WARUM?
Warum trifft es ausgerechnet MICH? Wie soll mein Leben weitergehen? Und: WERDE
ICH DAS SCHAFFEN??? ...
..diese
Fragen stellen sich wohl alle Eltern eines behinderten Kindes hunderte, ja
tausende Male. Aber: es gibt keine Antworten…
Man muß
lernen mit der Situation umzugehen, sie akzeptieren. Die Veränderungen für das
eigene Leben, für die Partnerschaft, für die Geschwisterkinder hinzunehmen und
nicht nur schlechtes in ihnen zu sehen – man muss lernen ihnen positives
abzugewinnen, denn nur so schafft man es weiterzumachen und nicht an der
Situation zu zerbrechen.
Mit
diesem Blog möchten wir anderen Eltern von behinderten Kindern Mut machen.
Ratschläge geben wie WIR es geschafft haben. Eine Plattform schaffen um für das
ein oder andere medizinische Problem einen Lösungsansatz zu finden.
Und
natürlich: euch unseren Sohn vorzustellen!! Sein Leben soll nicht umsonst sein…
Doch von
Anfang an:
Unsere
Diagnose lautet
MOPD Typ 1.
Einer der
seltensten Gendefekte im Kleinwuchsbereich weltweit. Momentan leben in Dtld 3
und weltweit ca 10 Kinder mit diesem Defekt. Und ich sage bewusst KINDER…denn
die Lebenserwartung ist sehr gering, oft nur ein paar Monate.
Aufgrund
der geringen Anzahl der bekannten Fälle ist diese Krankheit weitgehend
unerforscht. Schon einige Male haben wir ratlose Ärzte gesehen die keine Ahnung
hatten wie wir gesundheitliche Probleme lösen können.
Die
Schwangerschaft
Nach
einem gesunden und normal geborenen Kind in 2006 (von einem anderen Vater) wurde
ich Ende 2013 wieder schwanger: mit Zwillingen. Leider hielt diese
Schwangerschaft nur 12 Wochen.
Ende 2014
wurde ich erneut schwanger und auch diese Schwangerschaft stand von Anfang an
unter keinem guten Stern….schon in einer recht frühen Schwangerschaftswoche
setzten das erste Mal Blutungen ein. Ein Schock!!!
Die
Blutungen kamen und gingen bis zur Geburt. Ich schwankte zwischen strikter
Bettruhe, wieder aufstehen dürfen, Arztterminen und auch
Krankenhausaufenthalten.
Jeder
Ultraschall zeigte aber ein quietschfideles Kind, das die Blutungen scheinbar
nicht beeindruckte.
Allerdings:
das Baby war immer zu klein, weit unterhalb jeglicher Durchschnittswerte.
Zuerst korrigierten die Ärzte den Entbindungstermin zwei Wochen nach hinten. Dann
schickten sie mich zur Nackenfaltenmessung: diese blieb ohne Ergebnis, alle
Werte sprachen für ein gesundes Baby. Nun wollte man genauer hinschauen, doch
eine Fruchtwasseruntersuchung hielten die Ärzte für zu riskant da immer wieder
Blutungen auftraten und sie das Baby nicht über die Maßen stressen wollten.
Also wurde eine neue Methode zur Chromosomenanalyse durchgeführt: der
sogenannte Prena-Test. Hierbei war es lediglich notwendig das MIR Blut
abgenommen wurde anhand dessen die Chromosomen des Baby ausgelesen wurden. Auch
dieses Ergebnis sprach für ein gesundes Kind.
Doch
weiterhin fiel das geringe Wachstum auf. Ich wurde zu Untersuchungen in eine
größere Klinik geschickt. Das Ergebnis hier: meine Plazenta sei eine Kugel und
viel zu klein, sie könne das Kind offensichtlich nicht ausreichend versorgen.
Häufigere Kontrollen seien notwendig, das Baby aber fit und gut durchblutet:
also erst mal kein Grund zur Besorgnis!
Bei einer
späteren Untersuchung in der Klinik wurden aber auch hier die Ärzte stutzig
weil das Kleine einfach nicht richtig wachsen wollte und meine Blutungen
stärker als je zuvor wiedergekommen waren. Also entschlossen wir uns gemeinsam
mit dem Ärzteteam nun doch zu einer Fruchtwasseruntersuchung – trotz der
Risiken. Doch meine Einstellung war: Ich möchte kein behindertes Kind!! Ich
kann und will damit nicht leben!!! Und so sollte ebendies ausgeschlossen
werden…
..wenn
ich damals nur schon das gewußt hätte was ich heute weiß…..
Das
Ergebnis der Fruchtwasseruntersuchung zeigte das wir zu 99,9% ein gesundes Kind
erwarten – und zwar einen kleinen Jungen! 8o)
Wir
wurden von den Ärzten darauf vorbereitet daß wir sehr wahrscheinlich aber ein
Frühchen bekommen würden. Da keine Gendefekte gefunden worden waren spreche das
geringe Wachstum für eine Unterversorgung durch die Plazenta und das wiederum
führe meist zu einer Frühgeburt.
Kurz vor
Ende des 7.Schwangerschaftsmonats bekam ich Wehen. Die Frauenärztin schickte
mich sofort mit dem Krankenwagen in die Klinik wo ich stationär aufgenommen
wurde. Ich bekam einen Wehenhemmer und vorsichtshalber auch eine Spritze die
die Lungenreife herbeiführen sollte.
Die
Geburt und das erste Kennenlernen
Am
nächsten Tag wurden die Werte des CTG schlechter und deswegen entschlossen sich
die Ärzte zu einem Notkaiserschnitt. Innerhalb von 20 Minuten lag ich –total
überfordert- im Op. Da wir knapp 80 km von der Klinik entfernt wohnen konnte
mein Mann nicht rechtzeitig da sein und ich war allein mit dieser Situation die
mich an die Grenzen der Belastbarkeit brachte.
Ich
durfte meinen kleinen Jungen nicht sehen, er wurde sofort in die Kinderklinik
gebracht.
Sein
Geburtsgewicht betrug 490g und er war 29cm groß.
Einige
Stunden nach der Geburt durfte mein Mann in die Kinderklinik und einen ersten
Blick auf ihn werfen….alles was er sagen konnte als er mir berichtete: „ Er ist
so unglaublich klein!! Aber auch unglaublich schön!“
Am
nächsten Morgen durfte/konnte dann auch ich zu unserem Kleinen. Ich wußte was
mich erwarten wird: Kabel, viele Kabel!…Geräte die piepsen…komische Gerüche…und
doch war ich geschockt: er war so unfassbar klein!! Und da er sehr unreif war,
war auch seine Haut noch nicht „fertig“: sie war dunkel. Zudem war er mit
Hämatomen übersäät und man hatte ihn bei der Entbindung auch in die rechte
Seite geschnitten…sein Gesicht konnte ich überhaupt nicht sehen denn es war
hinter einer Atemhilfe (Cpap) verborgen.
Ich kann
nicht wirklich beschreiben was mir durch den Kopf ging als ich das alles zum
ersten Mal gesehen habe: von Angst (um mein Baby) über Erleichterung (das die
schwierige Schwangerschaft vorbei ist und die Verantwortung für dieses Leben
nicht mehr bei mir liegt) zu Panik (diese Klinik, dieser Kasten wird für lange
Zeit der Mittelpunkt in seinem Leben sein) zu noch größerer Panik (werde ich es
schaffen mit dieser Situation umzugehen?) zu Traurigkeit (das mein Mann bei
seinem ersten Kind so etwas erleben muß) …vermutlich kann diese Situation auch
nur jemand nachvollziehen der sie selber erlebt hat.
Nachdem
der erste Schock überwunden war begann ich den Kleinen genauer zu betrachten
und Fragen an die uns betreuende Schwester zu stellen. Mir ist eigentlich
sofort aufgefallen das seine Hände und Füße irgendwie…merkwürdig aussahen. Zu
klein und zu dick….die Finger und Zehen zu kurz und einfach ganz anders als ich
es von meinem großen Sohn, Marvin, in
Erinnerung hatte. Diese Beobachtung sollte noch eine Rolle spielen – doch für
den Moment bekamen wir nur die Auskunft das dies bei Frühchen oft der Fall sei:
es handele sich um Wassereinlagerungen die noch verschwinden würden.
Die Haut
werde in einigen Tagen auch ausgebildet sein und dann könnten wir ihn anfassen,
bis dahin: nur ganz leicht an der Handinnenfläche berühren – alles andere
verursache ihm Schmerzen. (Doch selbst diese Berührung war für mich
grenzwertig: die Haut war klebrig und ich hatte unsägliche Angst ihn zu
verletzen.) Die Schnitte werden verheilen, die Hämatome verschwinden.
Die beste
Nachricht jedoch war: er atmete von alleine!!! Von Anfang an!!! Er war nie auch
nur eine Sekunde lang beatmet, und das mit diesem Gewicht! Er hatte einfach
einen unbändigen Willen zu leben! Das machte uns Mut und gab uns Hoffnung….
….schon
lange vor der Geburt war natürlich der Name ein Thema in unserer Familie
gewesen…nach der Fruchtwasseruntersuchung stand fest es wird ein Junge, die
Mädchennamen wurden also verworfen. 8o)
Ich
wollte einen PHIL – einen PHIL COLLIN um genau zu sein, denn ich bin riesiger
Phil Collins Fan!! Mein Mann fand den Namen „Ok“, aber nicht berauschend. Dann
kam mein großer Sohn mit dem Vorschlag JONATHAN – den ich erst gar nicht toll
fand. Zu lang, zu holprig, zu hart….doch je länger er mir durch den Kopf
schwirrte desto mehr Gefallen fand ich daran. Das ging meinem Mann ähnlich.
Aber von Phil lösen konnte ich mich auch nicht so ganz. Also schlossen wir
einen Kompromiss: sollte das Baby mit Haaren geboren werden hieße es JONATHAN,
sollte es mit Glatze zur Welt kommen hieße es PHIL (sorry an Phil Collins: aber
die Haare sind nun mal lichter geworden mit den Jahren!).
Und dann
lag ich ihm OP und hatte Angst und zitterte vor mich hin. Die Schwestern wollten
mich ablenken und fragten wie der Bub denn heißen soll. Also habe ich ihnen von
unserem Kompromiss erzählt und sie …haben sich kaputt gelacht!! 8o) Ich glaube
es waren 12 Leute im OP und alle haben sich amüsiert, es war eine tolle
Stimmung in dieser schwierigen Situation und ich konnte mich dadurch ein wenig
entspannen und fallen lassen. Das haben die Schwestern wohl bemerkt denn sie
haben das Thema aufgegriffen und mir gesagt das JONATHAN so viel schöner sei
und der Name auch nicht mehr so häufig vorkomme heutzutage. Dann schaute eine
Anästhesistin über das Tuch und meinte: „ Es ist ein Jonathan!“, und die
andere: „Quatsch, er hat KEINE Haare!“, darauf die erste wieder: „Macht nix,
wir sagen dem Papa einfach die sind innerhalb von 5 Minuten alle ausgefallen!“…8o)))
Und das haben die Damen auch genauso gemacht….8o))))
Also
wurde er Jonathan genannt. Und wir sind heute sehr froh darüber!! JONATHAN
kommt aus dem hebräischen und bedeutet frei übersetzt: GESCHENK GOTTES. Und
genau das ist er: unser Geschenk Gottes!! Er hat zum einen diese schwierige
Schwangerschaft überstanden und sich mit einem Gewicht von nur 490g ins Leben
gekämpft, zum anderen ist er eins von nur 10 Kindern weltweit mit dem Gendefekt
MOPD Typ 1. Wenn also „Jonathan“ nicht passend für IHN ist, für wen dann?????
Die Zeit
in der Kinderklinik
…war
schwierig und eine große Herausforderung für uns alle: meinen Mann und mich,
meinen Sohn, aber auch für unsere Eltern, Geschwister und Freunde.
Mein Mann
und ich durften quasi Tag und Nacht zu Jonathan, wann immer wir wollten. Mein
Sohn durfte aufgrund seines Alters (er war zu Beginn dieser Zeit noch 8 Jahre
alt) ÜBERHAUPT zu seinem Bruder, durfte
nur durch eine Glasscheibe vom Balkon aus schauen – was für ihn aber
unbefriedigend und auch langweilig war. Unsere Eltern konnten einmal pro Woche
vorbeikommen, durften Jonathan aber nur ansehen und nicht berühren (wegen
eventueller Keime). Unsere Geschwister waren gezwungen ihn vom Balkon aus anzuschauen,
sie hatten ebenfalls keinen Zutritt.
Für uns
hieß es nun unser Leben neu organisieren. Mein Mann und ich waren die Einzigen
die wirklich immer zu Jonathan durften und ihn auf seinem Weg unterstützen
konnten. Also:
Wenn ich
in die Klinik fahren wollte brauchte ich Betreuung für Marvin. Und dann saß ich
bei Jonathan und habe mich dauernd gefragt was der Große wohl macht und wie es
ihm geht? War ich aber zu Hause habe ich mich um Jonathan gesorgt…es war eine
sehr anstrengende Zeit!
Mein Mann
ist jeden Abend nach seiner Arbeit in die Klinik gefahren: so war für viele
Stunden am Tag jemand dort - aber Marvin und ich haben ihn kaum zu Gesicht
bekommen. Auch ein geregeltes Familienleben mit gemeinsamen Mahlzeiten fand in
dieser Zeit nicht wirklich statt.
Um es
vorweg zu nehmen: wir waren 5 Monate in der Klinik und es war eine Zeit die uns
alle (aus verschiedenen Gründen!) an unsere Grenzen gebracht hat. Und noch
heute: mehr als 1,5 Jahre später bekomme ich Gänsehaut, Atemnot und Tränen in
den Augen wenn ich im Fernsehen in einer Frühchensendung diese Geräte piepsen
höre!!! Oder darüber schreibe….
Aber
zurück zum medizinischen…
Ich bin
den Ärzten vom ersten Tag an immer wieder „auf die Nerven gegangen“ weil mich
die „komischen“ Hände und Füße irritiert haben. Und nach circa einer Woche hat
mich die Stationsärztin dann mit in ihr Büro genommen und mir eröffnet das man
vermutet daß unser Sohn kleinwüchsig ist. Diese Diagnose liege nahe wegen der
Hände und Füße, außerdem seien auch Knochenanomalien beim Röntgen aufgefallen.
Aber um es sicher zu sagen müsse man noch mehrere Tests machen.
In diesem
Moment hielt sich mein Schock in Grenzen: Kleinwuchs…ok: nicht schön aber auch
kein Weltuntergang! Es gibt eine Menge Kleinwüchsige die ein relativ normales
Leben führen - und sogar Schauspieler werden können.
Doch dann
kam der Ultraschall des Kopfes, des Gehirns …und uns wurde erklärt es gibt
große Auffälligkeiten und Probleme mit dem Gehirn. (Medizinische Fakten stelle
ich in unterstrichen vor damit es leichter ist sie aus meinem Text
herauszufiltern!!!)
Jonathan
hat einen Mikrocephalus, also einen viel zu kleinen Kopf. In diesem kleinen
Kopf kann natürlich auch nur ein kleines Gehirn sitzen. Doch leider ist das
Gehirn bei ihm nochmal kleiner als der Kopf und im hinteren Bereich befindet
sich nur Hirnwasser. Zudem fehlt die Gyrierung des Gehirns, also die Windungen:
es ist glatt wie ein Apfel und nicht „wellig“ wie eine Walnuss. Der Balken, der
die rechte und linke Hirnhälfte verbindet, fehlt komplett. Und es sind diverse
Zysten im Gehirn vorhanden.
Das war
dann ein immens großer Schock! Ich hatte doch von Anfang gesagt das ich kein
behindertes Kind möchte, hatte alle Tests machen lassen und nun sowas??? Wie
sollte ich damit klarkommen??? Was würde er überhaupt können im Leben??? (Wie
wir mit dieser Situation klarkamen und was grade mich beschäftigt hat werde ich
später genauer beschreiben.)
Für uns
wurde ein Gespräch mit einer Humangenetikerin in der Klinik vereinbart – und
das hat mich stutzig gemacht. Ich habe zu meinem Mann gesagt das scheinbar noch
mehr im Argen liegen muß ansonsten würde uns doch keine Humangenetikerin an die
Seite gestellt??
Und so
war es dann auch. Die Humangenetikerin eröffnete uns das sie sicher sei das
Jonathan kleinwüchsig wäre, doch zusammen genommen mit den Hirndefiziten
vermute sie eine extrem seltene Form. Sie wollte uns keine Auskunft darüber
geben WELCHE Form: damit wir uns nicht verrückt machen indem wir im Internet
recherieren…und außerdem könne es diese Erkrankung eigentlich gar nicht sein,
denn sie habe vor nicht einmal zwei Jahren ein Kind mit dieser seltenen Form in
genau dieser Klinik betreut – und es sei ja dermaßen UNWAHRSCHEINLICH das man
nun einen zweiten Fall habe!!!! Sie
erbat unsere Erlaubnis Röntgen- und Ultraschallbilder sowie die Krankenakte
einem befreundeten Professor vorzulegen der im Bereich des Kleinwuchses
forsche. Wir haben die Erlaubnis erteilt denn uns war sehr daran gelegen endlich
zu wissen mit was wir es zu tun hatten!
Ich weiß
nicht mehr wie lange es gedauert hat bis wir ein erneutes Gespräch mit der
Humangenetikerin führten und sie uns sagte das der Professor ihre Vermutung
bekräftigt habe und sie jetzt gerne eine Genanalyse durchführen würde um die
Diagnose zu bestätigen.
Jetzt
wurde zum ersten Mal der Name der Krankheit erwähnt:
MOPD Typ
I.
Nur
Buchstaben…und trotzdem werden diese Buchstaben unser Leben und das unserer
Familien ab jetzt vollkommen auf den Kopf stellen und uns alle auf die härteste
Probe stellen die man sich vorstellen kann.
Da die
Humangenetikerin die Vermutung MOPD Typ 1 geäußert hatte fingen mein Mann und
ich an im Internet zu recherchieren, wir wollten genauer wissen was das für
eine Krankheit war und was uns erwartet wenn sich der Verdacht bestätigt.
Grundsätzlich
war diese Recherche ein Schock!! Neben diversen gesundheitlichen Problemen die
mit diesem Gendefekt zwangsläufig einhergehen war die geringe Lebenserwartung
das schlimmste für uns: nur 9 Monate im Durchschnitt!! Ich war am Boden
zerstört…konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen…war wie in Watte gepackt und
nahm meine Umgebung nur durch einen Nebel wahr. GENAU DAS war doch der Grund
warum ich kein behindertes Kind wollte!! Wieso passierte das nun also
ausgerechnet MIR??? Wie sollte ich DAS Marvin beibringen??? Er hatte schon
seinen Vater verloren, nun also auch noch seinen Bruder???
Drei
Tage…drei Tage lang bin ich nicht in die Klinik gefahren. Habe mich zu Hause
verkrochen, habe geweint…habe gehadert mit meinem Schicksal…hätte Jonathan
gerne einfach „umgetauscht“…wollte ungeschehen machen was passiert ist, ihn
verleugnen...(ich bin nicht stolz darauf, aber genauso war es nun mal!).
Ich habe
in diesen Tagen nicht mit vielen Menschen geredet, aber die mit denen ich
gesprochen habe sagten Dinge wie: „Das schaffst Du schon!! Du bist doch stark,
hast schon ganz andere Situationen im Leben gemeistert! So schlimm ist ein
behindertes Kind doch gar nicht…und wir sind auch immer für Dich da!“ (Sätze in
dieser Art hatte ich auch von den Schwestern in der Klinik schon gehört nachdem
wir erfahren hatten das Jonathan behindert sein wird: „Man wächst mit seinen
Aufgaben und man lernt auch ein solches Kind zu lieben!! ….wenn es mal
schwierig wird dann kann man sich Hilfe holen durch eine entsprechende
Einrichtung, da kann man zur Not das Kind auch betreuen lassen.“)
…ich habe
diese Sätze gehört und ich wußte daß sie gut gemeint waren. Das diese Menschen
mir zeigen wollten das sie an meiner Seite stehen und mich unterstützen. Das
sie mir Optionen aufzeigen sollten die ich TROTZDEM noch habe, das mein Leben
trotz allem noch lebenswert und schön sein kann. Aber…mir ging, wenn ich sowas hörte, immer
nur durch den Kopf: „Woher willst Du das denn wissen??? Du kannst doch nicht in
mich hineinblicken und weißt gar nicht wie schlimm diese Situation für MICH
ist!! ICH bin diejenige die in Zukunft tagtäglich damit leben muß – nicht DU!!!
Als Außenstehender hat man ja gut reden!!!“
Zu diesem
Zeitpunkt war ich felsenfest davon überzeugt das ich dieser Situation NICHT
gewachsen war!!! Ich würde mich NIEMALS damit arrangieren können ein
behindertes Kind zu haben…NIEMALS!! Mein Leben würde so ganz anders sein als
bisher..
Mein Mann
hat mich dann wortwörtlich „in den Arsch getreten“. Er hat mir gesagt das ich
genau ZWEI Möglichkeiten habe: entweder ich fahre in die Klinik und kümmere
mich um Jonathan…oder wir geben ihn zur Adoption frei – aber dann müsse ICH die
Papiere dafür besorgen. Nun ja…mein Mann weiß eben welche Worte ich brauche und
mir wurde bewußt: mein Kind ist da und es LEBT!!!! Es ist nicht so wie ich es
mir vorgestellt habe, es ist behindert und unser gemeinsamer Weg wird nicht
leicht – aber es ATMET und es LEBT und es WILL AUCH LEBEN…es ist EGAL was ICH
wollte oder was ICH mir vorgestellt habe, nicht ICH konnte entscheiden – die
Situation ist jetzt wie sie ist und NIEMAND auf der Welt wird es mehr ändern
können….also bin ich am nächsten Tag zu Jonathan gefahren…
Und von
diesem Moment an habe ich mein Schicksal angenommen und begonnen ihn
bedingungslos zu lieben!! 8o)))
(Ein Wort
noch zu meinem Mann und seinem Umgang mit dieser Situation. Von Anbeginn der
Schwangerschaft an hat er gesagt das er sein Kind annehmen wird wie auch immer
es ist – ER brauche keine Vorsorgeuntersuchungen. Als dann feststand das der
Kleine behindert sein wird hat mein Mann einen Satz zu mir gesagt der seitdem
viele Menschen, vor allem einige Schwestern auf unserer Station!, zum Weinen
gebracht hat: „Es ist mir egal wie er sein wird – und wenn er nur mit einem
Hammer auf Holzklötzchen hauen kann und sonst nichts…dann setze ich mich eben
dazu und hämmere auch auf Holzklötzchen!“ …ich habe heute noch den größten
Respekt vor dieser seiner Einstellung. Rückblickend kann ich sagen: mein Mann
hat die Situation wirklich bedingungslos angenommen und NIE, auch nur EINEN
TAG, mit seinem Schicksal gehadert. Die Aussage mit der Adoption war NIEMALS
ernst gemeint von ihm: er hat gewußt das er mich so dazu bewegen wird in die
Klinik zu fahren und mich um Jonathan zu kümmern!)
Mich hat
die Situation Demut gelehrt. Demut davor das ich ÜBERHAUPT NICHTS in meinem
Leben selber entscheiden kann! Ich, die geglaubt hat das eine Fruchtwasseruntersuchung
die 100%ige Möglichkeit ist eine Behinderung auszuschließen und mein Leben so
zu leben wie ICH mir das vorstelle, wurde eines besseren belehrt: das alles
wird an viel höherer Stelle entschieden. Ich kann nur versuchen das anzunehmen
und das Beste daraus zu machen! Kopf hoch und nach vorne blicken!!! Rumjammern
bringt nichts, es ändert sich dadurch NICHTS!!
Ein Satz
den mein Sohn Marvin und ich uns nach dem Tod seines Vaters immer wieder
gegenseitig gesagt haben wenn wir traurig waren („Das Leben ist kein Ponyhof!“)
bekam nun wieder einen Platz in unserem Alltag. Wurde ein Ansporn für uns.
Wurde ein Halt: wir fühlen als Familie alle das Gleiche, und zusammen schaffen
wir das!!
Als mir
das alles klar geworden war…habe ich mich erneut mit der Krankheit
auseinandergesetzt. Denn auch wenn die Hoffnung noch vorhanden war das die
Ärzte und die Humangenetikerin sich getäuscht hatten – tief in meinem Inneren
wußte ich daß sie Recht hatten. Dafür mußte ich nur lesen was laut Internet die
Anzeichen dieser Erkrankung waren:
-ein
kleiner Kopf
-diverse
Hirnfehlbildungen wie: fehlender Balken, multiple Zysten und fehlende Gyrierung
des Gehirns
-kurze
Oberarm- und Oberschenkelknochen
-eine
prominente (sprich: große und auffällige) Nase
-prominente
Augen
-das
Fehlen von Haaren und Augenbrauen
-zu
kleine und zu dicke Hände und Füße: die Hände sehen aus wie kleine
Maulwurfspfötchen (der Zeigefinger und der kleine Finger sind jeweils nach
innen gebogen) und die Füße wie die der Comicfigur Pumuckl (ein sehr steiler
Rist und eine zu ausgeprägte Ferse)
-kurze
und spitz zulaufende Finger mit sehr stark gebogenen Nägeln
-das
fast permanente Runzeln der Stirn
All das
traf auf Jonathan zu! Als ich dann auch noch auf ein Foto eines MOPD-Babys
gestoßen bin…war ich mir absolut sicher. Dieses Baby war unserem Baby wie aus
dem Gesicht geschnitten. Es war beängstigend und faszinierend zugleich. Wenn
ich nicht gewußt hätte das das auf dem Foto nicht mein Sohn sein KANN – dann
hätte ich es geglaubt.
Also
suchten wir weiter nach Berichten, vor allen Dingen wollte ich andere
Betroffene finden. Ich wollte REDEN! Mit anderen betroffenen Müttern, sie
fragen wie für sie die Zeit war nachdem sie diese Diagnose bekommen hatten…wie
das Leben mit einem solchen Kind ist…wie sie mit der Angst umgehen das jeder
Tag der letzte Tag mit ihrem Baby sein kann.
Doch die
Recherche gestaltete sich sehr schwierig: es gab kaum Internetseiten über MOPD TYP
1 und wenn, dann waren sie auf Englisch und legten nicht viel mehr als die oben
genannten Fakten dar. Es gab keine Berichte von betroffenen Familien, es gab
keine YouTube-Kanäle und keine Zeitungsberichte. Das mag einfach daran liegen
das diese Krankheit das erste Mal vor über 200 Jahren in der Medizin
beschrieben wurde und es seitdem WELTWEIT nur 40 Betroffene in 30 Familien
gegeben hat. Es gibt also kaum Vergleichsfälle, viele Facetten dieser Krankheit
sind schlichtweg unerforscht.
Dann
fiel mir wieder ein was unsere Humangenetikerin gesagt hatte: sie hatte vor
circa zwei Jahren ein Kind in der gleichen Klinik betreut das diese Krankheit
auch hatte!!! Wenn dieses Kind also in der gleichen Klinik war…dann wohnte die
Familie vielleicht auch nicht so weit weg??? Ich hatte richtiges Herzklopfen:
vielleicht könnte ich bald mit einer anderen Mutter reden die mich VOLLKOMMEN
verstehen würde?? Von der ich lernen könnte und mit der ich mich austauschen
könnte wie mit niemandem sonst. Doch natürlich, der Datenschutz!…bekam ich im
Krankenhaus keine Auskünfte über diese Familie. Ich habe dann meine
Kontaktdaten aufgeschrieben und die Humangenetikerin gebeten diese an die betroffene
Familie weiterzugeben damit SIE MICH kontaktieren könnten. Es sei mir ein
großes Anliegen!! Und dann hieß es in dem Punkt: abwarten was passiert und ob
sich jemand meldet….
Doch
zunächst ging für uns die Zeit in der Kinderklinik weiter.
Jonathan
machte uns Sorgen: bei Bluttests (die regelmäßig durchgeführt wurden) stellten
die Ärzte fest das Jonathans Blut „sauer“ wurde – sprich: sein PH-Wert war
nicht gut, er verlor Elektrolyte. Also bekam er oral täglich mehrere Male
verschiedene Elektrolyte zugeführt – aber an seinem Blut änderte sich dadurch
nur minimal etwas: er blieb „sauer“. Nun testete man seinen Urin und stellte
fest daß er über diesen scheinbar unkontrolliert Elektrolyte ausschied. Die
Ärzte hatten keine Ahnung warum das so war, sie vermuteten eine
Stoffwechselstörung. Also wurden Tests veranlaßt – die jedoch ohne Ergebnis
blieben, am Stoffwechsel lag es also nicht. Sollten es etwa die Nieren sein?? Die
Ärzte wußten es nicht…
Da wir
irgendetwas tun MUSSTEN und nicht einfach tatenlos herumsitzen konnten…und da
wir im Gegensatz zu den Ärzten etwas mehr Zeit hatten im Internet zu surfen:
haben wir das getan. Und sind tatsächlich auf einen interessanten Bericht aus
England gestoßen! (Zum Glück sind sowohl mein Mann als auch ich des englischen
mächtig sonst hätten wir nicht begriffen wie wichtig dieser Bericht für uns
ist!) Darin erzählte eine Mutter von ihrer an MOPD Typ 1 erkrankten Tochter die
zeitlebens unter einem unkontrollierten Elektrolytverlust gelitten habe!! Da
dieses Mädchen scheinbar bisher die Einzige beschriebene MOPD-Patientin mit
Elektrolytverlust war, haben die Ärzte einiges ausprobiert um ihr zu helfen –
doch nichts hat gefruchtet. Schließlich wurde der Kleinen ein Port gelegt über
den sie einmal wöchentlich in der Klinik per Infusion eine Elektrolytlösung
erhalten hat. Sie wurde damit immerhin 7 Jahre alt!
Wir haben
diesen Bericht ausgedruckt und unserer Stationsärztin gegeben, die zum Glück
auch Englisch spricht. Sie hat sofort erkannt wie immens wichtig dieser Bericht
für uns ist und sich mit einem Nephrologen (Nierenarzt) kurzgeschlossen. Kurze
Zeit schwebte wohl auch bei uns der Gedanke an einen Port im Raum, doch zu
diesem Zeitpunkt hatte Jonathan (wenn ich mich richtig erinnere!) noch keine
1,5 Kilogramm und dieser Eingriff wäre für ihn ungeheuer gefährlich gewesen. Aber
zu unserem wahnsinnigen Glück hatte der Nephrologe dann eine Idee: es gebe ein
Medikament das (laienhaft ausgedrückt) dazu führe das die Elektrolyte besser im
Körper gespeichert würden, dieses Medikament sei in den USA auf dem Markt und
könne für uns beschafft werden: es nennt sich CALCITRIOL. Und was soll ich
sagen??? Es hat funktioniert!!! 8o))) Seit Jonathan dieses Medikament
regelmäßig einmal am Tag bekommt kann sein Körper die Elektrolyte (die wir aber
trotzdem weiterhin täglich oral verabreichen müssen) besser speichern. Leider
habe ich bis heute keine Ahnung wie der Nephrologe heißt oder wo er arbeitet,
aber an dieser Stelle sei Ihnen gesagt: VIELEN DANK!! Ich weiß nicht ob mein
Sohn ohne Sie heute noch bei mir wäre!
Jetzt
hatten wir dieses Problem aus der Welt geschafft und atmeten durch. Ich muß
sagen: wirklich gravierende Probleme hatten wir mit Jonathan zu Klinikzeiten ansonsten
nicht. Natürlich hatte er viele Probleme die Frühchen eben haben: er hat
mehrere Bluttransfusionen gebraucht, er hatte eine beginnende Netzhautablösung
in einem Auge, er hatte häufig Herzfrequenzabfälle, einen Leistenbruch, ein
Foramen Ovale: ein Loch in der Herzscheidewand das sich bei ihm selbst
geschlossen hat, konnte seine Körpertemperatur nicht halten und hatte zu Beginn
Probleme seine benötigte Milchmenge selbstständig zu trinken (wir reden heute
noch über den einstmaligen REKORD von 8ml die er selbstständig getrunken hat).
Aber das ist alles typisch für Frühchen! Ansonsten konnten wir nicht klagen: es
gab keine Hirnblutungen, keine Herzstillstände, keinen nekrotisierenden Darm –
er war stabil und kämpfte sich Tag für Tag weiter ins Leben! 8o))
Natürlich
hat er kaum zugenommen und ist auch fast nicht gewachsen: am 14.06.2015, mit
circa 7 Wochen, hat er erst 1 Kilo auf die Waage gebracht und hatte etwas über
30cm Körperlänge.
Und das
war ein Punkt über den ich mir Gedanken zu machen begann: das wir lange – SEHR
LANGE- hier sein würden war mir klar! Aber normalerweise wurden die Babys erst
mit 2,5 Kilo von der Frühchenstation entlassen. Wenn er also knapp 7 Wochen
brauchte um 500g zuzunehmen – wie lange sollte es dann dauern bis er nochmal
1,5 Kilo zugelegt hätte und wir heim dürften???? Aber hier gab die
Stationsärztin Entwarnung: natürlich müsse man bei uns andere Maßstäbe setzen
als bei „normalen“ Frühchen. Auf das Gewicht werde bei Jonathan weniger
Augenmerk gelegt „sonst sind Sie in zwei Jahren noch hier!“.
Allerdings
müsse er für eine Entlassung nach Hause in der Lage sein seine Körpertemperatur
alleine zu halten, seine Nahrung allein aufnehmen können, er dürfe keine Herzfrequenzabfälle
mehr haben, seine Blutwerte müssten gut sein und….mein Mann und ich müssten in
der Lage sein ihm Magensonden (durch die Nase) zu legen, zu ziehen und zu
benutzen damit die Medikamentengabe auch sichergestellt sei.
Mittlerweile
bekam er 3 verschiedene Elektrolyte und die jeweils 3x am Tag, zusätzlich das
schon erwähnte Calcitriol, Vitamin D und Eisen. Manchmal wurde die Magensonde
auch genutzt um ihm seine Milch zu „sondieren“, wenn er einfach zu müde und
erschöpft war allein zu trinken.
Also…lernten
mein Mann und ich eben Magensonden legen – an unserem eigenen Kind….einfach war
es nicht, das soll hier mal gesagt sein! Jonathan hat natürlich geschrien und
sich gewunden: angenehm war es für ihn mit Sicherheit auch nicht wenn jemand
ohne Medizinische Vorkenntnis versucht einen Schlauch durch Nase und Rachen bis
in den Magen zu schieben – zwischendurch auch mal „hängen bleibt“ und von vorne
beginnen muß. Natürlich hatten wir vor
der Praxis theoretische Einweisungen: haben WUNDERSCHÖNE Schaubilder gemalt
bekommen… (Der Betreffende wird jetzt wissen daß er gemeint ist!) Wurden
aufgebaut das das gar nicht sooo schwierig sei und wir das schon schaffen
würden – wir wollten ja schließlich auch heim mit unserem Kind! Aber Theorie
und Praxis sind bekanntermaßen was ganz anderes…Während ich mit der Sonde
„arbeitete“ war ich immer ruhig und habe versucht alles um mich herum
auszublenden, gar nicht daran zu denken das das MEIN KIND ist….danach
allerdings hat mein Herz geklopft, mein Mund war trocken und ich war PATSCHNASS
geschwitzt! (Von unserem Lieblingspfleger wurde ich mal aufgezogen und gefragt:
„Hast Du ein Wechsel-Shirt im Spind?“). Aber nach ein paar Wochen: ging auch
das. Wir konnten nun Sonden legen, ziehen und benutzen, wenn man will schafft
man eben alles – und ein weiterer Meilenstein auf dem Weg nach Hause war
geschafft.
Jetzt
stand: man glaubt es kaum! Die Entlassung an! Wir bekamen Rezepte – VIELE
Rezepte! Für Spritzen, Sonden, Medikamente und Nahrung…und haben alles schon
mal in der Apotheke bestellt. Die Fläschchen wurden ausgekocht, die Bettwäsche
gewaschen, die Kleidung für Jonathan…..
…ja: was
war eigentlich mit der Kleidung für Jonathan?? Der kleine Mann hatte nur knapp
37 cm…selbst wenn man im Geschäft Kleidung in Größe 42 FAND: sie war an Armen
und Beinen viel zu lang, denn seine Oberarm- und Oberschenkelknochen waren ja
verkürzt. Und dann waren diese Mini-Klamotten immer aus dickem Nikkistoff, wenn
man das umkrempeln wollte hatte er einen Arm der dreimal so dick war wie
normal! Also, was tun??? Nähen kann ich leider nicht und auch niemand den ich
kenne. Letztendlich haben wir tatsächlich einen Anbieter von so kleiner
Kleidung im Internet gefunden: Kleidung in Größe 38. 8o) Wir mussten es teuer
bezahlen - aber wir hatten passende Kleidung!
Nun waren
wir gerüstet und der Tag der Entlassung rückte näher! 8o)) Herzklopfen! Besonders
bei Marvin: der hatte seinen Bruder bis dahin noch nie gespürt, berührt oder
gerochen.
Auch für
mich wurde es mittlerweile höchste Eisenbahn diese Station mit meinem Sohn zu
verlassen. Ich glaube es waren jetzt knapp 4,5 Monate vergangen (auch wenn sich
das hier im Blog alles so komprimiert und kurz anhört!). Und ich war am Ende
der Belastbarkeit angekommen…Diese Zerreißprobe zwischen zu Hause (Marvin) und
Klinik (Jonathan), die Gerüche und Geräusche in der Klinik, der SEHR begrenzte
Bewegungsradius - den man einfach hat wenn das Kind an einer
Sauerstoffüberwachung hängt, das Gefühl das man nicht selbst für das eigene
Kind entscheiden darf sondern immer „Anweisungen“ von den Ärzten und Schwestern
bekommt…und natürlich ganz stark auch das Gefühl das die Familie nicht komplett
ist weil einer nie dabei ist…das alles wurde langsam zu viel für mich. Immer
öfter habe ich die komplette Autofahrt von der Klinik nach Hause (immerhin
knapp 80km) geweint…war unruhig und aufgedreht…bin durch die Wohnung
getigert…habe keinen Schlaf gefunden… Die Gesamtsituation ist mir über den Kopf
gewachsen, doch als ich hörte das ich mein Baby bald mitnehmen darf habe ich
die letzten Kräfte mobilisiert und auf diesen Tag hingearbeitet!!!
Doch
dann….wurde die Entlassung verschoben, denn es gab Probleme mit Jonathans Herz
und seinem Blutdruck. Letzterer war zu hoch, bei ihm wurde mittlerweile
mindestens dreimal am Tag Blutdruck gemessen. Beim Herzen war aufgefallen das
eine Herzkammer deutlich größer war als die andere und bevor wir mit ihm nach
Hause gehen durften sollte ein Kardiologe sich ein Bild machen.
Dieser
kam einige Tage später spätabends, mein Mann war noch in der Klinik und konnte
kurz mit ihm sprechen. Unsere Erinnerung ist in diesem Punkt ein wenig
verschwommen, aber letztendlich hat Jonathan ein weiteres Medikament bekommen
das seinen Blutdruck stabil halten sollte, wir sollten halbjährlich in die
Kardiologie-Sprechstunde des Arztes zur Kontrolle kommen und: wir würden ein
Blutdruckmessgerät benötigen um auch zu Hause regelmäßig kontrollieren zu
können wie die Werte sich unter dem Einfluß des Medikaments veränderten. Das
mußte natürlich bestellt werden und das: dauerte….
Ich war
wütend…enttäuscht…und ungeduldig. Wie lange würde sich das jetzt hinziehen??
Ich hatte doch so fest damit gerechnet daß die Zeit in der Klinik bald vorbei
sein würde! Wieso hatten die Ärzte eigentlich nicht eher festgestellt daß bei
Jonathans Herz nicht alles ok war?? Warum in letzter Minute wo man quasi schon
mit einem Bein aus der Krankenhaustür heraus war???
Aber gut:
es änderte jetzt nichts sauer zu sein. Nun mußten wir eben noch ein bißchen
Geduld aufbringen! Immerhin versuchten die Ärzte für uns ein gebrauchtes
Blutdruckmessgerät zu finden, das würde schneller gehen als auf ein neues Gerät
zu warten.
