medikamentengaben oder Windeln die gewechselt werden wollen. Ich muss dann nicht an die Hausarbeit oder die Wäscheberge denken, nicht ans Kochen. Kann einfach mal Spaß haben….

Und mit meiner Cousine (die für mich eher wie eine Schwester ist) unterwegs zu sein ist immer so herrlich unkompliziert!!! Wir mögen zwar nicht immer die gleichen Dinge, aber wir gehen beide klaglos Kompromisse ein und so kommt jeder auf seine Kosten. Mit ihr fühle ich mich wohl und entspannt. Ich kann mit ihr über alles reden was mich bewegt, sie bringt mir immer Verständnis entgegen - und das ist ein unglaublich schönes Gefühl.

Mein Mann hat zum Glück überhaupt kein Problem mit der Betreuung von Jonathan - er kann und macht alles was auch ich mache: er wechselt dreckige Windeln, füttert und verabreicht Medikamente. Ins Bett bringen klappt bei meinem Mann sogar BESSER als bei mir!!! Während ich STUNDEN brauche bis Jonathan endlich schläft – schafft mein Mann das meist in wenigen Minuten.

Von daher: bin ich immer total tiefenentspannt wenn ich übers Wochenende wegfahre. Ich mache mir keine Sorgen darüber ob mein Mann klarkommt: das tut er. Sogar wenn Jonathan mal krank ist.

So, und nachdem ich nun die Hintergründe ein wenig erklärt habe können wir wieder zum eigentlichen Thema zurückkehren:
unserem Wochenendtrip an den Chiemsee.

Meine Eltern und meine Geschwister würden schon Freitag früh losfahren, sie hatten alle frei und wollten die Zeit optimal nutzen.

Für uns war das unmöglich weil ich Marvin nicht aus der Schule zu Hause lassen wollte. Wir würden am Nachmittag starten und dann hoffentlich pünktlich zum Abendessen ankommen.

Aber leider stand unser Trip unter keinem guten Stern.

Schon morgens häuften sich in den Nachrichten die Staumeldungen auf unserer Fahrstrecke.

Meine Eltern schickten per Handy Updates wo sie grade waren: auch sie hatten mit Verkehrsbehinderungen durch Baustellen und Unfälle zu kämpfen.

Je näher der Feierabend an diesem Freitag rückte desto mehr häuften sich die Verkehrsbehinderungen. Ich kam ins Grübeln: hatte ich Lust stundenlang auf der Autobahn im Stau zu stehen? Wahrscheinlich mit einem genervten Marvin neben mir dem langweilig war. Klare Antwort: NEIN, HATTE ICH NICHT!

Deswegen habe ich eine Entscheidung getroffen und meine Eltern und Geschwister informiert: wir würden erst in der Nacht losfahren. Dann waren die Autobahnen frei und wir kämen mit weniger Stress voran. Vorher könnte ich noch ein wenig schlafen und dann ausgeruht starten: zum Frühstück würden wir alle zusammen sitzen. Und auf den Geburtstag meines Papas anstoßen.

Gesagt, getan. Es war zwar nicht die ganze Familie begeistert davon: die Frage ob sich der Kurzurlaub dann noch lohnt wurde gestellt. Und, ob ich dann den kommenden Tag überhaupt genießen könne wenn ich die halbe Nacht hindurch Auto gefahren wäre.

Aber…ich bin ein Dickkopf und lasse mir selten reinreden wenn ich mal eine Entscheidung getroffen habe. Deswegen habe ich mich auch hier nicht beirren lassen. Und, wie sich  herausstellte: es war die richtige Entscheidung…

Denn nachts waren die Straßen wunderbar frei, es waren fast keine Autos und kaum LKW unterwegs. Marvin machte auf dem Beifahrersitz die Augen zu und ich konnte in aller Ruhe und absolut stressfrei Gas geben.

In den frühen Morgenstunden, ungefähr eine Stunde Autofahrt lag noch vor uns, merkte ich das meine Augen etwas schwer wurden. Also fuhr ich auf einen Rastplatz und sagte Marvin dass ich mal eine halbe Stunde die Augen zumachen würde – danach würden wir weiterfahren.

Als die Sonne aufging, boten sich uns unfassbar schöne Bilder: der Himmel glutrot hinter dem Panorama der Berge. Marvin holte sein Handy raus und knipste was das Zeug hielt. Aber da wir Auto fuhren wurden die meisten Bilder nichts weil sie verwackelt waren.

Nach fast auf die Minute genau sechs Stunden kamen wir in unserer Pension an. Die Koffer blieben erstmal im Auto, wir gingen hinein und fanden den Rest der Familie im Frühstücksraum. Wir hatten es tatsächlich pünktlich geschafft, ich war ausgeruht und kein bisschen gestresst – alles gut also.

Und dann wurde erst mal auf den Geburtstag des Familienoberhauptes angestoßen, standesgemäß mit Sekt. Und ordentlich gefrühstückt. Und darüber geredet was heute auf dem Plan stand. 8o))

Entschieden wurde vom Geburtstagskind. Wir würden zuerst eine Schiffsfahrt auf die Herreninsel machen und dort würde sich ein Teil der Familie (Marvin, meine Schwester und ich) das Schloss ansehen. Danach wollten wir auf die Fraueninsel übersetzen und ein wenig spazieren gehen. Den Abschluss des Tages würde eine Seilbahnfahrt auf die Kampenwand bilden, wo wir dann auch gemeinsam etwas essen würden.

Ich war überaus begeistert von diesem Plan! (Ironisch gemeint!)
Denn ich hasse es auf einem Schiff zu fahren und Seilbahn fahren ist auch überhaupt nicht meine Welt. Aber gut. Das Geburtstagskind entschied und immerhin sollte das Wochenende ein Familienwochenende werden und da musste man auch mal Sachen machen die man nicht mochte.

Zum Glück dauerte die Schifffahrt nicht lange und der Chiemsee lag ruhig vor uns, ich habe es also überlebt.

Das Schloss war ein Traum, es ist Versailles nachgebaut und so konnte ich Marvin viele Details zeigen die man auch im Schloss des Sonnenkönigs bewundern durfte. Solche Besichtigungen sind ja VOLL UND GANZ Marvins Ding, er hatte riesigen Spaß und nervte unseren Guide mit hunderten von Fragen…LOL

Wir spazierten noch etwas über die Insel und fuhren dann zur Fraueninsel, auf der wir ebenfalls eine kleine Runde drehten. Groß ist diese Insel ja nicht, alles was man dort machen kann sind Restaurantbesuche. Fischrestaurants, um genau zu sein. Es war Mittagszeit und Marvin hatte eigentlich Hunger. Es war ein sehr anstrengender Spaziergang weil er in jedem Lokal einkehren wollte – der Rest der Familie aber lieber in luftiger Höhe auf dem Berg Mittagessen wollte.

Irgendwann sind wir dann aber zu Marvins Begeisterung zurückgefahren und mit den Autos zur Talstation der Seilbahn gefahren.

Ja….als ich die Seilbahn sah…wäre ich am liebsten wieder in die Pension gefahren. Oder nach Hause.

Lang…SEHR STEIL…SEHR KLEINE Kabinen…die auch noch wackelten….mir war schlecht.