An dieser
Stelle dann auch mal ein ganz großes Lob an das Team unserer Frühchenstation!!!
Alle dort haben versucht uns die Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten:
Jonathan hat einen CD-Player bekommen um Musik hören zu können…wir haben
„Spielsachen“ wie eine Kinderwagenkette bekommen und durften auch ein paar
Sachen (die man gut desinfizieren konnte) selber mitbringen um ihn ein wenig zu
beschäftigen und uns den Anschein von Normalität zu geben. Und das
allerallerbeste: man hat uns einen Kinderwagen zur Verfügung gestellt damit wir
– mit einem transportablen Überwachungsmonitor ausgestattet- auf dem Balkon
spazieren gehen konnten. Das war einfach…überwältigend!!! Zwar immer nur ums
Haus herum und wieder zurück, stets an der Station entlang…aber trotzdem: wir
konnten spazieren gehen! Hatten einige Zeit für uns, ohne die nervigen
Geräusche…waren einfach mal mit unserem Sohn allein: wie „normale“ Eltern eben.
Es war so wichtig und so toll für uns!!! Vielen Dank das ihr das möglich
gemacht habt!
Grade mir
hat das wieder ein wenig Kraft gegeben auch weiterhin durchzuhalten…auch wenn
ich immer häufiger Wehmut verspürt habe. Ich wollte auch endlich ein „normales“
Leben: wollte meine beiden Jungs zusammen sehen und nicht immer getrennt.
Wollte unser Leben endlich selbst in die Hand nehmen und nicht mehr „abhängig“
sein von anderen Menschen und deren Entscheidungen. Fragte mich oft warum es
nicht reichte das Jonathan „anders“ war: warum mußten wir auch noch dieses
Martyrium aushalten monatelang in dieser Klinik „eingesperrt“ zu sein?? Oftmals
hätte ich einfach losschreien wollen vor Wut…
Zumindest
haben wir diese Wartezeit genutzt um uns auf das Leben mit Jonathan zu Hause
vorzubereiten. Die Schwestern auf Station hatten –natürlich!- viel mehr
Erfahrung als wir wenn es um das Leben mit Behinderten geht. Sie haben uns zum
einen darauf vorbereitet daß wir viele Blicke und auch Kommentare würden
ertragen müssen. (Was wir dann im Alltag wirklich erlebt haben werde ich später
erzählen, es ist haarsträubend!!). Zum anderen wurden von Schwestern und Ärzten
auch immer wieder Kommentare fallen gelassen zu Jonathans gesundheitlicher Situation,
was uns also erwarten würde – zu was er in der Lage sein würde, oder eben auch
nicht.
Schade
finde ich das es nicht ein langes Gespräch gegeben hat in dem EINFACH ALLES von
vorne bis hinten erläutert wurde!!! Das mag vielleicht an der fehlenden Zeit
auf dieser Station liegen oder auch daran das man uns nicht zu viel auf einmal
zumuten wollte…doch habe ich bis heute einen bitteren Beigeschmack wenn ich
mich daran erinnere wie ich von Jonathans Leistenbruch erfahren habe: beim
Wickeln fiel mir auf das ein Hoden wirklich SEHR geschwollen war. Daraufhin
habe ich die mich an diesem Tag betreuende Schwester gefragt was da los sei.
Und sie war ganz entsetzt: „Hat Ihnen denn noch niemand gesagt das er einen
Leistenbruch hat???“…solche Situationen geben einem als Eltern das Gefühl
unwichtig zu sein in dieser Maschinerie Krankenhaus. Und es schockt einen viel
mehr als wenn direkt ein Gespräch gesucht worden wäre, denn nun habe ich mich permanent
gefragt: WAS VERSCHWEIGEN DIE ÄRZTE MIR NOCH??
Zu
Jonathans Gesamtsituation bekamen wir in dieser Zeit (nach und nach!) folgende
Prognosen:
-Er würde
geistig nicht normal sein, die Hirnschädigungen seien einfach zu massiv. Was er
allerdings schlußendlich lernen könne und was nicht – das stehe ein bißchen in
den Sternen.
-Mit
Sicherheit sagen könne man aber das er nicht in der Lage sein würde seine Hände
und Beine zu koordinieren, weil sein Balken fehlt. Also:
1. Er
würde vermutlich nicht krabbeln oder laufen können.
2. Er
würde keine Gegenstände mit zwei Händen zugleich aufheben können.
3. Er
würde nicht klatschen können.
4. Er
würde keine Gabel/keinen Löffel zum Mund führen können.
-Sprechen
lernen sei auch eher nicht machbar: eine, zudem sehr große Zyste, sitze genau
am Sprachzentrum.
-Wir
müssten mit Krampfanfällen rechnen
-Die
frühe Sterblichkeit dieser Kinder ist Teil des Gendefekts und es gibt kein
Mittel dagegen.
Ja….ich
glaube zu dieser Prognose brauche ich jetzt nicht viel zu sagen: jeder der
Kinder hat wird verstehen was einem durch den Kopf geht wenn sich nach und nach
solch ein Bild aufbaut!! Aber: DAS LEBEN IST KEIN PONYHOF, wir schluckten die
Angst und die Traurigkeit herunter…und dann ging es weiter!!!
Ein Punkt
der mir damals große Hoffnung gab waren Jonathans Augen. Ich hörte zwar immer
wieder daß sein Gehirn massiv beeinträchtigt war (es wurden zwischendurch immer
mal wieder Ultraschalluntersuchungen vom Gehirn gemacht die zeigten das sich an
der Gesamtsituation nichts änderte), aber seine Augen blickten immer wacher und
neugieriger durch die Gegend!! Er nahm Gegenstände wahr die man ihm vors
Gesicht hielt und folgte ihnen auch mit den Augen. Wenn wir uns über ihn
beugten lächelte er immer öfter. Und: ihm wurde zunehmend langweiliger!!! Er
wollte beschäftigt werden, nur dann war er ruhig und ausgeglichen. Das alles
kannte ich von meinem großen Sohn nur zu gut!! Und der ist wirklich ein sehr
sehr cleverer Kerl geworden!! Also habe ich angefangen auf meinen Instinkt zu
vertrauen und habe jedem (auch denen die es NICHT hören wollten!) immer wieder
gesagt: „Jonathan ist geistig nicht sooo stark eingeschränkt, seine Augen sind
wach und neugierig. Ich WEISS es einfach, denn ich sehe es doch an seinem
Blick.“
Ich wußte
es natürlich NICHT…aber ich HOFFTE daß ich Recht hatte!! Denn wo ich zu Anfang
absolut gegen ein behindertes Kind gewesen war…hatte ich nun nur noch den
Anspruch das Jonathan wenigstens seine Umwelt wahrnehmen und am Leben als
solches mit Freude teilnehmen sollte…das er mich/uns erkennen würde und einfach
glücklich sei. Mein Mann und ich haben uns damals vorgenommen: wir müssen
Jonathan MINDESTENS einmal am Tag zum Lachen bringen, dann ist es gut!
Und noch
etwas haben wir uns schon in dieser Zeit vorgenommen (und bis heute auch
umgesetzt): wir schieben NICHTS mehr auf die lange Bank!!!
Wir sind
früher immer gerne gereist, waren ständig unterwegs – haben
Städtereisen
gemacht, Museen und Sehenswürdigkeiten oder Freizeitparks besucht. Unsere
Freunde haben oft gelacht und gefragt wann wir mal ZU HAUSE sind.
Und das wollten wir weiterführen: wir wollen Jonathan die Welt zeigen! Er soll Berge
sehen und das Meer…er soll Tiere beobachten…Kirchen oder Museen besuchen. Er
soll Karussell fahren und reiten…es gibt so unendlich viele Dinge die das Leben
lebenswert machen!! Und wir wollen ihm alles ermöglichen was aufgrund seines
Gesundheitszustandes machbar ist, damit so viel Freude wie möglich in sein
Leben gepackt wird. Wir wissen nicht wie viel Zeit uns mit ihm bleibt, deswegen
machen wir alles was uns möglich erscheint: SOFORT.
Heute ist
er zwei Jahre alt und wir haben schon einiges mit ihm unternommen…doch davon
werde ich erst später berichten! 8o)))
Zuerst
muß ich wieder zurückkehren in die Zeit in der Kinderklinik, wo wir immer noch
auf die Entlassung warteten. Ungeduldig auf die Entlassung warteten, das möchte
ich an der Stelle betonen!!
Irgendwann
war es dann tatsächlich so weit: ein gebrauchtes Blutdruckmeßgerät für uns war
gefunden!! Wir bekamen noch eine Einweisung wie das Gerät zu benutzen war, es
war wirklich nicht schwierig. Die Herausforderung hierbei war das Jonathan
stillhalten mußte während der Messung: und sagen Sie das mal einem knapp 5
Monaten alten Baby!!! Einige Leute werden jetzt vermutlich sagen das man im
Schlaf messen könnte, das sei dann sicherlich einfacher. Das ist natürlich
richtig. Aber leider hat man dann nur den Blutdruck in der Ruhe, und es braucht
auch einen Blutdruck im wachen Zustand….aber gut: wenn das unsere einzige
Herausforderung wäre wären wir ja froh!! Wir würden das schon hinbekommen!!
Ich bin
nicht mehr ganz sicher was den zeitlichen Ablauf angeht, aber ich glaube
irgendwann um diese Zeit herum hatte ich dann ein weiteres Gespräch mit unserer
Humangenetikerin und unserer Stationsärztin – mein Mann war an diesem Tag
leider dienstlich verhindert. In diesem Gespräch habe ich gesagt daß ich kein „um den heißen Brei
herumreden“ möchte, das sie die Fakten auf den Tisch legen sollen weil ich viel
besser damit umgehen kann wenn ich weiß woran ich bin. Auch wenn die Fakten
nicht schön sein werden – muß ich mich dem aber doch stellen!!
Nun habe
ich erfahren das man davon ÜBERZEUGT sei das Jonathan MOPD Typ 1 habe – das war
jetzt keine Überraschung für mich, das hatte ich sowieso nach meinen Recherchen
im Internet erwartet. Die Genanalyse sei nur eine Formsache. Gleichzeitig hat
man unsere Einwilligung eingeholt das Röntgenbilder und Details zur
Krankengeschichte sowie Fotos in einer zentralen Datenbank über verschiedene
Formen des Kleinwuchses in Freiburg gespeichert werden dürfen – die
Einwilligung haben wir gerne gegeben!! Wir brauchten nur an den Bericht über
das Mädchen mit Elektrolytverlust zu denken – der hatte uns auch sehr geholfen.
Wenn wir also irgendwann jemandem durch die Speicherung unserer Daten helfen
können, dann war Jonathans Leben nicht umsonst.
Ich habe
noch einige Informationen bezüglich der Krankheit bekommen, kann mich aber
nicht mehr an alles erinnern denn eine Information hat sich bei mir eingebrannt
und alles andere überdeckt.
In den
200 Jahren in denen diese Krankheit bekannt ist hat es nur knapp 40 Fälle
weltweit gegeben – und so gut wie alle diese Kinder sind an Infekten gestorben.
An Fieber…an Magen-Darm-Viren…an Erkältung und Grippe. Die Medizin hat dafür
noch keine Erklärung gefunden, bei den wenigsten Kindern wurden Autopsien
erlaubt und so weiß man nicht genau warum diese (eigentlich harmlosen)
Erkrankungen MOPD-Kinder das Leben kosten. Einige dieser Kinder waren sogar in
Kliniken gebracht worden – aber die Ärzte dort konnten nichts für sie tun. Das
war jetzt nicht unbedingt eine Information die Mut machte!! Sollten wir bei
jedem Schnupfen Panik bekommen und eine Klinik aufsuchen??? Besser als das wäre
es natürlich wenn wir Infekte weitgehend vermeiden könnten. Dann würden wir uns
erst gar nicht in solche eine Lage bringen!! Denn bei Jonathan kam der
Elektrolytverlust hinzu und wenn er dann noch einen Magen-Darm-Infekt bekommen
würde….es konnte ja keiner abschätzen was das für Auswirkungen auf seinen
Körper haben würde!
Also
legte man mir nahe mich -soweit es möglich ist- von Babys und Kindergartenkindern fernzuhalten, denn diese
haben nun mal besonders viele Infekte – und auch wenn die Kinder selbst keine
Symptome haben können sie doch Überträger sein. Ein weiteres Risiko seien große
Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen, besonders zu Jahreszeiten in
denen Erkältungskrankheiten grassieren.
Jeder
Infekt den Jonathan NICHT bekommt ist gut!! Denn das Problem bei der Sache ist:
keiner, wirklich KEINER kann uns sagen ob es das Leben unseres Sohnes
verlängert wenn er seltener krank ist. Es gibt zu wenige Erfahrungen mit der
Krankheit um in diesem Punkt eine verlässliche Aussage treffen zu können.
Deswegen: lieber auf Nummer sicher gehen, denn wer riskiert schon absichtlich
das Leben des eigenen Kindes???
Was
bedeutete das nun für unser Leben??? Große Veränderungen und Umstellungen!!
Denn sowohl mein Mann als auch ich haben je zwei Patenkinder – und nur ein
Patenkind war bereits eingeschult worden, meine Patentochter jedoch war zum
Zeitpunkt von Jonathans Geburt noch nicht mal ein Jahr alt!!
Wir
wußten jetzt wie gefährlich Infekte für unser Kind sein können und haben
deswegen eine rigorose Entscheidung getroffen: es darf leider niemand mit
Kindern unter Schulalter zu uns kommen. Punkt. Es ist uns einfach zu riskant
denn die Kinder können Krankheiten in sich tragen von denen man noch nichts
weiß – sie könnten Jonathan aber trotzdem damit anstecken. Außerdem muß jeder
der uns besuchen kommen möchte gesund sein: beim leisesten Halskratzen oder
Unwohlsein verschieben wir das Treffen. Diese Entscheidung hatte natürlich
immense Auswirkungen auf unseren Freundeskreis und auch auf unser soziales
Leben - doch das ist ein Thema das zu einem späteren Zeitpunkt eine größere
Rolle spielen wird.
Für den
Moment waren jetzt aber alle medizinischen Details und Fakten besprochen, und
endlich wurde ein Tag für die Entlassung festgelegt…..
Vorbereitungen
für die Entlassung
Jetzt
wurde es also wirklich ernst!! Mein Herz hämmerte, ich war so AUFGEREGT!!!
Freute mich…und hatte auch ein bißchen Angst um ehrlich zu sein!
Bisher
waren wir unter dauernder Beobachtung gewesen was Jonathans Blutwerte,
Medikamentengaben, Herzfrequenz oder auch den Blutdruck anging – wenn er nach
Hause kam waren wir komplett allein für ihn verantwortlich!! Und ich kann aus
meiner Erfahrung sagen, ich habe ja schon ein „gesundes“ Kind: das hier war
eine ganz andere Hausnummer!! Zu Anfang der Schwangerschaft hatte mein Mann
immer gesagt: „Du kennst Dich aus, Du hast ja alles schon mal erlebt: das ist
dann kein Problem und Du bringst mir alles bei!“…ja…hatten wir uns so gedacht.
Doch nun war ich zum zweiten Mal Mutter und ALLES war NEU und ANDERS. Also
konnte ich meinem Mann GAR NICHTS beibringen, wir lernten gemeinsam die
Fürsorge für ein besonderes Kind.
Das fing
schon damit an das wir Jonathan im Krankenhaus kurz vor der Entlassung
gemeinsam baden durften – nur mein Mann und ich, ganz alleine. Es war ein sehr
schöner Moment, das muß ich betonen!! Ein Stück „Normalität“ das andere Eltern
eines knapp 5 Monate alten Babys sicherlich gar nicht mehr wirklich wahrnehmen.
Aber für uns war es einfach nur…toll!! Aber…und jetzt muß ich bei der
Erinnerung ein wenig schmunzeln!!! Es war gar nicht so einfach ihn zu baden…im
Gegensatz zu Marvin der schon bei der Geburt 54cm und 3700g hatte, war Jonathan
an diesem Tag nur knapp 38cm lang und brachte ca 1800g auf die Waage, seine
Arme und Beine waren so unglaublich dünn und dann: HASSTE er es zu baden!!! Er
hat geschrien und sich gewunden, war glitschig vom Wasser und wir hatten Angst
ihn zu fest zu drücken…es war eine ganz schöne Herausforderung und wir haben
beide ziemlich geschwitzt. Wobei…das könnte natürlich auch an der Wärmelampe
gelegen haben die genau über uns hing…8o)))
Aber für
eins war meine Erfahrung mit meinem ersten Sohn dann doch wichtig: ich habe meinem
Mann ein paar Tage vor der Entlassung gesagt das wir uns am besten mal mit
unserem Autositz/MaxiCosi beschäftigen sollten. Damit, wie wir Jonathan darin
transportieren wollen, denn er war ja ziemlich klein! Einen „Frühchenadapter“
hatten wir, dann haben wir uns ein Plüschtier gesucht das ungefähr 38cm Länge
hatte und haben versucht es in dem Sitz anzuschnallen. Nun ja...trotz Frühchenadapter...es
hat nicht geklappt! Das Plüschtier war viel zu klein: nach oben und unten war
zu viel Luft, die Gurte waren selbst in der kleinsten/engsten Stufe viel zu
weit. Ich war entsetzt!! Wir mußten von der Kinderklinik bis nach Hause knapp
80km fahren: da kann man das Baby doch nicht so transportieren!! Das ist ja
total gefährlich!!
Ich
dachte zuerst an einen Transport im Krankenwagen, den hätten wir dann eben
bezahlt. Aber mein Mann sagte –zu Recht!- es müsse doch eine Lösung geben -
denn wir müssten ja mit ihm zu Hause auch Auto fahren: zum Arzt, zum Einkaufen…
Mein Mann
fing an im Internet zu recherchieren. Und ist auf den BKMF gestoßen: den
BUNDESVERBAND FÜR KLEINWÜCHSIGE MENSCHEN UND IHRE FAMILIEN. Dorthin hat er eine
Mail geschickt und dann mit einem sehr netten Mann telefoniert der uns erklärt
hat wie wir unter zu Hilfenahme von Mulltüchern und Pampers Jonathan so
„verankern“ können das er sicher in seinem Autositz sitzen kann. An dieser
Stelle: ein großes Dankeschön an diesen Verband!! Sie standen uns oft mit Rat
und Tat zur Seite und viele Probleme hätten wir ohne die Hilfe des BKMF nicht
lösen können.
So: nun
war also auch dieses Hindernis aus der Welt geschafft!! Jetzt konnten wir den
Sitz benutzen, hatten Jonathans Bett und Wickeltisch hergerichtet, alle
Medikamente und Hilfsmittel zu Hause, Fläschchen ausgekocht und wir hatten auch
Kleidung für ihn.
Und dann
war der große Tag gekommen.
Ich kann
gar nicht genau beschreiben was in mir vorging an diesem Tag! In der Nacht
vorher hatte ich kaum geschlafen, ich war so aufgeregt!! Nach fast 5 Monaten
durfte mein Baby endlich nach Hause kommen, dahin wo es hingehörte – zu seiner
Familie.
Wir sind
zum ersten Mal mit „Gepäck“ durch die Türen der Frühchenstation gegangen:
ansonsten darf man Gegenstände wegen der Keime nicht mitbringen, muß sie im
Spind lassen. Doch heute wartete Jonathan in einem Zimmer allein auf uns, damit
wir keine anderen Kinder in Gefahr brachten mit der Kleidung und dem Autositz.
Es war
ein unfassbares Gefühl zu wissen das wir heute zum letzten Mal auf dieser
Station sind!! Natürlich war auch ein bißchen Wehmut dabei: wir hatten zu
einigen Schwestern über die Monate eine sehr enge Bindung aufgebaut, hier war
für lange Zeit unser Zuhause gewesen…Jonathans erstes Zuhause. Ohne die
aufopfernde Betreuung der Ärzte, Schwestern und Pfleger hätte unser Junge es
vielleicht gar nicht bis hierher geschafft!!! Und auch für mich war das
Pflegepersonal auf dieser Station eine Stütze gewesen: es hat natürlich Momente
gegeben in denen ich auf der Station geweint habe, in denen ich das Gefühl
hatte es keinen Tag länger auszuhalten..zu verzweifeln an dieser Situation.
Dann hat man mich hier aufgefangen, mir neue Kraft gegeben. Die Pflege hatte
sich nicht nur auf Jonathan erstreckt, sondern auch auf uns…
Und von
einigen fiel uns deswegen der Abschied sehr schwer. Besonders von der Schwester
die Jonathan zur Welt gebracht hatte. Sie war von Anfang an ein so wichtiger
Mensch für mich: abgesehen davon das sie unfassbar sympathisch ist war sie bei
meiner Entbindung dabei, hatte Jonathan noch vor mir gesehen und ihn ins Leben
„geschupst“…ich konnte mit ihr darüber reden, sie Dinge fragen die ich nicht
mitbekommen hatte (mein Mann war und ist bei diesem Thema außen vor, er hat es
ja leider nicht rechtzeitig zur Geburt ins Krankenhaus geschafft). Ohne sie
hätte ich die Eindrücke dieser (nicht schönen) Geburt mit Sicherheit nicht so
gut verkraftet und nicht so gut aufarbeiten können. Außerdem habe ich wenige
Menschen außerhalb unserer Familie erlebt in deren Augen ein solches Strahlen
steht wenn sie mein Kind betrachten, die ihn so bedingungslos annehmen und
lieben…Deswegen bin ich sehr froh und dankbar das wir bis heute in Kontakt
stehen: sie besucht Jonathan so oft es ihr möglich ist. DANKE DAS ES DICH IN
UNSEREM LEBEN GIBT!!
Ein
weiteres Bindeglied zu unserer Zeit in der Klinik ist ein Pfleger der
Frühchenstation. Mit ihm war ich schon Jahre bevor Jonathan sich ankündigte
befreundet und er ist mit ein Grund warum wir uns ausgerechnet dieses
Krankenhaus ausgesucht haben: denn er ist ein Mensch dem ich vom ersten Moment
unserer Bekanntschaft an mein vollstes Vertrauen geschenkt habe. Als die Ärzte
die Vermutung äußerten daß wir ein Frühchen bekommen würden stand für mich
sofort fest das ich in das Krankenhaus gehen möchte in dem er arbeitet – bei
ihm würde ich mich geborgen und gut betreut fühlen. Auch er ist heute noch an
unserer Seite und hilft uns wo er kann. DANKE…AUCH WENN ES EIN ZU KLEINES WORT
FÜR DAS IST WAS DU FÜR UNS GETAN HAST! ICH WEISS DAS ES NICHT IMMER EINFACH FÜR
DICH WAR…GRADE DESWEGEN WERDEN WIR DIR DAS NIE VERGESSEN!!
Diese
beiden für uns so wichtigen Menschen waren am Tag unserer Entlassung auf
Station, und sie haben mir einen Wunsch erfüllt:
Sie haben
sich gemeinsam in die Ausgangstür gestellt nachdem ich mit meinem Mann und
Jonathan hindurch gegangen war – beim Blick zurück haben sie uns gewunken….und
dieses Bild, diesen Eindruck habe ich mitgenommen und trage ihn bis heute in
meinem Herzen. Ein gutes Bild…ein schöner Eindruck…und ein würdiger Abschluß
nach dieser wirklich wirklich harten Zeit!!
Zuhause
Das
Gefühl nach einer so langen und aufreibenden Zeit durch die Türen der Klinik zu
gehen – und zwar MIT unserem Sohn…ich habe keine Worte dafür. Und werde
vermutlich auch nie Worte dafür finden. Wahrscheinlich kann das auch nur jemand
100% nachvollziehen der ähnliches erlebt hat.
Mir
liefen Tränen über die Backen und ich war UNENDLICH ERLEICHTERT.
Jetzt nur
noch: NACH HAUSE!!! Zu MARVIN!!! Meine Jungs sollten sich endlich kennenlernen,
spüren, riechen….
Die
Autofahrt war mir noch nie so lang vorgekommen wie an diesem Tag! Am liebsten
hätte ich Flügel an meinem Auto ausgeklappt damit es schneller geht. 8o))
Und dann:
endlich!!! Nach fast 5 Monaten!!! Durch die Haustüre in die Wohnung und da kam
Marvin schon angerannt (er war eine halbe Stunde vorher von seinem Opa nach
Hause gebracht worden wo er den Tag verbracht hatte). Ich weiß nur noch das er
in Dauerschleife „Mein Bruder!!! Mein Bruder!!“ gerufen hat…dann hat er sich
neben das MaxiCosi gesetzt, Jonathan angefasst und…geweint…
Da ist
mir wirklich sehr deutlich bewußt geworden wie sehr auch ER gelitten hat in
dieser Zeit! Wie hart es sein muß ein Geschwister zu haben das man nicht
kennt…das aber die Eltern voll in Beschlag nimmt – und um das sich fast alles
im täglichen Leben dreht!!
Ich hatte
vorher ein bißchen Angst wie die Beziehung der beiden werden würde: erstens
waren sie 9 Jahre auseinander und zweitens war Jonathan jetzt schon ein paar
Monate alt und Marvin kannte ihn gar nicht – hatte das der Bindung geschadet???
Als ich nun sah wie erleichtert auch Marvin war seinen Bruder bei sich zu
haben…wie er Jonathan ansah…wie er ihn liebevoll in den Arm nahm und
anhimmelte…da wußte ich das ich mir keine Sorgen zu machen brauchte!! Und bis
heute ist er ein SUPER großer Bruder!!
Mein Mann
hatte ein paar Tage Urlaub genommen (seine Elternzeit begann erst in einigen
Wochen) so daß wir die erste Zeit zu Hause wirklich alle gemeinsam genießen
konnten.
Es war
alles sehr aufregend….und unglaublich schön!!! Füttern, Medikamente geben,
Blutdruck messen: es hat alles wunderbar geklappt, wir hatten in der Klinik ja
auch geübt!!
Was wir
aber direkt beschlossen haben als wir heimkamen: wir versuchen mal ohne die
Magensonde klarzukommen!! Wir hatten es beide gehasst sie zu legen und
zumindest ich hatte auch ein wenig Angst das zu Hause ohne die „Aufsicht“ und
„Kontrolle“ von erfahrenem Fachpersonal machen zu müssen. Also haben wir
überlegt wie wir die Medikamente am sinnvollsten verabreichen könnten und uns
dann entschieden sie in ein wenig Saft zu geben und die Mischung dann mit der
Spritze direkt in den Mund zu spritzen. Wir haben für uns beschlossen: wenn das
drei Tage lang funktioniert OHNE daß wir die Sonde brauchen – dann wird sie
gezogen…
Über alle
Medikamentengaben, Mahlzeiten und Blutdruckmessungen haben wir Buch geführt um
uns einen Überblick zu verschaffen: wie viel Nahrung nimmt Jonathan auf? Wann
müssen wir welche Medikamente geben und haben wir dabei den Abstand zu den
Mahlzeiten korrekt eingehalten??? Manche Medikamente müssen auch zu bestimmten
Uhrzeiten (im 12-Stunden- oder 24-Stunden-Takt) gegeben werden: haben wir heute
daran gedacht???? Ist sein Blutdruck höher wenn er grade gegessen hat??? Wie
ist sein Blutdruck überhaupt, wirkt das Medikament???
(Es hat
eine Zeit gedauert das alles zu verinnerlichen: heute geht das ohne darüber
nachzudenken!!)
Nach drei
Tagen haben wir festgestellt das wir die Sonde nicht benutzt haben: also raus
mit dem Ding!! Sieht sowieso „scheiße“ aus: so ein Schlauch im Gesicht!! 8o))
Wenn wir
da schon gewußt hätten was wir zwei Wochen später in der Klinik erfahren haben!
Nachdem
die ersten Tage „Eingewöhnung“ vorbei waren fing für uns der Alltag an.
Wir
hatten bei der Entlassung eine „To-Do-Liste“ bekommen:
-einen
Kinderarzt suchen
-einen
Physiotherapeuten suchen und Termine für die Physiotherapie vereinbaren
-einen Kontrolltermin
beim Orthopäden vereinbaren
-einen
Augenarzt suchen und einen Termin vereinbaren
-einen
Termin in 2-3 Wochen in unserer Klinik vereinbaren damit die Blutwerte erneut
kontrolliert werden könnten
-einen
Termin beim Kardiologen vereinbaren um die zu Hause gemessenen Blutdruckwerte
und das weitere Vorgehen zu besprechen
-einen
Termin mit den Kinderchirurgen unserer Klinik vereinbaren
Uff....DAS
war eine LISTE!!!
Ich bekam
einen Eindruck davon was es hieß ein Leben mit einem behinderten Kind zu
führen. Man hat TERMINE, TERMINE, TERMINE…ich kann mich nicht erinnern mit
Marvin JEMALS so viele TERMINE gehabt zu haben!! Und da wir nun lauter neue
Ärzte und Therapeuten kennenlernen würden mussten wir auch immer wieder aufs
Neue unsere Geschichte erzählen und erklären was MOPD für eine Krankheit ist –
denn keiner kennt sie, was ich auch niemandem verübeln kann da sie so selten
ist!!!
Wir
arbeiteten nun also unsere To-Do-Liste ab:
Kinderarzt
Ich kann
mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern wie wir an die Adresse einer
Kinderärztin in unserer Nähe gekommen sind. Aber wir haben dort einen Termin
vereinbart: es ging in erster Linie darum sie kennenzulernen, um die Ausstellung von Rezepten für die
Physiotherapie und um eine Besprechung wie es mit den regelmäßigen
Blutkontrollen (wegen des Elektrolytverlustes mußte Jonathans Blut weiterhin REGELMÄSSIG
kontrolliert werden damit man rechtzeitig bemerkte wenn er wieder „sauer“ würde)
weitergehen sollte. Uns behagte der Gedanke nicht alle 2-3 Wochen in die 80km
entfernte Klinik fahren zu müssen (welcher Zeit- und auch finanzielle
Aufwand!!) und uns dort Keimen auszusetzen…
Das erste
Zusammentreffen mit der Ärztin war wirklich mehr als befremdlich: sie kam
herein und sagte uns „Hallo!“, dann nahm sie Jonathan auf den Arm und….KÜSSTE
ihn!! Ich war so perplex das ich gar nichts dazu sagen konnte. Aber irgendwie
fand ich die Situation mehr als befremdlich: eine mir vollkommen fremde Person
maßt sich an meinen Sohn einfach so zu küssen???? Was war DAS für eine Ärztin????
Sympathie kam bei mir in diesem Moment nicht wirklich auf.
Auch das
was wir mit ihr besprochen haben war unbefriedigend: obwohl ich bei der
Terminvereinbarung mitgeteilt hatte was für ein Gendefekt vermutet wurde hatte
sie sich in KEINSTER Weise damit auseinandergesetzt, ich musste alles wieder
von Anfang an erklären, sie wusste überhaupt nicht was diese Krankheit bedeutet
oder für Auswirkungen hat.
Die
gewünschten Rezepte habe ich bekommen. Doch zu meiner Frage bezüglich der
Blutabnahme, ob es denn nicht möglich sei dies regelmäßig hier vor Ort (bei ihr
oder auch im Kreiskrankenhaus) zu erledigen wurde mir beschieden: „Das kann
KEIN Kinderarzt hier in der Nähe!! Und auch das Krankenhaus ist da nicht
zuständig, da müssen Sie schon immer in die Klinik fahren in der Jonathan zur
Welt kam – ist leider anders nicht möglich!“
Ich habe
einen neuen Termin vereinbart und bin nach Hause gefahren. Und war total
unzufrieden!! DAS sollte meine neue Kinderärztin sein? Auf meiner Seite war
weder Vertrauen noch Sympathie! Und DAS erachte ich bei einem Kind wie Jonathan
als immens wichtig!! Ich musste mich doch auf meinen Arzt verlassen können!! Er
würde ein wichtiger und steter Begleiter in meinem Leben sein.
Zum
GLÜCK, zu unserem WAHNSINNIGEN GLÜCK!!, kam eine Freundin von mir zu Besuch um
Jonathan kennenzulernen und fragte mich bei welchem Kinderarzt ich denn sei.
Als ich ihr dann erzählte wie unzufrieden ich war meinte sie das ihr Kinderarzt
der „absolute Hammer“ sei und außerdem Frühchenerfahrung habe - denn er käme
von einer Station für Neonatologie, und zwar aus dem Krankenhaus in dem
Jonathan zur Welt gekommen ist!! Ich war Feuer und Flamme und habe mir gleich
die Adresse und Telefonnummer geben lassen. Dann habe ich dort angerufen und ehrlich
erzählt dass ich mit meiner Ärztin nicht zufrieden bin und den Arzt gerne
kennenlernen würde um zu sehen ob „die Chemie bei ihm besser stimmt“.
Und was
soll ich sagen??? Die Chemie stimmt!!! Ich denke auf beiden Seiten.
Für
unseren ersten Termin hat sich der Arzt sehr viel Zeit genommen UND er hatte
sich vorher über die Krankheit informiert!!! Das zeigte mir dass er
interessiert und engagiert war, zudem kannte er aus seinen Klinikzeiten
natürlich noch viele unserer behandelnden Ärzte und auch unsere
Humangenetikerin. Nicht ganz unwichtig: wenn es mal Probleme geben sollte und
die behandelnden Ärzte auf dem kurzen Dienstweg miteinander reden könnten wäre
das für mich sehr beruhigend!! Fachlich blickte er auf viele Jahre
Berufserfahrung zurück und das BESTE: er würde in seiner Praxis die
Blutentnahmen machen und diese dann in einem externen Labor auswerten lassen!!!
Damit war
es entschieden: DAS war unser Kinderarzt!!! Alles stimmte: Sympathie, Erfahrung
und wir hätten die Blutkontrollen vor Ort. Ich war begeistert!!! Bis heute habe
ich diese Entscheidung nie bereut: unser Arzt ist einer der wichtigsten
Menschen in meinem Leben mit Jonathan geworden - ich vertraue ihm vollkommen
und blind. Ich spüre dass er meinen Sohn wirklich mag, dass er nicht nur aus
medizinischem Interesse agiert. Wenn ich in Panik verfalle oder in Tränen
ausbreche weil Jonathan mal krank ist holt er mich auf den Teppich zurück. Und
er hat uns schon viele bürokratische Hürden erleichtert, oft mit unserer
Krankenkasse „gestritten“ wenn es um die Beschaffung von Hilfsmitteln ging.
Kurz: er hält uns den Rücken frei!!! Ich bin unendlich froh und dankbar dass
wir ihn gefunden haben!!!
(Nur der
Vollständigkeit halber: ich habe die Ärztin angerufen, den vereinbarten Termin
abgesagt UND mitgeteilt das die Chemie für mich nicht gestimmt hat und wir
einen neuen Kinderarzt gefunden haben.)
Physiotherapie
Schon im
Krankenhaus hat Jonathan jeden Tag „geturnt“, sprich: es kam eine
Physiotherapeutin die mit ihm Übungen gemacht hat.
Es gibt
zwei Formen von Physiotherapie: die Therapie nach Vojta und die Therapie nach
Bobath. Im Krankenhaus wurde die Therapie nach Vojta angewendet. Sie trägt zur
Kräftigung der Muskulatur bei, was bei Frühchen wichtig ist da sie oft
monatelang in ihrem Bettchen liegen ohne sich großartig bewegen zu können, ja
oftmals liegen sie sogar sehr lange in fast nur einer Körperposition.
Ich habe
also eine Therapeutin mit Vojtaerfahrung gesucht. Auch hier hat mir eine
Freundin geholfen: mein Mann kennt sie seit Kindertagen, ich war ihr erst im
Krankenhaus näher gekommen denn sie hat einige Monate vor mir ein Frühchen
entbunden und sie hatte in der Klinik lange Zeit den Platz/den Inkubator neben
uns. (Die Welt ist eben klein!)
Sie hat
mir gesagt zu welcher Therapeutin sie geht und mir die Telefonnummer gegeben.
Ich habe
also dort angerufen und der Therapeutin mein Sprüchlein aufgesagt: „Hallo, ich
bräuchte einen Termin. Mein Sohn hat Verdacht auf MOPD Typ 1, das ist ein sehr
seltener……“, und dann fiel sie mir schon ins Wort: „Ich weiß was das ist, ich
kenne diese Krankheit!“…ich bin aus allen Wolken gefallen!! Bitte was???? Sie
KANNTE diese Krankheit?? Hammer!!! Ich habe also mein Erstaunen zum Ausdruck
gebracht, denn sie war der erste Mensch den ich kennenlernte der mit der
Krankheit etwas anfangen konnte!! Und dann sagte sie - und die Erinnerung macht
mir heute noch Gänsehaut wenn ich darüber rede/schreibe: „Ich habe einen
Patienten mit derselben Erkrankung.“
….nur ein
kleiner Satz, aber meine Welt stand Kopf!!! Ich habe losgeschrien und gelacht und gleichzeitig standen in meinen Augen Tränen!! Ich hatte den Jungen mit MOPD gefunden der von unserer Humangenetikerin vor uns
behandelt worden war!!!! Meine Hoffnung dass er in der Nähe wohnte hatte sich
bestätigt….ich konnte mein Glück nicht fassen, ich war außer mir vor Freude!!
Natürlich
wusste ich das auch die Physiotherapeutin mir seine Kontaktdaten nicht nennen durfte, aber ich habe ihr meine
Daten gegeben und sie gebeten diese weiterzureichen: denn es wäre doch schön wenn
wir uns kennenlernen könnten. Das hat die Therapeutin auch getan und es kam zum
Kontakt mit dieser Familie – aber das ist ein Thema das mir so wichtig ist das
ich darauf später und ausführlicher eingehen möchte!!
Zunächst
einmal begannen wir mit unserer Therapie.
Im
Krankenhaus wurde jeden Tag mit Jonathan „geturnt“, ansonsten war ich bisher
weder mit der Therapie nach Vojta noch nach Bobath konfrontiert worden.
Deswegen war meine Erwartungshaltung das es werden würde wie in der Klinik:
mein Sohn liegt entspannt auf dem Schoß oder im Arm der Therapeutin und seine
Beine und Arme werden bewegt und gedehnt. Nun ja…meine Erwartungen wichen von
der Realität ja dermaßen weit ab!!
Zunächst
einmal musste ich Jonathan komplett ausziehen, selbst die Windel. Jetzt
verstand ich auch warum ich gebeten worden war ein Handtuch mitzubringen. Und
dann begann die Therapeutin mit den Übungen: insgesamt 3 Stück – eine bei der
er auf dem Rücken lag, eine bei der er auf dem Bauch lag und eine bei der er
auf der Seite lag. Diese drei Übungen dienten zuerst einmal der
Muskelkräftigung und sollten ihn auch dazu bringen sich später allein
umzudrehen und zu robben.
Was soll
ich sagen…ich sollte vorweg schicken das ich auch heute, fast 2 Jahre nach
diesem ersten Termin, noch FELSENFEST davon überzeugt bin das die
Vojta-Therapie gut ist und große Erfolge bringt!! Aber…jeder der diese Therapie
kennt weiß es: Vojta ist nicht schön!! Denn die Kinder werden in Positionen
„gezwungen“ die sie vielleicht in diesem Moment nicht mögen, sie werden
festgehalten um bestimmte Bewegungen/Reaktionen aus ihnen herauszukitzeln. Sie
können sich nicht anders mitteilen, also schreien sie. Wie am Spieß. Und wehren
sich. Mit aller Kraft die sie haben.
Viele
Eltern halten deswegen die Vojta-Therapie nicht über einen längeren Zeitraum
durch. DENN: es ist leider nicht mit einem Termin beim Therapeuten pro Woche
getan. Man muss JEDEN TAG zu Hause die Übungen machen um zum Ziel zu gelangen.
Das heißt
im Klartext: mein Mann und ich haben die Übungen gelernt. Wir haben sie
gezeigt/erklärt bekommen und unter Anleitung der Therapeutin in der Praxis
geübt bis die Handgriffe saßen. Und dann haben wir sie jeden Tag mit Jonathan
zu Hause gemacht. Er hat geschrien, er hat sich gewehrt, er hat sich aufgebäumt
– man muss das ausblenden und darüber stehen… wenn man Erfolge will: muss man
trotzdem weiter turnen. Diese Therapie ist nichts für zart besaitete Eltern,
denn wenn man es nicht aushält das Kind weinen zu sehen und aus dem Grund die
Übungen daheim nicht macht – dann kann man die Therapie auch gleich abbrechen,
sie wird dann nichts bringen.
Wenn man
meinen Blog bis hierher gelesen hat, dann weiß man das ich nicht grade ein
Mimöschen bin wenn es um Therapien oder Behandlungen bei meinen Kindern geht:
sonst hätte ich z.B. keine Magensonden legen können. Trotzdem muss ich an der
Stelle zugeben dass es auch bei mir Momente in der Therapie gegeben hat in
denen ich mit den Tränen gekämpft habe, in denen ich in der Physiopraxis aus
dem Raum gegangen bin weil ich NICHT ertragen konnte wie sehr mein Kind
geschrien hat!!!
Am
Schreien hat sich über die Zeit nichts geändert, die Therapeutin und ich haben
viele Dinge ausprobiert: so bin ich z.B. nicht mit in den Behandlungsraum
gegangen sondern habe im Wartezimmer gesessen und gelesen. Doch Jonathan hat
genauso gebrüllt wie immer. Also bin ich dann wieder mit dazu gekommen und habe
versucht ihn mit Worten zu beruhigen, vergebens.
Das
Interessante ist: zu Hause hat Jonathan nicht so schlimm geschrien und sich
gewehrt. Er hat zwar auch geweint, aber es war noch in einem für mich
erträglichen Rahmen so dass ich die Übungen konsequent durchgezogen habe.
Die wöchentlichen
Physiotermine waren für mich aber immer eine Qual. Oftmals habe ich schon
morgens Bauchschmerzen gehabt weil ich wusste dass er wieder wie am Spieß
schreien wird und ich nichts dagegen tun kann. Ich war jedes Mal extrem
erleichtert wenn die 45 Minuten vorbei waren und ich wusste das ich nun eine
Woche „Ruhe“ habe.
Irgendwann
kam dann der Zeitpunkt wo ich den Sinn der Vojta-Therapie in Frage gestellt
habe…ich habe jeden Tag zu Hause geturnt, wir sind einmal die Woche in die
Praxis gefahren – und es hat sich einfach nichts getan!! Er war über ein Jahr
alt und konnte noch immer…nichts! Sich nicht umdrehen, nicht rollen…sollten am
Ende die Ärzte untertrieben haben mit ihren Prognosen und er noch nicht mal in
der Lage sein von allein seine Position zu verändern????
Mir fiel
es zunehmend schwerer die Übungen mit Jonathan zu machen. Ich fragte mich fast
jeden Tag: WOFÜR???? Er mag es nicht, es bringt nichts…sollte ich es nicht
einfach lassen???
Aber dann
kam der Tag…an dem er sich von allein drehte!! Er war 17 Monate alt und ich
habe geweint. Sturzbäche geweint. Und Gott gedankt. Nun wusste ich wofür ich
mich und ihn „gequält“ hatte. Und ich konnte leichteren Herzens weitermachen,
ich war wieder motiviert.
Nachdem
die erste Freude ein wenig abgeebbt war begann ich mir Gedanken zu machen. Wenn
er in der Lage war sich zu drehen – und ihn die Therapie dazu animiert und
befähigt hatte- zu was war sie dann noch in der Lage?? Wäre es vielleicht auch
möglich, wenn ich nur hart genug mit ihm arbeite…ihn auch zum krabbeln zu
bewegen?? Entgegen aller Aussagen der Ärzte???
Und auf
einmal hatte ich ein Ziel!! Ich wollte beweisen dass mein Sohn viel mehr kann
als alle denken! Ich wollte die Ärzte Lügen strafen! Ich wollte „Recht“ haben,
ich sah doch in seinen Augen dass so viel mehr in ihm steckte…er war ein
Kämpfer!! Er hatte schon so viel geschafft, warum nicht auch das???
Was
Jonathan bis heute erreicht hat und kann….werde ich an dieser Stelle noch nicht
verraten! Um das zu erfahren müsst ihr meinen Blog auch weiterhin lesen….8o)
Orthopäde
Zum
Krankheitsbild MOPD Typ 1 gehören Osteodysplasien (fehlgebildete Knochen):
-verkürzte
Oberarm- und Oberschenkelknochen
-oftmals
ein Rippenbogen pro Seite zu wenig
-X-Beine
-flache
Hüftpfannen (auch bekannt als Hüftdysplasie)
Einiges
traf auf unseren Sohn zu:
Die
verkürzten Knochen an Armen und Beinen konnte man bei Jonathan sehr deutlich
sehen. Sein Oberarm war nur etwa halb so lang wie der Unterarm – die
Oberschenkel waren zu diesem Zeitpunkt eigentlich fast gar nicht zu sehen.
Die
Rippenbögen waren aber in der korrekten Anzahl vorhanden, das hatte man beim
Röntgen festgestellt.
Auch
sehen konnte man das Jonathan X-Beine hatte. Die Unterschenkel standen wirklich
extrem nach außen. Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben gesehen das die
Unterschenkel in solch einem Winkel zum Oberschenkel stehen können ohne
gebrochen zu sein!
Schon in
seiner Klinikzeit war Jonathan von einer
Orthopädin mittels Ultraschall untersucht worden. Bei dieser Untersuchung waren
Hüftdysplasien auf beiden Seiten festgestellt worden.
Für mich
war dieser letzte Punkt nicht „schlimm“: ich selber habe eine Dysplasie an der
linken Hüfte und weiß das man damit gut zurecht kommt. Zwar kann man nicht alle
Bewegungen schmerzfrei ausführen und zum Beispiel keinen Leistungssport
betreiben – aber das schied bei Jonathan ja sowieso aus.
Insofern
war der Termin bei der Orthopädin nicht beängstigend. Wir haben bei der Ärztin
einen Termin gemacht die Jonathan schon zu Krankenhauszeiten untersucht hatte.
Sie war uns persönlich noch nicht bekannt, doch da sie unseren Sohn schon
kannte fanden wir das sinnvoll.
Viele
neue Erkenntnisse gab es nicht: Jonathan hatte eine beidseitige Hüftdysplasie,
das wussten wir ja schon. Was neu war: seine Hüftköpfe standen ein wenig „von
hinten“ ins Becken und nicht von der Seite. Das sei erstmal nicht
besorgniserregend, aber wir sollten es regelmäßig beobachten. Zudem mussten
auch die X-Beine beobachtet werden und in naher Zukunft abgewogen werden ob
Therapien und/oder andere Maßnahmen (wie Schienen oder auch eine OP) sinnvoll
sein würden.
Also
wurde ein Kontrolltermin 6 Monate später vereinbart.
Augenarzt
Wenn ich
mich an diesen ersten Termin beim Augenarzt erinnere bekomme ich immer noch WUT
– unbändige WUT!
Zuerst
einmal habe ich bei meinem Augenarzt angerufen und kurz erläutert worum es mir
geht:
Ich
brauchte bei Jonathan eine Kontrolle des Augeninnendrucks und eine Kontrolle
der Netzhaut (denn diese war, was typisch bei Frühchen ist!, zeitweise nicht
richtig durchblutet gewesen, wodurch die Gefahr einer Netzhautablösung besteht.
Bei unserer Entlassung war die Durchblutung ok, aber Kontrolle schadet ja
nicht!).
Ein
Problem bei dieser ambulanten Kontrolle jetzt war seine geringe Körpergröße:
die meisten „Geräte“ die ein Augenarzt für die Untersuchungen verwendet sind
einfach zu groß. Ein weiteres Problem war das er im Krankenhaus auf die
Pupillenerweiternden Augentropfen fast immer mit einem Herzfrequenzabfall
reagiert hatte.
Mein
Augenarzt teilte mir also mit das er leider nicht in der Lage sei die
Untersuchungen durchzuführen. Ich bekam aber eine Telefonnummer von einem
Augenärztlichen Zentrum das auf Frühchen und Babys spezialisiert und
entsprechend ausgestattet sei. Dieses Zentrum befindet sich in derselben Stadt
in der Jonathan zur Welt kam – also ca 80km von uns entfernt.
Ich habe
dort angerufen und IM DETAIL geschildert wo die Problematik liegt: Jonathan ist
sehr klein und reagiert stark auf die Augentropfen. Ob man die Untersuchung
trotzdem dort durchführen könne??? Das wurde mir zugesichert. Also habe ich
einen Termin vereinbart.
Dieser
Termin bedeutete für uns Stress: es war das erste Mal das wir eine so lange
Strecke zu einem Termin mit Jonathan fahren mussten. Also wirklich rechtzeitig losfahren
und nichts vergessen: Medikamente, Essen, Wechselwäsche, Entlassungsunterlagen,
Kinderwagen…ich war patschnass geschwitzt!! Dann war die Praxis mitten in der
Stadt, Parkplätze rar – wir waren leider doch etwas spät dran (hatten den
Berufsverkehr unterschätzt) und mussten noch ein ganzes Stück laufen…ich kam
quasi hechelnd beim Augenarzt an.
Dann
warteten wir erstmal. Widerstrebend und mit komischen Blicken bedacht hatte man
uns einen Platz in einer Ecke des Flurs zugewiesen, denn wir hatten gesagt das wir
aufgrund von Jonathans Immunsystems nicht im Wartezimmer sitzen wollten.
Die
Ärztin holte uns dann in ihr Sprechzimmer und fragte uns warum wir da seien –
stand das nicht in der Akte??? Wir haben also alles von GANZ vorne erzählt. Und
als wir fertig waren hat sie uns gesagt…dass sie Jonathan leider nicht
untersuchen kann weil sie ihn dafür in Narkose legen müsste. Ein SO EXTREM
KLEINES Baby könne sie nicht ohne Sedierung untersuchen, das wäre zu riskant
wenn er zuckt oder sich wehrt. Außerdem machten ihr die Herzfrequenzabfälle
Sorgen: wenn er dann kollabieren sollte – in ihrer Praxis??? Wir sollten uns
doch lieber an das Krankenhaus wenden in dem er zur Welt gekommen sei,
vielleicht könnten die die Untersuchungen durchführen!
Ich kann
gar nicht sagen wie wütend ich in diesem Moment war und das habe ich auch zum
Ausdruck gebracht! Ich hatte diese Punkte am Telefon bei der Terminvereinbarung
genannt und TROTZDEM hatte man mich hierher bestellt und mir versichert dass es
KEIN Problem sei. Wirklich: ich finde das war eine UNVERSCHÄMTHEIT!!! Schlussendlich
war der Termin völlig sinn- und nutzlos!! Der ganze Stress, der Zeitaufwand:
für nichts und wieder nichts! Wir waren kein Stück weiter als vorher.
Kardiologe
Die Stationsärztin
die uns über den ganzen Zeitraum betreut und dann auch entlassen hatte wollte
uns helfen unsere Liste abzuarbeiten: und hatte für Jonathan einen Termin in
der Kardiologie vereinbart. Da wir zu diesem Termin an „unserer“ Klinik vorbei
und noch ein Stück weiter fahren mussten dachte sie sich (damit wir Benzin
sparen) wäre es doch sinnvoll wenn wir auf dem Rückweg den anstehenden Termin
in der Tagesklinik zur Blutentnahme wahrnehmen würden. An und für sich war das
ein toller und richtiger Gedanke: zwei Termine an einem Tag und nur ein
Weg…aber leider hat sie diese Termine ausgerechnet für den Geburtstag meines
Mannes vereinbart. 8o(( Sein erster Geburtstag als Vater konnte somit nicht
wirklich gefeiert werden. Aber: alle Eltern kennen das – die Kinder gehen vor.
Und so sind wir frühmorgens aufgebrochen Richtung Kardiologie.
Die
Schwestern dort waren alle total nett und freundlich. Wir haben uns direkt wohl
gefühlt. Nach wiegen und messen wurde der Blutdruck ermittelt und die
Sauerstoffsättigung kontrolliert. Die Werte waren alle super, wir atmeten schon
mal auf. Denn ganz ehrlich: ich hatte schon seit wir in der Klinik eingetroffen
waren eine panische Angst das irgendetwas nicht stimmen könnte und die Ärzte
Jonathan stationär behandeln wollten.
Diese
Angst wurde mir aber genommen als unser Kardiologe die Untersuchungen
durchgeführt hatte: es war alles in Ordnung - die Blutdruckwerte waren in einem
guten Bereich, das Medikament schien also zu wirken. Eine Herzkammer war noch
deutlich größer als die andere, doch der Blutfluss war in Ordnung: wir sollten
in einem halben Jahr wieder kommen um das kontrollieren zu lassen.
Und noch
etwas anderes als Erleichterung haben wir aus diesem Termin mitgenommen:
Wir
sollten dem Arzt erzählen welche Medikamente Jonathan nimmt und in welcher
Dosierung. Wir kamen ganz schön ins Stocken dabei! Denn es ist eine Sache zu
Hause die entsprechenden Flaschen zu greifen und die Medikamente aufzuziehen - oder
sie zu benennen! Grade auch wenn es um die Prozentzahl des Wirkstoffs in 100ml
geht! Wir haben alles zusammen bekommen und der Arzt konnte es notieren, aber
es hat gedauert. Und dann hat er zu uns gesagt: „Bei einer solchen Krankheit
müssen Sie alles in Sekundenbruchteilen benennen können, das kann irgendwann
über Leben und Tod entscheiden! Man muss sie nachts wecken können und Sie
müssen trotzdem alles sofort parat haben!“
Mir wurde
bewusst wie Recht er damit hatte! Bisher war es nicht nötig gewesen das wir das
alles detailliert wussten, im Krankenhaus waren immer Ärzte und Schwestern bei
uns gewesen. Aber jetzt waren wir allein verantwortlich. Also haben mein Mann
und ich „Medikamente geübt“ und uns immer wieder gegenseitig abgefragt bis es
saß. Ich hatte aber ständig Angst davor dass ich in einer Notsituation -wenn
ich unter Stress stünde- alles vergessen könnte. Also habe ich jede einzelne
Medikamentenverpackung und die dazugehörige PZN (eine Art Bestellnummer für den
Apotheker, ist auf jeder Verpackung vermerkt) kopiert. 8o)) Quasi Trick 17 für
Faule! Die Zettel trage ich immer in meiner Handtasche bei mir und könnte sie
im Notfall einfach vorzeigen. Das beruhigt mich sehr und ich empfehle es deswegen
allen Eltern von Kindern mit lebenswichtigen Medikamenten.
Tagesklinik
Auf dem
Rückweg vom Kardiologen sind wir also in „unsere“ Klinik gefahren wo wir einen
Termin zur Blutentnahme hatten, und zwar bei unserer Humangenetikerin.
Es war
ein ganz merkwürdiges Gefühl durch die Türen dieser Klinik zu gehen – denn wir
gingen ja wieder HINEIN!! Und schon wieder war da bei mir diese Angst dass die
Ärzte irgendetwas feststellen könnten was sie dazu bringen würde Jonathan
stationär aufzunehmen. Mein Herz pochte, ich hatte einen Kloß im Hals und
schwitzte. Aber gut: da musste ich jetzt eben durch!
Wir
meldeten uns also an und eine Schwester kam zu uns um Größe, Gewicht und
Blutdruck zu erfragen. Fast das Erste was sie sagte war: „Oje, hat er sich die
Magensonde gezogen? Wollen Sie gleich mal mitkommen, dann legen wir eine Neue?“
Mein Mann und ich haben gelacht und ihr erklärt dass wir die Sonde nicht mehr
brauchen, weil er seine Medikamente oral bekommt und das auch gut klappt. Wir
ernteten einen merkwürdigen Blick und haben uns gefragt warum sie sich nicht
mit uns freut?? Doch wir haben uns weiter keine Gedanken darüber gemacht.
Dann
wurden wir von unserer Humangenetikerin abgeholt. Ich habe mich wirklich sehr
gefreut sie wiederzusehen! Für mich war und ist sie ein sehr wichtiger Mensch:
zum einen konnte sie uns sehr viel über die Krankheit MOPD Typ 1 erzählen – sie
kennt ein paar Kinder die daran leiden, oder gelitten haben. Zum anderen ist
sie ein so positiver Mensch: sie hat uns von Anfang an bestärkt das wir das
Leben mit Jonathan trotz seiner Behinderung meistern können und werden. Ich
weiß wirklich nicht ob ich heute da wäre wo ich bin wenn ich sie nicht an
meiner Seite hätte!
VIELEN
DANK AN DIESER STELLE AN SIE!!! SIE SIND IMMER FÜR UNS DA WENN WIR FRAGEN HABEN
UND NEHMEN SICH SEHR VIEL ZEIT. AUSSERDEM ERKLÄREN SIE UNS ALLES IMMER SO
ABSOLUT UNAUFGEREGT UND DOCH REALISTISCH. SIE HABEN GROSSEN ANTEIL DARAN DAS
ICH DIESE SITUATION SO MEISTERE WIE ICH ES TUE.
So…aber
wieder zurück zu unserem Termin! 8o)
Wir
gingen also zusammen in das Büro unserer Humangenetikerin und sie untersuchte
Jonathan: seine Reflexe, seine Fontanelle, seinen Leistenbruch. Dann nahm sie
ihm Blut ab, die Ergebnisse kamen noch während des Termins: alles war in
Ordnung – er war nicht „sauer“! Ich war total erleichtert! Wir machten also
alles richtig mit der oralen Medikamentengabe (ein bisschen Bedenken hatte ich
ja schon gehabt).
Ja, da
sind wir beim Thema! Die fehlende Magensonde. Man erklärte uns das diese nicht
NUR wegen der Medikamente gelegen hatte….die Ärzte hatten die Vermutung gehabt
das Jonathan wegen seiner Hirnfehlbildungen nicht in der Lage sein würde seine
benötigte Milchmenge komplett allein aufzunehmen. So das wir ihn sein Leben
lang mit der Sonde würden ernähren müssen, bzw. die fehlende Menge sondieren
müssten. Oooooookay! Das hatten wir nicht gewusst, ich war sehr geschockt! Das
war doch wieder ein Punkt den die Ärzte uns nicht ehrlich erklärt hatten….
Aber: die
Humangenetikerin war begeistert denn Jonathan hatte zugenommen in den letzten
zwei Wochen. Nicht viel, aber das ist bei einem Kleinwüchsigen auch nicht zu
erwarten. Also…völliger Schwachsinn! Mein Kind war in der Lage alles allein zu
trinken was er brauchte!
(Man darf
nicht immer auf die Ärzte hören…das kann ich ebenfalls allen Eltern nahelegen:
verlasst euch auf euren Instinkt - dann ist es schon richtig!)
Der Punkt
Magensonde war also abgehakt, wir würden mit der Nahrungsaufnahme weitermachen
wie bisher.
Wir haben
uns mit unserer Humangenetikerin noch ein wenig über die Krankheit unterhalten.
Einiges hatte ich schon über das im Internet herausgefunden, doch hier gibt es
leider nicht sooo viele medizinische Informationen weil die Krankheit zu
unbekannt und teilweise auch unerforscht ist.
Dieser
Gendefekt wird AUSSCHLIESSLICH autosomal-rezessiv vererbt. Das bedeutet: er
kommt nur dann zum Ausbruch wenn BEIDE ELTERN ihn in sich tragen.
(Meinem
Mann und mir wurde einige Monate später, als die Diagnose gesichert war,
angeboten dass wir uns testen lassen könnten, uns würde dann Blut entnommen und
untersucht. Doch wir haben uns dagegen entschieden: wir wussten doch schon das
wir beide Träger sind – sonst wäre es ja bei Jonathan nicht „zum Ausbruch“
gekommen. Es schwarz auf weiß zu haben war für uns nicht wichtig, das ändert ja
auch nichts.)
Weiterhin
habe ich natürlich die Frage nach der Lebenserwartung erneut gestellt. Das ist
eben DER PUNKT der mich bis heute am meisten beschäftigt!! Keiner möchte von
Anfang an wissen dass er sein Kind überleben wird!!! Dafür bekommt man keine
Kinder, oder??
Ich habe
sehr interessante Dinge erfahren:
Die
Lebenserwartung der MOPD-Kinder in Europa liegt etwas höher als im Rest der
Welt.
Warum
genau das so ist kann man nur vermuten: die Hygienestandarts sind besser…die
medizinische Versorgung generell ist besser…vielleicht auch die Ernährung..und
flächendeckender Impfschutz führt zu weniger „Epidemien“.
Betrachtet
man die bekannten europäischen Fälle dieser Erkrankung dann dürfen wir auf 10
Jahre mit unserem Sohn hoffen. Aber natürlich gibt es dafür keine Garantie!! Es
sind Durchschnittswerte die aus SEHR wenigen Kindern ermittelt wurden und jeder
dieser Fälle war anders gelagert.
Was mich
jetzt aber interessierte: wenn wir auf 10 JAHRE hoffen durften, wie kam es dann
das im Internet nur von 9 MONATEN Lebenserwartung die Rede war???
Auch
darauf bekam ich eine Antwort die mir Hoffnung machte:
Wie ich
schon erklärt habe kommt MOPD Typ1 nur dann zum Ausbruch wenn BEIDE Eltern es
haben. Weltweit sind bis heute 40 Fälle in 30 Familien bekannt, und die meisten
Fälle sind bei den Amish in Ohio aufgetreten. Die Amish sind eine
Religionsgemeinschaft die strenge Regeln befolgt: sie leben wie im 17
Jahrhundert, bleiben unter sich und heiraten auch nur untereinander. Oftmals
ehelichen sich Cousin und Cousine. Dadurch wird der Grundstock gelegt für
häufige Ausbrüche dieser Krankheit: der Genpool wird nicht richtig
„durchgemischt“. Zum anderen verweigert diese Religionsgemeinschaft weitgehend
die medizinische Betreuung da diese nicht mehr auf dem Stand des
17.Jahrhunderts ist. Und ein Kind wie unser Jonathan ist nicht in der Lage ohne
medizinische Hilfe zu überleben…also: sterben die MOPD-Kinder der Amish
innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen. Und damit ziehen sie die
durchschnittliche Lebenserwartung bei dieser Krankheit drastisch nach unten.
(Alle diese
Aussagen sind begründet auf der Forschung zweier Ärzte die sich mit den
MOPD-Fällen der Ohio-Amish beschäftigt und ihre Ergebnisse veröffentlicht haben.)
Diese
Erklärungen verstand ich und war schon ziemlich erleichtert….10 Jahre sind
nicht viel, keine Frage. Aber es waren eben trotzdem 10 JAHRE! Das war etwas
worauf man hinarbeiten konnte…eine Hoffnung…ein Ziel…das hört sich doch anders
an als „die meisten Patienten erreichen ihren 1.Geburtstag nicht“!
Ausschlaggebend
für ein paar Jahre mehr würde aber natürlich sein weiterhin auf Jonathans
Gesundheit zu achten. Infekte vermeiden so gut es geht. Darauf zu achten das er
seine Medikamente bekam. Soweit die Aussagen der Ärzte.
Ich
selbst habe dem einen weiteren Punkt hinzugefügt:
Ihn zum
Kämpfen motivieren!!! An dieser Stelle bin ich extrem stolz zu sagen: Jonathan
hat MEINEN Dickkopf! Er ist ein großer Kämpfer, wenn er sich etwas in den Kopf
gesetzt hat dann schafft er das auch. Also müssen wir dafür sorgen DAS er
kämpft!! Und dann wird er noch viel erreichen. 8o)
Chirurgie
Diejenigen
die selbst ein Frühchen hatten werden sich schon lange fragen: „Was ist denn
nun eigentlich mit dem Leistenbruch? Das wird doch normalerweise schon vor der
Entlassung aus dem Krankenhaus operiert?“ Korrekt: so wird es normalerweise
gehandhabt.
Ein
Leistenbruch ist etwas das bei Frühchen ganz typisch ist. Die Erklärungen der
Ärzte habe ich so verstanden: die Muskeln sind noch nicht fertig ausgebildet,
das Baby kommt aber schon zur Welt und das Kindspech (der erste Stuhlgang) muss
raus. Wenn das kleine Kerlchen sich dabei stark anstrengen muss, drückt der
Darm zu stark auf die noch nicht fertigen Muskeln in der Leistengegend – und
schon ist der Leistenbruch da. Es handelt sich eigentlich nur um ein „Loch“
zwischen den Muskeln in der Leistengegend – aber durch dieses Loch drückt sich
ein Teil des Darms nach außen. Das hört sich jetzt schlimmer und ekliger an als
es ist!! Es ist eigentlich nichts Besorgnis erregendes: so lange man den Darm
wieder „reponieren“, sprich: ihn wieder zurückdrücken, kann. Schlimm wird es
nur dann wenn der Darm sich nicht mehr zurückdrücken lässt: dann muss sofort
operiert werden, denn ein eingeklemmter Darm kann in kurzer Zeit absterben. Und
ein abgestorbener Darm ist lebensbedrohlich.
Bei
Jonathan konnte man problemlos reponieren, er hat sich auch nie dagegen gewehrt
oder dabei geweint. Deswegen hatte man sich zu Klinikzeiten entschlossen das er
vor der Entlassung NICHT operiert werden würde: sein Gewicht war mit noch nicht
einmal 2 Kg einfach zu gering. Man wollte mit der Narkose kein Risiko eingehen.
Also
haben mein Mann und ich gelernt den Darm zurückzudrücken. Mein Mann war dabei
immer sehr gelassen und cool…aber ich fand es einfach nur WIDERLICH! Ich habe
mich geschüttelt und gequiekt wenn ich das machen musste – wirklich und ganz ehrlich!!!
Vorsichtig
auf die Beule drücken die in der Leiste hängt und dann ganz laaaaangsam nach
innen drücken..und dann machte das immer irgendwie PLOPP….Brrrrr! SOOO WIDERLICH!!!
Aber gut: es war notwendig und deswegen habe ich es gemacht, wie so viele Dinge
davor – und auch danach.
Im
letzten Beitrag habe ich von unserem Termin bei der Humangenetikerin erzählt.
Zu diesem Termin kam ein Kinderchirurg der Klinik dazu der sich den
Leistenbruch angesehen hat. Er befand dass weiterhin kein Handlungsbedarf
bestand, der Leistenbruch ließ sich gut wegdrücken und so lange sich daran
nichts änderte, sollten wir in einem halben Jahr erneut vorsprechen. Dann würde
man sehen wie Jonathans Gewicht sich entwickelt habe und wann die OP
stattfinden könne.
Zu diesem
Gespräch mit der Humangenetikerin und unserem Chirurgen muss ich noch eine
lustige Geschichte erzählen, ich hoffe der Chirurg verzeiht mir das! 8o)))
Kurz vor Jonathans
Entlassung aus dem Krankenhaus wurde mir angekündigt dass ein Kinderchirurg auf
Station vorbeikommen würde, der sich den Leistenbruch ansehen und dann
entscheiden sollte ob Jonathan so nach Hause gehen darf oder ob eventuell
vorher doch noch operiert werden muss. Ich war total aufgeregt, klar: jeder hat
Angst davor das sein Kind eine OP benötigt! Dann kamen eine Ärztin…und ein
Medizinstudent. So mein Eindruck. Die Ärztin war vielleicht in meinem Alter,
also Ende 30. Den Mann im weißen Kittel schätzte ich auf Mitte/Ende 20. Beide
sehr nett, er hat Jonathan untersucht und ich dachte noch: „Er muss ja auch
noch üben!!“ Geredet habe ICH fast nur mit der Ärztin. Sie hat dann auch
verkündet dass Jonathan nach Hause darf und die OP gemacht wird sobald er 3
oder besser 3,5 Kilo wiegt – WENN sich der Leistenbruch vorher nicht einklemmt.
So weit, so gut….jetzt waren einige Monate vergangen, wir waren in der
Tagesklinik und unsere Humangenetikerin meinte das sie mal den Kinderchirurgen
anruft, einen sehr erfahrenen und langjährigen Kollegen. Und als die Tür
aufgeht und der Arzt den Raum betritt….war es „mein“ Medizinstudent!!! Mir ist
buchstäblich die Kinnlade heruntergefallen…ich habe gestaunt und gestottert und
ihn gefragt ob er WIRKLICH der Kinderchirurg sei denn er sehe doch noch so jung
aus!! Und er hat gegrinst und gemeint: „Ja, das höre ich öfter. Aber ich habe
tatsächlich schon mein Studium abgeschlossen und auch einige Jahre
Berufserfahrung!“ Bei jedem weiteren unserer Treffen hat sich das zu einem
„runing gag“ entwickelt und irgendwann habe ich ihm auch gestanden dass ich ihn
zu Anfang für einen Studenten gehalten habe. Das nahm er als Kompliment und hat
sich sehr gefreut. Leider hat er mir bis heute nicht verraten wie alt er
wirklich ist…8o)))
Die
„To-Do-Liste“ war abgearbeitet, Kontrolltermine vereinbart. Jetzt konnte der
Alltag beginnen!!!
Kleine
Geburtstagsfeier für den Papa
Wir
feierten das mit einem gemeinsamen Restaurantbesuch. Sie erinnern sich: die
Termine beim Kardiologen und in der Tagesklinik fanden am Geburtstag meines
Mannes statt. Nachdem wir in den Kliniken fertig waren haben wir beschlossen in
einem Restaurant zu Mittag zu essen, damit der Tag zumindest ein bisschen den
Charakter eines Geburtstages/einer Feier hatte.
Es war
schon fast 14 Uhr und deswegen war uns klar das das Restaurant nicht mehr stark
besucht sein würde: solche Überlegungen sind im Leben mit Jonathan bis heute
wichtig denn aufgrund seines Immunsystems ist es besser wenn wir uns NICHT
allzu großen Menschenmengen aussetzen.
Den
größten Teil des Mittagsessens hat der kleine Mann verschlafen: die lange
Autofahrt und die Untersuchungen hatten ihn doch ganz schön geschlaucht. Aber
irgendwann hatte er auch Hunger und ist wach geworden, also habe ich ihn auf
den Arm genommen und gefüttert. Bei diesem Restaurantbesuch haben wir zum
ersten Mal erlebt wie fremde Menschen auf Jonathan reagieren: die Kellnerin kam
direkt zu uns und hat gefragt wie alt er denn sei, denn er sei doch so
wahnsinnig klein….Wir haben ihr freundlich alles erklärt, gestört hat uns das
an diesem Tag nicht. Wir waren eher amüsiert darüber so im Mittelpunkt zu
stehen.
Aber DAS…sollte
in unserem Leben nicht mehr lange so bleiben…
In den
Alltag finden
Der
Alltag pendelte sich relativ schnell ein: Medikamente geben und zu Therapien
fahren. Zuhause „turnen“ und Blutdruck messen. Jonathan füttern, Essen kochen
und mit Marvin Schularbeiten machen. Den Haushalt führen und einkaufen gehen.
Im Endeffekt (fast) alles das was auch eine Familie mit zwei gesunden Kindern
im Alltag erlebt!
Mein Mann
hatte mittlerweile seine zweimonatige Elternzeit angetreten und ich denke ich
kann sagen: wir waren ziemlich entspannt! Wir hatten morgens keinen Stress: wir
MUSSTEN nicht ins Bad und mein Mann nicht rechtzeitig zur Arbeit losfahren. Wir
konnten einen Gang zurückschalten, unser Leben lief gemächlicher ab. Zeit die
langen Monate in der Klinik zu vergessen und zu verarbeiten – Zeit zu begreifen
dass es Vergangenheit war, dass Jonathan zu Hause war! Bei uns…
Einige
Wochen lang lag ich morgens nach dem Aufwachen ganz still in meinem Bett und
wartete ab bis sich meine Gedanken sortiert hatten…wartete ob es dann immer
noch real war das Jonathan hier bei mir im Raum war, in seinem Bettchen am
Fußende meines Bettes…oder ob ich das nur geträumt hatte..
Die
Monate in der Klinik zu verarbeiten war (und ist bis heute) nicht leicht. „Es
hängt einem nach“, es gibt immer noch Momente in denen alles wieder hochkommt –
meist unverhofft und plötzlich. Wie ein Blitzlicht. Dann ist der Kloß im Hals
wieder da, die Enge in der Brust - die Angst…die Gerüche und die Geräusche. Die
Tränen.
Das blöde
daran ist…selbst enge und langjährige Freunde verstehen das nicht!! Man kann
nicht mit Menschen darüber reden die selbst nie in dieser Situation waren,
Vorstellungskraft allein reicht nicht aus um komplett zu ermessen was so eine
Situation für die Eltern bedeutet oder ihnen abverlangt. Niemand der es nicht
selbst erlebt hat kann verstehen was einen beschäftigt oder was man zu
verkraften hat. Was man braucht in dieser Situation. Und wann Plattitüden
einfach nicht angemessen sind.
Ich weiß
das ich nicht die Einzige bin die während ihrer Zeit auf der
Frühchenintensivstation von Freunden gefragt wurde: „Was, Du fährst schon
WIEDER ins Krankenhaus?? Machst Du das JEDEN Tag???“
Wenn
schon die Tatsache das ich täglich bei meinem Kind sein möchte für solches
Erstaunen sorgt…wie soll ich dann diesen Menschen erklären wie die Zeit in der
Klinik mich verändert hat? Wie sie dafür gesorgt hat das sich meine Wahrnehmung
verändert hat: so viele Dinge die früher wichtig waren (z.B. Erfolg im Beruf
oder das Erreichen von materiellen Gütern) auf einmal total egal sind? Weil nur
das Leben allein zählt…weil nur mein Kind zählt.
Wenn man
stundenlang neben einem Inkubator sitzt und betet das dieser winzige Mensch
kämpft…wenn man merkt das man selbst „so klein“ und unwichtig ist in dieser
Welt und das man nichts was zählt im Leben selber beeinflussen kann…dann wird
man so verdammt demütig!
Dann
zählen auf einmal andere Dinge im Leben und der Blickwinkel auf die Welt
verändert sich. Man wird ernster. Nachdenklicher. Trauriger?! Ja, für mich
stimmt auch das. Ich wollte nie ein Kind bekommen um von Anfang an zu wissen
dass ich es überleben werde. Das ist wohl bei niemandem der Plan. Jeden Tag
hängt eine dunkle Wolke über einem..richtig genießen, mit jeder Faser des
Herzens, kann man sein Leben nicht mehr. Denn da ist immer diese Angst dass
heute der letzte Tag sein könnte.
Vielleicht
ist dieses Gefühl bei mir stärker weil ich weiß dass ich ein Kind mit einem
lebensverkürzenden Gendefekt habe. Aber jeder der für längere Zeit auf einer
Neonatologie war hat viele Kinder dorthin kommen sehen – und einige sind nicht
nach Hause gegangen. Das ist der Lauf der Dinge, das gehört auf so einer
Station dazu. Und auch wenn es keine schönen Gedanken sind…so empfindet man
Erleichterung wenn der Name des eigenen Kindes NICHT auf der Belegungstafel
ausgewischt wird.
Alle diese
Eindrücke…Gefühle…Ängste…hat man und man nimmt sie mit und ich denke man wird
sie zeitlebens nicht mehr los. Und darüber kann man nicht mit jedem sprechen. Weil
einen nicht jeder verstehen kann.
Deswegen
ändert sich der Freundeskreis. Im besten Falle erweitert er sich, doch bei uns
hat er sich verändert. Einige langjährige Freunde spielen heute eine eher
geringe Rolle in meinem Leben. Weil es einfach nicht mehr harmoniert hat, weil
ich mich mit ihnen nicht mehr wohl gefühlt oder nicht mehr von ihnen verstanden
gefühlt haben. Was mit Sicherheit nicht allein an ihnen, sondern auch an mir
liegt: weil ICH mich verändert habe!! Weil sich meine Prioritäten verändert
haben. Weil mir viele Themen, die für diese Freunde so wichtig sind das sie
tagelangen Gesprächsstoff bieten, einfach zu anstrengend oder unwichtig
geworden sind.
Mein
Vater hat dazu ein paar wirklich sehr weise und treffende Worte gesagt: „Du
musst Freunde haben die Dir Kraft geben – und nicht welche die Dir Kraft
rauben!“ Genauso ist es: in der Situation „monatelanger Krankenhausaufenthalt
und behindertes Kind“ braucht man alle Kraft die man hat. Und dann muss man
sich irgendwann von Menschen in seinem Leben trennen, oder zumindest
distanzieren, wenn sie einem nicht mehr gut tun. So schade das ist.
Eine
Freundin hat mir dazu ebenfalls etwas sehr richtiges gesagt: „Wenn Du auf der
einen Seite Freunde verlierst – gewinnst Du auf der anderen Seite neue Freunde
dazu!“ Und auch das ist vollkommen richtig in meinem Fall!
Seit
Kindheitstagen ist mir eine junge Frau in unserem Wohnort bekannt: man grüßt
sich auf der Straße, man redet auch kurz – das war es. Sie ist Mutter von 3
Kindern, zwei davon ebenfalls Extremfrühchen. Als sie gehört hat dass Jonathan
geboren ist und wir dasselbe erleben dass sie schon zweimal erlebt hat – hat
sie mir einfach angeboten das sie immer für mich da ist. Das ich mit ihr reden
oder vorbeikommen kann und sie mich/uns so gut unterstützen wird wie es ihr nur
möglich ist. Und das war nicht nur Gerede: sie hat es wahr gemacht! Sie war
einfach da! Hat mir zugehört, mich aufgefangen – und sie hat mich
verstanden…das war für mich wie ein Geschenk Gottes. In unseren Klinikzeiten
wurde sie für mich eine sehr wichtige Bezugsperson. Und ist das bis heute
geblieben…ich bin unendlich dankbar das ich sie heute meine Freundin nennen
darf!
Jemanden
zu haben mit dem ich über die Zeiten in der Klinik reden und mit dem gemeinsam
ich es verarbeiten konnte war wichtig…aber jemanden zu finden dessen Kind
dieselbe Diagnose wie Jonathan hat war genauso wichtig!!!
Gerrit
und Silke
Ich weiß
es noch als sei es gestern gewesen…irgendwann piepste mein Handy und ich hatte
eine SMS. Im Display stand SILKE und ich sagte zu meinem Mann: „Häh? Wer ist
das denn? Ich kenne doch gar keine Silke!“. Dann öffnete ich die Nachricht und
da stand: „Hi, ich bin die Mama von Gerrit – dem anderen Jungen mit MOPD. Und
ich habe Deine Nummer von unserer Physiotherapeutin bekommen.“ Ich glaube sie
hatte noch mehr geschrieben, aber das sah ich gar nicht mehr…weil ich so weinen
musste!!! Sie hatte sich tatsächlich gemeldet!! Sie hatte mir eine Nachricht
geschrieben und jetzt konnte ich mit ihr REDEN!!! Das hatte ich mir schon so
lange gewünscht...eine andere Mama die ein Kind mit MOPD hatte und die genau
dieselben Probleme und Sorgen hatte wie ich!! Ich konnte mich gar nicht
beruhigen: habe gelacht und gleichzeitig vor Erleichterung geweint. Nun ja…ich
habe mehr geweint wenn ich ehrlich sein soll. Es war ein unbeschreibliches
Gefühl! Nicht mehr allein sein, jemanden haben der mich versteht….dessen Kind
älter ist, der mir Tipps geben kann – mit dem generell ein Austausch
stattfinden kann, unfassbar!!!
Und dann
meinte mein Mann dass ich ihr zurück schreiben soll. Ja….was sollte ich denn
jetzt schreiben???? Wenn ich die falschen Worte wählte dann wollte sie am Ende
nichts mehr mit mir zu tun haben…der erste Eindruck ist der wichtigste, oder
nicht???
Ich
glaube man merkt es wenn man meine Geschichte liest: ich bin nicht oft um Worte
verlegen…8o)) Aber jetzt war ich wirklich unsicher! Ich habe überlegt, ein paar
Sätze geschrieben und dann wieder gelöscht. Dann habe ich zu meinem Mann gesagt
dass ich einfach nicht weiß was ich antworten soll, dass ich Angst habe das
falsche zu schreiben! Aber mein Mann meinte nur das Silke offensichtlich auch
Interesse an einem Kontakt, an einem Austausch, hätte - also: was sollte da
schon schief gehen???