Meine Schwester sah auch schon etwas grün im Gesicht aus. Wieso dann ausgerechnet wir zwei Schisser gemeinsam mit Marvin in eine Kabine eingestiegen sind weiß ich nicht. Auf jeden Fall war es die falsche Entscheidung Marvin mit uns fahren zu lassen. Denn er erzählte uns die ganze Fahrt über (sicherlich 10-15 Minuten) wie es wäre wenn die Stahlseile rissen und die Kabine abstürzen würde.

Ich hätte am liebsten die Tür geöffnet und ihn rausgeworfen. Ging aber nicht weil wir schon ziemlich hoch in der Luft waren.

Die Kabine ächzte und schaukelte im Wind. Es war FÜRCHTERLICH. Ich begann mit Atemtechniken und sah nicht nach UNTEN….nur gegen den Berg. Der steil war. Sehr steil. Und sehr hoch. War nicht besser als in die Tiefe zu schauen.

Aber irgendwie interessierte es mich wie der Ausblick von hier war. Schauen wollte ich trotzdem nicht. Also habe ich einfach den Fotoapparat ans Fenster gehalten und geknipst. Konnte mir die Bilder ja später anschauen wenn ich wieder sicheren Boden unter den Füßen hatte. FALLS ich jemals wieder sicheren Boden unter den Füßen haben würde.

Nun ja. Wir kamen oben auf dem Berg an. Ohne Schäden. Aber mir war wirklich schlecht und ich war fix und fertig. Was mein Papa überhaupt nicht verstehen konnte.

Der Ausblick von hier oben entschädigte aber dann für einiges. Auch wenn leider etwas Nebel über den Bergspitzen lag. Es war trotzdem fantastisch. Wir haben gut gegessen und viel zusammen gelacht.

Verrückt: aber in dieser Konstellation hatten wir noch nie zusammen Urlaub gemacht! Warum eigentlich? (Das habe ich mich nach diesem Wochenende so oft gefragt.)

Runter kommen sie alle, sagt man. Wir mussten mit der Bahn wieder nach unten fahren. Aber Marvin würde nicht mehr mit in meiner Kabine sein, das stand für mich fest!! Also fuhr er mit unseren Eltern und mein Bruder dafür mit meiner Schwester und mir.

Der arme Kerl hatte es nicht leicht mit uns. Meine Schwester und ich kreischten immer wieder wie am Spieß weil es schaukelte und wir quasi mit der Kabine über die Bergkante „geschossen“ wurden. Aber er lachte nur und sagte uns immer wieder dass nichts passieren würde. Angenehm war die Fahrt trotzdem nicht, aber besser als die Fahrt nach oben auf jeden Fall. Ich hätte Marvin gleich mit meinen Eltern losschicken sollen….


Den Abend ließen wir in unserer Pension beim Essen und einigen Bier ausklingen….oder einigen Bier mehr….es war ein feuchtfröhlicher Abend um genau zu sein. Mit sehr viel Gelächter und vielen alten Geschichten. Perfekt. Für MICH war es einfach PERFEKT! 



Am nächsten Tag hatte meine Schwester Geburtstag. Und wieder sollte mit Sekt angestoßen werden.

Der Frühstücksraum war voll besetzt, eine Bedienung lief auch geschäftig hin und her. Marvin saß meinem Papa am Tisch gegenüber als dieser die Sektflasche aus dem Kühler nahm. Mein Papa wollte witzig sein und richtete die Flasche auf Marvin, tat so als würde er den Sektkorken knallen lassen und lachte sich kaputt als Marvin in Deckung ging.

ZUM GLÜCK….ging Marvin auch ein paar Minuten später in Deckung als mein Papa die Sektflasche dann WIRKLICH entkorkte. Denn DAS…ging ORDENTLICH daneben!!!

Keine Ahnung was genau da passierte oder warum! Aber der Korken SCHOSS aus der Flasche und flog knapp an Marvin vorbei, knallte gegen die Zimmerdecke -verfehlte dabei die Lampe nur um Zentimeter- prallte ab, traf die Kellnerin und landete schließlich mitten auf dem Frühstücksbüffet. Und das alles mit einem ohrenbetäubenden Knall. O man. Die Blicke der anderen Frühstücksgäste sprachen auch Bände. Wie PEINLICH!

Im ersten Moment dachte ich das die Deckenverkleidung kaputt sei und/oder die Kellnerin sich ernsthaft verletzt habe. Beides war aber zum Glück nicht der Fall.

Meinem Papa fiel auch direkt auf das sein „Späßchen“ mit Marvin ein paar Minuten vorher böse hätte ins Auge gehen können – im wahrsten Sinne des Wortes!

Aber zum Glück war ja nichts passiert und komischerweise schäumte der Sekt auch nicht über – obwohl man ja hätte meinen können dass die Flasche unter Druck gestanden hätte und der Korken deswegen so herausgeschossen war.

Nachdem wir uns dann alle von unserem Schreck erholt und uns bei der Kellnerin und den anderen Gästen entschuldigt hatten konnten wir dann auch auf den Geburtstag meiner Schwester anstoßen.

Sie hatte sich für heute ausgesucht das wir Minigolfen gehen würden. DAS war doch mal was nach meinem Geschmack!!!

Also machte sich die komplette Familie auf den Weg zur Minigolfanlage. Das hatten wir auch noch nie zusammen gemacht!! Manche von uns stellten sich besser an, andere weniger gut (wer sich wie anstellte tut ja eigentlich nichts zur Sache. Aber OKAY: ich war nicht so die beste Minigolferin! LOL)

Auf jeden Fall hatten wir viel Spaß zusammen und haben auch sehr viel gelacht.

Gewonnen hat, und das war passend!, das Geburtstagskind: meine Schwester.

Nach einem sehr leckeren Mittagessen in einem Fischrestaurant mussten Marvin und ich uns schon vom Rest der Familie verabschieden: für uns wurde es Zeit die Heimreise anzutreten, morgen war wieder Schule.

Es war zwar ein sehr „kurzes“ Wochenende in dem Sinne gewesen, aber auch ein sehr schönes. Wir hatten so viel gelacht und einfach mal „quality time“ mit der Familie genossen. PERFEKT.

Und zu Hause??? Lief auch alles gut. Mein Mann hatte alles im Griff, wie immer wenn er mit Jonathan allein war.


Drehtermin mit der Tageszeitung
Nur wenige Tage nach unserem Kurzurlaub am Chiemsee kamen drei Redakteure der Tageszeitung vorbei in der schon mehrfach über uns berichtet worden war.

Diese Zeitung hatte nicht nur ein Online-Portal, sondern seit Neuestem auch ein Online-VIDEO-Portal. Das heißt, die Zeitung drehte kurze Filme und stellte diese dann online bereit. Quasi Zeitungsberichte in bewegten Bildern.

Man hatte uns vor einiger Zeit gefragt ob wir uns vorstellen könnten einen Drehtag mit der Zeitung zu machen. Bei dieser Frage mussten wir nicht lange überlegen und haben zugesagt. Schließlich verdankten wir dieser Zeitung sehr viel! Anstehende Benefizaktionen und auch die vielen privaten Spenden hätten sicherlich nicht in dem Umfang stattgefunden wenn wir nicht so eine liebevolle Berichterstattung bekommen hätten.