Ehrlich:
ich weiß heute gar nicht mehr was ich ihr geantwortet habe…aber es wird das
Richtige gewesen sein, denn sie hat mich eingeladen sie und Gerrit zu besuchen.
8o))) Was ich einige Wochen später auch gemacht habe.
Meine GÜTE
war ich AUFGEREGT!!! Mein Herz hat geklopft, ich hatte einen Kloß im Hals. Und
ich weiß noch genau das ich vor der Haustür stand, das Klingelschild angestarrt
habe und dachte: „Wenn ich jetzt da drauf drücke, dann stehe ich gleich vor
einem Kind das genauso ist wie Jonathan!“ Das war wirklich ergreifend! Aber ein
bisschen Angst hatte ich auch…was wäre denn wenn Silke mir unsympathisch wäre –
oder ich ihr??? Wenn wir gar nicht wüssten worüber wir reden sollten???
Alles
unbegründet!! Ich bin mit weichen Knien die Treppe hoch gestiefelt und da stand
Silke schon in der Tür und wartete auf mich. Gleich der erste Eindruck war
positiv: eine sehr nette junge Frau die mich anlächelte. Sie bat mich herein
und als ich ins Wohnzimmer kam…lag er auf dem Fußboden: Gerrit. Ich hatte solch
einen Kloß im Hals… habe mich zu ihm gekniet und ihn betrachtet. Ob Silke mit
mir geredet hat in dem Moment kann ich heute nicht mehr sagen, ich war einfach
gefangen in diesem Augenblick und auf Gerrit fixiert.
Als
erstes ist mir aufgefallen das er total mobil war!!! Er drehte sich um sich
selber und kullerte mit einem Affenzahn durch den Raum. Ein kleines Xylophon
lag auf seinem Spielteppich und er suchte sich den Schläger und…machte Musik
für mich! Dabei schaute er mich an und lächelte. Ab diesem Moment war ich
seinem Charme vollkommen erlegen! Es ist unfassbar wie sehr dieser kleine Junge
mich in seinen Bann schlug, wie sehr er mein Herz berührte. Ich hatte Tränen in
den Augen und einen fetten Kloß im Hals.
Zum einen
war es die Tatsache dass er einfach eine unvorstellbare Lebensfreude versprüht,
er füllt einen Raum mit so viel Freude aus – man kann gar nicht anders als zu
lächeln! Zum anderen war es aber auch seine Mobilität. Er konnte so viel von
dem ich gedacht hatte dass es für MOPD-Kinder unmöglich sei zu lernen! Ein
Hoffnungsschimmer! Mir ging das Herz auf.
Dann
begann ich ihn zu betrachten - und mit Jonathan zu vergleichen. Wo waren sie
sich ähnlich, wo waren sie verschieden??? Was kam vom Gendefekt, was hatte
Jonathan vielleicht doch von meinem Mann und mir???
Ich
bemerkte das Gerrits Hände wirklich eins zu eins die Hände von Jonathan waren:
die spitze Form der Finger, die fleischigen Handteller, die sehr stark
gebogenen Fingernägel….ich war total fasziniert!!! Und ein bisschen traurig.
Als Eltern wünscht man sich doch immer das das Kind aussieht wie man selbst,
oder? Aber ich habe an diesem Nachmittag festgestellt das viele Dinge bei
Jonathan kein „Unikat“ waren sondern offensichtlich Ausprägung seiner
Krankheit. Das war zuerst ein komisches Gefühl…aber dann habe ich mir gesagt
dass Jonathan trotzdem noch Jonathan ist. Er hatte sich ja nicht verändert nur
weil ich jetzt festgestellt hatte das er einige Dinge weder von meinem Mann
noch mir hatte! Er war immer noch so wie Gott ihn gemacht hatte. Und so war er
gut!
Also fuhr
ich in der Betrachtung fort. Auch Gerrits Arme und Beine sahen aus wie bei
Jonathan.
Was
anders war waren die Haare: Gerrit hat sehr viele und dichte Haare, Jonathan
hat eher spärlichen Haarwuchs. Auch die Augen waren unterschiedlich: während
mein Sohn sehr glubschige Augen hat fällt das bei Gerrit nicht so sehr auf. Und
Gerrits Kopf war im Vergleich zum Körper nicht sooo klein, wohingegen Jonathan
einen extremen Microcephalus (kleinen Kopf) hat.
Silke und
ich haben uns dann ausgetauscht über die Probleme die unsere Kinder so haben:
mit dem Gehirn, mit den Organen, mit Infekten. Manche Dinge sind gleich – andere
verschieden. Unsere Kinder haben dieselbe, extrem seltene, Krankheit und sind
trotzdem zwei Persönlichkeiten mit eigenen Problemen und Bedürfnissen.
Wir Mamis
aber haben dieselben Sorgen und Ängste, wir haben dasselbe Schicksal. Wir
leiden unter der frühen Sterblichkeit unserer Jungs…wir kämpfen jeden Tag um
und für unsere Kinder..wir fahren zu Therapien und streiten mit der
Krankenkasse um Hilfsmittel…und wir haben einen 24-Stunden-Job in der Betreuung
und Pflege der beiden.
Bis heute
ist Silke einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Wir können uns zwar
nicht oft sehen weil es aufgrund der Infektanfälligkeit meist nicht möglich ist
unsere Jungs zusammenzubringen, aber wir sind in ständigem Kontakt. Wir
tauschen uns aus über Diagnosen, Arzttermine, Untersuchungen und Therapien.
Wenn eine von uns einen schlechten Tag hat (was durchaus häufiger vorkommt!)
dann reicht eine SMS und die andere weiß genau was los ist. Wir reden über
unsere Ängste und versuchen uns gegenseitig zu stützen und zu helfen, einfach
füreinander da zu sein. Und manchmal… reden wir über ganz andere Dinge wie
Filme, Bücher oder unsere Hobbys…dann kehrt für einen Moment Normalität ein und
man vergisst mal alle Sorgen und Probleme.
Wir haben
uns wegen unserer Kinder gefunden, aber heute sind wir Freundinnen. SILKE: WIR
GEHEN NICHT IMMER DEN GLEICHEN WEG, ABER WIR TOLERIEREN UND AKZEPTIEREN UNS
GEGENSEITIG. ICH BIN SEHR DANKBAR DAS DU IMMER FÜR MICH DA BIST. UND ICH BIN
DIR DANKBAR DAS DU DICH MIR ANVERTRAUST UND HOFFE DAS ES NOCH SEHR LANGE SO
BLEIBT ZWISCHEN UNS!
Frühförderung
Osteopathie
Ungefähr
zu dieser Zeit sind wir zum ersten Mal zur Osteopathie gegangen. Die
Physiotherapeutin hatte uns den Vorschlag gemacht das mal auszuprobieren denn
Jonathans Kopf war (durch den langen Krankenhausaufenthalt und die damit
verbundene Lagerung) am Hinterkopf wirklich extrem platt.
Ich hatte
gar keine Vorstellung davon was Osteopathie überhaupt ist, damit hatte ich noch
nie Berührungspunkte gehabt.
Wir haben
also übers Internet eine Praxis in unserer Nähe herausgesucht die auch auf
Kinder spezialisiert ist und einen Termin vereinbart. Dann sind mein Mann und
ich zum ersten Mal mit Jonathan hingefahren und waren sehr gespannt was uns
erwarten würde!!!
Allein
das Gebäude in dem die Praxis untergebracht ist war schon sehenswert: es
handelt sich um ein Gebäude aus dem späten Mittelalter das auf einem Berg
gelegen ist. Man hatte einen traumhaften Blick über die ganze Stadt und befand
sich zudem mitten im Wald. Okay: die Anfahrt war abenteuerlich…ich glaube so
eine steile Straße bin ich in Deutschland noch nie hoch gefahren und ich machte
mir schon ein bisschen Sorgen wie ich überhaupt herkommen sollte wenn Winter
war? (Sie erinnern sich: bei uns gibt es immer viel Schnee!) Zur Not müsste ich
halt laufen – aber dann vermutlich schon eine Stunde vor dem Termin hier sein,
denn so lange würde ICH mindestens brauchen um DIESEN Berg zu bewältigen!!
Wir
klingelten und wurden von einer sympathischen Dame empfangen die uns bat noch
einen Moment im Wartezimmer Platz zu nehmen.
Was ich
als erstes in dieser Praxis wahrgenommen habe war die Ruhe die dort herrscht.
Und damit meine ich nicht nur Ruhe im wörtlichen Sinn das es keine lauten
Geräusche gab, sondern auch das die Atmosphäre hier einfach Ruhe vermittelt:
die Lichter, die Einrichtung…das alles lädt in dieser Praxis zum „runter kommen und entspannen“ ein.
Auf dem
Tisch im Wartezimmer lag ein Buch: „Osteopathie: sanftes Heilen mit den
Händen“…okay?? Hörte sich toll an! Sanft war schon mal gut: dann würde Jonathan
hoffentlich nicht so arg heulen wie bei der Physiotherapie!
Wir
wurden ins Sprechzimmer geholt und haben uns erst einmal mit unserer
Therapeutin unterhalten: die Krankengeschichte, die Vorgeschichte, die
vermutliche Diagnose MOPD I. Alles wieder von Anfang…aber ok: musste ja sein,
sie musste ja wissen was los war.
Sie bat
uns mit Jonathan ins Behandlungszimmer zu kommen. Eine Liege mit Armlehnen
stand dort und sie war komplett bedeckt mit Handtüchern, teilweise zu Rollen
geformt um Kopf und Arme abzulegen: SEHR gemütlich! Ich hätte in diesem Moment
gern mit Jonathan getauscht! 8o))
Mein Mann
und ich legten Jonathan auf der Liege ab und setzten uns auf die
bereitstehenden Stühle. Unser Baby wirkte total klein und verloren auf dieser
riesigen Liege…aber gut: solche Eindrücke würden wir noch öfter in unserem
Leben mit ihm erfahren!!
Und dann
begann die Behandlung. Für MICH sah es aus als würde die Therapeutin nur ihre
Hände auf meinen Sohn legen. Auf die Beine, die Arme, den Rumpf und auch auf/um
den Kopf. Mehr konnte ich als Laie nicht erkennen. Trotzdem entspannte Jonathan
sich dermaßen das er nach wenigen Minuten eingeschlafen war!! Faszinierend!! Was
für ein Unterschied zur Physiotherapie – ging mir direkt durch den Kopf. Zur
Osteopathie zu kommen würde mir von daher nicht schwer fallen! 8o))
Heute
sind fast 2 Jahre vergangen und wir sind weiterhin dort in Behandlung. Eine
Therapie die ich früher nicht kannte und heute in den höchsten Tönen loben
möchte:
Jonathans
platter Hinterkopf hat sich wunderschön geformt! Die früher sehr eng
aufeinanderliegenden Schädelplatten haben sich gedehnt. Seine
Beinfehlstellungen/X-Beine sind schon deutlich besser geworden, die Therapeutin
arbeitet weiter unermüdlich daran und ich bin überzeugt dass wir noch sehr viel
bessere Ergebnisse erzielen werden.
Mittlerweile
habe ich sogar zwei Freundinnen mit unterschiedlichen gesundheitlichen
Problemen die Osteopathie als solches empfohlen und BEIDE sind mehr als
begeistert und schon nach wenigen Sitzungen ihre Probleme losgeworden!
Was ich
an unserer Therapeutin sehr schätze ist die Tatsache dass sie ehrlich auf die
Gesundheit von Jonathan bedacht ist. Termine haben wir nur circa alle 6 Wochen
weil sie sagt dass es öfter nicht sinnvoll ist. In einer Phase in der Jonathan
bei der Osteopathie sehr viel geweint hat teilte die Therapeutin mir ihre
Überlegung mit die Therapie vielleicht zu unterbrechen da „Jonathan am Ende
übertherapiert ist und eine Pause braucht“.
Mal
ehrlich: welcher Therapeut in der heutigen Zeit, in der jeder nur auf den
eigenen Profit und den eigenen Verdienst zu schielen scheint würde von sich aus
weniger Behandlung oder sogar eine Pause vorschlagen??? Eben! Und genau
deswegen weiß ich dass ich hier an der richtigen Adresse bin! Denn hier steht
mein Sohn und seine Gesundheit im Vordergrund und nicht das Bankkonto!!
Der
1.Weihnachtsmarktbesuch
Jeder der
Kinder hat weiß wie schön die Vorweihnachtszeit sein kann! Man wird selbst
wieder ein bisschen Kind und von dem „Zauber der Weihnacht“ erfasst – naja,
jedenfalls geht es mir so seit Marvin da ist. Weihnachten mit Kind ist für mich
viel schöner als ohne Kind: ich LIEBE Weihnachten!!!
Wir lesen
Weihnachtsbücher…wir basteln…wir backen. Wir dekorieren die ganze Wohnung (es
sieht dann immer ein bisschen so aus wie ich mir Weihnachtsdeko in Amerika
vorstelle!). Da wir das große Glück haben in einer Region in Deutschland zu
leben in der es doch recht regelmäßig schneit machen wir auch Schneeballschlachten
und bauen Schneemänner. Und wir fahren auf Weihnachtsmärkte.
Diese
erste Weihnachtszeit mit Jonathan verbrachte ich noch glücklicher als in den
Jahren zuvor: bei Marvin war der Mythos Weihnachten mittlerweile „enttarnt“, er
glaubte nicht mehr an den Weihnachtsmann. Aber jetzt war Jonathan da und wir
konnten noch mal ganz von vorn beginnen mit all diesem Zauber. Obwohl Marvin
mir (bis heute übrigens!) vorwirft das ich ihn „belogen“ habe was den
Weihnachtsmann betrifft hilft er trotzdem tatkräftig mit diesen Zauber für
Jonathan aufrecht zu erhalten. 8o))
Da
Jonathans Immunsystem ja nicht das Beste ist und die Vorweihnachtszeit auch
gern von Infekten begleitet wird haben wir beschlossen nur auf einen einzigen
Weihnachtsmarkt zu fahren – um den kleinen Mann keinem zu großen Risiko
auszusetzen. Wir haben uns einen doch recht milden Tag ohne Regen und Schnee
ausgesucht und sind losgefahren. Waren total aufgedreht und aufgekratzt! Der
erste Weihnachtsmarkt zu viert! So viele Lichter, Gerüche und Geräusche die wir
Jonathan zeigen konnten.
Er war zu
diesem Zeitpunkt circa 40cm groß, also weitaus kleiner als jedes Baby das man
sonst so auf der Straße sehen kann. Das muss ich der Fairness halber an dieser
Stelle erwähnen! Denn was wir an diesem Tag erlebt haben ist wirklich jenseits
der Schmerzgrenze.
Ich habe
lange überlegt ob ich in meinem Blog überhaupt über so etwas reden soll. Denn
ich räume Menschen dadurch hier einen Platz und eine Wichtigkeit ein die sie in
meinen Augen nicht verdient haben. Dennoch habe ich mich entschieden es zu
erzählen: um wach zu rütteln!! Und jeden der das liest dazu zu bringen über
sein Handeln und seine Aussagen GUT nachzudenken.
Der
Weihnachtsmarkt war sehr gut besucht. Als wir ankamen hat Jonathan in seinem
Kinderwagen geschlafen und wir haben uns zuerst die Stände ein wenig
angeschaut. Doch irgendwann wurde er wach und wir haben ihn auf den Arm
genommen. Ihm die Flasche gegeben. Und dann bin ich mit ihm über den Platz
gelaufen um ihm die Stände und die Lichter zu zeigen.
Was soll
ich sagen? Ich konnte keine DREI METER (ich schwöre!) laufen ohne dass jemand
auf mich zu kam um ihn ANZUFASSEN!!! Meist waren es ältere Damen die ihn
erblickt haben und dann sagten „O, ist der süß!“ und ihn betatschten – am Kopf,
an der Backe, an der Nase. In zwei Stunden in denen er auf meinem Arm war ist
mir das sicherlich ohne zu übertreiben 40 Mal passiert. Und ich frage mich:
WARUM MACHEN DIESE MENSCHEN DAS? WAS WÜRDEN SIE DAZU SAGEN WENN ICH IHNEN
EINFACH INS GESICHT FASSEN WÜRDE?? FÄNDEN SIE BESTIMMT NICHT SCHÖN! ALSO WARUM
TUN SIE MEINEM SOHN DAS DANN AN? Konnten wir nicht einfach unsere Ruhe hier
haben?? Ich war genervt – und Marvin auch. Als dann die gefühlt 100ste Oma kam
die die Hand nach Jonathan ausstreckte sagte Marvin schlagfertig und ziemlich
streng: „Nicht anfassen, der beißt!“ Den Blick der Oma werde ich nie vergessen.
Sorry: aber es war die einzig richtige Reaktion von Marvin! Finger weg von
fremden Babys! Die haben nämlich auch eine Privatsphäre!
Aber es
kam noch schlimmer. Am Glühweinstand. Ein junger Mann kam auf mich zu und sagte
wortwörtlich: „Entschuldigung. Aber wo ist da das Batteriefach? Das ist doch
kein echtes Baby!“ Nein, Sie haben sich nicht verlesen: genau das hat er
gesagt…ohne Worte, oder??? Ich habe es mit einem Becher Glühwein zu viel
entschuldigt. Aber Sie merken auch: ich habe das seit damals nicht vergessen!
Solche Kommentare tun weh. Mein Baby ist kein DING: es hat keine BATTERIEN. Es
ist ein Mensch und ich liebe es!!!
Nach zwei
Stunden hatten wir keine Kraft mehr die Blicke der Leute auszuhalten, das
Betatschen abzuwehren oder die dummen Kommentare wegzustecken: wir legten
Jonathan in seinen Wagen.
Leider
hatten zwei ältere Damen vorher noch einen Blick auf ihn erhascht und kamen zu
uns. Beugten sich über den Wagen und schauten hinein „Ach, ist der süß!“. Eine
dritte ältere Dame die nicht dazu gehörte dachte wohl es gebe etwas umsonst und
kam auch dazu. Nun hingen also drei Frauen mit ihren Köpfen über dem
Kinderwagen und stierten Jonathan an. Der fing an zu weinen. Worauf eine Dame
sagte: „Ach Gott, was hat er denn auf einmal?“…ich konnte es mir nicht
verkneifen zu sagen: „Was würden Sie machen wenn drei Ihnen völlig fremde
Gesichter über Ihnen hingen und sie anstarren würden?“ Daraufhin löste sich die
Kleingruppe ziemlich schnell auf.
An diesem
Tag auf dem Weihnachtsmarkt ist uns bewusst geworden das die Reaktion der
Kellnerin beim Geburtstagsessen meines Mannes keine Ausnahme war: wir stehen
wirklich IMMER im Mittelpunkt und werden angestarrt. Die Schwestern auf der
Frühchenstation hatten uns das prophezeit, aber man kann sich das gar nicht
richtig vorstellen bis man es erlebt.
Um mal
kurz abzuschweifen…eine weitere Geschichte die mich wirklich sehr getroffen
hat.
Ich war
im Supermarkt einkaufen und wurde von einem Mann mittleren Alters angesprochen:
„Och, wie alt ist denn das Kleine?“, und ich sagte frei heraus: „Er ist 7 Monate.
Er ist kleinwüchsig, deswegen ist er so winzig.“ Woraufhin der Mann mich von
oben bis unten musterte und dann sagte: „Na, da werden Sie in der
Schwangerschaft wohl Drogen genommen oder gesoffen haben – sonst wäre SOWAS ja
nicht passiert!“
Noch
heute fehlen mir die Worte und mir stehen Tränen in den Augen wenn ich das
erzähle. Jonathan hat einen Gendefekt, seine Krankheit hat ganz andere
Ursachen. Aber davon mal abgesehen: wie kann man einer Mutter so etwas ins
Gesicht sagen??? Was ist das für ein Miteinander, wo ist der Respekt für den
anderen???
Zugegeben:
SOLCHE Kommentare sind die Ausnahme. Die meisten Leute die uns ansprechen tun
dies weil sie Jonathan süß finden oder ihnen auffällt das er viel kleiner ist
als seine Gesichtszüge vermuten lassen. Die meisten Leute sind wirklich nett
und verständnisvoll. Doch die wenigen die solche dummen Kommentare abgeben –
die bleiben im Gedächtnis, weil sie einem wehtun. Und ich gebe zu das es Tage
gibt an denen ich absichtlich nicht unter Menschen gehe weil ich keine Kraft
habe mich den Blicken auszusetzen oder Angst vor dummen Sprüchen habe. Und
eigentlich…ist das total blöd! Warum sollte ICH mich verstecken?? Ich habe ja
nichts verbrochen!!
Über die
Zeit habe ich festgestellt das Behinderungen in unserer Gesellschaft immer noch
nicht salonfähig sind, so liberal wir auch immer tun! Kommt ein Kind im
Rollstuhl oder ein Kind das anders aussieht: wird geglotzt. Und das nicht immer
unauffällig!! Nein, mitunter drehen sich Menschen in Lokalen auf ihren Stühlen
komplett zu uns um und starren minutenlang. Kein schönes Gefühl!
Wir haben
unsere eigene Art entwickelt mit dem allen umzugehen. Man merkt es ja: ich bin
nicht auf den Mund gefallen. Und vielleicht ist das auch genau gut so in meiner
Situation! 8o)
Stelle ich
fest das jemand unangemessen starrt gehe ich zu ihm und sage ihm das Jonathan
kleinwüchsig ist und deswegen so anders aussieht.
Merke ich
das jemand in meiner Nähe zu tuscheln anfängt gehe ich hin und frage ob er
irgendetwas von mir wissen möchte?? Denn er könne mich das auch einfach so
fragen und müsse das nicht hinter vorgehaltener Hand tun!
Tatscht
jemand Jonathan an…tatsche ich die Person genau an derselben Stelle an! Okay:
das kostet beim ersten Mal ein wenig Überwindung! Aber die Blicke sind
unbezahlbar und ich amüsiere mich jedes Mal aufs Neue darüber!! Ehrlich: wenn
jemand mein Kind anfasst muss er damit leben das er das Gleiche erfährt, oder
nicht???
Für uns
ist das der richtige Weg damit umzugehen. Man merkt den Leuten an das sie über
ihr eigenes Verhalten peinlich berührt sind wenn man sie anspricht. Und
vielleicht…aber nur vielleicht!...ändert das ja ihr Verhalten beim nächsten Mal
wenn ein behindertes Kind ihren Weg kreuzt.
Zurück
zur Weihnachtszeit. 8o)
Eigentlich
hatten wir beschlossen nur EINEN Weihnachtsmarkt zu besuchen weil wir Jonathan
keinem gesundheitlichen Risiko aussetzen wollten. Aber nach der Erfahrung die
wir gemacht hatten reichte uns ein Besuch auch erstmal VOLLKOMMEN aus!!!
Aber wie
war der Spruch doch gleich? DAS LEBEN IST KEIN PONYHOF, und deswegen versuchten
wir das zu vergessen und die Zeit bis Weihnachten trotzdem zu genießen.
Weil
Jonathan in seinem zarten Alter noch nicht so viel mitbekam legten wir
Orangenscheiben auf die Heizung die den Raum mit Duft erfüllten: riechen konnte
er ja schließlich! Wir hängten glitzernde Lamettaketten auf und zeigten sie ihm
immer wieder oder gaben sie ihm auch in die Hand damit er damit spielen konnte.
Eine Lichterkette mit Weihnachtsmännern war sein Highlite: ich glaube ich hätte
zwei Stunden mit ihm auf dem Arm davor stehen können und er hätte immer noch
nicht genug gehabt.
Nikolaus
Und
natürlich gehört zur Vorweihnachtszeit auch ein Besuch des „richtigen“
Nikolaus.
Wir leben
in einem großen deutschen Bistum und haben einen „Nikolausservice“. Dort kann
man anrufen und für seinen Wunschtermin (bei uns ist es immer der 5.Dezember,
denn wir sind Protestanten und feiern traditionsgemäß Nikolaus am Vorabend des
6.Dezember) einen Nikolaus bestellen. Die Geschenke und ein Zettel mit den
positiven –und auch ein oder zwei negativen! 8o)- Eigenschaften der Kinder
hinterlegt man an der Haustür.
Von klein
auf hatte Marvin immer einen Nikolaus. Mittlerweile weiß er natürlich das der
Mann der im wundervollen (und echten!) Ornat der Kirche vor ihm steht nur ein
„Schauspieler“ ist – trotzdem besteht er jedes Jahr wieder darauf dass ich dort
anrufe und den Nikolaus bestelle. Es ist eine Tradition bei uns geworden die er
nicht mehr missen möchte.
In diesem
ersten Jahr mit Jonathan hatte Marvin eine perfekte Ausrede: „Mama, wir müssen
da anrufen weil JONATHAN unbedingt den Nikolaus sehen soll!“… 8o))) Wofür
kleine Brüder doch immer herhalten müssen!!
Aber: ich
habe sehr gern dort angerufen und einen Termin vereinbart.
Und dann
kam der Nachmittag des 5.Dezember, wir hatten extra einen nicht so späten
Termin genommen damit Jonathan auch noch wach sein würde, und es klingelte. Herein
kam ein Nikolaus der selbst mich sprachlos machte: ER WAR RIESIG!!! Er musste
sich bücken um überhaupt durch die Tür zu passen! Da hatten wir aber mit
Sicherheit den größten Nikolaus erwischt den das Bistum zu bieten hatte….
Ein
wundervolles Gewand hatte er an: es war rot und mit viel Glitzer und Litzen
bestickt. Einen Bischofsstab und einen Knecht Ruprecht hatte er auch dabei
und…sein goldenes Buch aus dem er vorlas. Jonathan saß auf dem Schoß meines
Mannes und starrte den Nikolaus mit offenem Mund an: ich glaube den Bart fand
er besonders faszinierend, trägt doch niemand aus unserer Familie sonst einen
Bart! Natürlich gab es über unsere Kinder nicht wirklich etwas Negatives zu
sagen…8o))…und seinen Schock über unser Mini-Baby hat der Nikolaus auch gut
unter Kontrolle gehabt. So lief dieser Besuch sehr harmonisch und zur Freude
aller ab.
Das erste
Fotoshooting
Vor
ungefähr 20 Jahren wollte ich ein paar „richtige“ Fotos von mir verschenken und
bin mehr durch Zufall auf ein ortsansässiges Fotostudio gestoßen. Ich habe
einen Termin vereinbart und bin völlig unvoreingenommen dort erschienen. Was
ich zuerst bemerkte war die „Promi-Wand“: hier hingen Fotos von prominenten
Personen des öffentlichen Lebens, nicht wenige und nicht die unbedeutendsten.
Als ich auf die Wand zeigte erklärte mir die Fotografin dass sie alle diese
Menschen in ihrem Studio fotografiert habe, viele von ihnen kämen regelmäßig.
Bei einigen erstelle sie Pressemappen, bei anderen Buchumschläge. Ich war schon
mal beeindruckt!
Das
Shooting damals dauerte vielleicht 1,5 Stunden. Was ich sofort bemerkte: die
Fotografin ging wirklich TOTAL in ihrem Beruf auf! Hatte sie einmal die Kamera
in der Hand sprühte sie vor Ideen…“Jetzt könnten wir das mal so machen“ oder: „..und
dann könnten wir noch mit diesem Hintergrund…“…und: „ach, Moment: dieser Winkel
wäre doch auch super!“…sie fand gar kein Ende. 8o))
Die Fotos
die mir dann circa zwei Wochen später vorgelegt wurden waren WELTKLASSE!!!
Profifotografien…so etwas hatte ich nicht erwartet: ich war wirklich
begeistert!!
Warum
erzähle ich das???
Weil ich
mich in der Schwangerschaft mit Marvin entschieden habe zu dieser Fotografin zu
gehen und „Bauch-Bilder“ machen zu lassen. Auch diese Fotos haben meine
Vorstellungen wieder übertroffen! Und deswegen habe ich mit ihr eine
Vereinbarung getroffen: ich würde alle 6 Monate zu ihr kommen und Marvin
fotografieren lassen. Sie sollte seinen Weg fotografisch festhalten, als
Erinnerung für mich.
(Und da
ein Termin im Sommer und einer vor Weihnachten stattfindet habe ich auch immer gleich
ein wunderschönes Geschenk für die Großeltern!! 8o) …)
Jetzt war
Jonathan zu Hause und natürlich: sollte sie auch ihn begleiten.
Über die
Jahre war zwischen uns eine sehr enge Freundschaft entstanden. Sie hatte mich
begleitet als Marvins Papa gestorben war. Ich hatte ihre Krebserkrankung
„miterlebt“. Sie war meine Hochzeitsfotografin gewesen. Ich hatte ihr zu ihrer
ersten Buchveröffentlichung gratuliert. Meine schwierige Schwangerschaft war
Thema zwischen uns gewesen. Und nun vereinbarte ich einen Termin zum Shooting
für meine BEIDEN Jungs. Ich hatte ihr schon erklärt was das Besondere an Jonathan
war und sie gebeten unseren Termin abzusagen falls sie krank sein sollte. Ein
schwaches Immunsystem und die damit verbundenen Risiken waren ihr durch ihre
Krebserkrankung nicht fremd. Tatsächlich mussten wir den ersten geplanten
Termin verschieben weil sie einen Schnupfen hatte. Doch dann kam der große Tag!
Wie immer
reiste ich mit „großem“ Gepäck im Fotostudio an: ein Korb mit Utensilien –
Wechselklamotten (damit die Kinder nicht auf jedem Bild dasselbe anhaben),
Spielzeug und/oder „Dekoartikel“. Unsere Ideen sind uns über die Jahre nicht
ausgegangen, im Gegenteil: ich glaube ich könnte auch viermal im Jahr kommen
und wir würden Motive finden! 8o)
Und dann
ging´s los. Ich muss auch nach so langer Zeit immer noch grinsen wenn meine
Fotografin den Fotoapparat in die Hand nimmt – dann ist sie nämlich wie im
Rausch. Sie hat einen „Flow“ sage ich dann immer. Hat tausend Ideen und hört
gar nicht mehr auf zu knipsen! 8o))
Eigentlich
wollte ich nur zwei oder drei Bilder von Jonathan: wusste ich doch nicht wie er
das Shooting so mitmachen würde! Still halten, in die Kamera blicken und am
besten noch lächeln…ein bisschen viel verlangt für einen so kleinen Wurm,
oder??
Aber er
machte SUPER mit! Wie ein kleines Fotomodell – ein sehr kleines, zugegebenermaßen.
8o))
Es war
eigentlich gar nicht angedacht, aber unsere Fotografin wollte dann unbedingt
noch Familienaufnahmen. Jonathan mit seinen Eltern, Jonathan mit seinem Bruder
und wir alle zusammen. (Ich sage ja: wenn bei ihr der Flow einsetzt ist alles
zu spät!) Zuerst wollte ich mich ja drücken: ich war nicht geschminkt und hatte
einen „Bad-Hair-Day“, aber dann dachte ich mir „was soll´s!“ Und die Aufnahmen
sind auch trotzdem (wieder mal!) traumhaft geworden!
Einige
der Fotos von diesem Shooting können ab sofort in der Rubrik FOTOS bewundert
werden. 8o)))
Neuer
Christbaumschmuck
Mitte
Dezember hat mein Mann beschlossen dass es Zeit für neuen Christbaumschmuck
sei! Schließlich müssten wir Jonathan ja DEN Weihnachtsbaum schlechthin
präsentieren zu seinem ersten Weihnachtsfest. Also haben wir uns am Wochenende
alle wieder ins Auto gesetzt und sind in die nächstgrößere Stadt gefahren: da
gab es ein riesiges Gartencenter das in der Weihnachtszeit eine
Weihnachtsbaumausstellung mit Dekobeispielen hatte. Ein Traum für Jonathan! Ich
glaube es waren sechs leuchtende, SEHR üppig dekorierte Bäume die sich
gegenüberstanden und um die Wette gefunkelt haben. Der kleine Mann wusste gar
nicht wohin er zuerst schauen sollte. 8o))
Die
Entscheidung für eine Deko fiel uns nicht leicht. Aber wir haben uns dann für
eine rote Deko entschieden mit verschieden großen und verschieden farbigen
Kugeln. Plus Lametta. Und Lichterketten. Eiszapfen. Lamettaketten. Holzfiguren.
Und was weiß ich noch alles.
Der Baum
war am Ende stolze 2,20m hoch und von oben bis unten geschmückt. 8o)
Bestätigung
der vermuteten Diagnose
Etwa 10
Tage vor Weihnachten rief unsere betreuende Kinderklinik bei uns an um einen
Termin zu vereinbaren: das Ergebnis der Genanalyse lag vor und unsere
Humangenetikerin wollte es mit uns besprechen.
(So ganz
tief in mir wusste ich schon das Jonathan MOPD Typ 1 hatte, auch wenn es bis
zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bestätigt war. Aber ich brauchte mir doch nur
die wenigen Texte und Fotos im Internet durchzulesen und anzuschauen: es passte
alles auf meinen Sohn.)
Die
Kinderklinik fragte ob es uns möglich sei noch vor Weihnachten vorbeizukommen.
Na klar! Wir wollten es ja auch endlich bestätigt bekommen…
Also sind
wir nur wenige Tage vor Weihnachten mit Jonathan in die Klinik gefahren und
wurden von unserer Humangenetikerin empfangen. Sie nahm uns mit in ihr Büro und
sagte das sie uns gar nicht länger auf die Folter spannen wollte: die
Genanalyse hatte bestätigt das Jonathan unter MOPD Typ 1 leide. Das war jetzt
nicht wirklich eine Überraschung für uns und auch kein Schock: es war das was
wir erwartet hatten. Eigentlich war es zu diesem Zeitpunkt für uns auch nicht mehr
so wichtig es schwarz auf weiß zu sehen: wir hatten uns sowieso schon damit
abgefunden und arrangiert. Das äußerten wir auch beide so.
Die
Humangenetikerin sagte uns das sie selbst es ja nicht für möglich gehalten habe
in nur 2 Jahren ZWEI Kinder mit diesem extrem seltenen Gendefekt zu betreuen –
aber so sei es nun mal. Und zuerst habe sie auch überlegt ob sie uns das
Resultat der Untersuchung noch vor Weihnachten präsentieren sollte – doch so
wie sie uns kennengelernt habe hätte sie schon gewusst dass uns das nicht in
eine Sinnkrise stürzen würde!
Und das
stimmte auch. Für uns war es ok es nun definitiv zu wissen, aber eigentlich
hatten wir nie daran gezweifelt.
Weil ich
schon in der Vergangenheit den Wunsch geäußert hatte mehr über diese Krankheit
und die anderen (leider nur circa 30) Fälle wissen zu wollen bekam ich nun
einen Packen Papier in die Hand: Ausdrucke aus medizinischen Fachzeitschriften
und aus dem Internet. Fallbeispiele von circa 20 MOPD-Kindern: jeweils eine
Beschreibung ihres Phenotyps (also der äußeren Erscheinung), die Ergebnisse der
inneren Untersuchung von Knochen und Organen, eine Auflistung von Größe und
Gewicht in verschiedenen Altersstufen, eine Auflistung dessen was sie kognitiv
und körperlich konnten oder eben nicht – und der Grund ihres Todes sowie das
Alter zum Zeitpunkt des Todes.
Alle
Studien waren auf Englisch, was mir zum Glück keine großen Schwierigkeiten
bereitet. Ich bin alles in einer ruhigen Minute zu Hause durchgegangen und es
war niederschmetternd was ich dort gelesen habe. Keines dieser Kinder,
KEINES!!, ist älter als 5 Jahre geworden. Alle sind an Fieber,
Magen-Darm-Infekten oder Schnupfen gestorben.
Körperlich
und geistig waren diese Kinder so schlecht entwickelt das ihre Eltern zu
erkennen und den Kopf allein halten zu können schon das Beste war was man dort
zu lesen bekam.
Ich
musste schlucken. Wow!! Das waren keine schönen Aussichten…aber dann blickte
ich in Jonathans Augen: und die blickten mich wach und neugierig an. Außerdem
konnte er schon so viel mehr als die Ärzte vorausgesagt hatten. Und da habe ich
beschlossen dass ich mich von diesen Prognosen nicht verrückt machen lassen
würde! Vielleicht musste man einfach nur ein wenig Vertrauen und Hoffnung
entwickeln…
Heiligabend
Und dann
kam der große Abend, Heiligabend. Selbst ich hatte rote Backen und strahlte mit
der Lichterkette um die Wette.
Es gab
ein frühes Abendessen damit Jonathan während der Bescherung nicht schon müde
wurde. (Ich glaube Marvin war es nicht ganz unrecht dass die Bescherung in
diesem Jahr schon etwas früher stattfand als sonst immer.)
Wie jedes
Jahr wurde nach dem Abendessen ein Weihnachtslied gesungen und dieses Mal haben
Marvin und ich sogar Flöte zusammen gespielt: Jonathan hat allerdings wegen der
quietschenden Geräusche mehr als befremdet aus der Wäsche geschaut. …oder war
es wegen dem Gesang meines Mannes??? 8o)))
Danach
war die Zeit gekommen die Geschenke auszupacken. Marvin hat endlich den lang
ersehnten Nintendo bekommen! Gewünscht
hatte er ihn sich allerdings nicht weil er weiß das ich gegen jegliche Art von
Spielekonsolen bin – aber ich wusste natürlich auch das es sein Herzenswunsch
war und bin in diesem Jahr über meinen Schatten gesprungen. Marvin hatte
wirklich genug ausgehalten (und würde auch noch in Zukunft viel aushalten
müssen), da konnte man auch mal ein Auge zudrücken!!
Jonathan
hat ein Xylophon bekommen. Und zwar das Xylophon das ich bei Gerrit gesehen
hatte und mit dessen Klängen er mich zu Tränen gerührt hatte. Natürlich konnte
Jonathan noch nicht darauf spielen, aber so hatte ich wieder ein Ziel mit ihm!
(Heute…spielt
er darauf!! Mit viel Leidenschaft und großer Kraft…und einem Strahlen im
Gesicht! Musik verzaubert ihn…er kann ja nicht wirklich viele Dinge, schon gar
nicht solche die seine Altersgenossen können, aber Musik machen kann er! Und
wenn er in der Lage ist ein Instrument in die Hand zu nehmen und Töne damit zu
erschaffen, dann strahlt er so sehr das mir ganz oft die Tränen in den Augen
stehen. Deswegen sind wir auch immer auf der Suche nach neuen Instrumenten die
für seine kleinen Hände geeignet sind.)
Der
ganze Abend war sehr aufregend für den kleinen Mann und so ist er relativ früh
eingeschlafen. Wir konnten uns dann ungestört Marvin widmen – alles in allem:
war es ein traumhaftes Weihnachtsfest für uns!!! Wir waren komplett…
Silvester
Natürlich
konnte Jonathan nicht bis Mitternacht aufbleiben um das Feuerwerk zu sehen,
aber wir haben eine kleine Silvesterparty für ihn veranstaltet:
Nach
dem unumgänglichen „Dinner for one“ (bei dem Jonathan übrigens an der Stelle
als der Butler aus dem Stand über den Tigerkopf hüpft gelacht hat – ich
SCHWÖRE!) hatten wir verschiedenes selbst gemachtes Fingerfood. Und bunte
Partyhütchen, auch Jonathan hatte eins auf. Außerdem Tröten, Luftschlangen und
Konfetti und wieder mal: die Wohnung dekoriert. Girlanden hingen quer durch die
Küche, Glücksklee und kleine Schornsteinfeger sowie Schweinchen zierten den
Tisch. Nach dem Essen haben mein Mann und Marvin auf dem Balkon Wunderkerzen
angezündet: ein „Feuerwerk“ für Jonathan!
Das
volle Programm eben, für unsere Kinder. Alles soll unvergessen sein und
ausgelebt werden als gebe es kein Morgen. So soll das Leben doch sein: jeden
Tag genießen als wäre es der letzte. Das ist etwas was Jonathan uns gelehrt
hat.
Gute
Vorsätze für das kommende Jahr?? Natürlich! Genießen das Jonathan bei uns ist
und wir dem Krankenhaus endlich den Rücken gekehrt haben!!
Es
ist schon gut dass man nicht in die Zukunft blicken kann…sonst hätten wir
diesen Abend vermutlich nicht so freudestrahlend und optimistisch verbracht….