Also rückten an diesem Morgen unsere Zeitungsredakteurin, ein Kameramann und ein Redakteur bei uns an. Auch sie kamen mit einer Menge Equipment, es unterschied sich eigentlich nicht großartig von dem was das Fernsehteam mitgebracht hatte.

Auch die Fragen die mir im Interview gestellt wurden ähnelten denen des Fernsehberichts. Aber es gab einen Unterschied…dieses Interview nahm mich mehr mit und einige Tränen kullerten. Ich weiß nicht genau woran es lag….vielleicht daran das ich die Redakteurin die mir die Fragen stellte schon ziemlich gut kannte: sie hatte uns ja schon mehrfach für die Zeitungsberichte interviewt – außerdem hatte mit ihr wirklich von der ersten Sekunde an die Chemie total gestimmt. Vielleicht war ich auch an diesem Tag einfach etwas emotionaler als sonst.

Nach meinem Interview war mir dann aber zum Glück eine Pause zum Verschnaufen vergönnt: für den Dreh hatten wir eine Stunde Frühförderung vereinbart. Unsere „Frühfördertante“ war völlig aufgelöst und aufgeregt als sie bei uns ankam – aber sie hat das vor der Kamera sehr souverän und gut gemacht!! Es sind tolle Bilder für den Film entstanden!!! 

Auch dieser Dreh dauerte mehrere Stunden.

Wir würden Bescheid bekommen wenn der Bericht fertig war und online ging, was ein paar Tage dauern würde.

Aber die Zeit bis dahin wurde nicht langweilig für uns, denn nun stand unser Benefizdartturnier an!!!!


Benefizdartturnier
Seit MONATEN war der Dartclub mit den Vorbereitungen beschäftigt gewesen:
-Plakate und Flyer wurden gedruckt und aufgehängt/verteilt.
-Seit feststand das es eine Tombola zu unseren Gunsten geben würde mussten Sponsoren für die Preise gefunden werden. Also wurden sehr viele Emails geschickt und Telefonate geführt. Einige Spenden fanden ihren Weg mit der Post zum Dartclub, die meisten mussten aber abgeholt werden. Sie mussten sortiert und nummeriert - und bis zum Tag des Turniers auch irgendwo gelagert werden: hier funktionierte ein Mitglied des Clubs seine Kellerbar als „Lagerraum“ um.
-Anmeldungen von Spielern wurden „bearbeitet“ und nach kurzer Zeit stand fest das in den Räumlichkeiten des Dartclubs weder genug Platz für alle Spieler sein würde, noch waren genug Dartautomaten vorhanden um die Spielabwicklung in angemessener Zeit gewährleisten zu können.

Der Dartclub hat seine Räume im Keller einer Shisha-Bar. Es wurde kurzerhand mit deren Besitzern vereinbart dass man die Bar ausräumen werde um genug Platz für alle Menschen zu haben. Ein Dartautomatenanbieter stellte noch einige Automaten zur Verfügung, die wurden zum Glück auch geliefert und mussten nicht geholt werden.

Logistisch war bald alles geklärt. Nun ging es um die „Muskelkraft“: der Dartclub DURFTE die Shisha-Bar ausräumen, musste die Möbel aber selbst aus dem Weg räumen.

Was diese Männer und Frauen für diesen Tag geleistet haben ist –auch heute noch!- unbegreiflich für mich. Sie haben tatsächlich alle Möbel „weg geschleppt“, die Automaten aufgestellt, den Raum mit Tüchern abgehängt um eine besondere Atmosphäre zu schaffen, die Preise für die Tombola in den Keller getragen…..

Einige der Mitglieder des Clubs haben in den Monaten bis zum „großen Tag“ so viel Kraft in dieses Event investiert das sie nervlich und körperlich einfach fertig und vollkommen erschöpft waren. Das äußerte sich dann an diesem Abend in Aussagen wie „Es ist ein super toller Abend und ich wünsche mir dass sehr viel Geld für euch zusammenkommt! Aber sowas machen wir NIE WIEDER! Es war einfach nur anstrengend!!“

Ich (wir!) haben gesehen was diese Menschen geleistet haben, was sie über Monate hinweg für uns getan haben um auf diesen einen Tag hinzuarbeiten. Für FREMDE die wir einfach zu Beginn waren.

Dankbarkeit ist ein viel zu kleines Wort für das was wir -bis heute- empfinden. Und bis heute stehen wir in sehr engem Kontakt zu diesem Dartclub, wir sind Freunde geworden.
(Mittlerweile bin ich sogar Mitglied in diesem Club und trainiere einmal in der Woche mit ihnen!)

Dieser Abend war sehr aufregend für uns: es war das erste „richtige“ Benefizevent das AUSSCHLIESSLICH für Jonathan organisiert worden war.

Da ich Darts so liebe hatte ich vom Dartclub eine „white card“ für diesen Abend bekommen: das heißt ich nahm aktiv am Turnier teil ohne eine Startgebühr zu zahlen.
Das Jonathan abends an so einer Veranstaltung nicht teilnehmen konnte war klar. Und da ich mitspielen würde musste mein Mann mit ihm zu Hause bleiben - genau wie Marvin: denn leider darf man nur ab 18 Jahren in die Shisha-Bar. Wir dachten aber dass es schön wäre wenn man ein gemeinsames Foto von Jonathan mit dem Dartclub hätte, also sind wir vor Beginn des Turniers (und somit vor offizieller Öffnung der Bar) mit dem kleinen Mann dorthin gefahren und haben Fotos gemacht.

(Eins dieser Fotos ist bis heute das Startbild des Dartclubs bei Facebook! Was uns sehr freut, zeigt es doch dass dem Club der Abend genauso viel bedeutet hat wie uns.)

Mein Mann ist mit den Kindern dann aber recht zügig auch wieder nach Hause gefahren, ich hatte das große Glück diesen Abend genießen zu können. Es war umwerfend. Fantastisch. Beeindruckend.

…über 100 Menschen kamen um am Turnier teilzunehmen. Viele unserer Bekannten und Freunde hatten den Weg gefunden um sich an den Darts zu versuchen – der eine mit mehr, der andere mit weniger Erfolg…aber alle mit viel Freude!! 8o))

Ganze Dartclubs hatten sich angemeldet um uns zu unterstützen, einige von ihnen überreichten mir auch Umschläge - weil die Vereine schon im Vorfeld Geld für uns gesammelt hatten.

Der designierte Bürgermeister war vor Ort und sagte ein paar Worte bevor auch er mir einen Umschlag mit Spenden der Gemeinde überreichte.

Und dann…musste ICH etwas ins Mikrofon sagen. Eigentlich kein Problem, ich bin durch meinen Job gewöhnt vor vielen Menschen zu reden. Aber an diesem Abend….meine Eltern waren auch gekommen und sahen mich erwartungsvoll an als ich zum Mikrofon griff und… keine Ahnung…dann ging mir der Hals zu. Ich glaube ich habe sehr gestottert und kein vernünftiges Wort herausgebracht. Auf jeden Fall habe ich komplett vergessen zu sagen WER ich überhaupt bin. Bestimmt haben alle die mich NICHT kannten erstmal überlegt was die Frau da mit dem Mikrofon macht. LOL

Irgendwie habe ich es aber geschafft dem Dartclub zu danken und unser Geschenk (einen Bilderrahmen mit Bildern von Jonathan und einer Danksagung) zu überreichen und eine Einladung zu uns nach Hause zu Pizza und Bier –und natürlich Darts!- auszusprechen.

Und dann ging es los: das Dartturnier startete. Mit einiger Verspätung weil auf der nahe gelegenen Autobahn eine Vollsperrung war und einige Teilnehmer nicht rechtzeitig vor Ort SEIN KONNTEN.

Nach drei Spielen bin ich ausgeschieden weil ich einfach zu schlecht war. Aber egal: es hat so viel Spaß gemacht!!!

Mit den Gedanken war ich sowieso nicht wirklich beim SPIEL, denn es war so beeindruckend diese ganzen Menschen zu sehen. Die nur aus dem Grund gekommen waren um uns zu unterstützen. Mehr als einmal an diesem Abend habe ich mit den Tränen gekämpft. Diese Anteilnahme erleben zu dürfen und diese Unterstützung…..unser Leben ist ja weiß Gott nicht einfach: jeden Tag schwebt der Gedanke über uns das Jonathan nicht ewig bei uns sein wird. Wie sehr man sich auch anstrengt diese Gedanken zu „verdrängen“ – es gelingt nicht, oder nicht immer.

Niemand der nicht in einer ähnlichen Situation war oder ist kann nachempfinden, wie sehr es hilft zu wissen das man Menschen hat die diesen Weg mit einem gemeinsam gehen. Das Gefühl nicht allein zu sein gibt mir/uns so viel Kraft. An diesem Abend war dieses Gefühl allgegenwärtig. So viele Menschen hatten den Weg gefunden und mehr als einer sagte mir dass er eigentlich gar nicht Darts spielt, aber wegen dem „guten Zweck“ gekommen sei: weil es wichtig wäre zu helfen.

Bis heute sind meine Gefühle dieses Abends so präsent, und ich glaube das werden sie auch immer sein. Wir sind gesegnet das wir so etwas erleben durften.
(Und beim Schreiben über diesen Abend kämpfe ich grade schon wieder mit Tränen der Rührung…)

Meine Eltern waren ja auch vor Ort und mein Papa konnte nur sagen: „Bow, Wahnsinn!“….immer wieder höre ich Menschen darüber sprechen das Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe in unserer Gesellschaft nicht mehr praktiziert würden. Ich kann das NICHT bestätigen. Und ich denke das ist auch das, was mein Papa an diesem Abend gespürt hat.

Nach ein paar Stunden waren alle Lose für die Tombola ausverkauft, tolle Preise (von der Profidartscheibe über ein Tablet und Fanartikel einiger großer Bundesligavereine und des DFB) hatten ihre neuen Besitzer gefunden. Und wir….haben nicht nur eine größere vierstellige Summe als Unterstützung für Jonathan erhalten – sondern auch viele ganz fantastische neue Freunde gewonnen.

Außerdem hatte der Dartclub sich noch etwas einfallen lassen was uns echt sehr gerührt hat: wir haben einen POKAL als Erinnerung an diesen Abend bekommen!! Einen RIESIGEN POKAL!! Er war größer als alle Pokale die an die Gewinner des Turniers vergeben wurden.


Nachdem der Pokal am nächsten Morgen von Jonathan in Augenschein genommen worden war (der kleine Mann war übrigens im Sitzen kleiner als der Pokal hoch war), hat er einen Ehrenplatz in unserem Flur gefunden. Jeder der zu uns zu Besuch kommt muss an diesem gigantischen Ding vorbei und auf jede Frage wo wir ihn denn herhaben antworten wir sehr gerne – und bis heute mit einem breiten Grinsen im Gesicht. 


Der erste Haarschnitt
…kam bei Jonathan erst im Alter von über zwei Jahren…lach…

Lange Zeit hatte der kleine Mann nämlich überhaupt keine Haare, dann nur einen zarten Flaum - der aber nicht länger wurde. Auf meine Befürchtungen das Jonathan unter Umständen wegen des Gendefekts GAR KEINE Haare bekommen würde…konnte mir kein Arzt etwas erwidern.

Es ist eine Tatsache dass bei vielen Kindern mit MOPD1 ein spärlicher Haarwuchs beschrieben wurde. Außerdem sind die Haare dieser Kinder sehr oft „farblos“ – die Pigmente fehlen einfach. Bei Jonathan waren die Augenbrauen so gut wie nicht sichtbar, sie bestanden nur aus sehr wenigen und farblosen Haaren. Also war die Vermutung, das er keine Kopfbehaarung bekommen würde, naheliegend.
Was aber unserer Humangenetikerin auffiel: Jonathan HATTE Wimpern. Und zwar sehr lange, sehr dichte und SCHWARZE Wimpern. Also bestand vielleicht doch Hoffnung dass auch die Kopfhaare wachsen würden??

Zu Anfang machte ich mir über das „Haarthema“ einige Gedanken. Doch irgendwann dachte ich: „Ich kann es nicht ändern, selbst wenn er keine Haare bekommt. Und eigentlich..ist DAS doch auch nicht soooo wichtig!“

Also haben wir das einfach so hingenommen und warteten einfach darauf was passieren würde.

Ein „Problem“ bringt Jonathans Krankheit auf jeden Fall mit sich: er hat eine SEHR trockene Haut die viel eingecremt werden muss. Besonders im Winter wenn sie durch die trockene Heizungsluft noch zusätzlich ausgetrocknet wird. Am Kopf ist es „am schlimmsten“, und so cremten wir dort immer fleißig.

Trotzdem schuppte sich die Haut immer wieder und unschöne Hautschuppen entstanden.

Meine Kosmetikerin hatte eine tolle Idee: ich hatte von ihr eine elektrische Gesichtsbürste bekommen. Diese sollte die Durchblutung anregen und die abgestorbenen Hautschüppchen lösen. Als sie Jonathan sah meinte sie, dass ich einen zweiten Aufsatz für die Bürste kaufen und dem kleinen Mann regelmäßig den Kopf massieren solle. Das würde ihm bestimmt gefallen und auf jeden Fall das Hautbild verbessern.

Da ich oft sah wie Jonathan sich den Kopf am Boden „schubberte“ als würde er jucken, fand ich es sei einen Versuch wert das mal auszuprobieren.

Und was soll ich sagen??? Es war der HAMMER!! Erstens war der kleine Mann absolut begeistert mit der Bürste den Kopf „gekrault“ zu bekommen! Er kniff genießerisch die Augen zu und lag ganz still. Zweitens wurde schon nach wenigen Tagen die Kopfhaut tatsächlich besser!! Keine Schüppchen mehr!!

..und DRITTENS….begannen HAARE zu wachsen!! So krass!!! Das lag offensichtlich daran dass die Massage mit der elektrischen Bürste die Durchblutung förderte… und damit eben den Haarwuchs.

(Als unser Kinderarzt Jonathan das erste Mal „mit Haaren“ sah war er total begeistert und fragte mich was ich gemacht hätte. Ich habe ihm von dem Bürstchen erzählt und er sagte daraufhin total trocken: „Ich glaube sowas brauche ich auch mal!“…LOL)

Natürlich hatte Jonathan nicht innerhalb kürzester Zeit eine „Walle-Mähne“, das ist klar. Seine Haare waren und sind sehr dünn und sehr spärlich. Ich habe auch den Eindruck dass sie langsamer wachsen als bei anderen Menschen. Und aus diesem Grund dauerte es über ein Jahr bis wir überhaupt darüber NACHDACHTEN mit ihm mal zum Frisör zu gehen.