Frühförderung
Anfang
des Jahres haben wir uns an unsere zuständige „Lebenshilfe“-Stelle gewandt: wir
hatten erfahren das wir wegen Jonathans Gendefekt/Behinderung Anrecht auf
„Frühförderung“ hatten.
Am
Telefon hatte ich erklärt das wir nicht in die Frühförderstelle kommen könnten
sondern die Stunden bei uns zu Hause in Anspruch nehmen müssten, Jonathans
Immunsystem ließe es nicht zu das wir mit anderen Kindern in einem
Gruppentermin seien. Mir wurde mitgeteilt dass das überhaupt kein Problem
darstelle, was mich sehr erleichterte. Hatte ich doch die Befürchtung gehabt
das keine „Hausbesuche“ möglich seien und wir diese Fördermaßnahme eventuell
gar nicht in Anspruch nehmen könnten.
Zum
ersten Kennenlernen kam die Leiterin der Frühförderstelle zu uns nach Hause.
Sie erklärte uns was Frühförderung überhaupt bedeutet: abgestimmt auf die
individuellen Bedürfnisse des Kindes und unter Einsatz von verschiedenen
Materialien oder Musikinstrumenten werden genau die Punkte unterstützt und
gefördert an denen die Probleme des Kindes liegen. Also bei uns würde die
Motorik als erstes im Vordergrund stehen da Jonathan sich auch mit 10 Monaten
noch immer nicht allein drehen konnte.
Und
dann wurde ein Termin vereinbart für einen ersten Frühfördertermin.
Ich
hatte schon Bedenken. Man hatte uns erklärt das die Frühforderung bis zur
Schulzeit durchgeführt werden kann und das man uns eine Dame zuteile die uns
dann über die ganzen Jahre betreuen würde. Was ja Sinn macht weil man dann
„zusammen wächst“ und ein Vertrauensverhältnis aufbaut. Aber was würde
passieren wenn diese Frau mir unsympathisch wäre? Oder ich ihr? Wenn bei uns
die Chemie einfach nicht stimmen würde? Wie sollte in so einem Falle eine
optimale Förderung meines Kindes stattfinden können??
Ich
war ein wenig nervös als der erste Termin nahte. Und dann klingelte es. Als ich
öffnete lächelte mich eine junge Frau freundlich an und stellte sich mir gut
gelaunt vor. Der erste Eindruck war positiv und ich atmete auf.
Ganz
toll fand ich das sie dann sofort nach dem Badezimmer fragte um sich vor dem
Kontakt mit Jonathan die Hände zu waschen – das machen die wenigsten Menschen
unaufgefordert obwohl wir immer wieder auf sein schlechtes Immunsystem
hinweisen.
Sie
hatte die Unterlagen der Leiterin der Frühförderstelle bekommen aus denen
hervorging wie klein Jonathan war, aber ich habe sie trotzdem noch einmal
vorgewarnt bevor ich sie mit ins Wohnzimmer genommen habe wo der kleine Mann
auf dem Boden lag. Wenn sie sich erschrocken hat über die geringe Körpergröße -
dann hat sie es sich zumindest nicht anmerken lassen! 8o))
Wir
haben erst ein wenig geredet, uns beschnuppert. Sie hat mir Fragen gestellt
über Jonathan, über das was er kann. Und Fragen über das was ich von ihr
erwarte, über die Punkte die gefördert werden sollen. Ich habe dann erfahren
dass wir auch mehrmals im Jahr gemeinsam einen „Frühförderplan“ machen indem
wir alles festhalten was wir vereinbaren: was also gemacht wird, mit welchen
Materialien, auf welches Ziel wir hinarbeiten usw.
Seit
damals findet einmal in der Woche, zu einem festen Termin, eine Zeitstunde
Frühförderung bei uns zu Hause statt. Immer hat sie einen großen Korb voller
Spielsachen und Materialien dabei den sie jede Woche morgens neu für uns
zusammenstellt. Und mittlerweile weiß Jonathan auch: wenn der Korb auf den
Boden gestellt wird darf er gleich „spielen“. Dann freut er sich und klatscht!
8o)
Auch
unsere „Frühförder-Frau“ erkennt er wenn sie die Wohnung betritt und er ist
jede Woche aufs Neue aus dem Häuschen sie zu sehen.
Ganz
viele Spielsachen oder Musikinstrumente die wir im Rahmen der Frühförderung
gesehen haben….haben wir mittlerweile selber gekauft. Weil sie Jonathan
extremen Spaß gemacht haben und/oder perfekt für seine sehr kleinen Hände
geeignet waren.
Am
liebsten bringt die Dame von der Frühförderung allerdings…Materialien mit die
SCHWEINEREI machen…8o))) Sie liebt Fingerfarben und Rasierschaum. Und matscht
mit Jonathan damit. Am Esstisch. Ausgiebig. Und freut sich dabei dass sie bei
MIR zu Hause ist und ICH putzen muss! 8o))) Aber: sie kündigt das immer eine
Woche vorher an und so kann ich den Tisch mit einer abwaschbaren Tischdecke
bedecken und Jonathan alte Kleidung anziehen bei der Flecken nichts ausmachen.
Und: nach anfänglichem Zögern mag Jonathan Fingerfarben und Rasierschaum sehr
gerne!!! Er ist mit Freude und großem Enthusiasmus dabei. Dass er allerdings
mit den Fingerfarben auch ein Bild malen könnte – versteht er nicht. Matschen
und in den Händen knatschen ist besser!
(Er durfte mittlerweile auch ein Osterei mit Fingerfarben bemalen!)
Auch
beliebt bei ihr sind Kirschkerne, Erbsen oder Linsen: die befinden sich zu
Anfang der Stunde in einer kleinen Kiste. Doch wenn Jonathan dann mit den
nackten Füßen in der Kiste war, oder sogar darin gesessen hat…befinden sich die
kleinen Dinger ÜBERALL!!!! In der Windel…zwischen den Zehen…in der
Kleidung..und auch überall im Wohnzimmer…8o)) Aber auch diese Erfahrung: macht
Jonathan so viel Spaß und deswegen ist es mir egal das ich später staubsaugen
muss.
Die
wohl schönste Erfahrung für Jonathan im Rahmen der Frühförderung ist jedoch
sicherlich…(alle die uns bei Facebook „verfolgen“ haben schon Fotos davon
gesehen!) ..schwimmen!!
Aufgrund
seines schlechten Immunsystems und seiner EXTREM trockenen Haut darf Jonathan
nur sehr bedingt ins Schwimmbad. Zum einen ist das Chlor nicht förderlich für
das Hautbild, zum anderen sind im warmen Schwimmbadklima und in der
Umkleide/Dusche auch sehr viele Keime unterwegs. Deswegen: schwimmen nur selten
und dann auch nur allein, ohne andere Badegäste.
Für
mich war schwimmen gehen deswegen lange Zeit ein unerfüllbarer Traum: wo findet
man schon ein Bad ohne andere Gäste??? Eben…aber wir haben nun Frühförderung,
da eröffnen sich ganz neue und ungeahnte Möglichkeiten! Verfügt unsere
Frühförderstelle doch über ein eigenes Schwimmbad! Na gut: ein eigenes
Therapiebecken. Aber für Jonathan ist es so groß wie für andere Leute ein
Schwimmbad. Und hier macht man es uns möglich ein paar Mal im Jahr schwimmen zu
können – allein. Dann sind nur wir und unsere Frühförder-Dame im Bad.
Bislang
ist Jonathan nach dem schwimmen nie krank geworden. Und er hat einen
wahnsinnigen Spaß! Wasser: ein Element das er lange Zeit nicht in der Form
kannte und das ihn jetzt umso mehr fasziniert.
DAS
IST NUN DIE PASSENDE STELLE UM DANKE ZU SAGEN: SIE MACHEN SICH IMMER UNGLAUBLICH
VIEL ARBEIT FÜR UNS, GRADE MIT DEM SCHWIMMEN! ABER WENN ICH IN JONATHANS
GESICHT SEHE WÄHREND WIR PLANSCHEN DANN WEISS ICH DAS ES DIE MÜHE WERT IST: SIE
MACHEN IHN GLÜCKLICH. VIELEN DANK DAFÜR…AN SIE UND ALLE ANDEREN DIE AN DIESER
ERFAHRUNG BETEILIGT SIND.
Die
Taufe
Als ich
14 war ist meine Mutter gestorben. Viele wenden sich in solch einer Situation von
Gott ab…doch ich habe erst durch diesen Schicksalsschlag zur Kirche und zum
Glauben gefunden. Ich bin gläubig - so gläubig das ich sogar mal Pfarrerin
werden wollte. Deswegen stand von Anfang an fest das Jonathan getauft werden
würde. Ich brauche das Wissen „das Gott seine Hand über mein Kind hält“.
Mein Mann
und ich gehören verschiedenen Glaubensrichtungen an (er ist katholisch und ich
evangelisch), doch da mein Mann weiß WIE wichtig Religion und Glaube für mich
sind: durfte ich über die Taufe entscheiden. Also sollte Jonathan evangelisch
getauft werden.
Normalerweise
hätte ich bevorzugt das Jonathan in den ersten drei Lebensmonaten getauft wird
– doch da er in dieser Zeit im Krankenhaus war und eine „schöne“ Feier hier
nicht möglich gewesen wäre..habe ich schweren Herzens mit der Planung
abgewartet.
Jonathan
wurde im September aus der Klinik entlassen und bis wir dann in den Alltag
gefunden hatten…kam schon Weihnachten und Silvester…das alles war nicht der
richtige Zeitpunkt für eine Taufe – die mir so viel bedeutete! Jetzt war das
neue Jahr auch schon einige Wochen alt und ich begann zu überlegen wann der
geeignete Termin sein könnte…
Und auf
einmal kam mir ein Gedanke…der mich nicht mehr los ließ! Ich wusste GENAU SO
sollte es gemacht werden, GENAU DAS passte zu Jonathan und uns!!
Die
Osternacht!!
In der
evangelischen Kirche ist Ostern der höchste und wichtigste Feiertag. Das Fest
der Auferstehung Jesu…ein Fest das Christen Hoffnung schenkt, beginnt doch in
diesem Moment etwas neues, etwas Besonderes: das Leben nach dem Tod - der nicht
das Ende, sondern ein Anfang ist.
Könnte es
einen schöneren Moment als diesen geben um Jonathan in den Schoß der Kirche zu
übergeben??? Jonathan würde nicht so lange leben, war es nicht ein starkes
Symbol ihn in dieser Nacht Gott anzuvertrauen wo wir das ewige Leben feierten
und den Neuanfang den der Tod brachte???
Für mich
war das DER EINE Moment den ich wollte.
Also habe
ich mit unserem Pfarrer telefoniert und einen Termin für ein Gespräch
vereinbart. In unserer Gemeinde wird die Osternacht tatsächlich NACHTS
gefeiert: in einem Gottesdienst der in den frühen Morgenstunden beginnt. Ich
war nicht ganz sicher ob in diesem Gottesdienst auch Taufen durchgeführt
werden…
Doch in
einem persönlichen Gespräch beruhigte mich der Pfarrer: er würde Jonathan in
der Osternacht taufen, auch wenn er noch nie ein so kleines Baby mitten in der
Nacht getauft habe – es hatte ihn noch niemand darum gebeten, weil den Eltern
das frühe Aufstehen mit einem Säugling vermutlich zu anstrengend sei. Das
machte uns aber überhaupt keine Sorgen!! Jonathan war schon von jeher eine
kleine Nachteule, die Schwestern der Frühchenstation können davon ein Lied
singen! 8o))
Jetzt
musste ich nur noch Patentante und Patenonkel klarmachen dass sie zu
nachtschlafender Zeit in der Kirche sitzen sollten…doch zum Glück waren die
beiden überhaupt nicht geschockt, fanden die Idee im Gegenteil sehr schön!!
Und es
war ein WUNDERSCHÖNER Gottesdienst!! Unsere Kirche ist aus dem Jahr 1791: sie
ist innen vorwiegend aus Holz und von der Grundfläche her klein, dafür aber
über 3 Etagen gebaut. Während des gesamten Gottesdienstes brannte in der Kirche
kein Licht, nur hunderte von Kerzen. Als die Taufe begann kamen von der
obersten Empore Pfarrer und Gemeindemitglieder langsam herunter – und zwar
singend und mit brennenden Kerzen in den Händen. Jeder Kirchenbesucher hatte
eine kleine Kerze im Glas erhalten die nun auch entzündet wurden, um das neue
Gemeindemitglied mit Licht zu begrüßen – quasi um „das Licht für es leuchten zu
lassen“. Grade für mich war das ein so bewegender Moment!! Gänsehaut und Tränen
in den Augen. Wir standen mit den Paten und dem Pfarrer am Taufbecken und
blickten in die Kirche die von hunderten Lichtern erleuchtet wurde. Unfassbar
schön!
In diesem
Moment war ich froh dass ich so lange gewartet hatte Jonathan taufen zu lassen…
Jede
Menge Klinikaufenthalte
Der erste
Krampfanfall
Es war
2016 und nicht mehr lange bis zu Jonathans erstem Geburtstag. Wir freuten uns
alle riesig darauf!! War es für uns doch nicht nur ein „normaler“ Geburtstag,
sondern auch ein gefühlter Neubeginn: zum einen waren wir grade in mein
Elternhaus eingezogen (meinen Eltern war es mittlerweile -wo meine beiden
Geschwister und ich aus dem Haus waren- zu groß, sie hatten es uns übergeben
und sich eine Mietwohnung genommen), zum anderen würden wir an diesem Tag das
erste Lebensjahr das so unschön und psychisch belastend gewesen war hinter uns
lassen und könnten uns dann voll und ganz auf das konzentrieren was vor uns
lag. Durchatmen und ein Stück weit vergessen. Grade ich fieberte diesem Tag so
sehr entgegen: ab dann würde ich alles mit Jonathan zu Hause erleben, alle
Daten die vorher mit Erinnerungen an Untersuchungen oder Gespräche belastet
waren würden eine neue und schönere Erinnerung bekommen.
Wir
wollten einen Ausflug an Jonathans Geburtstag machen: es war ein Samstag und so
hatten mein Mann und Marvin auch frei. Ein nahegelegener Zoo sollte es werden.
Da gab es Elefanten und Giraffen und ich war gespannt wie deren Größe auf
Jonathan wirken würde…
Allerdings
hatte Jonathan jetzt die 3kg-Marke erreicht und wir vereinbarten ein Gespräch
mit den Chirurgen unserer Klinik um einen Termin festzulegen für die Operation
am Leistenbruch.
Leicht
gefallen ist mir das nicht. Ich hatte Angst…wahnsinnige Angst die mir den Hals
zuschnürte. Keiner wusste wie Jonathan auf eine Narkose reagieren würde. Er
HATTE Hirnfehlbildungen und litt unter Elektrolytverlust: was wäre wenn er
nicht mehr aufwachen würde??? Am liebsten hätte ich ihn gar nicht operieren
lassen und dauerhaft den Leistenbruch reponiert…aber das war natürlich keine
Option!!
Also sind
wir in die Klinik gefahren um die Vorbesprechung zu machen. Wir hatten einen
Termin mit dem Chirurgen vereinbart den ich fälschlicherweise für einen
Studenten gehalten hatte, er war uns nämlich total sympathisch und schien
fachlich sehr kompetent. Diesen Arzt wollte ich unbedingt als Operateur für
Jonathan haben, denn ich hatte Vertrauen zu ihm.
Wir kamen
in der Klinik an (ich MEGA aufgeregt und mein Mann wie immer die Ruhe selbst)
und wurden direkt in eine Behandlungszimmer gebracht damit wir nicht mit
Jonathan im Wartezimmer sitzen mussten. Nach einiger Wartezeit ging die Tür auf
und ein uns unbekannter Arzt betrat den Raum. Er hat sich uns vorgestellt und
gesagt dass er sich Jonathan mal ansehen würde. Ich muss zugeben dass ich etwas
irritiert war: wir hatten eigentlich einen anderen Arzt erwartet…dazu kam das
der erste Eindruck nicht so ganz perfekt war: mein Mann und ich haben den Arzt
als etwas kurz angebunden und auch kühl/distanziert empfunden.
Er hat
Jonathan untersucht und festgestellt das der kleine Mann auch noch einen
einseitigen Hodenhochstand hat der ebenfalls bei der Operation beseitigt werden
sollte. Das bedeutete natürlich einen größeren Eingriff und eine längere
OP-Zeit. Jetzt hatte ich erst Recht Angst. Und habe gefragt wie dringend es sei
den Hodenhochstand zu operieren? Was hatte es für Konsequenzen wenn man es
nicht machen ließe?? Aber der Arzt hat mich darüber aufgeklärt das bei Jonathan
ein Hoden gar nicht mehr tastbar sei, das heißt er liege in der Bauchhöhle. Und
wenn man das wiederum zu lange unbehandelt lässt steigt das Risiko von
Hodenkrebs. Also hatte ich wohl keine Wahl: auch der Hodenhochstand musste direkt
korrigiert werden.
Wir haben
einen Termin für Ende Mai vereinbart, nach seinem Geburtstag - und unserer
kirchlichen Hochzeit. Denn das beides ordentlich zu feiern wollte ich mir nicht
nehmen lassen!
Aber es
kam alles anders…
Eineinhalb
Wochen vor Jonathans erstem Geburtstag stand eine große Impfung an: MMRV, also Mumps/Masern/Röteln/Varizellen
(Varizellen = Windpocken). Es war nicht seine erste Impfung und so rechnete ich
mit Fieber für ein oder zwei Tage. Als ich mich auf den Weg zum Kinderarzt
machte hatte ich schon den Medikamentenschrank kontrolliert: waren noch
fiebersenkende Mittel da?? Und waren sie noch haltbar und voll?
Schon am
Abend des Impftages hat Jonathan hohes Fieber bekommen und war schlapp und
erschöpft. Aber wir waren ja darauf eingestellt und haben ihm gleich
Medikamente gegeben. Ich weiß nicht mehr ob es am nächsten oder übernächsten
Morgen war…aber er hat an Brust und Rücken Ausschlag bekommen…
Sofort
habe ich beim Kinderarzt angerufen und bin zu ihm gefahren. Er schaute Jonathan
an und fragte wie hoch das Fieber sei und ob es sinke wenn ich Medikamente
geben würde – das tat es nur unwesentlich… Jonathan hatte eine Impfreaktion:
bei 2 von 100 Kindern treten nach dieser Impfung Fieber und Ausschlag auf…also weiter
Medikamente geben, schauen das er ordentlich trinkt und ausreichend schläft und
dann einfach abwarten. Okay…ich war etwas beruhigt.
Es vergingen
dann noch ein oder zwei Tage…der Ausschlag wurde immer stärker. Breitete sich
über den ganzen Körper und das Gesicht aus. So etwas hatte ich noch nicht
gesehen! Es waren rote Flecken mit unregelmäßigen Rändern, manche flach und
manche etwas erhaben, schorfig und/oder pickelig.
Jonathan
hat nur noch geschrien. Das Fieber war nicht unter 39 Grad Celsius zu bekommen
und er wollte weder essen noch trinken. Vormittags lag er in meinem Arm und
weinte so furchtbar, er klang einfach gequält. Ich sah dass er schlafen wollte
aber immer wieder wachte er auf und schrie wie am Spies. Nach einer Stunde
wurde ich total unruhig. Mir war schlecht und ich bekam Angst. Ich wollte
SOFORT mit meinem Kinderarzt sprechen, irgendwas stimmte da nicht.
Ich habe
in der Praxis angerufen und bin sofort losgefahren. Vorher habe ich noch meinem
Mann eine SMS geschrieben dass er früher Feierabend machen und heimkommen soll
denn irgendwas sei ganz und gar nicht in Ordnung.
Mein
Kinderarzt warf einen Blick auf Jonathan und sagte dass dies eine so starke
Impfreaktion sei wie er sie seit bestimmt 10 Jahren nicht mehr gesehen habe.
Ich
sollte weiterhin viel zu trinken anbieten und die Räume in denen wir uns
aufhalten abdunkeln: Jonathan würden die Augen wehtun wenn es zu hell sei. Wir
bekamen eine Creme mit der ich den Ausschlag eincremen sollte damit er nicht
juckt. Auch weiterhin Fiebersenkende Medikamente geben - Ibuprofen und
Paracetamol immer im Wechsel und das alle paar Stunden. Wenn das Fieber nicht
sinken würde: Brustwickel. Und zur Not erneut beim Kinderarzt anrufen.
Jetzt
wusste ich was mit Jonathan los war und ich konnte etwas dagegen unternehmen.
Ich war erleichtert und ruhig als ich nach Hause fuhr. Das würden wir schon
überstehen: in eine paar Tagen war der Spuk vorbei!
Mein Mann
kam trotzdem früher von der Arbeit nach Hause. Wir haben zu Abend gegessen. Ich
habe noch ein paar Fotos von Jonathan gemacht weil ich dachte das ich den
Ausschlag dokumentieren muss: damit ich später anderen Eltern von MOPD-Kindern
nahe legen kann diese Impfungen einzeln durchführen zu lassen um das Risiko
einer so starken Reaktion zu minimieren….
Dann hat
mein Mann Jonathan genommen und ist mit ihm kuscheln gegangen während ich in
der Küche für Ordnung gesorgt habe. Und plötzlich…
(..ich
bekomme immer noch Gänsehaut und es ist SEHR schwer für mich diese Momente noch
einmal zu durchleben während ich sie aufschreibe…dieser heutige Bericht ist für
MICH der emotionalste den ich bisher geschrieben und veröffentlicht habe…und
ich habe für diese wenigen Seiten fast zwei Wochen gebraucht - weil ich oftmals
nicht mehr in der Lage war weiter zu schreiben und mich in diese Momente
zurückzuversetzen….auch Korrektur lesen war mir nicht möglich, deswegen
entschuldigt Grammatik und/oder Rechtschreibfehler…)
…schrie
mein Mann: „Komm schnell! Ich glaube er hat einen Krampf!“…ich dachte zuerst an
einen Krampf im Bein, einen Wadenkrampf..ich habe mir gar nichts schlimmes
dabei gedacht. Aber da mein Mann so laut und vehement gerufen hat bin ich aus
der Küche Richtung Wohnzimmer gelaufen, mein Mann kam mir schon entgegen und
hielt mir unseren Sohn hin. Ich habe ihn genommen und betrachtet: er war
schlaff, die Augen waren verdreht und schauten nach rechts oben – es war fast
nur weiß zu sehen, dabei zuckte er unkontrolliert mit dem Kopf und reagierte
nicht auf Ansprache.
Mir wurde
flau….die Ärzte in der Klinik hatten uns wegen der Hirnfehlbildungen Krämpfe
prophezeit. Unser Kinderarzt hatte zu Anfang immer wieder heruntergebetet wie
ich reagieren solle wenn Jonathan einen Krampf bekäme. Aber mit der Zeit hatten
wir alle verdrängt dass so etwas passieren könnte!!! Wenn die Monate ins Land
gehen und nichts Schlimmes passiert dann wähnt man sich auf der sicheren Seite
und vergisst die Gefahr.
Jetzt hieß
es aber einen kühlen Kopf bewahren und sich daran erinnern was der Kinderarzt
gesagt hatte….
Ich habe
meinem Mann Jonathan zurückgegeben und gesagt dass er ihn in die stabile
Seitenlage bringen soll. Auf Jonis Zunge und ein mögliches Erbrechen achten
soll und ich in der Zeit den Notarzt rufen würde.
Für mich
wäre es in diesem Moment nicht möglich gewesen mich mit Jonathan zu befassen.
Sein Gesichtsausdruck, das Zucken…ich konnte das NICHT ertragen!! Und wollte
das auch nicht anschauen müssen. Zum Glück war DAS für meinen Mann ok, er hätte
aber nicht die richtigen Worte gefunden um dem Notarzt deutlich zu machen was
bei uns grade geschah. Wir machten also Teamwork…
Ich sagte
dem Notruf genau das was mein Kinderarzt mir aufgetragen hatte zu sagen:
„Hallo, mein Kind hat einen extrem seltenen Gendefekt. Er hat eine
Lissenzephalie (das bedeutet: glattes Gehirn, ohne Windungen) und die Neigung
zu Krämpfen. Er krampft grade und wir brauchen sofort einen Arzt.“
Gefühlte
Ewigkeiten vergingen…in dieser Zeit habe ich meinen Vater angerufen und im
Kasernenhof-Ton erklärt: „Jonathan hat einen Krampf, der Notarzt kommt, wir
müssen in die Klinik. Komm bitte her und kümmere Dich um Marvin!“ …und die
Tasche für die Klinik gepackt: für meinen Mann und auch für Jonathan. All das
konnte ich tun. Aber mein Kind ansehen konnte ich nicht. Ich habe es nicht
ertragen ihn so zu sehen. Unter Krämpfen, das Gesicht entstellt, unkontrolliert
zuckend und nicht ansprechbar.
Für
meinen Mann war das kein Problem. Er lag mit Jonathan auf dem Boden, hat ihn in
der Seitenlage gehalten und gesungen…ich hätte keinen einzigen Ton
herausbekommen!!
Dann
steht mein Mann plötzlich auf und sagt: „Es ist vorbei, er krampft nicht mehr!“
Ich renne hin, es stimmt. Jonathan ist entspannt und sieht mich an.
Erleichterung!!! Uffff….zum Glück!!
Und dann
ging es direkt wieder los….er zuckte…die Augen verdreht…bekam nichts mehr von
seiner Umgebung mit.
Mein Mann
hat sich mit ihm wieder auf den Boden gelegt und zum Glück kam dann auch der
Notarzt. Ich habe alles heruntergebetet was der Kinderarzt mir aufgetragen hat:
welche Medikamente er bekommt und was das Problem mit seinem Gehirn ist…der
Arzt solle bitte einfach direkt etwas Entkrampfendes spritzen. Zum Glück hat
der Arzt meine Aussagen auch nicht in Frage gestellt. Aber er hat vorher noch
in unserer betreuenden Kinderklinik angerufen: Jonathans Größe und Gewicht
haben ihm Sorgen gemacht, er wollte wissen wie viel Milligramm Medikament er
ihm geben darf.
Auf dem
Boden im Wohnzimmer lagen nun mein Mann und Jonathan, der immer noch krampfte,
der Notarzt und zwei Sanitäter. Damit die zwischendurch mal ans Auto gehen
konnten stand die Haustür offen. Und auf einmal stand mein Vater im Raum…er
blickte auf die Szene: die ganzen Menschen, Müll von medizinischem Material,
Geräte und zwischendrin sein Enkel. Mein Vater war sehr betroffen und musste
erstmal feste schlucken.
Mittlerweile
hatten wir auch Marvin, der im Obergeschoss in seinem Zimmer gewesen war,
gerufen und ihm erklärt was hier grade passierte. Ich machte mir große Sorgen
um ihn: würde ihn das sehr schocken seinen Bruder so zu sehen?? Würde er es
verkraften?? Zudem hatte ich zu diesem Zeitpunkt Angst das Jonathan sterben
könnte – und Marvin wäre dann live dabei. Aber…was sollte ich tun? Ich musste
es dem Großen ja sagen! Ich konnte ja schlecht einfach ins Krankenhaus
verschwinden und ihn allein und im Ungewissen lassen….das wäre mit Sicherheit
noch schlimmer als ihn mit der Wahrheit zu konfrontieren. Zumal wir Marvin von
Anfang an immer die Wahrheit gesagt hatten was seinen Bruder betraf.
Nun saßen
Marvin und mein Papa also auf der Couch. Der Notarzt hatte mittlerweile mit dem
Krankenhaus telefoniert und sogar eine Ärztin erreicht die uns noch aus
Krankenhauszeiten kannte, er musste also nicht viel zum Krankheitsbild
erklären. Er bekam das OK für DIAZEPAM, und zwar 5mg rektal. Jeder der
medizinisch etwas versiert ist weiß das diese Dosis auch für Kinder mit 20/25
Kilogramm Körpergewicht ausreicht – und Jonathan hatte zu diesem Zeitpunkt
etwas über 3kg Gewicht.
Dementsprechend
war Jonathan kurz nach der Medikamentengabe mehr als benommen, sozusagen
„komplett weg geschossen“…aber der Krampfanfall war vorbei und er stabil genug
zum Transport. In „unsere“ Kinderklinik, man hatte uns dort schon angekündigt.
Ich bin
mit dem Krankenwagen mit gefahren weil ich mich nicht in der Lage fühlte jetzt
ein Auto zu steuern. Mein Mann kam mit dem Auto hinterher. Und mein Vater blieb
bei Marvin, mit „open end“: wir hatten keine Ahnung wie lange es dauern
würde…welche Untersuchungen notwendig sein würden. Ob ein neuer Krampfanfall
kommen würde….
Ich muss
jetzt mal einen Dank loswerden - speziell an meinen Papa….er ist wirklich IMMER
da!! IMMER! Sei es der Notkaiserschnitt spät am Abend oder der Krampfanfall: er
kommt zu uns und bleibt wenn nötig die halbe Nacht bei uns sitzen damit Marvin
nicht allein ist. In den Ferien unternimmt er mit Marvin und einem oder zwei
seiner Freunde sehr viel, damit der Große auch was von den Ferien hat. Wenn
Marvin den Schulbus verpasst oder nachmittags zu Freunden in einem anderen Ort
möchte: mein Papa fährt ihn. Außerdem kauft er mir ein wenn Not am Mann ist und
kümmert sich um unseren Garten. Oftmals kocht er auch mittags für uns wenn ich
es nicht geschafft habe weil ein langer Termin mit Jonathan anstand. Alles in
allem: mein Papa ist mit Gold nicht aufzuwiegen!! Ich bin so dankbar ihn zu haben…DANKE
PAPA! FÜR ALLES!!
So, das
musste jetzt mal gesagt werden!
Aber
zurück zur Fahrt in die Kinderklinik. Der Arzt ist im Krankenwagen mit gefahren
und hat abwechselnd mit mir Jonathan in der Seitenlage festgehalten – um ihn zu
fixieren war der kleine Mann viel zu klein, selbst die Baby-Gurte waren für ihn
meilenweit zu groß! Wir waren circa 40 Minuten unterwegs und bei mir kamen schon die ersten Fragen nach den
Konsequenzen auf: hatte Jonathans Hirn durch den Anfall Schaden genommen?? Sein
Gehirn war ja sowieso schon nicht gesund, wenn jetzt noch durch den Anfall etwas
kaputt gegangen war??? Außerdem lag Jonathan vor mir als sei er im Koma: würde
er wieder aufwachen??? So viele Fragen die mich beschäftigten und mir RIESIGE
ANGST machten…..
Echt
unfassbar für mich ist: ich saß noch nicht richtig im Krankenwagen als mich
schon die erste SMS erreichte in der ich gefragt wurde was denn der Krankenwagen
bei uns macht…und diese SMS kam von jemandem der keinen direkten Blick auf
unsere Hofeinfahrt hatte. Das bedeutet wohl dass unmittelbar nach Eintreffen
des Notarztes schon herum telefoniert wurde um diese „Neuigkeit“ zu verbreiten!
Aus Neugier?? Es zuerst zu wissen und weiter erzählen zu können???
Vielleicht..denn
ehrlich: jemand der WIRKLICH Anteil nimmt und sich Sorgen macht…der belästigt
die Betroffenen in so einem Moment sicherlich NICHT mit Fragen!!
Ich kenne
die Gründe für diese „Aktion“ nicht und es ist mir auch egal: ich habe diese
SMS erst viele Stunden später gelesen. Aber selbst wenn ich sie zeitnah gelesen
hätte glaube ich nicht dass ich darauf reagiert hätte weil ich es einfach MEHR
als unangemessen fand.
Wir kamen
in der Kinderklinik an (mein Mann war mit dem Auto direkt hinter dem
Krankenwagen geblieben und deswegen zeitgleich vor Ort) und wurden sofort in
einen Behandlungsraum gebracht. Die Ärztin die Dienst hatte kannte uns schon
aus unseren Klinikzeiten, außerdem hatte sich schon herum gesprochen dass wir
auf dem Weg waren und so kamen noch zwei Schwestern der Neonatologie vorbei um
nach uns zu sehen. Das war wirklich sehr sehr schön und wichtig für mich! Ich
fühlte mich mit bekannten Menschen um mich herum gleich viel ruhiger.
Mein Mann
kümmerte sich um Jonathan, zog ihn aus und half der Schwester die Dioden und
das Gerät zur Messung der Sauerstoffsättigung an ihm zu befestigen. Ich konnte
Jonathan nicht anfassen, und auch nicht wirklich ansehen: er hing wie ein
kleiner Sack in den Armen meines Mannes – komplett schlaff…die Augen halb offen
und verdreht. Dabei gab er leise fiepende Geräusche von sich, als wolle er
weinen und es ginge nicht…er sah einfach…geistig schwerstbehindert aus! Und
nicht mehr wie mein Sohn der mich wach und neugierig betrachtete. Ich konnte es
nicht ertragen ihn so zu sehen…vor allem nicht mit dem Hintergedanken das das
Gehirn am Ende Schaden genommen haben und der Zustand dauerhaft so bleiben
könnte!
Ich
konnte das Weinen nicht mehr unterdrücken…und ließ einfach los…die Ärztin und
die Schwestern kannte ich schon, und es waren nicht die ersten Tränen die ich
in dieser Klinik vergoss, also…
Diese
Eindrücke und Bilder…bekomme ich bis heute nicht aus meinem Kopf..und bis heute
habe ich Angst davor dass das wieder passieren könnte, diese Panik hat sich so
in meinem Kopf manifestiert: ich kann bei Hitze nicht mit Jonathan Auto fahren
aus Angst das er krampfen könnte…ich kann ihn nicht mit Blitzlicht
fotografieren lassen aus Angst das das einen Krampf auslösen könnte…ich kann es
nicht ertragen wenn er hysterisch schreit, am Ende bekommt er dann einen
Krampf?? Ja: alles das hat dieser eine Abend ausgelöst.
Ich saß
der Ärztin gegenüber, weinte und versuchte trotzdem ihre Fragen so genau wie
möglich zu beantworten: was hatten wir gemacht als Jonathan anfing zu krampfen?
Wie sah der Krampf aus? Wie lange hatte er gedauert?
Das war
alles so irreal! War ich wirklich wieder hier? Ging es meinem Kind wirklich
schlecht oder würde ich gleich aufwachen und alles war gut und wir zu Hause??
Es war
real und man wollte Jonathan über Nacht hier behalten und überwachen. Ich habe
meinem Mann gesagt dass ich nicht bleiben kann. Ich konnte Jonathan momentan
kaum ansehen, wie sollte ich mich da um ihn kümmern??? Weil ich schon zu Hause
gespürt hatte das diese Gefühle in mir waren hatte ich Kleidung für meinen Mann
eingepackt – und nicht für mich….Und wieder einmal war es gut das mein Mann so
ruhig und gelassen ist: ihm machte es überhaupt nichts aus bei unserem Kleinen
zu bleiben. Jonathan war sein Sohn und der brauchte ihn nun – also kümmerte
sich mein Mann um ihn. Ohne eine Träne zu vergießen oder zu jammern…
Ich habe
die beiden noch auf die Station begleitet und Jonathan einen Kuss gegeben, dann bin ich gefahren…irgendwie
erleichtert das ich diese Mauern der Klinik hinter mir lassen
konnte…andererseits auch wie in Trance weil ich nicht fassen konnte das wir
schon wieder mit dem Kleinen stationär in der Klinik waren!
Von der
Fahrt nach Hause habe ich irgendwie nicht viel mitbekommen. Meine Gedanken
schweiften ab…die Eindrücke dieses Abends, das Unverständnis über das was heute
passiert war…die Angst wie Marvin das verkraften würde…die Angst ob Jonathan
Schaden genommen hatte. Es war sehr viel was auf mich einstürzte….
Zu Hause
wartete mein Papa schon ungeduldig auf mich und Neuigkeiten. Ich konnte ihm
sagen dass der Krampf vorbei war, dass Jonathan soweit stabil sei. Aber ich
musste ihm auch erklären das uns niemand sagen könne ob sein Gehirn Schaden
genommen habe – ob er aufwachen würde…und wenn er aufwachte: ob er dann
derselbe war wie noch heute Nachmittag. Immerhin: er lebte..und war nun in den
besten Händen.
Marvin
hatte am nächsten Tag Schule und deswegen nicht auf mich warten dürfen. Doch
mein Papa erzählte mir das Marvin sehr mitgenommen gewesen sei, er habe große
Angst um seinen Bruder ausgestanden…Angst das sein Bruder sterben könne – wie
Marvins Papa ein paar Jahre zuvor.
Deswegen
bin ich zu Marvin gegangen, habe ihn geweckt und ihm gesagt das alles gut sei
und Jonathan am Leben. Danach konnte mein Großer gut und ruhig schlafen…
Im
Gegensatz zu mir..zuerst musste ich das Wohnzimmer aufräumen: die Verpackungen
und Materialien die der Notarzt benutzt hatte lagen noch herum…die ganze
Situation wurde real für mich, ich hatte die Bilder von vorhin wieder im Kopf…
…ganz ehrlich?
Ich habe mir erst mal einen doppelten Whiskey genehmigt und bin dann ins Bett
gegangen…aber ich war unruhig…träumte schlecht in dieser Nacht und bin früh
aufgestanden weil es nichts mehr gebracht hätte sich weiter im Bett hin und her
zu drehen, ich fand ja doch keine Ruhe.
Ich habe
Marvin Schulbrote gemacht und als er aufgestanden war habe ich ihm gesagt dass
er nach der Schule zu seinen Großeltern ginge weil ich in die Klinik fahren
würde.
Als ich
grade losfahren wollte Richtung Klinik bekam ich eine SMS von meinem Mann: „Er
krampft schon wieder.“ Ich habe auf´s Handy gestarrt und konnte die Worte
trotzdem nicht richtig sehen. Habe geantwortet dass ich losfahre, aber im
Berufsverkehr sicherlich zwischen 45 und 60 Minuten für den Weg benötigen
würde.
Ich war
wie in Trance. Und hoffe das niemals ein Polizist diesen Blog liest, denn ich
habe während der Fahrt einige SMSen meines Mannes gelesen: „Die Ärzte bringen
Jonathan jetzt auf die Intensivstation.“ ..und: „Er krampft immer noch.“……“er
krampft jetzt seit fast 45 Minuten“….“Ich wurde aus dem Zimmer geschickt, der
Klinikleiter ist bei ihm.“…
Während
der Fahrt dachte ich wirklich dass ich mein Kind nicht mehr lebend sehen würde,
dass der Kuss am Abend davor der letzte gewesen sei. Diese Fahrt in die
Kinderklinik war die Hölle und es kam mir vor als würde ich mit meinem Auto
überhaupt nicht vorwärts kommen…
Doch
irgendwann war ich da und bin auf die Intensivstation gegangen. Mein Mann war
immer noch im Wartezimmer und hatte keine neuen Informationen. Es war eine
schreckliche Situation!! Dort zu sitzen, und nicht zu wissen was los war – ob
Jonathan überhaupt noch lebte??
Unsere
Gedanken standen im Raum und deswegen…so furchtbar das auch ist!...haben mein
Mann und ich uns in dieser Situation darüber unterhalten wie weit wir überhaupt
gehen wollen: welche Maßnahmen dürfen die Ärzte ergreifen und wo ist für uns
der Punkt gekommen Jonathan gehen zu lassen?? Er hat einen lebensverkürzenden
Gendefekt, wann sind Maßnahmen zur Wiederbelebung nicht mehr angemessen???
Ich denke
kaum jemand kann nachvollziehen wie es sich anfühlt nur wenige Meter von seinem
Kind entfernt darüber zu reden wann und wie man es sterben lassen will. Aber dieses
Gespräch war notwendig und wir HABEN es geführt. Doch welche Entscheidung wir
getroffen haben – bleibt bei uns, das ist zu persönlich um es zu teilen.
Die
Minuten dehnten sich und fühlten sich an wie Stunden. Mein Mann ging mehrfach
zu den Schwestern und fragte ob es etwas Neues gäbe, doch er bekam immer nur
die Antwort dass die Ärzte noch bei Jonathan seien und man uns informieren
werde sobald es etwas Neues gab.