Aber irgendwann wurde es Zeit dafür weil ihm Haarsträhnen in die Ohren hingen und er sich immer wieder die Ohren aufkratzte weil es ihn kitzelte.

Natürlich hätte ich im Endeffekt auch die Strähnen selber abschneiden können. ABER…Jonathan ist SEHR LEBHAFT und immer in Action, er hält nicht still. Alles an ihm ist so klein und ich kann sowieso NICHT gut Haare schneiden – ich hatte Angst ihm mit der Schere ins Ohr zu schneiden.

Wenn ich zum Friseur gehe, muss Jonathan in der Regel sowieso mit. Also habe ich meine Friseurin (zu der ich schon seit vielen Jahren gehe) gefragt ob sie beim nächsten Termin mal „ein wenig Ordnung in das Chaos bringen könne“. Was sie auch sehr gerne machen wollte!!

Sie kann unglaublich gut mit Kindern umgehen, hat Marvin schon als kleinem Wicht immer die Haare geschnitten und er hat sie vom ersten Moment an geliebt. Außerdem hat sie Jonathan schon gekannt bevor er auf der Welt war, sie hat die ganze schwierige Schwangerschaft mitbekommen und immer mit mir mitgefiebert. Also wer, wenn nicht sie, wäre jetzt besser für diesen „Job“ geeignet gewesen???

Beim nächsten Termin ging sogar Marvin mit, was auch sehr gut war: ist Jonathan doch immer viel ruhiger und entspannter wenn er mit seinem Bruder zusammen ist.

Ich war ganz schön aufgeregt! Lach…eigentlich ja totaler Blödsinn, aber der erste Haarschnitt ist schon irgendwie was Besonderes.

Marvin saß auf dem Stuhl und hatte Jonathan auf dem Schoß. Und dann fingen die „Probleme“ an. Unsere Friseurin betrachtete den kleinen Mann und stellte fest das selbst ihr kleinster Kinderumhang NICHT passen würde weil Jonathans Hals einfach zu dünn und er selbst viel zu kurz war. Ohne Umhang wollte sie aber nicht schneiden damit ihm keine Haare in die Kleidung fielen und ihn juckten.

Wir überlegten gemeinsam. Ich kam auf die Idee dass wir ihm ein kleines Handtuch umlegen könnten, nur wie machten wir das fest damit es nicht rutschte?? Da hatte sie aber eine Idee: das ginge doch mit einer großen Haarklammer! Gesagt, getan! Es klappte….und zwar perfekt!!! Man muss nur Ideen haben und kreativ sein…

Jetzt hieß es Jonathan abzulenken damit man ihm die Haare schneiden konnte. Der Spiegel vor dem er mit Marvin saß war schon mal die halbe Miete. Dann hat unsere Friseurin noch ein Bilderbuch gebracht und schon konnte sie loslegen. Auf dem Schoß seines Bruders fühlte Jonathan sich sicher und ließ sich alles gefallen.

(Für mich ist es immer wieder beeindruckend zu sehen welches Vertrauen Jonathan zu Marvin hat. Dabei hatte ich nach Jonathans Geburt solche Angst dass die beiden durch die lange Zeit im Krankenhaus keine Bindung zueinander finden würden! Diese Angst war sowas von unbegründet!!! Allein die Blicke die Jonathan seinem großen Bruder in für ihn unüberschaubaren Situationen zuwirft sind einfach nicht zu beschreiben. Als wollte er ihn fragen: „Ist die Situation okay oder muss ich Angst haben?“)

Unsere Friseurin ließ sich Zeit die Haare zu schneiden und erklärte Jonathan auch immer wieder was sie tat oder zeigte es ihm im Spiegel. Natürlich kann man nicht davon sprechen das der kleine Mann einen „richtigen Schnitt“ bekommen hat: dafür sind seine Haare zu dünn und zu wenig. Doch die Ohren waren wieder frei.
Übrigens…auf Wunsch EINER „Facebook-Fanin“ wurde Jonathans Haar am Oberkopf nur MINIMAL gekürzt. Denn diese Frau liebt einfach seine LOCKE so sehr! 8o))


Besuch im Gesundheitszentrum
Jonathans Gendefekt bringt auch diverse Knochenfehlbildungen mit sich. Bei ihm besonders stark betroffen sind die Beine: er hat X-Beine, ab dem Knie steht der Unterschenkel in einem 35Grad-Winkel ab. Ich habe so etwas tatsächlich noch NIE in live gesehen…wenn Jonathan die Beine ausstreckt liegen die Unterschenkel irgendwie komplett nach außen gedreht…das er so nicht stehen oder laufen kann: brauche ich niemandem zu sagen.

Wir sind regelmäßig bei unserer Orthopädin. Diese hatte schon vor circa einem halben Jahr gesagt das wir über Lagerungsschienen für die Nacht nachdenken sollten. Damit könnten wir versuchen die Beine zu begradigen. ABER: ähnlich wie bei einer Zahnspange passiert das natürlich mit Druck. Und Druck tut weh. Die Nächte könnten also etwas unruhig werden.

Das war der Punkt der uns an der Stelle dazu bewogen hat zu sagen: wir versuchen es erst noch einmal mit Osteopathie und Physiotherapie. Arbeiten mit den Therapeuten an Übungen die die Beine grade stellen könnten. Denn die Nächte waren (und sind) bei uns die Hölle. Auch ohne Schienen.
Denn Jonathan schläft nicht durch. Und hat es noch nie getan.

Er schläft einige Stunden in seinem eigenen Bett, dann wird er wach. Wir haben WIRKLICH alles versucht…nichts bringt ihn dazu dort weiterzuschlafen. Es hilft nur ihn mit zu uns ins Bett und in den Arm zu nehmen. Aber auch dann: schläft er nicht ruhig sondern wacht alle halbe Stunde auf und schreit WIE AM SPIESS. Warum das so ist…? Keine Ahnung. Wir wissen nur, dass so ziemlich alle Eltern von Kindern mit Primordialen Kleinwuchsformen damit Probleme haben…

Vielleicht liegt es daran das diese Kinder zu wenige Schlafhormone produzieren oder das sie aufgrund der vorhandenen Hirnfehlbildungen eine innere Unruhe besitzen die man nicht ausschalten kann. Wir wissen es nicht genau. Wir wussten nur dass wir diesen Zustand, der uns sowieso schon so viel Kraft kostete, nicht noch mit Schienen verschlimmern wollten.

Also haben wir mit den Therapeuten Übungen gefunden die helfen sollten die Beine zu begradigen. Ein halbes Jahr hatte ich sehr intensiv mit Jonathan gearbeitet, und die Therapeuten ebenso.
Nun stand der nächste Kontrollbesuch bei der Orthopädin an. Sie hat die Beine gemessen und festgestellt: ein Bein hatte sich tatsächlich gebessert!!! Juchuuuuu!!! …aber ein Bein…war schlimmer geworden….na toll!