Diese
Zeit der Ungewissheit und der Angst hat sich so in mein Gehirn eingebrannt das
ich heute noch das Muster auf der Tapete und jeden Fleck darauf aufmalen
könnte. Ich dachte wirklich dass ich mein Kind nicht mehr lebend sehen würde…
Doch
dann…teilte man uns mit das wir nun zu Jonathan könnten, er sei stabil. Er
hatte einen GRAND MALE ANFALL und der Klinikleiter hatte ihm einen ZVK (einen Zentralen
Venenkatheter) über den Hals ins Herz legen müssen um ihm Medikamente zu geben.
Er
lebte!!! Ich konnte es nicht glauben!! Allerdings konnte uns nun erst recht
niemand sagen ob sein Gehirn Schaden genommen hatte…der Anfall hatte SEHR LANGE
gedauert. Man würde mehr wissen wenn Jonathan aufwache…
Wir
durften zu ihm: da lag er…so klein und total verkabelt in seinem Bettchen.
Hochheben und ihn im Arm halten war nicht möglich wegen des ZVK, wir mussten
uns damit begnügen seine Hände festzuhalten oder ihn zu streicheln. Die
Schwestern sagten uns das er noch einige Stunden schlafen würde, das Medikament
das man ihm zur Krampflösung gegeben habe sei wirklich sehr stark.
Also
beschlossen mein Mann und ich uns nach dem Schreck in der Kantine des
Krankenhauses zu stärken und auch mal kurz durchzuatmen um den Schreck zu
verdauen.
Auf dem
Stationsflur begegneten wir dem Chirurgen der Jonathans Hodenhochstand
festgestellt hatte. Ich grüßte und wollte weitergehen, doch er hielt mich auf
und sagte dass er zu uns wolle. Er hätte auf der Belegungsliste gelesen dass
wir da seien und wollte sich mal erkundigen wie es Jonathan gehe.
Das hat
mich SCHWER beeindruckt!! Als Chirurg war er bei einem Krampfanfall mit
Sicherheit NICHT zuständig, das heißt dass sein Interesse wirklich unserem Sohn
galt. In diesem Moment habe ich ihm mein Herz geschenkt! Und es bis heute nicht
bereut. Er ist ein ganz toller Mensch und ein wundervoller Arzt. Wenn man ihn
kennt ist er weder kühl noch kurz angebunden – eher im Gegenteil! Er ist einer
der warmherzigsten Ärzte die wir kennen und hat ein EHRLICHES Interesse an
unserem Sohn. Ich bin sehr froh dass wir ihn kennengelernt haben!! Und gestehe
an dieser Stelle reuevoll ein dass mich mein erster Eindruck SEHR getäuscht
hat!!
Wir haben
also kurz mit diesem Arzt geredet und ihm alles erzählt, ihm auch unsere Ängste
darüber mitgeteilt das Jonathan einen bleibenden Hirnschaden davon getragen
haben könnte. Er versprach am nächsten Tag erneut bei uns vorbeizukommen und
nach uns zu sehen.
Mein Mann
und ich machten eine Pause, aßen und tranken etwas und gingen danach wieder auf
die Station - Jonathan schlief.
Zwei
Damen der Neurologie kamen vorbei um ein EEG zu machen. Sie „verkabelten“
Jonathan und begannen die Auswertung. Leider durften sie keine Aussagen zu den
Ergebnissen treffen, „das würde dann ein Arzt mit Ihnen besprechen“. Furchtbar
wenn man als Eltern so im Ungewissen gelassen wird!!! In so einer
beängstigenden Situation will man alles – aber nicht noch WARTEN auf neue
Befunde!!
Immerhin
konnte ich Hirnströme auf dem EEG sehen, das hieß das Hirnaktivität vorhanden
war und das war doch schon mal eine Erleichterung!
Es wurde
Nachmittag: Jonathan schlief immer noch und wir konnten hier momentan nichts weiter
für ihn tun, also beschlossen wir nach Hause zu fahren und mit Marvin zu
grillen. Für ihn war es auch ein Schock gewesen als Jonathan so unverhofft in
die Klinik gekommen war und wir wollten Zeit mit ihm verbringen.
Mit den
Schwestern haben wir vereinbart das sie sofort anrufen würden wenn Jonathan aufwache:
einer von uns würde dann in die Klinik zurückkommen. Wir wollten Jonathan in
die Augen sehen um zu beurteilen ob er noch genauso war wie vorher – oder eben
nicht. Denn das war etwas das uns große Sorgen und Angst machte. Ich hatte mich
ja mittlerweile mit der Tatsache arrangiert das ich ein behindertes Kind habe –
aber ein geistig SCHWERST behindertes Kind…das war weiterhin eine
Horrorvorstellung für mich und ich wollte so schnell als möglich wissen woran
ich war.
Wir
fuhren heim und grillten mit Marvin. Aber ich war mit meinen Gedanken woanders:
wie ging es Jonathan? War er wach? Warum riefen die Schwestern nicht an?
Schlief er etwa immer noch??
Nach dem
Essen meinte mein Mann das ich doch in der Klinik anrufen und nachfragen solle,
sonst hätte ich sowieso keine Ruhe. Also habe ich das gemacht. Und die Antwort
bekommen das Jonathan immer noch schlafe. Ich war entsetzt: er schlief immer
noch? Seit heute MORGEN? War das normal oder ein Zeichen für einen
Hirnschaden?? War es ein Koma? Würde er überhaupt jemals wieder aufwachen???
Und dann
hatte ich einen Nervenzusammenbruch. Glaube ich. Ich habe geweint, gebrüllt und
geschrien: „Ich will das er bei mir ist. Ich will mein Baby. MEIN BABY!!
SOFORT!“ Habe mich auf dem Boden zusammen gekrümmt…konnte nicht aufhören zu
heulen und zu schreien. Es war einfach alles zu viel in diesem Moment. Die
Anspannung und die Belastung brach sich Bahn.
Mein Mann
hat mich ins Bett gebracht und mir eine Schlaftablette gegeben so dass ich
wenigstens etwas Ruhe finden konnte.
Am
nächsten Morgen ging es mir besser. Wir haben in der Klinik angerufen und man
teilte uns mit das Jonathan eben ganz kurz wach gewesen sei und ein wenig Milch
getrunken habe. Das war doch schon mal ein gutes Zeichen!!!
Mein Mann
und ich machten uns auf den Weg ins Krankenhaus, wir wollten Jonathan selbst in
die Augen sehen.
Als wir
dort ankamen schlief er wieder. Aber einige Elektroden waren entfernt worden
und die Schwestern sagten uns wenn wir auf den ZVK aufpassten könnten wir ihn
ruhig auf den Arm nehmen und wecken. Jetzt hielt mich nichts mehr! Ich habe ihn
hochgenommen, er war in Decken und Tücher gewickelt und nackt bis auf die
Windel. Endlich durfte ich mein Baby wieder in den Armen halten und seine Wärme
spüren.
Ich habe
ganz leise mit ihm geredet und seinen Namen gesagt um ihn zu wecken. Er schlug
die Augen auf und…sah mich genauso aufmerksam und wach an wie immer! Das war
derselbe Blick aus seinen grau-blauen Augen wie immer!! Mir kamen die Tränen,
ich war SO erleichtert!!
Nicht nur
das uns Zeit mit ihm geschenkt worden war – uns war Zeit mit demselben Kind
geschenkt worden wie vorher. Offensichtlich hatte sein Gehirn keinen weiteren Schaden
genommen…(das teilte uns an diesem Tag dann auch ein Arzt mit: die Auswertung
des EEG habe ergeben das die Krampfanfälle keine weiteren Schädigungen
ausgelöst hätten.)
Allerdings
war Jonathan müde und erledigt, das sah man ihm an. Er konnte die Augen nur
wenige Minuten offen halten und schlief dann direkt wieder ein.
Ich war
glücklich und unendlich erleichtert. Während ich dort saß und mein schlafendes
Baby in den Armen hielt habe ich mir geschworen alles klaglos anzunehmen was
mich mit Jonathan erwartet…denn ich hatte gespürt wie groß meine Angst war ihn
zu verlieren…
Wie
versprochen kam der Chirurg vorbei und erkundigte sich nach uns. Ich denke auch
er war erleichtert uns so glücklich und zuversichtlich vorzufinden. Dass er
sein Versprechen hielt und sich die Zeit nahm nach uns zu sehen hat mir
wirklich sehr viel bedeutet!!
Es war Nachmittag
geworden auf der Intensivstation der Kinderklinik. Wir hatten Jonathan beide
gekuschelt, wir hatten ihm zu essen gegeben, wir hatten beide gesehen das der
Blick aus seinen Augen derselbe war wie vorher. Er hatte keinen weiteren
Krampfanfall mehr gehabt, seine Werte waren alle stabil. Die Auswertung der
Blutuntersuchung lag vor: Jonathan hatte tatsächlich eine sehr starke
Impfreaktion. Im Klartext gesagt: er hatte Masern, Röteln und Windpocken…und
zwar alles gleichzeitig!!
Die Frage
die wir uns seit damals immer wieder stellen: kam der Krampfanfall von seinem
fehlgebildeten Gehirn??? Oder war er eine Reaktion auf die Impfung??? Laut
Aussage unseres Kinderarztes tritt ein (Fieber-)Krampf nach dieser Impfung nur im
Verhältnis 0,7 zu 1000 auf – das heißt, noch nicht einmal 1 von 1000 geimpften
Kindern durchlebt das. Aber wir??? Die Krankheit selbst war schon so selten,
sollten wir dann auch noch zu dem verschwindend geringen Kreis der Personen
gehören die als Reaktion krampften??? Wir wissen bis heute nicht was der
Auslöser war…
Aber: mittlerweile
war der Ausschlag rückläufig, auch Fieber hatte Jonathan nicht mehr. Nun
stellte sich die Frage: wie lange müssen wir noch hierbleiben??? Denn dieser
Tag…war der Tag vor Jonathans erstem Geburtstag.
Bevor wir
mit den zuständigen Stationsärzten die Frage nach der Entlassung klären konnten
kam ein Arzt zu uns der sich als Jonathans behandelnder Neurologe vorstellte.
…als
riesiger GREYS ANATOMY FAN hatte ich direkt ein Bild vor Augen und das habe ich
auch kundgetan: „Aaaaa, wie Dr. Derek Sheppard!“ Worauf unser Arzt mir
mitteilte dass er kein Neurochirurg sei, sondern „nur“ Neurologe und auch nicht
so gut aussähe. Da musste ich das erste Mal herzhaft über ihn lachen!
Dieser
Arzt sieht vielleicht nicht so aus wie der Schauspieler von Dr. Sheppard, aber
er hat eine Ausstrahlung und einen Humor die einfach ganz GROSSE KLASSE sind!
Mein Mann und ich mögen ihn unheimlich gern weil er die Wahrheit sagt,
schonungslos und grade heraus: genau das, was wir an Ärzten mögen und schätzen.
Der Arzt
hat mit uns besprochen das Jonathan ab sofort ein weiteres Medikament benötigen
würde um zukünftigen Krampfanfällen vorzubeugen: Cepra, zweimal am Tag. Bei
zunehmendem Gewicht müssten wir auch immer die Dosierung des Medikaments
anpassen.
Der Arzt
teilte uns seine Vermutung mit, dass die Krampfanfälle ausgelöst würden durch die
Hirnfehlbildungen - und die seien einfach vorhanden und gingen ja nicht mehr
weg. Leider ist in so einem Fall das Medikament nicht in der Lage die Anfälle
komplett zu unterbinden, also müssten wir trotz des Medikaments auch zukünftig
mit Krämpfen rechnen. Und deswegen bekämen wir auch noch ein Notfallmedikament
das wir Jonathan unverzüglich verabreichen müssten sollte ein neuer Krampf auftreten.
Dieses
Medikament wird mittels einer Spritze und eines speziellen Aufsatzes in die
Nase gespritzt. Wir tragen es seit diesem Tag in einem kleinen Döschen IMMER
UND ÜBERALL mit uns herum – haben es aber noch nie gebraucht. (Dreimal auf Holz
geklopft!) Jonathan hatte seit damals keine weiteren Krampfanfälle und ich bin
sehr dankbar dafür, denn schön war es nicht.
Doch das
wussten wir an diesem Tag noch nicht, also haben wir ganz genau hingeschaut wie
das mit dem Medikament funktionieren soll und haben das Aufziehen der Spritze
geübt – und dabei lauter Kochsalzlösung durchs Krankenzimmer gespritzt! Woran
unser Neurologe MINDESTENS so viel Spaß hatte wie wir. Es hat wirklich richtig
Spaß gemacht nach diesen Tagen mal wieder herzhaft zu lachen!!!
Um sicher
zu sein das wir es auch wirklich konnten haben mein Mann und ich zum Schluss
noch einmal jeden einzelnen Schritt der Gabe des Notfallmedikaments langsam
ausgeführt und dabei erläutert was wir tun. Ich gebe das Gespräch mal kurz
wieder:
„Ich
packe die Spritze aus.“
„EEEEEEXAKT!“
„Ich zerbreche
die Ampulle.“
„EEEEEEXAKT!“
„Ich
stecke die Nadel auf die Spritze um das Medikament aufzuziehen.“
„EEEEEEXAKT!“
…ich
denke Sie ahnen wie das Gespräch weitergeht. 8o) Wir LIEBEN dieses EEEEEXAKT
und es ist ein „running gag“ in unserer Familie geworden und wird bei jeder
passenden und unpassenden Gelegenheit angewendet. Eine SCHÖNE ERINNERUNG an
unsere Erlebnisse im Krankenhaus, und davon gibt es weiß Gott nicht viele!
Der
Nachmittag wurde zum Abend und auch an diesem Tag ist mein Mann bei Jonathan in
der Klinik geblieben. Zum Glück war die Intensivstation nicht so stark belegt
in diesen Tagen, wir hatten einen Raum für uns allein und die Schwestern haben
meinem Mann ein Klappbett neben Jonathans Bett gestellt.
Normalerweise
ist es nicht üblich das Eltern auf der Intensivstation übernachten: die
Überwachung durch das Personal ist dort so engmaschig das eine Betreuung durch
einen Elternteil nicht notwendig ist. Aber man kam uns entgegen und wir sind
sehr dankbar dafür: so musste Jonathan nicht komplett allein in einer fremden
Umgebung sein die ihn unter Umständen auch ängstigte.
Zum Thema
Entlassung…man war sich unschlüssig ob man uns nach Hause gehen lassen konnte.
Zwar hatte Jonathan keine weiteren Krampfanfälle gehabt und sein Fieber wegen
der Impfreaktion war auch abgeklungen. Aber er trank noch sehr wenig, wurde
dabei immer wieder müde und schlief ein. Die Ärzte waren sich zwar bewusst das
dieses Verhalten eine ganz normale Reaktion auf die starken Medikamente war,
die Jonathan zur Krampflösung bekommen hatte – aber sie sagten das trotzdem das
Risiko einer Unterzuckerung bestand wenn er zu wenig aß. Und DAS könnten wir zu
Hause nicht kontrollieren: wohl aber im Krankenhaus. Und dort wäre man auch in
der Lage ihm zur Not wieder eine Sonde zu legen und ihn darüber zu ernähren.
(Das war für mich allerdings nicht wirklich ein Grund in der Klinik zu bleiben:
denn Sonden legen konnten WIR ja auch!)
Wir
vereinbarten also mit den Schwestern das ich am nächsten Morgen bevor ich
Richtung Klinik aufbrechen würde, anrufen solle: dann könne man mir sagen ob
Jonathan entlassen werde oder noch bleiben müsse. Im letzteren Fall würde ich
dann seine Geschenke und seine Geburtstagstorte mit in die Klinik bringen.
Ich
hoffte aber sehr dass es nicht dazu kommen würde denn die Torte hatte eine
Tante meines Mannes, eine selbstständige Konditormeisterin, gebacken und sie
war mit Marzipan überzogen und dekoriert mit WinniePooh-Figuren. Eine
wunderschöne Torte mit der wir diesen für uns so wichtigen Tag abrunden wollten
– aber eben auch eine Torte die sich nicht gut transportieren ließ ohne das die
Figuren um- oder abfielen oder das Marzipan flüssig wurde…
Am
Geburtstagsmorgen rief ich mit klopfendem Herzen in der Klinik an: ich wollte
hören das ich meine Männer gleich abholen kommen dürfte. Doch leider teilte man
mir mit das noch keine Entscheidung getroffen worden sei, die Visite käme am
späten Vormittag und ich sollte doch lieber alles mitbringen.
Mit
Tränen in den Augen habe ich dann die Geschenke (einen Autotransporter von den
TutTut-Babyflitzern sowie einen Marienkäfer von Playmobil 1-2-3 den Marvin
seinem Bruder schenken wollte) und die Torte eingepackt und bin losgefahren.
Wenigstens hatte man uns zugestanden das Marvin mitkommen durfte: WENN er sich
vor dem Betreten der Station komplett untersuchen ließe und wir seinen
Impfausweis mitbringen würden. Ich danke an der Stelle den Ärzten und
Schwestern der Intensivstation für Ihre Großzügigkeit. Mir ist bewusst dass es
nur möglich war weil wir ein Einzelzimmer hatten mit direktem Zugang zum Flur,
so dass Marvin die Station nicht betreten musste. Trotzdem: vielen Dank das wir
wenigstens zusammen sein konnten an diesem Tag!!
Nachdem
Marvin dann untersucht und für komplett gesund befunden wurde durften wir zu
Jonathan. Er lag in den Armen meines Mannes und war so schlapp und müde…es war
furchtbar!! Hatte ich mich doch so lange auf diesen besonderen Tag gefreut weil
ich die Klinikzeiten vergessen wollte und nun waren wir GENAU HIER wo alles
angefangen hatte. Wieder die Maschinen und Geräusche und Gerüche…GANZ
FURCHTBAR, mir war der Hals so eng!!! Marvin und ich haben versucht Jonathan
ein wenig zu knuddeln und ihn zu küssen, doch immer noch hingen Elektroden an
ihm und er hatte immer noch den ZVK, deswegen gestaltete sich das alles sehr
schwierig.
Geschenke
auspacken….wir haben es versucht. Doch Jonathan war viel zu schwach und hat die
Sachen auch nur lustlos betrachtet. Dabei hatten wir uns diesen Moment so oft
vorgestellt und in den schönsten Farben ausgemalt…nun war alles anders und
nicht schön. Ich wurde von Minute zu Minute trauriger.
Irgendwann
habe ich Jonathan dann gehalten und ihn angesehen. Mir kamen die Tränen: es war
wie eine Dauerschleife in meinem Kopf „heute ist sein 1.Geburtstag und er ist
wieder im Krankenhaus“…“Der Tag ist nicht so wie wir ihn gestalten wollten und
diesen Tag kann man auch nicht mehr zurückholen“..
Genau in
dem Moment als ich merkte dass ich gleich das Schluchzen nicht mehr würde
unterdrücken können – kam die Visite. Ich weiß gar nicht mehr genau wer alles
dabei war, ich weiß nur noch das der Klinikleiter der Kinderklinik dabei war
und er mich fragte wie es Jonathan und mir ginge. Oje…das war der falsche
Moment für so eine Frage!! Ich fing an lauthals zu weinen und habe ihm gesagt
dass Jonathan heute Geburtstag hat und ich mir diesen Tag ganz anders
vorgestellt hatte! Das wir eigentlich heute einen Ausflug in den Zoo machen
wollten um mit der langen Zeit in der Klinik abzuschließen, um nach vorne zu
blicken und zu vergessen was alles gewesen ist – und nun seien wir ausgerechnet
wieder HIER!! ..außerdem habe ich ihm gesagt das ich zwei Tage zuvor einen
Zusammenbruch hatte und keine Ahnung hätte wie ich es in diesen vier Wänden nun
WIEDER aushalten sollte, ich hätte einfach keine Kraft mehr für den
Klinikalltag.
Dann habe
ich Luft geholt und ….mich richtig geschämt. Dieser Ausbruch von Worten und
Tränen war mir so peinlich! Wusste ich doch das die Ärzte, und grade der
Klinikleiter, so viel für uns getan hatten und uns hier so gut betreuten. Und
ich konnte nur „meckern“. Aber es war geschehen: das alles war einfach aus mir
rausgebrochen. Ich wischte mir also energisch die Tränen ab, sah ihn an und
hoffte dass er nicht sauer war.
War er
nicht…überhaupt nicht! Er hat mich angesehen und mir gesagt dass er mich SO GUT
verstehen und total nachempfinden kann was ich fühle! Schließlich kannten wir
uns schon seit Beginn unserer Klinikzeit und er wusste wie anstrengend die
Monate auf der Neonatologie für uns gewesen waren.
Und dann
sagte er: „Na, dann packen Sie mal alles zusammen und fahren Sie mit Ihrem
Geburtstagskind heim! Einen Ausflug können Sie heute vielleicht nicht machen,
aber wenigstens ein paar Stunden zu Hause feiern und gemeinsam Kuchen
essen!“…Ich blickte ihn sprachlos an und…heulte los. Schon wieder!! Meine Güte,
ich kam mir vor wie eine Heulboje!! Schlimm! Denn normalerweise habe ich NICHT
so nah am Wasser gebaut. Ich habe dann noch zweimal nachgefragt ob er das ernst
meint oder mich veräppeln will, aber er sagte dass er es genauso meint. Die
Ärzte könnten jetzt auch nicht mehr tun als wir zu Hause und wenn ein neuer
Krampfanfall kommen sollte, dann müssten wir eben wieder den Notarzt rufen.
Also
haben wir alles zusammen gepackt: aber nicht ohne den Schwestern und Ärzten
noch ein paar Stücke Kuchen da zu lassen. 8O))
Zuhause
angekommen haben wir uns erstmal alle zusammen an den Tisch gesetzt und Kuchen
gegessen, auch Jonathan hat ein wenig Schokoladencreme bekommen. Allerdings
hing er wie ein kleiner nasser Sack auf meinem Schoß und ich habe ein wenig
Bedenken bekommen ob es das Richtige war ihn mit nach Hause zu nehmen. Hatten
wir das nur aus Egoismus getan diesen Tag mit ihm feiern zu wollen und dabei
vielleicht zu wenig an ihn und sein Wohlergehen gedacht? Wäre es nicht doch
besser gewesen ihn noch in der Klinik überwachen zu lassen?
Aber
einige Stunden später wurde ich eines Besseren belehrt: Jonathan aß mit einem
Appetit der sagenhaft war! Die Sorge der Ärzte dass er nicht genug essen könnte
war also unbegründet.
Heute
wissen wir das es die sogenannte HOSPITALISIERUNG gibt: Jonathan hat ein Trauma
durch den langen Klinikaufenthalt zurückbehalten. Und mag er auch behindert
sein und deswegen seine Umwelt vielleicht nicht so wahrnehmen wie andere
Kinder, so versteht er sehr wohl wenn er sich in einem Krankenhaus befindet.
Das mag er nicht, vielleicht macht es ihm Angst: vielleicht weiß oder ahnt er
das ihm hier immer wieder Schmerzen zugefügt werden. Aus diesen Gründen stellt
er die Nahrungsaufnahme ein. Und trinkt auch nicht. Kontraproduktiv wenn man
entlassen werden möchte und das Kind ein Verhalten zeigt als sei es nicht in
der Lage allein zu essen und zu trinken!!
Aber
jetzt waren wir erst mal zu Hause und haben den Geburtstag dann doch noch
IRGENDWIE gefeiert. Zwar nicht so wie wir uns das vorgestellt hatten, aber ein
ganz furchtbarer Tag war es am Ende dann auch nicht…
Irgendwann
wurde es aber Zeit für Jonathan ins Bett zu gehen, er war noch ganz schön
geschlaucht von den ganzen Medikamenten und der Aufregung. Tja…an der Stelle
muss ich mich nun als Glucke outen. Allein die Vorstellung das Jonathan in
seinem eigenen Bett liegen würde -und zwar in seinem eigenen Zimmer!- bescherte
mir Schweißausbrüche!! Was wäre wenn er wieder einen Krampfanfall hätte und wir
das nicht mitbekommen würden???
Ich
wollte ihn bei mir haben, ganz eng…also habe ich meinem Mann meine Ängste
gebeichtet und gesagt das ich Jonathan mit in unser Bett nehmen und die ganze
Nacht festhalten möchte – sonst würde ich wohl keine Ruhe finden.
Also
haben wir es genauso gemacht. Er ist im Arm meines Mannes eingeschlafen und
dort geblieben bis wir ins Bett gegangen sind. Dann habe ich ihn die komplette
Nacht im Arm gehalten, ganz eng an mich gedrückt.
Vielleicht
sagen jetzt einige „Erziehungsexperten“ dass dieses Vorgehen GANZ SCHLECHT
war…aber das ist mir egal!! Für mich war es in diesem Moment das Richtige, ich
habe dadurch die nötige Ruhe gefunden. Außerdem finde ich dass sich Eltern viel
mehr auf ihr Bauchgefühl und viel weniger auf Erziehungsratgeber verlassen
sollten!! Ist doch jeder Mensch ein Individuum mit eigenen Bedürfnissen – wie
soll EIN Buch alle diese einzigartigen Eigenschaften über einen Kamm scheren??
Ich
scheue mich jetzt auch nicht zu sagen das Jonathan noch für mehrere Wochen jede
Nacht in meinem Arm geschlafen hat bevor ich innerlich so weit war ihn ein
Stückchen loszulassen…dann hat er in der Mitte des Bettes gelegen…wieder eine
Weile später ist er in einen Stubenwagen in unserem Schlafzimmer umgezogen..und
sehr viel später auch zurück in sein eigenes Bett.
Diese
Zeit habe ich gebraucht um die Angst und die Eindrücke des Krampfanfalls zu
verarbeiten. Es war ein Gefühl von Sicherheit wenn ich ihn ganz eng an mir
gespürt habe weil ich mir eingebildet habe dann rechtzeitig mitzubekommen wenn
ihn ein erneuter Krampf ereilt.
Eigentlich
wollten wir uns ja nicht gegenseitig danken in diesem Blog, aber….trotzdem ein
großes Dankeschön an meinen Mann….er hat diese ganzen langen Wochen nie
gemeckert oder in Frage gestellt das Jonathan bei uns schläft…er hat nur immer
gemeint das ich mir Zeit nehmen soll, wenn es das ist was ich brauche – dann
sei es so…
DANKE
MANN! FÜR DEINE GEDULD… UND FÜR ALLES ANDERE: DU LIEBST JONATHAN UND HADERST
NIE MIT UNSEREM SCHICKSAL. DU UNTERSTÜTZT MICH BEI ALLEM WAS ICH MACHE – UND
OBWOHL DU MANCHE WEGE NICHT IN DERSELBEN FORM GEHEN WÜRDEST SAGST DU MIR DAS DU
STOLZ AUF MICH BIST.
ICH GLAUBE
ES GIBT NUR WENIGE MÄNNER DIE SO SIND WIE DU, UND ICH BIN FROH DAS WIR UNS
GEFUNDEN HABEN. ICH LIEBE DICH.
Die
ersten Tage nach dem Krampfanfall zu Hause waren sehr schlimm für mich: ich
hatte Angst, eher schon richtige Panik!, das es wieder passieren könnte.
Ich habe
Jonathan den ganzen Tag auf meinem Arm herumgetragen, die Hausarbeit blieb
liegen…wenn er geschlafen hat dann auch tagsüber meist in meinem Arm. War ich
gezwungen ihn doch mal in sein Bett zu legen (weil ich duschen oder kochen
musste), dann bin ich alle paar Minuten in sein Zimmer gerannt um nach ihm zu
sehen.
Mein Mann
hat in dieser ersten Zeit komplett im Homeoffice gearbeitet weil ich den
Gedanken nicht ertragen konnte das er tagsüber stundenlang circa 90 Kilometer
entfernt ist. (DANKE AN DIESER STELLE AN MAX DAFÜR DAS DIES ÜBERHAUPT MÖGLICH
WAR!
MAX:
THANK YOU FOR BEING SO GENEROUS AT THIS TIME!)
Aber mit
jedem Tag der verging gewann ich ein Stückchen „Vertrauen“ zurück und es ging
mir besser. Auch Jonathan ging es zunehmend besser: die Wirkung der krampflösenden
Medikamente verging und er war nicht mehr so müde und schlapp, der Ausschlag
verblasste.
Die
Wochen vergingen und wir feierten unsere kirchliche Hochzeit in ganz kleinem
Rahmen: 1.war es für uns ein sehr „intimer“ Tag an dem es uns ausschließlich darum
ging Gottes Segen zu erhalten für unseren Weg mit Jonathan - dieser Weg würde
schwierig werden und wir könnten jede Hilfe gebrauchen die wir bekommen
konnten. Und 2.wäre uns eine große Feier mit Jonathan auch zu anstrengend
gewesen. Wir wollten es in diesen Wochen ein bisschen „ruhiger“ angehen lassen
aus Angst dass erneut ein Krampfanfall entstehen könnte wenn der kleine Mann zu
sehr unter Stress stand.
Die OP an
Leistenbruch und Hodenhochstand rückte näher, in circa zwei Wochen sollte sie
durchgeführt werden - und mir graute schon sehr davor!!! Um auf andere Gedanken zu kommen beschlossen wir
Jonathans Geburtstagsausflug nun endlich nachzuholen! 8o)
Also
haben wir samstags alles zusammen gepackt und sind in den Zoo gefahren. Hach,
was waren wir aufgeregt! 8o))
Auch an
diesem Tag wurden wir wieder einige Male angesprochen in der Art: „Wie alt ist
denn das Kleine? Bestimmt noch ganz frisch, oder?“. Und wir mussten uns wieder
einige Male vehement dagegen wehren wenn jemand Jonathan einfach anfassen
wollte. Okay: das würde nun also unser Leben sein wenn wir in die
Öffentlichkeit gingen! Wir mussten uns wohl oder übel daran gewöhnen…
Was mir
von diesem Tag in Erinnerung geblieben ist, weil es mir sehr wehgetan hat, war
die Aussage eines kleinen Mädchens.
Wir saßen
beim Mittagessen, Jonathan schaute über meine Schulter zum Nachbartisch und
dort saß das Mädchen –sie war vielleicht 2 oder 3- mit ihren Eltern und aß zu
Mittag. Sie schaute Jonathan sehr intensiv an und sagte dann: „Papa schau mal,
das Baby ist SOOO HÄSSLICH!“….ihren Eltern war das offensichtlich sehr
peinlich, hatten die doch sofort bemerkt das Joni nicht gesund ist. Ich war
nicht böse oder sauer..das war die Aussage eines Kindes, Kinder reden wie sie
denken und das ist auch gut so! Trotzdem.. ich hatte dicke Tränen in den Augen
und musste mehrfach schlucken. Ich weiß das mein Sohn „anders“ aussieht, ich
sehe es ja selbst..aber es ausgesprochen zu hören war schon schlimm.
Aber bis
auf diese Punkte: war der Ausflug in den Zoo genau so toll wie wir ihn uns
ausgemalt hatten! Natürlich hat Jonathan nicht über den ganzen Zoobesuch hinweg
aufmerksam alle Tiere angeschaut – das kann man ja noch nicht mal von einem
gesunden Einjährigen erwarten, also erst Recht nicht von ihm! Aber er hat
Giraffen, Zebras und besonders die Elefanten bestaunt! Ein Elefant stand direkt
vor uns und hat mit dem Rüssel gewedelt: Jonathan war völlig weggetreten vor
Faszination über dieses große Tier! Deswegen hat er als Erinnerung auch einen
Mini-Elefanten aus Plüsch bekommen. 8o)
In den
nächsten Tagen erzählten wir jedem wie toll unser Ausflug gewesen war. Wie sehr
wir es genossen hätten etwas „normales“ zu tun und einfach mal gemeinsam Spaß
zu haben!
Allerdings
schlief ich trotz dieses schönen Erlebnisses jede Nacht ein bisschen
schlechter, mir drehte sich der Magen um und ich hatte das Gefühl nicht mehr
atmen zu können: der OP-Termin kam näher…
Rota-Viren
Und dann
saßen wir abends mit Jonathan auf der Couch und gaben ihm die letzte
Milchflasche des Tages. Er trank – und spuckte die Milch wieder aus. Naja, ab
und an passiert das ja mal. Aber irgendwie…hatte ich auf einmal ein komisches
Gefühl! Ich sagte zu meinem Mann das er auch mittags nach dem Gläschen gespuckt
habe und nun schon wieder? Komisch…aber ok.
Wir haben
nicht weiter darüber nachgedacht und ihn gekuschelt damit er einschlafen
konnte. Aber er setzte sich hoch und…spuckte schon wieder. Hmmm…also jetzt
wurde es mir mulmig! Das hatte er ja noch nie gemacht!
Um es
kurz zu machen: das war erst der Anfang. In dieser Nacht hörte Jonathan nicht
mehr auf sich zu übergeben und bekam auch Durchfall. Er trank zwischendurch
immer wieder Milch und auch Tee, Flüssigkeit nahm er also auf – aber er erbrach
alles wieder. Immer und immer wieder…er war völlig erschöpft und gegen Morgen
war keine Flüssigkeit mehr da die er hätte ausspucken können, aber er würgte
sich trotzdem unfassbar stark. Ich war nun soweit den Notarzt anzurufen.
Und in
diesem Moment ging es ihm augenscheinlich besser: weder Erbrechen noch
Durchfall, er entspannte sich und konnte ein wenig schlafen. Das habe ich auch
getan. Aber kaum öffnete der Kinderarzt, habe ich dort angerufen und
geschildert wo das Problem lag. Ich solle sofort in die Praxis kommen bekam ich
gesagt.
Jonathan
ist mein zweites Kind und man entwickelt ja schon ein Gespür dafür wann eine
Erkrankung schlimmer ist…an diesem Morgen habe ich ernsthaft überlegt schon
eine Tasche mit Klamotten für die Klinik zu packen und mit zum Arzt zu nehmen.
Aber dann habe ich gedacht: das ist dann die SELBSTERFÜLLENDE PROPHEZEIHUNG!
Das kann ich nicht machen, denn sonst lande ich auf jeden Fall im Krankenhaus…
Also bin
ich ohne Tasche zum Arzt gefahren.
Jonathan
war munter und hat geplappert und gestrampelt. Der Arzt kam und ich habe
erzählt wie die Nacht so war. Er hat sich alles angehört, dabei gefragt was wir
vor 2-3 Tagen gemacht hätten (ich sagte das wir im Zoo waren) und Jonathan dann
ausgezogen bis er den nackten Bauch vor sich hatte. Dann hat er vorsichtig eine
Hautfalte zwischen die Finger genommen, hochgezogen, losgelassen und ein
niederschmetterndes Urteil gefällt:
„Es tut
mir wirklich total leid. Aber Sie müssen in die Klinik fahren. Jonathan ist
dehydriert und braucht vermutlich eine Infusion. Ich weiß das ist schwer für
Sie…aber wir bekommen das jetzt nicht alleine hin, es ist notwendig! Ok? Ich
telefoniere mit der Klinik und melde Sie an, Sie fahren heim und packen ein
paar Sachen ein. Aber dann fahren Sie bitte SOFORT los. Es könnte sein das
Jonathan die Rota-Viren hat. Ich melde mich in den kommenden Tagen bei Ihnen,
in Ordnung?“
Ich weiß
nur noch dass ich genickt und „Ok“ gesagt habe. Ich vertraute unserem Arzt,
wenn er sagte das es NOTWENDIG war: dann war es das auch…aber mir gingen
tausend Gedanken durch den Kopf: da hatte ich so lange von der Feier zum ersten
Geburtstag geträumt und dann hatten wir den Tag nicht so feiern können wie wir
wollten. Bald sollte die OP durchgeführt werden und wir würden für einige Tage
in der Klinik bleiben müssen. Und JETZT sollte ich da auch hinfahren und wir
würden sicherlich über Nacht bleiben müssen?? Allein beim Gedanken an die
Geräusche und Gerüche ging mir der Hals zu…
Ich
konnte meine Tränen nicht mehr unterdrücken. War mir peinlich, aber ließ sich
nicht ändern. Die Vorstellung das Jonathan heute Abend nicht zu Hause sein
würde war nun mal schlimm für mich. Und auch für Marvin würde das schlimm sein!
Als Jonathan die ersten fünf Monate seines Lebens in der Klinik verbracht hatte
war das für uns „normal“: wir kannten es ja nicht anders. Doch als er dann
wegen der Krampfanfälle einige Tage nicht bei uns war…war das Haus auf einmal
so leer und so still. Das hatten wir alle gespürt und ich hatte wenig Lust
darauf das in den kommenden Tagen schon wieder
zu erleben!
Mir blieb
aber keine Wahl, der Kinderarzt sagte zwar nicht dass Lebensgefahr bestehe –
bat mich aber mich so schnell als möglich auf den Weg zu machen und im
Krankenhaus auf einem Test nach Rota-Viren zu bestehen.
Also bin
ich heimgefahren um die Tasche zu packen und habe mich nun doch geärgert das
ich morgens nicht auf mein Bauchgefühl vertraut und sie schon fertig gemacht
hatte. Beim Packen habe ich dann meinen Mann angerufen und auf den neuesten
Stand gebracht. Er war betroffen und meinte das er leider nicht sofort in
die Klinik kommen könnte: er habe noch
ein paar wichtige Meetings, käme aber am Nachmittag. Und weil er mich
kennt…sagte er auch direkt das er mit seinem Chef sprechen und diesem mitteilen
würde das er morgen nicht zur Arbeit käme, denn sicherlich sollte er bei
Jonathan in der Klinik bleiben??? Ich solle dann gleich ein paar Sachen für ihn
mit einpacken. Große Erleichterung meinerseits…spätestens seit den fünf Monaten
Neonatologie sind Kliniken nicht meine Welt. Und dort zu übernachten ist für
mich eine Horrorvorstellung. Wenn ich müsste würde ich es tun – aber wenn ich
nicht muss, bin ich sehr froh.
Dann noch
meinen Vater anrufen: er musste bei Schulschluss an der Schule stehen und
Marvin abholen, ihm erklären das Jonathan in der Klinik sei. Ich würde mich
melden und Marvin dann später bei meinen Eltern abholen.
Danach
habe ich also alles gepackt, vor allem die Medikamente!, und bin losgefahren.
Nach 45 Minuten waren wir da und sind in die Kinderklinik gegangen. Wie
versprochen hatte unser Arzt uns schon angekündigt und auch erwähnt das wir
bitte NICHT im Wartezimmer sitzen sollten – also hat man uns in ein
Sprechzimmer gebracht.
Jonathan
meckerte ein bisschen und ich dachte das ich die Wartezeit ja damit überbrücken
könnte das ich ihm ein wenig Tee gäbe. Er trank…und trank…und trank…am Ende
waren es 170ml Tee, quasi in einem Zug. Das war das Vielfache von dem was er
sonst trank. Und in diesem Moment war mir klar: hier stimmt etwas ganz und gar
nicht!!
Der Arzt
kam und ich schilderte ihm die Situation. Er stellte Fragen und machte sich
Notizen. Begutachtete Jonathan und nahm ihm schließlich Blut für ein Blutbild
und eine BGA (Blutgasanalyse) ab. Das Ergebnis kam schon nach kurzer Zeit:
Jonathan war immens dehydriert und benötigte SOFORT eine Infusion. Also SOFORT.
Ein paar Stunden später…und es wäre nichts mehr zu machen gewesen.
Vielleicht
wäre ein gesundes und normal gewachsenes Kind nach einer Nacht nicht so
ausgetrocknet, aber Jonathan ist eben anders. Viel kleiner und nicht so
widerstandsfähig. Zudem leidet er an diesem unkontrollierten Elektrolytverlust
der das Ganze nicht besser macht.
Wir
wurden also auf Station geschickt. Dort legte man Jonathan einen Zugang in den
Arm und er bekam Kochsalzlösung sowie ein Medikament gegen Übelkeit/Durchfall. Weiterhin
wurde eine Stuhlprobe genommen um auf Rota-Viren zu testen.
Ja: da waren
wir nun. Im Krankenhaus. Schon wieder. Ich konnte es nicht fassen. Wenigstens
hatten wir ein Einzelzimmer. Immerhin!!