Also führte nun kein Weg mehr an Lagerungsschienen vorbei, denn das wir Jonathan „auf die Beine“ bekommen wollten stand für uns einfach fest. Dafür musste er aber auch die körperlichen Voraussetzungen haben.

Wir haben ein Rezept erhalten mit der Maßgabe ein Gesundheitszentrum aufzusuchen das auf Kinder spezialisiert und somit in der Lage war diese winzigen Schienen überhaupt herzustellen. Die Orthopädin sagte noch zu mir das wir eigentlich „Quengel-Schienen“ benötigen würden: das sind Schienen mit einem Gelenk welches man immer fester anziehen kann – ähnlich wie eine Zahnspange eben. Doch das es nicht möglich wäre diese Schienen in Jonathans Größe anzufertigen, denn das kleinste Gelenk allein sei schon so groß wie sein komplettes Bein.

Bei der Suche nach einem geeigneten Gesundheitszentrum kam es mir zu Gute das ich einen Freund habe der in genau in einem solchen arbeitet. 8o)) Es befindet sich nur 11 km von uns weg UND es hat eine eigene Werkstatt. Das fand ich UNSCHÄTZBAR!! Derjenige der die Abdrücke für die Schienen nehmen würde…würde die Schienen auch bauen. Und hätte natürlich auch eine wirkliche Vorstellung davon WIE klein Jonathans Beine waren!!

Also habe ich dort einen Termin gemacht und bin mit Jonathan hingefahren. Ich habe dem Mitarbeiter (leider nicht meinem Freund, der ist nicht auf Kinder spezialisiert) erklärt das wir EIGENTLICH Quengelschienen brauchen würden, aber das wohl nicht möglich sei. Das sah er genauso.

Die erste Herausforderung vor der wir standen: wenn Gipsabdrücke genommen werden müssen dann bekommt der Patient eine Art Strumpf an – damit der Gips später nicht an der Haut klebt. Aber alle Strümpfe die vorrätig waren – waren viel zu groß für Jonathans Mini-Beine. Kurzes Überlegen und Absprachen unter den beiden anwesenden Mitarbeitern. Dann schnappte sich einer einen Strumpf und ging.

Ich habe den anderen Mitarbeiter gefragt was sie denn nun vorhatten. Ganz einfach: man würde diesen Strumpf kaputt schneiden und neu zusammen nähen. Zum Glück kann hier offensichtlich jeder eine Nähmaschine bedienen und schon nach kurzer Zeit war der Mitarbeiter mit dem selbst genähten Strumpf wieder da. Und der passte auch noch wie angegossen!! Toll…ich war begeistert das hier so viel Erfindungsreichtum und Kreativität an den Tag gelegt wurde.

Und dann, beim Gipsabdrücke für die Schienen nehmen…hielt der eine Mitarbeiter Jonathans Bein in seiner Hand. Auf einmal fing er an zu grinsen und sagte: „Ich habe da eine Idee!“. Nachdem die Abdrücke fertig waren ging er weg und kam kurze Zeit danach wieder. Mit einem Gelenk in der Hand. Er zeigte es mir, hielt es an Jonathans Bein und erklärte mir dass es sich hier um ein Gelenk für einen FINGER handeln würde. Die Gelenke für Beine waren tatsächlich zu groß, aber man könnte doch mit einem FINGERGELENK arbeiten??? Das passte auch!! Hammer..ich war SCHWER beeindruckt!!

Weniger beeindruckt war ich mal wieder von unserer Krankenkasse….

Wir haben einen Kostenvoranschlag für die Schienen bekommen und diesen dann auch bei der Kasse eingereicht. Nach wenigen Tagen bekamen wir einen Anruf:
Das Gesundheitszentrum ist leider kein Vertragspartner unserer Krankenkasse und deswegen sieht man sich außerstande die kompletten Kosten zu übernehmen. Wir müssten 25% selber tragen – von 3000€ wohlgemerkt, denn das kosteten diese kleinen Schienen.

Ich war geschockt und habe gefragt wo denn der nächste Vertragspartner der Krankenkasse sei. Der war 80 Kilometer weit weg….hatte er eine eigene Werkstatt??? Nein, hatte er nicht. Das bedeutete für mich: wenn ich dorthin fahren würde…würde ich ZIGMAL fahren!! Denn jedes Mal wenn die Schienen anprobiert würden und etwas drückte oder nicht passte – müssten sie eingeschickt werden. Und ich könnte erst dann wiederkommen wenn die Schienen das Gesundheitszentrum wieder erreicht hatten…wenn sie dann wieder nicht passten…naja, man kann es sich vorstellen denke ich.

Deswegen habe ich der Bearbeiterin erklärt das es doch für alle Beteiligten viel Zeit- und Kostensparender wäre auf DAS Zentrum zurückzugreifen das in der Nähe ist UND eine eigene Werkstatt hat!! Wenn man dort feststellt dass etwas nicht passt geht der Mitarbeiter einfach eine Etage höher und behebt das Problem während ich warte. Außerdem waren die Mitarbeiter in dem von mir gewählten Haus so pfiffig und einfallsreich! Es musste doch auch im Sinne der Kasse liegen dass man GUTE WARE bezahlte, die auch etwas brachte!! Oder nicht??

Der Kompromiss bestand darin das wir eine Kostenübernahme für EIN PAAR Schienen bekamen. Doch wenn wir wieder welche benötigen, was der Fall sein wird wenn Jonathan wächst…dann müssen wir entweder Weg und Zeit in Kauf nehmen und zum Vertragspartner der Kasse fahren. Oder eben ein Viertel der Kosten selber bezahlen.

Verstehe einer die deutsche Bürokratie. Wir tun es nicht.




Der Bericht der Tageszeitung im Online-Portal
Irgendwann in diesen Tagen bekam ich eine Nachricht von unserer Redakteurin der Tageszeitung: unser Bericht wäre nun im Online-Portal der Zeitung zu sehen.
Aber eine Sache müsste sie mir an der Stelle noch sagen….man hatte sich dagegen entschieden die Interviews mit Marvin und meinem Mann im Bericht zu zeigen, auch wäre kein „Erzähler“ eingesetzt worden – sondern nur ich selbst wäre zu hören….was der Tatsache geschuldet wäre das ich einfach alles so gut und in einer so ruhigen Art erklärt hätte.

Es war ein komisches Gefühl für mich und es macht mich auch heute noch ein wenig traurig…die Zeitung hatte damit eine Priorität gesetzt die ich selber so nicht sah: sie hatten MICH zur wichtigsten Person in diesem Bericht gemacht. Eigentlich denke ich aber, das hätte Jonathan sein sollen….UND AUSSERDEM….leisten mein Mann und Marvin jeden Tag GENAUSO VIEL WIE ICH. Sie haben es verdient ebenfalls gehört zu werden und ihre Sicht der Dinge schildern zu können.

Diese Entscheidung der Redakteure hatte für uns alle einen sehr bitteren Beigeschmack. Grade für Marvin war es sehr deprimierend! Er war schon im Fernsehbericht mit nur zwei Sätzen zu sehen gewesen OBWOHL er ein langes Interview gegeben hatte. Und nun wurde er schon wieder rausgeschnitten…hmmm….

Trotzdem….schauten wir uns den Bericht natürlich an! Keine Frage!!!