Ich habe
ein wenig mit Jonathan gespielt und dann hat er geschlafen: klar, er war müde
weil er in der Nacht kaum zur Ruhe gekommen war. Irgendwann kam dann mein Mann und hat „übernommen“.
Ich bin nach Hause gefahren um mich um Marvin zu kümmern.
Die
Wohnung fühlte sich genauso leer und still an wie ich mir das gedacht hatte.
Und Marvin hatte Angst, auch das hatte ich vorausgesehen. Wie ging es seinem
Bruder? Würde er wieder nach Hause kommen? Dieser Abend war nicht schön…
Mein Mann
meldete sich zwar und sagte das es Jonathan so weit gut gehe: er habe noch
Durchfall, aber sich nicht mehr erbrochen und sei ansonsten recht fit. Die
Angst blieb trotzdem.
Am
nächsten Morgen bin ich in die Klinik gefahren, auch an diesem Tag würde Marvin
nach der Schule zu seinen Großeltern gehen. Mein Mann erzählte das die Nacht
recht ruhig gewesen sei, Jonathan gehe es soweit gut. Die Ärzte würden Tests
machen um zu schauen warum Jonathan diesen Brech-Durchfall hatte. Und ansonsten
würde mein Mann jetzt gerne heimfahren und duschen - denn die Dusche in der
Klinik…war nicht besonders hygienisch. (Wir haben im Nachgang dieses Klinikaufenthaltes
der Klinikleitung eine Beschwerde per Email zukommen lassen, mehr möchte ich zu
diesem Thema an der Stelle nicht erläutern.) Wir vereinbarten dass ich tagsüber
bei Jonathan bleiben würde, dann könnte mein Mann auch noch ein wenig arbeiten,
er würde gegen Abend wiederkommen.
Also habe
ich Jonathan gekuschelt, mit ihm gespielt, ihn gefüttert: er aß recht gut.
Hatte aber immer noch Durchfall. Sehr stark sogar. Ansonsten war er fit.
Nach dem
Mittagessen wurde Jonathan müde. Da wir ein Einzelzimmer hatten stand das
Klappbett meines Mannes noch aufgeklappt im Raum und ich habe mich mit Jonathan
zusammen zu einem Mittagsschlaf hingelegt. Mit ihm im Arm habe ich die nötige
Ruhe gefunden um zu schlafen.
Doch auf
einmal wurde ich wach weil jemand den Raum betrat. Ich blickte verschlafen hoch
und sah…den Chirurgen der Jonathans Hodenhochstand festgestellt und uns auf der
Intensivstation besucht hatte. „O, hallo! Was machen SIE denn hier?“ fragte ich
ihn. Und er sagte: „Ich wollte Sie nicht wecken, aber ich habe gelesen das
Jonathan schon wieder hier ist und wollte nach Ihnen sehen.“. Er ist einfach so
ein toller Mensch!! Wir haben geredet und er meinte das wir in Kontakt blieben
wegen der geplanten OP: wir müssten ja erst schauen was nun bei den Tests
herauskäme und wie es Jonathan in den nächsten Tagen gehen würde – eventuell
müssten wir die OP auch verschieben.
An diese
Möglichkeit hatte ich noch gar nicht gedacht…
Nachmittags
kam eine Schwester zu uns und verkündete das die Ergebnisse der Tests vorlägen:
Jonathan habe den Rota-Virus. Ich konnte es nicht fassen! Das war doch ein voll
schlimmer Virus, oder?? Aber die Schwester beruhigte mich: ganz ohne sei es für
Personen mit schlechtem Immunsystem natürlich nicht, aber Jonathan sei ja schon
unter Beobachtung. Man könne regelmäßig kontrollieren dass er nicht dehydriere.
ABER: wir stünden nun unter „Quarantäne“. Heißt: beim Betreten und Verlassen
der Station mussten wir uns EXTREM gut die Hände und Unterarme desinfizieren.
Wenn wir auf Station waren durften wir nicht ins Gemeinschaftszimmer für die
Eltern gehen, alles was wir benötigten würden uns die Schwestern bringen. Okay:
das hatte ja ein wenig den Anschein von Luxusurlaub! 8o))
Und wie
lange würden wir hier bleiben müssen?, habe ich sofort gefragt. Denn mit solch
einem Virus war doch vermutlich wieder ein längerer Krankenhausaufenthalt
vorprogrammiert!! Aber die Schwester beruhigte mich: nur ein paar Tage bis der
Durchfall besser sei, dann könnten wir gehen. Ansteckend sei Jonathan nur
während des akuten Durchfalls, danach nicht mehr.
Diese
Aussagen beruhigten mich. Durchfall, Erbrechen…Flüssigkeitsverlust und das in
Verbindung mit dem ohnehin bestehenden Elektrolytverlust: da waren schon Ängste
hochgekommen…solche Erkrankungen haben schon mehr als ein Kind mit MOPD I das
Leben gekostet! Doch was die Schwester sagte hörte sich vernünftig und
beruhigend an…dann wollten wir mal die „paar Tage“ in Angriff nehmen bis wir
wieder nach Hause konnten!!
In den
nächsten Tagen ging es Jonathan zunehmend besser: der Durchfall wurde seltener
und ließ nach. Der kleine Mann war munter, hatte kein Fieber. Die Ärzte teilten
uns bei der Visite mit, dass wir am kommenden Tag nach Hause dürften - wenn
alles so blieb wie es jetzt war. Das waren gute Nachrichten!! Besonders für
meinen Mann: er war jede Nacht in der Klinik geblieben. Ich löste ihn morgens
ab und dann ging er arbeiten, um danach wieder in die Klinik zu kommen. Er
freute sich also bald wieder in seinem eigenen Bett schlafen zu können!!
Doch dann
machte Jonathan uns fast einen Strich durch die Rechnung!! Denn er aß und trank
nicht richtig…er nahm nur winzige Portionen zu sich, selbst mit seinem
Lieblingsessen konnte man ihn nicht locken. Wir waren ratlos: es ging ihm doch
wieder recht gut, warum hatte er dann keinen Appetit??
Ich habe
es schon in einem vorangegangenen Beitrag erwähnt…HOSPITALISIERUNG. Auch wenn
Jonathan SEHR klein gewesen war und man immer meint, dass so kleine Babys
nichts um sich herum mitbekommen…tun sie das sehr wohl! Und zwar mehr als wir
uns vorstellen können. Die Monate auf der Neonatologie haben Spuren
hinterlassen, nicht nur bei uns – auch bei Jonathan. Bis heute hat er RICHTIGE
Panik wenn er einen Menschen mit Mundschutz und/oder Einweghandschuhen sieht:
er schreit, dreht sich weg und fängt an zu zappeln…und sobald er stationär in
einem Krankenhaus ist: stellt er die Nahrungsaufnahme fast komplett ein. Und
das tat er nun auch…
Das
Problem war: seine Blutwerte wurden schlechter weil er zu wenig aß und trank.
Die diensthabende Ärztin kannte uns nicht und konnte die Situation somit auch
nicht einschätzen. Sie teilte uns am kommenden Vormittag mit, dass die Blutwerte
nicht gut seien und wir „lieber noch einige Tage bleiben sollten“. Was ich
vehement ablehnte weil ich wusste, dass sich an den Werten nichts ändern würde:
Jonathan würde hier in der Klinik nicht richtig essen. Das habe ich ihr auch
erklärt…aber sie glaubte mir nicht. (Im Entlassungsbericht hat sie mich
richtiggehend als hysterisch dargestellt und betont das ICH auf eine Entlassung
gedrängt hätte die SIE nicht befürwortet weil es NICHT GUT für das Kind sei.)
Wir haben
uns zuerst auf einen Kompromiss geeinigt: wir würden bis zum Nachmittag bleiben
und dann erneut eine Blutkontrolle durchführen. Dann würden wir weiter sehen.
Der Tag
verging, Jonathan aß nicht. Eine Schwester erzählte uns das es in jedem
Drogeriemarkt einen „Heilschleim“ geben würde: hochkalorisch und geeignet bei
und gegen Durchfallerkrankungen. Also bin ich losgefahren und habe eine Packung
besorgt. Davon hat Jonathan wenigstens eine kleine Menge getrunken. Ein Anfang!
Aber
leider war es nicht genug, denn die Blutwerte am Nachmittag waren unverändert
schlecht. Die Ärztin wollte uns also definitiv nicht entlassen. Meine Einwände
dass ich mein Kind besser kenne als sie und WEISS das er zu Hause ausreichend
essen und trinken wird, ließ sie nicht gelten. Es wäre LEBENSGEFÄHRLICH mit ihm
so nach Hause zu gehen und sie würde noch nicht einmal unterschreiben wenn wir
auf eigene Gefahr gehen wollten – mussten wir uns dann anhören. Daraufhin habe
ich angefangen mit der Ärztin zu streiten, allerdings in einem auf meiner Seite
normalen Tonfall.
Ich habe
ihr erklärt dass es auch lebensgefährlich ist wenn mein Kind nicht genug isst
und trinkt! Eine Sondenernährung bringt hier auch nur kurzfristige Hilfe weil
es an der Situation grundsätzlich ja nichts ändern wird: Jonathan ist
hospitalisiert. Dieses Wort war der Ärztin leider scheinbar fremd, ihre
Kommentare und ihr Tonfall mir gegenüber ließen mittlerweile auch zu wünschen
übrig. Irgendwann reichte es mir und ich habe ihr erklärt das die Klinik kein
Gefängnis sei, in dem sie uns festhalten könne wie es ihr beliebe und wir bitte
ihren Vorgesetzten sprechen möchten um die Thematik mit ihm zu erläutern.
An der
Stelle möchte ich allen denen die mich nicht persönlich kennen sagen das
Jonathans Wohlergehen für mich IMMER an erster Stelle steht! Und wenn ich spüre
das ein Krankenhausaufenthalt notwendig und wichtig ist: dann wird dieser von
mir NIE in Frage gestellt. Aber ich kenne meinen Jungen besser als alle Ärzte
und merke deswegen auch genau wann ein Krankenhausaufenthalt mehr kaputt als
heil macht! Und dann werde ich zur Löwenmutter die die Klauen ausfährt und
kämpft…ich lasse mir dann auch nicht alles bieten nur weil jemand der vor mir
steht studiert hat und einen weißen Kittel trägt.
Vermutlich
war es unser Glück das der diensthabende Vorgesetzte an diesem Tag unser
behandelnder Neurologe war. Er kam nicht persönlich zu uns, ein Blick in die
Akte und auf den Namen des Patienten genügte ihm um der Ärztin zu erklären dass
wir als Eltern die Situation einzuschätzen in der Lage seien, das wir ein sehr
gutes Gespür für unser Kind hätten und – sollte es die Situation erfordern!-
auch wiederkommen würden - falls die Entlassung nicht den gewünschten Erfolg
bringe.
Alles das
teilte uns die Ärztin durch zusammen gebissene Zähne mit. Den
Entlassungsbericht würde sie uns zuschicken und wir könnten nun gehen, aber sie
möchte noch einmal betonen dass sie findet dass es die falsche Entscheidung
ist.
Aber: es
war die richtige Entscheidung! Wir waren noch keine Stunde zu Hause in
Jonathans gewohnter Umgebung als er eine große Milchflasche trank und danach
glücklich einschlief.
Ok: der
Korrektheit halber muss ich auch sagen dass er sich an diesem Tag erneut
übergeben hat. Und das er auch weiterhin Durchfall hatte – doch nicht mehr so
schlimm. Er trank und aß und man merkte ihm an das er glücklich war…er war
wieder zu Hause!!
Die
Entlassung aus der Klinik war samstags, und montags bin ich zur Sicherheit zu
unserem Kinderarzt gefahren. Nur mal nachschauen lassen ob auch WIRKLICH alles
ok ist und es Joni gut geht.
Das war
der Fall. Er war nicht mehr dehydriert und der Arzt war zufrieden mit seinem
Aussehen und dem was ich über seinen Zustand zu berichten hatte. Ich habe ihm
dann erzählt das die Ärztin es als „lebensgefährlich“ beschrieben hat nach
Hause zu gehen, worüber er sich maßlos aufregte und sagte das das total
übertrieben war und uns vermutlich nur dazu bewegen sollte in der Klinik zu
bleiben.
An der
Stelle kann ich wirklich nur allen Eltern sagen: hört auf euren Bauch!! Sagt
eure Meinung! Ärzte wissen auch nicht alles und IHR kennt euer Kind VIEL BESSER
als jeder andere….
OP von
Hodenhochstand und Leistenbruch
Jetzt
hatte eine neue Woche begonnen, wir waren grade aus der Klinik nach Hause
gekommen – und sollten noch diese Woche wieder einrücken zur OP. Das war alles
ganz schön viel für mich! Ich schlief schlecht und hatte Magenprobleme…
Am
Dienstag vormittag, wir waren zu Hause und hatten alle Termin abgesagt damit
Jonathan sich erstmal erholen konnte, klingelte das Telefon. Unser
„Lieblingschirurg“ war dran. Er wollte wissen wie es uns, vor allem aber
Jonathan, gehe. Ich habe ihm erklärt wie die Situation ist und das er die
Rota-Viren hat/hatte.
Daraufhin
beschloss der Arzt dass die OP verschoben werden würde. Es sei zu riskant zu
operieren wenn Jonathan noch so geschwächt sei. Die Kinderklinik würde sich bei
uns melden um einen neuen Termin zu vereinbaren.
Ich war
erleichtert. Unendlich erleichtert! Ein Aufschub! Dann konnten wir alle erstmal
den letzten Klinikaufenthalt verkraften und durchatmen. Neue Kraft tanken!!....
Und uns
um eine andere „Baustelle“ kümmern….
Diejenigen
die meinen Blog schon länger verfolgen wissen dass wir mit Jonathan in einem
Augenärztlichen Zentrum waren und unser Besuch dort nicht von Erfolg gekrönt
war: sein Augeninnendruck, seine Netzhaut und der Augenhintergrund waren immer
noch nicht kontrolliert worden. Wir hatten das die ganze Zeit über im
Hinterkopf, aber noch keinen Augenarzt gefunden der in der Lage gewesen wäre
die notwendigen Untersuchungen bei Jonathan durchzuführen.
Als wir
mit dem Rota-Virus stationär in der Klinik waren, fielen uns dort Umbaumaßnahmen
auf: im Foyer der Klinik war ein Ladengeschäft geschlossen worden, dort
eröffnete einige Zeit später eine Augenklinik! Nach Aussage der Schwestern die
wir befragten, zwar eigenständig und nicht eine Station des Krankenhauses, aber
trotzdem im Haus und mit Zugang zu OP´s und Instrumenten für Kinder von
Jonathans Körpergröße.
Da die OP
verschoben worden war nutzten wir die Zeit und vereinbarten in der Augenklinik einen
„Kennenlern-Termin“. Wieder sagte ich am Telefon worum es mir ging und wo die
Probleme bei Jonathan lagen, doch nun konnte ich hinzufügen das die Augenklinik
sich bitte die Unterlagen der Kinderklinik aushändigen lassen sollte um sich
einen Überblick zu verschaffen.
Das wurde
mir zugesagt und ein Termin vereinbart.
Der
Termin verlief auch völlig unproblematisch. Der Arzt der uns erwartete hatte
sich in groben Zügen über das Krankheitsbild informiert. Er teilte uns mit das
er versuchen würde den Augendruck in diesem Termin zu messen, während Jonathan
wach sei. Und es klappte auch: Jonathan machte gut mit und ließ sich die
Untersuchung ohne zu meckern gefallen. Auch das Ergebnis war super: der
Augendruck lag im normalen Bereich.
Nun
wollte der Arzt noch einen Blick auf den Augenhintergrund werfen: dazu nahm er
eine Art Prisma und eine Lampe in die Hand, strahlte mit der Lampe auf das
Prisma und hielt letzteres vor Jonathans Augen. Das gefiel dem kleinen Mann nun
allerdings ÜBERHAUPT nicht und er fing an sich zu winden und zu beschweren.
Diese Untersuchung verlief demnach ohne Ergebnis: der Arzt konnte so überhaupt
nichts erkennen. Im Grunde hatte er das schon erwartet, verriet er uns – aber
einen Versuch war es wert gewesen.
Der Arzt
erklärte uns, das man den Augenhintergrund definitiv noch einmal genauer
ansehen sollte, dies sei dann wohl aber nur mit einer kurzen Vollnarkose
möglich. Während dieser Narkose hätte man aber die Möglichkeit auch den
Augendruck noch einmal mit einem anderen, besseren!, Gerät zu ermitteln und das
Ergebnis sozusagen zu verifizieren.
Wer nun
genau auf die Idee kam weiß ich heute nicht mehr…aber irgendwann stand die Idee
im Raum, nach der Operation von Leistenbruch und Hodenhochstand die Kollegen
der Augenklinik in den OP zu holen, damit sie die notwendigen Untersuchungen
durchführen könnten während Jonathan in Narkose lag. Dann hätte man die
Augenärztliche Untersuchung „in einem Aufwasch“ mit erledigt: Jonathan müsste
nur EINE Narkose für zwei Untersuchungen bekommen!! Die Narkose würde maximal
15 Minuten länger andauern müssen als es ohne die Augenärztliche Untersuchung
der Fall wäre.
Für mich
hörte sich das nach einem guten Plan an!!!
Aber die
Organisation gestaltete sich schwierig….
Die
Kinderklinik hatte mit uns telefoniert um einen neuen Termin für die Operation
zu vereinbaren. In diesem Telefonat hatte ich darauf hingewiesen das auch die
Kollegen der Augenklinik mit ins Boot geholt werden müssten zwecks
Terminabsprache. Daraufhin teilte man mir mit das man Rücksprache mit den
Chirurgen, der Augenklinik und auch unserem Kinderarzt halten wolle und sich
wieder melden werde.
Das hat
die Kinderklinik auch getan: man hat uns einen Termin mitgeteilt an dem wir
stationär aufgenommen würden. An diesem Tag sollten Gespräche mit den
Chirurgen, mit der Augenklinik und mit dem Narkosearzt zwecks Narkoseaufklärung
stattfinden – einen Zettel mit den Uhrzeiten zu denen wir bei den verschiedenen
Ärzten erscheinen sollten hatte man uns mitgeschickt. Nachdem wir diese Termine
wahrgenommen hatten würde einer von uns (mein Mann) mit Jonathan in der Klinik
übernachten, damit man überwachen könne dass der kleine Mann auch nüchtern
bliebe und am nächsten Morgen finde dann die OP statt. Die Kollegen der
Augenklinik kämen dann gegen Ende der OP dazu und würden ihre Untersuchungen
durchführen. Danach sollten wir, wenn alles komplikationslos verlaufe, noch
einen oder zwei Tage stationär bleiben und könnten dann nach Hause gehen.
Das hörte
sich gut an. Wenn es denn so einfach gelaufen wäre! Was natürlich nicht der
Fall war…
Wir kamen
am Tag der Aufnahme in der Klinik an und meldeten uns in der Kinderklinik. Wir
wurden aufgenommen und auf Station geschickt wo man uns unser Zimmer zeigte und
wir uns ein wenig „einrichteten“. Und nun fingen schon die ersten Probleme an:
wir hatten die Elektrolyte die Jonathan täglich benötigte nicht mitgebracht –
schließlich befanden wir uns in einer Klinik und es waren keine seltenen oder
außergewöhnlichen Medikamente, also hatten wir gedacht das es sicherlich kein
Thema wäre sie für uns dort zu besorgen. Aber weit gefehlt: die aufnehmende
Schwester fand es mehr als problematisch diese Substanzen zu organisieren und
hat uns sehr vehement erklärt das wir in Zukunft ALLES mitbringen müssten was
Jonathan an Medikamenten benötige. Okay: wir werden es beherzigen!
Zum Glück
hatten wir alle anderen Medikamente (gegen die epileptischen Anfälle, gegen den
Bluthochdruck und zum Speichern der Elektrolyte dabei: bei diesen Medikamenten
hatten wir nicht gewusst ob sie vorrätig waren).
Um es
vorweg zu nehmen: die Elektrolyte wurden für uns besorgt, aber wir durften sie
nicht mit in unser Zimmer nehmen. Wir mussten immer wenn eine Gabe anstand zu den
Schwestern gehen, diese zogen dann die Dosis auf und brachten es uns - irgendwann
wenn sie Zeit dafür hatten. So lange diese Medikamente nicht gegeben waren
konnte Jonathan aber auch nichts essen: erst essen und dann Elektrolyte führt
bei ihm zu Erbrechen….das ganze Vorgehen war lachhaft: wir machten das zu Hause
ja auch immer allein und ohne Überwachung und das seit fast einem Jahr!! Und:
über alle Medikamente die wir dabei hatten mussten wir die Schwestern NICHT
informieren!!
Am
zweiten Tag des Klinikaufenthaltes habe ich alles von zu Hause mitgebracht
damit wir „autark“ handeln konnten. Und das haben wir auch genauso
kommuniziert.
Aber
zurück zum Tag der Aufnahme.
Nachdem
wir uns auf Station eingerichtet hatten sollten wir zum Gespräch mit unseren
Chirurgen gehen. Ja: CHIRURGEN, Mehrzahl. Ursprünglich war ja unser Wunsch
gewesen das der Arzt Jonathan operieren sollte den ich versehentlich für einen
Medizinstudenten gehalten hatte. Aber nachdem der andere Kinderchirurg der
Klinik sich so liebevoll immer wieder nach uns erkundigt hatte und bei einem
Gespräch auch den Wunsch geäußert hatte Jonathan operieren zu wollen…hatte man
sich verständigt das eben einfach BEIDE die OP GEMEINSAM durchführen würden.
8o))
Also
haben wir die beiden in ihrem Büro aufgesucht. Sie haben Jonathan untersucht
und mit uns die Modalitäten der OP besprochen: was wird genau gemacht, wie
lange wird es dauern, wo liegen die Risiken…mir war ja nicht so ganz wohl bei
der Vorstellung das mein kleines Würmchen eine Vollnarkose und eine circa
3stündige OP haben würde. Aber wie mir schon bei der Voruntersuchung erklärt
worden war: es war wirklich notwendig. Da musste ich wohl oder übel die Zähne
zusammen beißen!!
Nach
diesem Gespräch sollten wir zur Augenklinik gehen und auch dort alles
besprechen.
Augenklinik…bis
heute ein Reizwort bei mir! Denn diese Augenklinik in unserem Krankenhaus ist
zwar bestens für uns geeignet weil alle notwendigen „Geräte“ für unseren
kleinen Mann zur Verfügung stehen und man bestimmte Untersuchungen hier auch
ohne großen Aufwand in Vollnarkose durchführen kann….aber!!
1. sind (zumindest
einige) der Damen am Empfang unmöglich: sie sind inkompetent, oft unfreundlich
und SEHR langsam…
2. sind
die Wartezeiten hier schlichtweg unverschämt!!! Es muss ja nicht sein das man
mit einem Baby einen Termin ausmacht und dann trotzdem 3 Stunden in einem total
überfüllten Wartezimmer ausharren muss, oder??? Na gut…vielleicht liegt das
auch einfach an den Damen am Empfang die nicht in der Lage sind Termine
ordentlich zu koordinieren…
Auf jeden
Fall war es eine größere Herausforderung unser Gespräch mit einem Arzt der
Augenklinik bezüglich der OP zu bekommen.
Eigentlich
war ja alles schon besprochen, angekündigt und auch geplant. EIGENTLICH. Aber
die Dame am Empfang mit der ich gesprochen habe um mich anzumelden wusste
überhaupt nicht um was es geht. Oder wollte es nicht verstehen. Ich habe ihr
erklärt das ich einen Zettel von der Kinderklinik dabei habe in dem ich gebeten
werde JETZT in der Augenklinik zu erscheinen und über die anstehende OP zu
reden.
Das
reichte der Dame aber nicht als Information: sie habe keine Akte von uns.
Gut…das ist aber eigentlich nicht mein Problem, schließlich waren wir schon zu
einer Untersuchung mit Jonathan in der Augenklinik, die anstehende OP war mit
den Augenärzten geplant worden und wenn dort keine Akte angelegt worden war,
war das sicherlich nicht MEIN Versäumnis.
Ich habe
ihr dann den Vorschlag gemacht dass sie ja wegen der medizinischen Unterlagen
in die Akte der Kinderklinik schauen könnte??? Aber das war technisch nicht
möglich, sie habe keinen Zugriff. Okay….von unseren Chirurgen hatten wir einen
Bogen mit Aufklebern (typische Krankenhausaufkleber mit Name, Geburts-Datum und
Patientennummer von Jonathan) und weitere „Laufzettel“ bekommen die wir in der
Augenklinik abgeben sollten: also habe ich diese Sachen auf den Tresen gelegt
und gemeint das diese Unterlagen uns von Dr. …. ausgehändigt worden seien.
Daraufhin wurde ich gefragt wer dieser Arzt sei??? Ich antwortete dass es der
Chirurg ist. Leider war es aber auch mit diesen Unterlagen nicht möglich uns zu
unserem Gespräch vorzulassen.
Wir
bräuchten von der Kinderklinik weitere Unterlagen, erst dann könne in der Augenklinik
eine Akte angelegt werden.
Langsam
wurde ich ungehalten!! Wenn es gar keine Akte gab, wieso hatte ich dann JETZT
einen Termin zum Gespräch bekommen???
Also habe
ich noch einmal versucht der Dame zu erklären dass wir Unterlagen von den
Chirurgen bekommen hätten und die OP doch schon gemeinsam mit der Augenklinik
geplant sei. Daraufhin wurde ich von ihr zum zweiten Mal gefragt wer denn
Dr….sei. „Immer noch der Chirurg der Kinderklinik!“ konnte ich mir nicht
verkneifen zu sagen. So eine Unfähigkeit machte mich echt rasend! Und langsam
ließ auch der Ton der Dame zu wünschen übrig. Sie beharrte darauf das sie
weitere Unterlagen benötige sonst könne sie uns nicht aufnehmen.
Gut, da
war wohl nichts zu machen. Also sind mein Mann, Jonathan und ich wieder zurück
zu den Chirurgen gelaufen und haben bei ihnen geklopft. Wir haben erklärt dass
wir nicht vorgelassen werden und nicht verstehen wo das Problem genau liegt?
Eine Akte MUSSTE doch existieren!! Und die Unterlagen die die Chirurgen uns
mitgegeben haben reichten offensichtlich nicht aus.
Mein
„Medizinstudent“ meinte dann wir sollten uns entspannen und Platz nehmen, er
gehe jetzt zur Augenklinik und kläre das für uns.
Keine 10
Minuten später war er wieder da, hat mit den Augen gerollt und gesagt das wir
nun einen zweiten Versuch starten und uns dort anmelden gehen könnten.
Ich weiß
nicht was er dort gesagt oder gemacht hat, aber so freundlich und zuvorkommend
wie die Dame am Empfang urplötzlich war habe ich sie bis heute nicht wieder
erlebt. Auf einmal waren die Unterlagen ausreichend, die Anmeldung kein Problem
und scheinbar war auch die Akte wieder aufgetaucht. Warum war es plötzlich so
einfach? Keine Ahnung, ich möchte es auch gar nicht wissen….egal!! Wir waren
nun im Wartezimmer und das war ja das Wichtigste!!
Nach
geraumer Wartezeit wurden wir dann auch ins Sprechzimmer gerufen. Der Arzt ist
mit uns noch mal im Detail durchgegangen was am kommenden Tag für
Untersuchungen in der Narkose gemacht würden: der Augendruck würde noch einmal
genauer gemessen werden und man würde sich den Augenhintergrund anschauen.
Maximale Dauer der Untersuchung: 15 Minuten. Danach würden wir sofort das
Ergebnis erhalten.
Hörte
sich gut an. Und nun.. der letzte Punkt auf der To-Do-Liste: Gespräch mit dem
Narkosearzt.
Also
haben wir uns auf den Weg gemacht. Gar nicht so einfach sich in dieser Klinik
nicht zu verlaufen! Alles sehr verwinkelt gebaut und die Anästhesie ist auch
noch in einem anderen Stockwerk.
Aber wir
haben es gefunden und uns angemeldet. Dann wurden wir in den Wartebereich
gebeten, aber außer uns war niemand da: es würde also nicht so lange dauern.
Und das hat es auch nicht. Schon nach wenigen Minuten wurden wir vom
Anästhesisten abgeholt (ich kannte ihn sogar: Marvin war vor einigen Jahren
auch schon mal in dieser Klinik operiert worden und damals war er auch
derjenige der mit mir das Narkosegespräch führte).
In seinem
Büro angekommen haben wir dann kurz besprochen was genau operiert werden würde,
wo die Risiken der Narkose lagen und wie lange es in etwa insgesamt dauern
würde. Wir haben ihn dann darauf hingewiesen das Jonathan unter einem sehr
seltenen Gendefekt leidet. Natürlich war ihm diese Erkrankung nicht bekannt und
er wollte nähere Informationen darüber haben. (Es war zudem auch unsere erste
OP und niemand wusste ob und was für Auswirkungen die Narkose haben würde. Da war
es sinnvoll in der Literatur zu stöbern!)
Ich
schweife mal kurz ab: wir haben einen Leitz-Ordner voller Unterlagen über
Jonathan – Arztbriefe, Untersuchungsergebnisse und auch alle Informationen die
es über MOPD I im Netz gibt. Inklusive der Unterlagen die unsere
Humangenetikerin uns zur Verfügung gestellt hat. Dieser Ordner war…zu Hause.
Blöderweise. Wir hatten SO VIEL Gepäck dabei für diesen Klinikaufenthalt:
Klamotten, Spielzeug, Bücher, Kuscheltiere und ein Kopfkissen für Jonathan…und
natürlich hatte mein Mann auch eine Tasche für sich dabei. Wir hatten den
Ordner schlichtweg vergessen…
..und
ärgerten uns jetzt maßlos darüber! Denn wir hätten alle gewünschten
Informationen mit einem Handgriff liefern können…aber ok: es war jetzt nun mal
wie es war. (Seitdem haben wir den Ordner aber NIE mehr vergessen wenn wir
einen Arzttermin hatten!)
Da wir
uns intensiv mit dem Krankheitsbild beschäftigt hatten, konnten wir einige
Internetadressen mit Informationen auch auswendig benennen. So suchte der
Narkosearzt sich die Infos zusammen. Das dauerte natürlich ein wenig. Naja: es
dauerte ein wenig länger…wir hatten nicht gedacht das wir SO LANGE hier sitzen
würden. Jetzt war die Zeit gekommen zu der Jonathan Hunger bekommt. Zum Glück
hatten wir den Wickelrucksack mit allem nötigen dabei. 8o)
Also habe
ich ihm eine Flasche gemacht während mein Mann und der Arzt im Internet
surften. Aber Jonathan fand das alles hier viel zu SPANNEND um anständig zu
essen. Wir würden es dann später noch einmal versuchen, wir wollten sehen das
er über den Tag ein wenig mehr aß als sonst: er musste ja 6 Stunden vor der OP
nüchtern bleiben und das bedeutete, das er seine gewohnte Flasche in der Nacht
nicht trinken dürfte.
Mir
machte es schon ein wenig Sorgen wie er damit klarkommen würde: würde er in der
Nacht sehr schlimm schreien vor Hunger? Oder würde die ungewohnte Umgebung ihm
sowieso den Appetit verderben?
Immerhin
versprach der Anästhesist das Jonathan ganz früh am Morgen operiert würde:
Kinder seien immer die ersten im OP damit sie nicht unnötig lange ihren Hunger
aushalten müssten.
Außerdem
wollte der Anästhesist alle ausgedruckten Unterlagen einem Spezialisten der
Augenklinik vorlegen. Vermutlich würde dieser bei einem so seltenen
Krankheitsbild selbst mal vorbeikommen wollen.
Wir
hatten damit kein Problem: seit wir wussten welche Diagnose Jonathan hat, haben
wir immer deutlich zum Ausdruck gebracht das die Ärzte gerne über Jonathan
veröffentlichen und in Medizinerkreisen berichten dürfen. (Wenn Bilder von ihm
gezeigt oder gedruckt werden sollen werden wir vorher immer um unser
Einverständnis gebeten.)
Wir
denken dass es hilfreich sein kann so einen seltenen Fall in Medizinerkreisen
bekannter zu machen. Ohne den Bericht der Mutter des Mädchens mit
Elektrolytverlust hätten wir vielleicht unser Medikament nicht bekommen und
ohne dieses Medikament..wäre Jonathan heute vermutlich nicht mehr da. Also: wer
weiß wem es mal hilft medizinische Details über Jonathan zu finden!!! Und
deswegen stimmen wir immer gern zu wenn ein Arzt sich Jonathan genauer anschauen
möchte.
ABER: und
das ist mir an der Stelle wichtig zu erwähnen!! Wir möchten nicht das Jonathan
ein „Versuchskaninchen“ wird und wägen deswegen schon ab ob die durchgeführten
Untersuchungen notwendig sind und ob sie einen Nutzen haben. Wir würden zum
Beispiel nie einer invasiven Untersuchung zustimmen wenn sie nicht absolut
notwendig erscheint!
Ein
Beispiel: Kinder mit dem Gendefekt MOPD Typ 2 (der sich etwas anders darstellt
und auch etwas anders verläuft als Typ 1, aber trotzdem in vielen Punkten
identisch ist) haben eine sehr große Neigung zu Aneurysmen. Ein Aneurysma ist
laienhaft gesagt eine sackartige Erweiterung einer Schlagader in Folge einer
„Verstopfung“: zum Beispiel ausgelöst durch eine Trombose. Die Gefahr hierbei
besteht in der Ruptur, also in einem Riss der Schlagader. Erkennt man ein
Aneurysma im Gehirn rechtzeitig, besteht die Chance es zu „clippen“ - es also
zu entfernen.
Es ist
nicht so genau bekannt ob auch Kinder mit MOPD Typ 1 diese Neigung zu
Aneurysmen haben – bei so wenigen Fällen, die auch noch sehr früh verstorben
sind, kann man es nicht mit Sicherheit sagen. Um zu erfahren ob hier eine
Gefahr droht müsste man in regelmäßigen Abständen ein MRT des Kopfes machen –
natürlich in Vollnarkose, denn Jonathan würde nicht lange genug still halten um
die Untersuchung durchführen zu können. Und: um die Adern wirklich sichtbar zu
machen und kontrollieren zu können müsste man auch ein Kontrastmittel ins
Gehirn einbringen.
Diese
Untersuchung war eigentlich für den Zeitpunkt um seinen 2ten Geburtstag herum
geplant. Gleichzeitig wollte man dabei kontrollieren wie, und ob, sich seine
Hirnwindungen verändert haben.
Einige
Monate vor der geplanten Untersuchung erhielten wir einen Anruf von unserer
Humangenetikerin. Sie hatte mit der zuständigen Neurochirurgin gesprochen und
diese meinte dass man bei Jonathans Kopfgröße ein Aneurysma nicht operieren
könnte. Selbst mit den kleinsten ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten würde
sie bei einer OP vermutlich noch mehr kaputt machen. Fazit: sollte beim MRT ein
Aneurysma gefunden werden – könnte man es nicht operieren ohne noch größeren
Schaden anzurichten. Mein Mann und ich haben uns intensiv unterhalten und
entschieden dass wir in dem Falle gar kein MRT durchführen lassen werden. Denn
diese Untersuchung hätte keinen Nutzen: sollte etwas gefunden werden, könnte
man es nicht operativ beheben. Wir würden mit dem Wissen um ein Aneurysma das
jederzeit rupturieren könnte nur unruhig werden…besser dann gar nichts zu
wissen!!
Das in
dem Falle die Ärzte auch nicht erfahren werden wie die Hirnwindungen heute
aussehen - ist für uns nebensächlich.
Mit
dieser kleinen „Geschichte“ habe ich jetzt aber circa ein Jahr vorgegriffen.
Wir befinden uns ja eigentlich kurz nach Jonathans erstem Geburtstag in der
Klinik und warten auf die OP am kommenden Tag.
Nachdem
wir beim Narkosearzt fertig waren hatten wir alle Termine „abgearbeitet“ und
konnten zurück auf Station. Jetzt hieß es noch ein wenig spielen, das
Abendritual so gut wie möglich so wie zu Hause durchzuführen und Jonathan noch
zweimal zu füttern bevor er nichts mehr zu sich nehmen durfte.
Alle
diese Aufgaben lagen jetzt bei meinem Mann, ich verabschiedete mich und fuhr
nach Hause um mich um Marvin zu kümmern.
An diesem
Abend war ich sehr nervös. Ich hatte extreme Angst vor der Narkose: Jonathan
hatte Bluthochdruck und Epilepsie, er war sehr klein und wog sehr wenig…ich
hatte solche Angst das er aus der Narkose nicht mehr aufwachen würde, das
irgendwas schief gehen würde.
Die
Bilder des Krampfanfalls suchten mich wieder heim…die Angst und die Unruhe die
ich verspürt hatte als ich glaubte mein Kind nicht mehr lebend zu sehen waren
auch wieder da…mein Hals war eng, 1000 Schmetterlinge in meinem Bauch. Aber
trotzdem musste ich äußerlich cool bleiben und Marvin davon überzeugen das
alles gut gehen würde: „Das ist gar kein Problem: so eine OP machen die
täglich! In ein paar Tagen ist Dein Bruder wieder zu Hause!“…glaubte ich das
auch??? Ich MUSSTE es glauben, oder?? Selbsterfüllende Prophezeiung und so….
Irgendwann
in dieser schlaflosen Nacht war ich kurz davor in die Klinik zu fahren und
meinen Mann zu Marvin nach Hause zu schicken weil bei mir das Kopfkino
einsetzte und ich mir vorstellte das dies die letzte Nacht von Jonathan auf
Erden war – und die wollte ICH mit ihm verbringen…ich habe unfassbar doll und
lange geweint. Und bin dann doch zu Hause geblieben weil ich mir selbst gesagt
habe dass ich mich am Riemen reißen muss!!
Auch
diese Nacht ging vorbei, der Wecker klingelte. Ich machte mich fertig, habe
Marvin Schulbrote gemacht und ihm Frühstück hingestellt, ihn geweckt und bin
losgefahren. Ich wollte pünktlich sein, denn es ging ganz früh in den OP.
Mein Mann
und Jonathan warteten in Jonathans Zimmer auf Station auf mich. Was mich direkt
überraschte war: Jonathan war gar nicht weinerlich, OBWOHL er seine gewohnte
nächtliche Flasche UND sein Frühstück nicht bekommen hatte!! Ich war
erleichtert. Denn das ich gestresst, aufgeregt und ängstlich war brauche ich
wohl nicht zu erwähnen. Die Vorstellung dann auch noch ein schreiendes,
hungriges Kind in der Klinik vorzufinden war schon schlimm gewesen…
Ich habe
versucht so normal wie möglich zu sein damit Jonathan nicht merkt das etwas
anders ist als sonst. So ganz geglückt ist mir das nicht, denke ich…aber ich
habe mich bemüht!
Jonathan
hatte seinen (extra aus diesem Anlass gekauften) Jogginganzug an…so würden es
die Ärzte im OP leichter haben ihn auszuziehen UND später könnten die Kabel des
Überwachungsmonitors einfach zwischen dem Reißverschluss ihren Platz finden.
Für mein
Empfinden hatte ich noch nicht genug Zeit mit meinem Jungen verbracht als die Schwester
kam und sagte uns das es nun losginge…wir sollten Jonathan in sein Bettchen
legen, das würde dann von ihr geschoben werden und wir dürften nebenher laufen
– bis zum OP, dann müssten wir uns verabschieden.
Mein Mann
wollte ihn gerne bis zum OP auf dem Arm tragen, aber leider: „Klinikvorschriften“.
Jonathan musste in seinem Bett liegen…das war alles so unwirklich für mich!
Mein klitzekleines Baby…in diesem RIESIGEN Bettchen…und dann schaute er uns auf
dem ganzen Weg so durchdringend an. Als wüsste er was ihn erwartet, als wollte
er uns bitten ihn nicht dorthin zu bringen…GANZ furchtbar!! Und dann musste ich
„gute Laune“ verbreiten und durfte vor ihm nicht weinen…
Viel zu
schnell waren wir im OP-Bereich angekommen. Nun ging es also wirklich los. Wir
durften (ausnahmsweise sogar beide!!) noch mit in den Aufwachraum, hier wurde
Jonathan von den Anästhesisten (ein Mann und eine Frau) in Empfang genommen.