Was soll ich sagen…er war GANZ ANDERS gemacht als unser Fernsehbericht – schon allein weil er kürzer war.

ABER….diese Bilder….die Nahaufnahmen von Jonathan…sein Blick der perfekt eingefangen wurde und einen glauben machte das man bis in seine Seele blicken könne…und ja: meine ruhige Erzählstimme im Hintergrund. Dieser Bericht war einfach PERFEKT. Er rührte mich zu Tränen!!! Und das tut er bis heute…jedes Mal wenn ich ihn ansehe.
Auch wenn der bittere Beigeschmack bleibt das „meine Männer“ leider nicht in der Form gewürdigt wurden wie ich das gerne gesehen hätte.

(Ende 2017 stellte sich heraus das dieser Bericht, obwohl erst im Oktober im Online-Portal der Zeitung veröffentlicht, einer der erfolgreichsten und am häufigsten gesehenen Berichte des Kalenderjahres war!!)


Fußball-Benefizturnier
Es war irgendwann im Sommer als ein Freund meines Mannes eine Nachricht schickte: er würde gerne mal bei uns vorbeikommen und etwas besprechen.

Wir haben uns auf einen Termin für einen Besuch verständigt - und dann saß er in unserem Wohnzimmer.

Er sagte das er unsere Facebook-Seite und den Blog verfolge, er stellte viele Fragen über Jonathan und dazu wofür wir Geld benötigen würden. Und dann sagte er einen Satz der sich in mein Gedächtnis eingebrannt hat wie wenige andere Sätze: „Ich möchte euch helfen. Ich kann nur Fußball, also wird es ein Benefizfußball-Turnier geben.“

Ich war sprachlos. Und hatte Tränen in den Augen.

Wir haben an diesem Tag noch ein paar Dinge besprochen: welche Informationen über Jonathan und welche Bilder durften für die „Werbung“ für das Event verwendet werden??? WO wollten wir Werbung machen?? Und auch bei dieser Veranstaltung sollte es eine Tombola geben: welche Sponsoren könnten wir begeistern Preise umsonst zur Verfügung zu stellen?? 

Zuerst war nur von einem Tag die Rede: ein Fußballturnier mit „Familientag“: also Essen, Livemusik, Tombola und Kinderbelustigung. Dafür bräuchte man auch ein Zelt, denn das Wetter könnte ja schlecht sein.

Nach einigen Wochen kam aus den Reihen des Sportvereins die Idee dass Event über ZWEI Tage zu veranstalten. Das Zelt müsste ja sowieso gestellt werden und dann könnte man doch Samstag UND Sonntag etwas aufziehen. Ich dachte ich träume!!

Nun ja… mit der Planung, Organisation und Durchführung hatten wir nichts zu tun – das hat alles der Sportverein übernommen. Wir bekamen nur regelmäßige Updates.

Und die hauten mich immer wieder um!!! So erreichten mich im Laufe der Wochen Informationen dazu was alles organisiert war und stattfinden würde:
Kinderschminken…Ponyreiten..Hüpfburg…kostenloses Quadfahren von und mit einem „Kinder-Quadclub“…die Tombola mit exklusiven Preisen…Livemusik mit mehreren Bands…. am ersten Tag würde ein Kinderturnier stattfinden unter Teilnahme von Harry Karger… eine Party am ersten Abend im Zelt…am zweiten Tag würde es dann ein Erwachsenenturnier geben…

Wahnsinn….ich war bei jedem Update einfach nur sprachlos und …dankbar…

Grade die Updates über den ZWEITEN TAG waren die, die unser Leben nachhaltig verändern sollten – doch das wusste ich damals noch nicht.

Ich erinnere mich das unser Freund anrief und total aufgeregt erzählte: „Am Erwachsenenturnier nehmen die KREISLIGALEGENDEN teil und die bringen IKKE HÜFTGOLD mit!! Außerdem haben sie RALF OHRMANN als Coach gewinnen können! Ist das nicht KRASS?“ Jaaaaa….also…ich freute mich mal ganz doll mit und legte dann nachdenklich auf….hmmm….ich hatte ehrlich gesagt überhaupt keine Ahnung wer die Kreisligalegenden, Ikke Hüftgold oder Ralf Ohrmann waren. Ich war wohl irgendwie nicht „up to date“!

Aber….es mussten ja Menschen sein die die Euphorie rechtfertigten die unser Kumpel an den Tag legte, also…wollte ich mich beim Turnier (an dem wir natürlich vor Ort sein würden!) nicht blamieren. Und habe deswegen im Internet recherchiert. Schon allein um die Menschen dann vor Ort zu ERKENNEN.

Was soll ich sagen??? JETZT war ich wirklich sprachlos wer da zu UNSEREM Benefizevent erscheinen würde!!

Ralf Ohrmann..Fitness-Guru und Personal Coach einiger Fußball-Nationalspieler…
Die Kreisligalegende…Tobi Sergeo. Tobi verwaltet auch eine der erfolgreichsten Facebook-Fußballseiten überhaupt: „Kreisligafussball – das Bier gewinnt“….und brachte eine Truppe junger Fußballer mit die für diese Facebook-Seite antraten.
Ikke Hüftgold…Mallorca-Partyschlager-Gott…der erfolgreichste männliche Mallorca-Künstler aller Zeiten…Produzent…Besitzer eines eigenen Plattenlabels…UND: Besitzer einer Gartenbaufirma….

(Und jetzt muss ich kurz abschweifen weil die Welt hier bei uns im Westerwald einfach so klein ist!!
Diese Gartenbaufirma…hatten wir nur einige Monate vorher engagiert um unseren Rasen neu einzusäen und ich hatte mich, als wir die Rechnung bekamen, köstlich darüber amüsiert wie jemand der eine Gartenbaufirma besitzt nur „DISTEL“ heißen kann. Und nun stellte ich bei meinen Recherchen über IKKE HÜFTGOLD fest…das ER der Besitzer eben dieser Firma war! Verrückt! Lach…)

Ich las mir von allen Herren, inklusive Harry Karger, die Vita im Internet durch und sah mir Bilder an. Schließlich wollte ich sie ja erkennen und vielleicht auch Themen haben über die wir reden könnten!

Die Zeit verflog, der große Tag war da!
Tag 1 unseres Benefizfußballturniers.

Ich war so dermaßen aufgeregt an diesem Tag, bekam kaum Luft als wir losfuhren.

Ja, und dann…erlebten wir einen unbeschreiblichen Tag!! Ich denke..den werden wir alle NIE mehr im Leben vergessen!!

An diesem ersten Tag fand das Jugendturnier statt. Es waren unfassbar viele Kindermannschaften angereist, der Sportplatz war erfüllt vom Lachen und Schreien unzähliger Kinder.

Zwei Mannschaften haben mich besonders beeindruckt.
Die eine war eine Mannschaft die extra mehr als 70km angereist war um dabei zu sein. Einige der Jungs hatten irgendwann den Mut zu mir zu kommen und mir Fragen über Jonathan zu stellen, ihn zu begrüßen und ihm auch mal die Hand zu geben.
Ein Junge rührte mich zu Tränen als er sagte das er uns bei Facebook folgt weil Jonathan so toll ist und ob ich ihm erlauben würde ein Selfie mit Jonathan zu machen…mein Gott….sollten Jungs in dem Alter nicht ROCKSTARS anhimmeln??? Oder FUSSBALLER??? Aber dieser Bub…der himmelte MEINEN SOHN an…das war einfach…rührend…und natürlich durfte er sein Foto machen!!
Die andere Mannschaft…war die Jugendmannschaft des veranstaltenden Sportvereins. Diese Kinder hatten doch tatsächlich von ihrem Taschengeld eine Spendenaktion gemacht – für Jonathan. Das Geld war von den Eltern aufgestockt worden und befand sich in einem kleinen Tresor den die Jungs und Mädchen uns ganz verschämt überreichten. Sie waren so aufgeregt und wussten gar nicht was sie uns sagen sollten….aber trotzdem waren sie so sicher dass sie mit dieser Aktion das Richtige taten….DAS hat mich noch Tage später immer wieder zu Tränen gerührt…unfassbar wie Kinder sein können!!! Ich glaube…die Eltern aller dieser Kinder haben wirklich ganze Arbeit bei der Erziehung geleistet – HUT AB!!!

Auch sehr beeindruckt waren wir von der Offenheit der Besucher des Turniers. NOCH NIE vorher hatten wir so viele Fragen gestellt bekommen, waren wir mit so viel OFFENHEIT und so WENIG BERÜHRUNGSÄNGSTEN empfangen worden wie hier.

Fast jeder der mit mir sprach hatte entweder meinen Blog gelesen oder folgte uns bei Facebook – oder sogar beides. Jeder wusste über uns Bescheid.

Ganz ehrlich…es war ein bisschen ein Gefühl als wären wir „Promis“…lach…einige Wochen vor dieser Veranstaltung hatte ich Marvin noch gefragt wann man denn seiner Meinung nach berühmt ist…und er sagte: „Wenn man um ein Selfie gebeten wird, Mama!“..tja…an diesem Tag wurden wir MEHRFACH um Selfies gebeten…8o))

Nach einigen Stunden verließen wir das Turnier…voller Glückshormone…total aufgedreht und mit einem Dauergrinsen im Gesicht.

Und dann startete Tag 2 des Turniers.

Schon ganz früh fuhren wir los, wir wollten vor Ort sein bevor es richtig los ging um einfach allen Helfern in Ruhe DANKE sagen zu können.

Eine Fotografin war schon vor Ort, sie würde heute Fotos machen die man dann käuflich erwerben konnte. Die erste Live-Band baute grade auf und wir konnten noch kurz reden. Am Getränkeausschank und am Essensstand nahmen die Helfer schon ihre Plätze ein. Das DRK war mit einem Rettungswagen vor Ort, die Helfer waren heute ehrenamtlich im Einsatz: als Spende für Jonathan. Wir haben allen HALLO und DANKE gesagt, hatten Jonathan dabei auf dem Arm und haben Fragen beantwortet.

Bis…unser Kumpel kam und uns bat mit ins Zelt zu kommen, man wolle uns sprechen.
…dieser Moment der dann folgte hat unser –und vor allem Jonathans!- Leben verändert.

Wir betraten das Zelt, das an diesem Tag den Fußballmannschaften zum Umziehen diente. Und…vor mir standen einige Männer die alle weiße T-Shirts anhatten und darauf war…JONATHANS FOTO aus dem Blog. Ich war einfach nur sprachlos!!! Sie hatten einen Hashtag „erfunden“ und diesen ebenfalls auf die Shirts gedruckt: „KEEP FIGHTING JONATHAN“. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, mir standen Tränen in den Augen weil mich von so vielen Männeroberkörpern MEIN SOHN ansah…was die sich für eine Arbeit für das Turnier gemacht hatten!!...ich habe zu meinem Mann nur sagen können: „Schau mal, die haben alle Jonis Bild auf dem Shirt…krass!“

DIESE MÄNNER waren von der Facebook-Seite KREISLIGAFUSSBALL….und einen, der in der hintersten Ecke saß, habe ich auch sofort erkannt: Ikke Hüftgold. Ich habe ihm gewunken und gesagt: „Dich kenne ich!“….dann kam er auch schon zu uns und stellte uns gefühlte 1000 Fragen über Jonathan. Er zeigte wahnsinniges Interesse und dann…fragte er mich ob er den Kleinen halten dürfe. Durfte er. Und ab diesem Moment….waren er und Joni „in love“.

Sowas habe ich bei unserem Zwerg NOCH NIE erlebt, ich schwöre es. Er himmelte Ikke (oder Matthias, wie er für mich heißt) an…er verschlang ihn mit den Augen…er schmiegte sich an ihn und plapperte in seiner eigenen Sprache…hatte nur noch Augen für diesen großen Mann mit der tiefen Stimme. Und umgekehrt…war da ebenfalls so viel Liebe. In jeder freien Minute dieses Tages kam Matthias zu uns und nahm Jonathan auf den Arm, redete mit ihm oder mir.

Mir trieb es die Tränen in die Augen als ich Jonathan in diesen Momenten auf Matthias` Arm so vollkommen glücklich und in sich ruhend gesehen habe. Ich verstand zwar nicht was zwischen den beiden da passierte, aber Jonathan strahlte – und alles andere interessierte mich nicht.

(Bis heute stehen wir in regelmäßigem Kontakt mit Matthias. Jede Sprachnachricht von ihm bringt Jonathan zum Strahlen. Machen wir Videos von IKKE an –die pädagogisch sicherlich NICHT wertvoll sind! LOL- hüpft, „tanzt“ und gluckst Jonathan vor Glück. Ich kann einfach gar nicht in Worte fassen wie dankbar ich diesem Mann bin das er mein Kind so glücklich macht! Wir wissen das Jonathan kein so langes Leben haben wird wie wir, und aus diesem Grund hatte und hat es für uns schon immer oberste Priorität den kleinen Kerl glücklich zu machen - komme was wolle: Hauptsache er hat Spaß und lacht!!! Seit dem Fußballturnier hat Matthias einen ganz entscheidenden Anteil am Glück in Jonathans Leben. Und dafür werde ich ihm immer dankbar sein.)

Kurz darauf traf auch Ralf Ohrmann ein. Ein total sympathischer Mann der ebenfalls großes Interesse an Jonathan zeigte, viele Fragen stellte und….eine sehr großzügige Spende für uns mitbrachte. RALF: ICH ZIEHE DEN HUT VOR DIR UND BEDANKE MICH AUF DIESEM WEG ERNEUT!

Ralf hat das Team der Kreisligalegenden offensichtlich gut gecoacht, denn zum einen wurden sie Zweiter des Turniers – zum anderen kam der Torschützenkönig aus dieser Mannschaft. (Nein, es war nicht Ikke – obwohl der tatsächlich NICHT schlecht Fußball spielte!!! Böse Zungen sagten nach dem Turnier das er sogar besser kickt als singt….LOL… Der Torschützenkönig war Tobi Sergio der mit sieben Treffern einfach total abräumte!)


Jonathans Papa hat ebenfalls mit einer Mannschaft am Turnier teilgenommen: „Jonathans Invalidentruppe“ haben sie sich genannt….nun ja…diese Truppe landete unter „ferner liefen“. Aber wie lautet der Spruch noch mal: „DABEI IST ALLES!“…lol…