Die Frau kannte ich und das habe ich ihr auch gesagt: sie war auch bei Marvins
OP vor einigen Jahren schon die betreuende Anästhesistin gewesen, was mich
etwas beruhigte.
Ich habe
erklärt das es etwas knifflig ist bei Jonathan einen Zugang zu legen: zum einen
hat er sehr dünne Venen, die zu treffen selbst für einen erfahrenen Arzt eine
Herausforderung ist…zum anderen sind seine Venen schon stark vernarbt weil sie
sehr oft punktiert wurden. Eigentlich wollte ich beim Legen des Zugangs gerne
dabei bleiben um ihn zu trösten. Doch leider durfte ich das nicht: der Zugang
konnte aus hygienischen Gründen nicht im Aufwachraum gelegt werden und ich
durfte aus hygienischen Gründen nicht mit in den OP.
Die
Anästhesistin versprach mir aber das Jonathan eine Maskennarkose bekommen würde
wenn man feststellte das der Zugang schwieriger zu legen war: dann würde er
schlafen und es ihm nicht so weh tun. Damit musste ich mich wohl für den Moment
zufrieden geben.
Wir haben
unserem kleinen Jungen also „Tschüss“ gesagt, haben ihn gedrückt und geküsst
und sind aus dem Raum gegangen. Meine Knie wackelten, mir war schlecht – ich
hatte Angst…was, wenn ich ihn nie wieder sehen würde?? Was, wenn er das nicht
überlebte??? Wenn irgendwas schief ging?? Auf der Frühchenintensivstation hatte
Jonathan oft Herzfrequenzabfälle gehabt – was, wenn sein Herz die Narkose nicht
mitmachte und einfach stehenblieb???
Die OP
sollte circa 3 Stunden dauern. Wir hatten gesagt bekommen, das wir in die
Cafeteria oder auf Station gehen sollten: man würde uns anrufen wenn Jonathan
im Aufwachraum sei.
Aber ich
wollte nicht weg gehen. Ich habe meinem Mann gesagt das ich mich in den Flur
vor den OP setzen möchte: dort gab es Stühle und da würde ich bleiben – so nah
wie möglich bei meinem Baby.
Mein Mann
hat mich aber überredet mit ihm erst einmal frühstücken zu gehen, denn wir
hatten beide noch nichts gegessen. Ich bin also wie in Trance hinter ihm hergelaufen
Richtung Cafeteria. Eigentlich wollte ich gar nicht weg gehen, jeder Schritt
fiel mir schwer und kam mir wie Verrat vor: ich lasse meinen Kleinen hier
wirklich allein, ich gehe weg…
Appetit
hatte ich keinen, ich habe einfach irgendetwas aus der Auslage genommen weil
mein Mann das von mir verlangt hat. Dann habe ich mir einen Platz gesucht. Und
bin während des ganzen Frühstücks unruhig auf meinem Stuhl hin und her
gerutscht. Mein Essen habe ich einfach hinunter geschlungen, es hätte auch ein
Pappdeckel sein können und ich hätte es nicht gemerkt.
Dann habe
ich aus dem Fenster gestarrt und das Kopfkino begann: was alles passieren
könnte…was wäre wenn…mein Mann hatte die Ruhe weg beim Essen: genüsslich hat er
ein Brötchen gegessen und dann noch einen Kakao getrunken…und ich war unruhig
und wollte wieder in den OP-Bereich. Am Ende habe ich es nicht mehr ausgehalten
und ihn gebeten den Kakao (er war im Tetrapak) doch einfach mitzunehmen. Das
hat er auch getan.
Ich bin
fast gerannt. Blöd eigentlich: die OP war lange noch nicht fertig, ich konnte
also dort nur genauso nutzlos sitzen wie auch in der Cafeteria. Aber ich fühlte
mich hier besser.
Ja, da
saßen wir nun und warteten. Zum Glück ist mein Mann alles andere als
ungeduldig: warten macht ihm nichts aus. Aber irgendwann fiel uns ein, dass die
Ärzte ja gar nicht wussten dass wir hier saßen. Die dachten wir wären auf
Station und würden nach der OP sicherlich dort anrufen.
Da es
sonst nichts zu tun gab ist mein Mann auf die Station gegangen um dort Bescheid
zu geben das wir vor dem OP sitzen und warten würden bis man uns hole. Als er
zurück kam hat er erzählt was die Schwester auf Station gesagt hatte: „Das ist
aber nicht üblich das Eltern vor dem OP warten.“ Na und??? Es ist ein frei
zugänglicher Flur mit Stühlen. Warum sollte ich nicht dort warten??? Wenn es
mir dabei besser ging?? „Normalerweise warten die Eltern auf Station. Wir
können jetzt nicht versprechen, dass wir daran denken den Ärzten auszurichten
wo sie sind!“…okay: dann halt nicht! Ich war winsch (wie wir bei uns zu Hause,
im Westerwald, sagen).
Ich darf
ja wohl allein entscheiden wo ich die Zeit der OP meines Kinders verbringe,
oder nicht? Mir ging es hier besser!! Hier, auf diesem Flur und auf genau
demselben Stuhl!, hatte ich einige Jahre zuvor auch stundenlang gesessen
während Marvin notoperiert worden war. Und hier, auf diesem Flur und auf genau
diesem Stuhl, hatte ich die Nachricht bekommen das es ihm gut geht und er alles
gut überstanden hat.
Wenn ich
also jetzt genau hier sitzen bleiben würde…dann müsste doch auch diesmal alles
gut gehen! Dachte ich mir so….
Mein Mann
hatte keine Probleme mit meiner Entscheidung, er sagte es sei ihm egal wo er
sitzt und wartet. Aber ein Problem blieb: wie sollten wir die Ärzte informieren
wo wir waren? Klar, irgendwann würde man uns schon finden. Aber wir wollten ja
so schnell als möglich nach der OP zu Jonathan!!
Der
Zufall kam uns zu Hilfe!! Der Anästhesist, mit dem wir am Tag zuvor im
Vorgespräch zusammen gesessen hatten, kam vorbei. Offensichtlich auf dem Weg in
den OP, denn er trug schon die entsprechende Kleidung. Ich habe ihn kurz
aufgehalten und ihn gebeten unseren Operateuren zuzurufen das wir hier seien:
das hat er uns versprochen. Na also: wer
sagt es denn! Problem gelöst! 8o)
Die Zeit
verging. Wir saßen und warteten. Haben Sie eine Ahnung wie das ist?? Wie lang
sich die Minuten hinziehen können?? Was einem alles durch den Kopf geht?? Schrecklich…
Ich stand
auf, ging den Gang auf und ab. Schaute auf die Uhr. Sollte nicht eigentlich die
OP schon zu Ende sein??? Warum meldete sich keiner bei uns?? Handys
kontrollieren: Akkus noch voll? Haben wir Empfang?? Ist vielleicht der Ton auf
lautlos gestellt???
Und
wieder den Gang hoch…und runter…und dann wieder hinsetzen…es war einfach nur
furchtbar! Ich fühlte mich als würde mir ein Arm fehlen…oder ein Bein.
Plötzlich
kamen zwei Männer den Flur heruntergelaufen. Der eine war der Arzt der
Augenklinik den wir am Vortag zum Gespräch getroffen hatten, den anderen
kannten wir nicht. Aber wir hörten das der, den wir kannten, zu dem anderen
sagte: „Jonathan Kremer….MOPD 1…selten…“, und schauten ihn freundlich an. Da
verstummte er, als sei er ertappt worden. Er hat auch nicht gegrüßt und ist
einfach mit dem anderen Arzt weiter gegangen. Sie hatten einen großen Koffer
dabei und waren schon in OP-Kleidung.
Nun ja:
das hieß dann wohl dass nun die Augenklinik anwesend war und die Untersuchung
beginnen konnte. Und DAS hieß dann wohl dass die OP des Hodenhochstands und
Leistenbruchs vorbei und gut ausgegangen war. Ich war unendlich erleichtert.
Die längste Zeit des Wartens war damit wohl vorbei. Tief durchatmen…ein ganzes
Gebirge fiel mir vom Herzen!!
Nach
circa 15 Minuten passierte plötzlich alles Schlag auf Schlag: unser Augenarzt
kam mit dem anderen Arzt um die Ecke…das Handy meines Mannes klingelte…mein
Handy klingelte…
Auf
meinem Handy rief die Station an, das konnte ich an der Nummer sehen. Ich bin
nicht dran gegangen: denn schließlich standen die Ärzte ja schon vor mir, ich
wusste das die OP beendet war. Und ob alles gut gegangen war würde ich gleich
erfahren.
Zuerst
einmal stellte sich der mir noch unbekannte Arzt vor: er war der Sektionsleiter
der Glaukom- und Hornhautchirurgie. Also derjenige, den der Anästhesist am
Vortag informieren wollte. Später habe ich erfahren dass dieser Arzt eine wahre
KORYPHÄE auf dem Gebiet der Glaukomforschung und –behandlung ist. Für uns sehr
beruhigend da MOPD I-Patienten zu Glaukomen neigen und es gut zu wissen ist,
das Jonathan sich mit diesem Problem in so guten Händen befindet.
Die
Untersuchung war gut gelaufen, man hatte alle Daten ermitteln können die man
brauchte. Der Arzt klärte mich darüber auf das Jonathans Augen gar nicht zu
groß seien – wie man ja meint wenn man ihn anschaut. (Mein Mann hat mal gesagt:
„Die Augen sind nicht zu groß, der Kopf muss nur noch drum herum wachsen!“)
Also kein
Buphtalmus (vergrößerte Augäpfel) wie wir vermutet hatten und wie es auch für
das Krankheitsbild typisch ist. Im Gegenteil: „eigentlich waren Jonathans Augen
für sein ALTER sogar zu klein…nur für
den Kopf eben zu GROSS.“ (Originalaussage des Arztes)
Der
Augeninnendruck war perfekt. Kein Grund zur Besorgnis also.
Ein
Glaukom war nicht gefunden worden. Aber der Arzt sagte mir, dass wir diese
Untersuchung in regelmäßigen Abständen wiederholen würden um sofort reagieren
zu können FALLS eines auftreten sollte. Heilbar war ein Glaukom nämlich, WENN
man es früh genug feststellte.
Das waren
doch schon mal gute Neuigkeiten! Und was hatte mein Mann in Erfahrung
gebracht???
Beim ihm
hatte der „Medizinstudent“ angerufen und mitgeteilt das zum einen die OP
erfolgreich und ohne Komplikationen abgelaufen sei. Wir würden gleich in den
Aufwachraum geholt, er selber würde im Laufe des Tages auf Station noch einmal
nach uns sehen. Zum anderen teilte er uns mit, dass sich der zweite Chirurg auf
den Weg zu einem Kongress gemacht habe und deswegen leider nicht mehr mit uns
sprechen könnte. Eigentlich hätte er schon längst unterwegs sein sollen, doch
die OP von Jonathan hätte er unbedingt noch selbst machen wollen.
Super!!
Alles gut gegangen!! Ich hätte weinen können vor Freude!! Diese Erleichterung
kann ich gar nicht beschreiben. Schon wieder war mir Zeit geschenkt worden mit
meinem Kind…
Nach
einigen Minuten ging dann auch die Tür zum Aufwachraum auf und die Schwester
sagte dass einer von uns beiden zu Jonathan dürfte. Ich habe meinen Mann
angesehen und musste gar nichts sagen: mich hielt hier nichts mehr, ich wollte
mein Baby sehen und im Arm halten. Aber ich habe meinem Mann versprochen dass
ich in ein paar Minuten wiederkommen würde damit er hinein könnte.
Und da
lag unser kleiner Wurm…in seinem Jogginganzug…mit einem Verband um den Fuß und
war noch gar nicht richtig wach – wohl noch desorientiert von der Narkose. Aber
er hat arg gewimmert.
Ich habe
ihn sofort in die Arme genommen. War DAS SCHÖN ihn zu fühlen!!! Jonathan fing
nach ein paar Minuten an extrem zu weinen und sich zu krümmen. Er hatte
vermutlich Schmerzen???? Eine OP an den Hoden tut bestimmt weh…. Außerdem hatte
er pupillenerweiternden Tropfen in die Augen bekommen damit die Augenärzte ihre
Untersuchungen machen konnten. Das hieß aber, das er momentan kaum etwas
erkennen konnte: er sah alles nur verschwommen.
Aus einem
Schlaf aufzuwachen, nicht mehr richtig zu sehen, Schmerzen zu haben und nicht
zu wissen warum das alles passierte – das würde einen Erwachsenen sicherlich
auch ängstigen. Und dann erst Recht mein Kind das sowieso nicht alles verstand.
Was
konnte er dagegen tun: weinen. Und das tat er eben auch. Lautstark….
Ich habe
echt alles versucht um ihn zu beruhigen: streicheln, küssen, reden, auf dem Arm
schaukeln. Aber es half nichts. Die Schwester die Aufsicht im Aufwachraum hatte
kam zu mir und hat gefragt ob alles ok sei. Ich habe ihr erklärt das Jonathan
sich von seinem Papa in der Regel besser und schneller beruhigen ließ als von
mir. Und dann hat die Schwester etwas sehr liebes gemacht: sie ist zur Tür
gegangen und hat meinen Mann hereingeholt – obwohl ich AUCH im Raum war und
eigentlich immer nur EIN Elternteil hier sein darf. Aber: außer uns war nur
noch ein anderes Kind hier und sie meinte dass es sich bei Jonathan ja schon um
einen besonderen Fall handeln würde. Da könnte man doch mal eine Ausnahme
machen!! 8o))
DANKESCHÖN
AN DER STELLE AN DIESE LIEBE SCHWESTER!!!
Mein Mann
kam herein und hat Jonathan sofort genommen, gekuschelt und mit ihm geredet.
Und wie es wirklich IMMER bei uns ist: beim Papa beruhigt er sich viel schneller
und besser als bei der Mama.
(Vielleicht
liegt das daran das ich so ein „aufgedrehtes Hinkel“, also hektisch und
mitunter sehr laut, bin??? Und mein Mann eher der ruhige Typ??? Oder aber es
ist eine besondere Bindung die die beiden Männer aneinander haben. Ich weiß es
nicht, aber der „Papa-Effekt“ funktioniert.)
Die
Anästhesistin kam dann zu uns und hat erklärt dass es nicht einfach gewesen war
einen Zugang zu legen (das hatte ich ihr ja schon im Vorfeld gesagt!). Und das
man Jonathan eine Maskennarkose hatte geben müssen und einen Zugang nur im Fuß
gefunden habe. In den Händen hätte es nicht funktioniert. Ansonsten wären unter
der Narkose keine Probleme aufgetreten: keine Herzfrequenzabfälle, keine
Atemaussetzer oder sonstiges. Alles problemlos und gut verlaufen.
War das
nicht toll??? Endlich mal eine gute Nachricht!! Und wie so oft denkt man sich
hinterher: die ganze Aufregung war umsonst!! Aber das weiß man ja vorher nicht.
Eine
Weile mussten wir noch im Aufwachraum bleiben, Jonathan wurde überwacht und er
sollte auch noch ein wenig Wasser oder Tee zu sich nehmen.
Der
kleine Mann war wirklich ganz schön dösig, er bekam die Augen nicht richtig
auf. Aber was ich sehen konnte war: die Pupillen waren echt RIESIG!! Von dem
Medikament. Ich selber habe auch schon einmal eine Untersuchung unter Anwendung
von Pupillenerweiternden Tropfen hinter mich gebracht und weiß dass es SEHR
unangenehm ist. Man sieht echt nichts!! Die Augen sind offen und man kann trotzdem einfach nichts erkennen.
Mein armer kleiner Zwerg, er tat mir so leid – zumal man ihm auch nicht
begreiflich machen konnte das dieser Zustand wieder weg ging.
Jonathan
hat noch viel geschlafen im Aufwachraum, aber wenn er wach war hat er geweint.
Wir haben ihn überredet nach einiger Zeit mal ein paar Schlucke Wasser zu
trinken und als die drin blieben durften wir zurück auf Station.
Dort
haben wir dann erst mal eine Milch „bestellt“: der arme kleine Mann war total
ausgehungert!! Er hat eine große Flasche getrunken und ist dann zufrieden
eingeschlafen.
Mein Mann
und ich haben die Gunst der Stunde genutzt und sind in die Cafeteria Mittag essen
gegangen.
Danach
sind wir aber zügig wieder auf die Station zurückgekehrt: wir wollten ja nicht
das Joni wach wird und Angst bekommt weil keiner mehr bei ihm ist. Er hat aber
noch eine ganze Weile geschlafen vor Erschöpfung.
Als er
dann nachmittags zu sich kam fiel mir auf das bei einem Auge die Pupille wieder
normal groß war – bei dem anderen aber nicht. Dort war die Pupille immer noch
RIESIG. Es war sehr irritierend ihn anzusehen: im ersten Moment wusste ich auch
gar nicht was nicht stimmte, nur das irgendwas anders aussah. Ein ganz
komischer Anblick: ein Auge normal und eines fast schwarz weil die Pupille
nahezu die komplette Iris bedeckte.
Mir war
ein wenig mulmig deswegen. Jonathan hatte schon einige Male diese Augentropfen
bekommen und IMMER, wirklich IMMER, waren die Pupillen gleichermaßen „normal“
geworden. Aber diesmal eben nicht.
Sofort
hatte ich den Gedanken dass dies verursacht worden sein könnte durch
eine Hirnblutung.
Also habe
ich der Schwester Bescheid gegeben das sie doch mal die Augenärzte fragen
möchte ob das normal sei.
Es
dauerte seine Zeit bis die Schwester sich wieder bei uns meldete. Leider seien
alle Ansprechpartner der Augenklinik schon im Feierabend.
Na
prima!!! Und jetzt?? Ich hatte Panik.
Doch eine
Ablenkung nahte an diesem Nachmittag: die Clowndoktoren waren auf Station! Wir
hörten sie schon auf dem Flur vor den Zimmern Mundharmonika spielen, wir hörten
ihr Lachen und auch das einiger Kinder.
Es
dauerte dann auch nicht lange und die Tür zu unserem Zimmer ging auf und sie
kamen herein. Eine Frau und ein Mann, beide total lustig angezogen: bunt und
mit Scherzartikeln ausgerüstet, ein Kuscheltier und eine Mundharmonika dabei.
Geschminkt und natürlich mit Clownsnasen.
Ich werde
nie Jonathans Gesichtsausdruck vergessen: er starrte die beiden mit offenem
Mund an und ich hätte echt viel darum gegeben seine Gedanken in diesem Moment
zu kennen!! Er kannte nur „richtige“ Ärzte, hat er sich gefragt warum die
beiden so komisch aussehen???
Der
Gesichtsausdruck der beiden Doktoren als sie Jonathan erblickten war aber auch
lustig. Sie waren begeistert und sagten er sei total süß; waren aber auch
verwirrt weil er sie so neugierig betrachtete und doch so klein war, das man im
ersten Moment glaubte er sei grade erst geboren worden.
Wir
klärten die beiden Clowns auf und sagten ihnen das Jonathan schon über ein
Jahr, aber kleinwüchsig sei. Daraufhin haben sie angefangen ihn zu belustigen:
für ihn zu singen, Mundharmonika zu spielen und ihm auch ihre Scherzartikel
vorgeführt.
Wieviel Joni
davon wirklich erfassen konnte weiß ich nicht, aber er hat die beiden die ganze
Zeit staunend betrachtet und war ruhig – also hat es ihm zumindest gefallen,
denke ich.
Ich war
wirklich begeistert von dieser kurzen Ablenkung, wobei ich dabei auch mehr an
die etwas größeren Kinder hier auf Station dachte. Wenn man am Ende wochenlang
hier liegen und sich langweilen muss…wie schön muss es für diese Kinder sein
wenn ein Clown sich Zeit nimmt sie zum Lachen zu bringen!! Und außerdem ist
lachten ja die beste Medizin – sagt man.
(Wer sich
für dieses Projekt interessiert kann DIE CLOWNDOKTOREN googlen!)
Die
Clowns waren weg, und Jonathans Pupille immer noch so riesig wie vorher. Das
konnte doch gar nicht sein!! Die OP war schon STUNDEN vorbei und das andere Auge
auch wieder ok…warum dieses eine nicht?? Ich war wirklich richtig nervös!!
Schließlich war das nicht die erste Untersuchung bei der diese Tropfen
verwendet wurden – aber so eine Reaktion hatten wir danach wirklich noch nie!
In der
ganzen Aufregung hatte ich total vergessen dass unser Chirurg ja versprochen hatte
noch einmal nach uns zu sehen - und er kam auch. Ich war total erleichtert,
jetzt konnte ich IHN ja fragen ob das mit den Pupillen noch im normalen Bereich
war.
Der
Chirurg fand das Ganze nicht so besorgniserregend wie ich. Er meinte das es
schon mal sein kann das die Pupille mehrere Stunden braucht um sich wieder
zurückzubilden, wir sollten uns nicht verrückt machen. Allerdings sollten wir
Bescheid geben wenn sie am nächsten Morgen immer noch derart vergrößert sei.
Ok: ich war beruhigt.
Und er
teilte uns noch etwas mit was mich sehr freute! Aber auch überraschte!
Nachdem
er Jonathans Hoden und Leiste untersucht und uns noch einige Fragen bezüglich
Nahrungsaufnahme, Fieber und Stuhlgang gestellt hatte sagte er: „Wenn alles so
bleibt…können Sie morgen nach der Visite nach Hause gehen!“
WHAT???
Nach Hause??? Einen Tag nach der OP??? Echt jetzt??? …das ging mir in dem
Moment durch den Kopf... Hammer!! Dabei hatten wir drei oder vier Tage
Klinikaufenthalt eingeplant. Mein Mann hatte genug Klamotten dabei und auch
Zeitschriften, Laptop und Filme.
Aber
natürlich würden wir uns nicht beschweren wenn er das alles umsonst mitgenommen
hätte und es nicht bräuchte! 8o))
Irgendwann
bin ich dann nach Hause gefahren. Mit guten Nachrichten für Marvin: vielleicht
durfte sein Bruder schon am nächsten Tag nach Hause!! Das wäre ja echt super!!
Am
nächsten Morgen kam ich in die Klinik. Aufgeregt!! War alles gut?? Würden wir
gehen dürften???
Jonathan
war fit, er hatte auch relativ gut geschlafen in der Nacht: er war zwar ein
paarmal wach geworden und hatte geweint – sicherlich vor Schmerzen. Aber
nachdem er dann Schmerzmittel bekommen hatte war es auch wieder ok gewesen.
Seine Temperatur war ein wenig erhöht, aber man konnte nicht wirklich von
Fieber sprechen. Also alles soweit super!!
Jetzt
hieß es waren auf die Visite. Und hoffen das wir gehen durften. Ich war schon
sehr nervös. Die ganze Zeit hatte ich die Diskussionen mit der Ärztin im Kopf
die uns mit/nach den Rota-Viren nicht entlassen wollte. Würde das am Ende heute
wieder so kommen??
Die
Visite kam recht früh am Vormittag. Der Chirurg (der Medizinstudent) und eine
mir fremde Ärztin betraten das Zimmer. Zuerst untersuchten sie gemeinsam
unseren „Zimmergenossen“, ein kleines Baby das auch am vorhergehenden Tag
operiert worden war. Das Handy des Chirurgen klingelte und er verließ das
Zimmer. Die Ärztin teilte den anderen Eltern mit das sie noch ein paar Tage
bleiben müssten, die Wunden und das Fieber müssten weiterhin kontrolliert
werden.
Mir
rutschte das Herz in die Hose. Na toll! Ich hatte die Vermutung dass bei dem
Baby dieselbe OP gemacht worden war wie bei Jonathan (mit Sicherheit wusste ich
es aber nicht weil wir uns mit den Eltern nicht verständigen konnten. Sie
sprachen kein Deutsch oder Englisch.). Wenn das Baby also bleiben musste – dann
wir bestimmt auch!
Auf jeden
Fall kam die Ärztin dann zu uns, begrüßte uns und wollte mit der Untersuchung
beginnen. Da ich glaubte, eher von unserem Chirurgen als von ihr entlassen zu
werden, fragte ich sie ob es ok sei wenn wir auf den Arzt warten würden – und
er selber die Untersuchung vornehmen würde. Ich hatte ein wenig Bedenken ob sie
sich davon „auf den Fuß getreten fühlen würde“, aber das war nicht der Fall.
Wir warteten also einfach ein paar Minuten und dann kam der Chirurg zu uns.
Er begrüßte
uns, lachte und sagte: „Wissen Sie wer das grade an meinem Handy war?“…wir wussten das natürlich nicht,
woher auch! 8o)) „Es war Dr. …(der andere Chirurg). Er hat zu mir gesagt DU
BIST DOCH GRADE BEIM KLEINEN JONATHAN, WIE GEHT ES IHM DENN?...woher weiß er
das ich grade bei Ihnen bin? Er ist auf einem Kongress in Amerika! Ich glaube
er hat eine Kamera in mein Handy eingebaut und überwacht mich! Big brother is
watching you!“ Dann lachte er schallend, und wir auch! Das war auch echt ein
witziger Zufall, oder?? Und wieder mal ein Zeichen dafür wie sehr sich dieser
Arzt für unseren Sohn interessiert! Es imponiert mir aber auch echt immer
wieder aufs Neue!
Doch nun
mussten wir ernst werden und der Arzt Jonathan untersuchen. Wie genau der
Genitalbereich nach dieser OP aussah werde ich nicht schildern. Zum einen als
Schutz für Jonathan…zum anderen aber auch als Schutz für alle Männer die diesen
Blog lesen! Ich glaube die hätten richtige körperliche Schmerzen wenn ich die
Hoden eingehender beschreiben würde. 8o))
Der Arzt
war jedenfalls mit dem Gesamtbild zufrieden. Es war keine Entzündung vorhanden,
Jonathan hatte immer noch kein Fieber – nur etwas erhöhte Temperatur, er hatte
gegessen und getrunken und die Windeln waren voll.
„Alles
super! Sie können nach Hause gehen! In 10 Tagen zum Kinderarzt: der soll dann
die Wundpflaster entfernen die SIE bitte so lange drauf lassen. Ansonsten: sind
Sie ja geübt mit Medikamentengaben gegen Fieber, und sollte Sie irgendetwas
beunruhigen: melden Sie sich. Packen Sie schnell alles ein, wir wissen ja das
Jonathan Kliniken nicht leiden kann und bevor er wieder die Nahrung
verweigert…“
Wow!!!!!
Das war mal eine Aussage!!! Mir fiel ein Stein vom Herzen, ich war so
glücklich. Endlich mal ein Arzt der uns verstand und uns auch etwas zutraute.
Der uns vertraute. Das war schon ein toller Moment!!
Ich bat
noch um ein Foto: mein Sohn und unser Chirurg. Als Erinnerung an DIESEN
Klinikaufenthalt. Da das Foto kurz vor der Entlassung entstanden ist schaue ich
es auch bis heute gerne an!! 8o))
Und dann
nichts wie heim! Alles zusammen packen: wir mussten zweimal laufen…aber egal.
Böse Blicke von unseren Zimmergenossen. Wir dürfen gehen und sie mussten bleiben.
Ganz ehrlich? In diesem Moment war mir das egal. In diesem Moment war ich
einfach nur egoistisch und froh hier raus zu kommen!!
Zu
Hause….ein tolles Gefühl!!
Wir
hatten jetzt Anfang Juli 2016 und in den vergangenen zwei Monaten hatten wir 3
Krankenhausaufenthalte, 2 davon ungeplant!, gehabt. Das zehrt an den
Nerven…grade mit einem solchen Kind wie Jonathan, bei dem man nie weiß wie er
OPs und Krankheiten verkraftet.
Aber
jetzt lag das hinter uns und wir hofften – und glaubten – das jetzt Ruhe einkehren
würde. Das wir unser Leben zu viert nun endlich mal uneingeschränkt genießen
könnten…und wir sollten Recht behalten!
Übernachtung
im Hotel
Wir
wagten etwas völlig Neues!!! Einen Kurzurlaub mit Jonathan. Es ging in den
Playmobil-Fun-Park nach Fürth.
Schon
seit Marvin 3 Jahre alt ist fahren wir (mindestens!) einmal im Jahr in den
Playmobil-Park. Ich bezeichne Marvin und mich gerne als
„Playmobil-Fetischisten“, unsere Freunde werden das bestätigen: die kennen die
Massen an Playmobil-Spielzeug das wir besitzen. 8o))
Da wir so
oft dort gewesen waren wussten wir, das der Fun-Park auch für Jonathan bestens
geeignet war: es gibt keine Achterbahnen – die Philosophie von Playmobil ist
„selber machen und selber entdecken“, alles ist Kindgerecht und sicher
gestaltet. Auch so ein kleiner Mensch wie Jonathan findet hier Beschäftigung:
es gibt Sandkästen, Wasserspielplätze und Spielecken in denen Playmobil 1-2-3
zum Ausprobieren steht. Es gibt Mikrowellen um das Essen zu erwärmen und
Ruheräume, in die man sich zurückziehen kann. Auch Sanitätsräume mit Ärzten
sind vorhanden.
Marvin
LIEBT diesen Park!!! Obwohl er mittlerweile schon die Grundschule hinter sich
gelassen hat, ist der jährliche Ausflug in diesen Park für ihn der Höhepunkt
des Jahres: ein lieb gewonnenes Ritual. Jede Ecke dort wird wie ein alter
Freund begrüßt…er weiß schon wo er zuerst hingehen möchte und freut sich auf
sein Lieblingsessen und den Shop!
Und jetzt
mal ehrlich und Hand auf´s Herz: wenn die Kinder Spaß haben – dann hat man
selber doch auch Spaß, oder??? Aus diesem Grund liebe ich den Park so! Und auch
deswegen weil hier weder Eintritt noch Essen überteuert sind. Es ist ein rundum
Familienfreundlicher Park und ich kann ihn nur jedem ans Herz legen!!
Also
buchten wir eine Übernachtung im Park-Hotel. Es ist gegenüber vom Park gelegen
und hat nur knapp 40 Zimmer: hier in der Ferienzeit übernachten zu können
bedarf einer gehörigen Portion Glück und einer frühzeitigen Buchung! Das Hotel
ist aber auch der Hammer! Jedes Zimmer sieht aus wie aus Playmobil gebaut, die
Möbel sind den Möbeln aus den Puppenhäusern nachempfunden. Playmobil-Bilder hängen
an den Wänden: jedes Zimmer hat ein eigenes Thema (Feuerwehr, Wikinger, Zoo…). Außerdem
gibt es ein Spielzimmer, wo man seine mitgebrachte Brotzeit essen kann und die
Kinder sich an den Spieltischen austoben können.
Auf den
Fluren stehen Pflanzen in Lechuza-Pflanzkübeln: der ein oder andere kennt sie
aus dem Gartencenter – eine einzigartige und patentierte Bewässerungstechnik,
die selbst Menschen ohne grünem Daumen (wie mir) erlaubt, Pflanzen länger als
eine Woche zu besitzen. Was aber kaum einer weiß: die Lechuza-Pflanzkübel waren
eine Erfindung von Horst Brandstätter, dem langjährigen Playmobil-Inhaber/“Mit-Erfinder“.
Und deswegen gibt es neben dem Park auch einen Pflanzenshop. Wenn man diese
Begebenheit nun kennt wundert es nicht, dass diese Blumen und Pflanzkübel die
Vorlage für vielen Playmobil-Pflanzen sind. Aber das nur am Rande..8o))
Zugegeben:
das Hotel kostet ein paar Euro mehr. Aber wir haben für uns entschieden dass
wir das in Kauf nehmen. Dafür können wir mit Jonathan einfach aus dem Park
heraus über die Straße in unser Zimmer gehen wenn es ihm zu viel wird und müssen
nicht noch mit dem Auto irgendwohin fahren. Auch für die Kühlung des
Medikaments ist das sehr praktisch: wir brauchen es nicht mit uns herum zu
tragen.
Seit
vielen Jahren haben wir in unserer Familie eine Tradition: am Geburtstag eines
Familienmitglieds wird (wenn das möglich ist!) frei genommen und wir machen
einen Ausflug. Das Geburtstagskind darf sich aussuchen wohin es geht: Zoo,
Burgenbesichtigung, Stadtrundfahrt…egal! Wir unternehmen etwas. Und die Feier
mit Familie und Freunden findet später statt. So schaffen wir uns Erinnerungen
und genießen unsere Ehrentage in vollen Zügen ohne uns dem Stress einer
Bewirtung von Gästen aussetzen zu müssen.
Dieser
Ausflug nach Fürth…war MEIN Geburtstagsausflug! 8o)) Zwar fand er aufgrund der
Tatsache das mein Geburtstag in diesem Jahr auf einen Mittwoch fiel erst ein
paar Tage später statt (wegen der Schule), aber ich freute mich trotzdem riesig
darauf und darüber!!
Für die
meisten Eltern die diesen Blog lesen sind Wochenendausflüge mit Kleinkindern
vermutlich normal. Man hat Lust dazu: dann macht man das!! Für uns…war es etwas
ganz besonderes. Erstens weil es nach Jonathans Geburt einfach Zeiten gegeben
hat in denen wir gar nicht sicher waren ob er lange genug bei uns sein würde um
so etwas mit ihm zu unternehmen. Zweitens weil wir wegen Jonathans Immunsystem
einfach nicht alles machen können was wir wollen. Unser Leben ist wirklich sehr
stark eingeschränkt. Und drittens mussten wir uns erstmal an dieses Leben mit
Jonathan gewöhnen. Die Medikamentengaben verinnerlichen, lernen welche Dinge in
unserem Leben nun so unentbehrlich sind das wir ohne sie nicht verreisen können.
Nicht zu vergessen: wir mussten auch unseren Jungen erst einmal richtig
kennenlernen, seine Körpersprache deuten und ihn verstehen lernen. Fünf Monate
im Krankenhaus tragen nicht in dem Maße dazu bei sein Kind zu kennen wie es zu
Hause der Fall wäre.
Von
daher: bedeutete uns dieser Ausflug sehr viel. Grade ich hatte das Gefühl ein Stück
Lebensqualität zurückzubekommen, saß ich doch die meiste Zeit des Tages allein zu
Hause. Nun durfte ich raus und etwas „erleben“, ein Stück „normales“ Familienleben
spüren und einfach mal abschalten.
ABER…Haben
Sie schon einmal einen Ausflug mit einem Baby oder einem Kleinkind gemacht???
Dann wissen Sie ja wieviel Gepäck man so mit sich herum schleppen muss.
Und nun
stellen Sie sich das doppelte Gepäck vor. Das ist dann ungefähr das was WIR
mitschleppen mussten….
Es sind
nicht nur Gläschen, Quetschbeutel, Wechselwäsche und Windeln…wir müssen auch
noch die ganzen Medikamente (einige doppelt falls uns eine Ampulle runterfallen
und kaputt gehen sollte) mitnehmen: und eine Kühltasche weil wir dieses eine
Medikament haben das dauernd gekühlt werden muss. Dann Spritzen und Nadeln zum
Aufziehen der Medikamente. Außerdem die Spezialmilch: die gibt es nämlich nur
in der Apotheke und dort muss sie meist bestellt werden. Das Notfallmedikament
falls wieder ein Krampfanfall kommen sollte. Hautcremes, weil Jonathans Haut
aufgrund der Krankheit sehr trocken ist und regelmäßig gecremt werden muss –
und zwar mit unterschiedlichen Produkten für Kopf, Gesicht und Körper. Das
Inhalationsgerät falls er einen Schnupfen bekommen sollte. Und die dazu
gehörigen Medikamente.
Ich war,
ehrlich gesagt, gestresst und auch mehrere Tage mit Packen beschäftigt. Einige
Koffer und Taschen standen überall in der Wohnung herum und immer wenn mir
etwas einfiel das mit musste, wurde es in einen hineingelegt. Horror diese
Packerei!! Und hoffentlich würde ich nichts vergessen!!
Je näher
unser Ausflug rückte, desto mehr Gedanken machte ich mir: wie würde Jonathan so
einen Ausflug überhaupt finden?? Würde er die lange Autofahrt gut mitmachen? Würde
er sich wohlfühlen am Zielort, oder würde ihn die unbekannte Umgebung
ängstigen?? Würden WIR es hinbekommen unseren Tagesablauf einigermaßen
einzuhalten und somit Routine und
Gewohnheit für ihn zu schaffen??
Vielleicht
hätte ich mir solche Gedanken nicht (oder nicht in dem Umfang) gemacht wenn damals
die Schwestern im Krankenhaus uns nicht folgendes erzählt hätten: „Kleinwüchsige
haben ein Problem mit Ortsveränderungen. Sie sind immer gern in ihrer gewohnten
Umgebung, alles Neue und Unbekannte löst bei ihnen Stress aus.“ Hmmmm….natürlich
löst so eine Aussage bei uns Eltern das Kopfkino aus. Aber andererseits: wenn
wir es nicht ausprobieren würden…dann würden wir auch nie wissen wie JONATHAN
auf eine unbekannte Umgebung reagiert, oder?? Heißt es nicht: „Probieren geht
über Studieren“?? Also…aber ein bisschen ängstlich darf man vor dem ersten
Ausflug dann ja doch sein. 8o))
Und noch
etwas anderes machte mir ein bisschen „Angst“: das Jonathan wieder einen
Krampfanfall bekommen würde – fernab „unserer“ Ärzte. Natürlich hatten wir das
Notfallmedikament, aber ich zumindest fühle mich immer sicherer wenn ich in der
Nähe bin und weiß das ich zur Not in die Klinik fahren kann in der Jonathan und
seine Krankheit bestens bekannt sind. Aber gut: ich musste wohl versuchen diese
Ängste abzuschalten oder wegzuschieben. Ansonsten blieb mir nur mich den Rest
meines Lebens mit Jonathan einzuschließen und nicht mehr wegzufahren – was wohl
keine Alternative war!
Dann war
der Tag der Abreise gekommen. Circa 3,5 Stunden Fahrt lagen vor uns und wir
wollten zur Parköffnung um 9 Uhr, oder spätestens um 9.30 Uhr, in Nürnberg
sein. Also hieß das nach Adam Riese: mussten wir um 5.30 Uhr, spätestens 6.00
Uhr los….
Und das
hieß für mich: um 4.30 Uhr klingelte der Wecker. Kaffee trinken, duschen, die
restlichen Waschsachen zusammen packen, Brote für die Fahrt schmieren und alles
bereitstellen was mein Mann dann ins Auto packen sollte…
Viel
geschlafen hatte ich nicht, aber ich war so aufgeregt wegen dieser neuen
Erfahrung das ich direkt aus dem Bett sprang als der Wecker klingelte...und ich
geriet ganz schön in Wallung weil ich nichts vergessen wollte - ich hätte nach
einer halben Stunde quasi schon wieder duschen können! 8o))
Und dann
ging es endlich irgendwann los: alles war eingepackt, die Kinder saßen im Auto,
das Navi war programmiert, die Nachbarin hatte den Haustürschlüssel damit sie
sich um unsere Meerschweinchen kümmern konnte…jetzt konnte ich durchschnaufen
und mich freuen!!
Natürlich
waren die beiden Jungs noch sehr müde: wir hatten sie auch mitten in der Nacht
geweckt. Aber eigentlich war genau das Teil des Plans gewesen…denn wenn sie
noch müde waren, würden sie einen Großteil der Fahrt verschlafen und wir hätten
weder Geschrei von Jona, noch „Mama, wie
lange dauert es denn noch? Können wir anhalten, ich habe Hunger/muss auf´s
Klo!“ von Marvin zu ertragen. 8o)))
Also sind
wir erst mal ein bisschen gefahren, die beiden haben geschlafen und ich konnte
mich somit voll und ganz entspannen… aber wir mussten die Uhr ein wenig im Auge
behalten, denn Jonathan brauchte –wie jeden Tag- Medikamente und sein
Frühstück. Die regulären Zeiten müssen eben trotz Ausflug eingehalten werden!!
Wir
hatten uns extra eine Kühlbox besorgt die man auch im Auto an den
Zigarettenanzünder anschließen kann. Ich habe es ja bereits mehrfach erwähnt:
Jonathan bekommt ein Medikament, gegen Bluthochdruck, das permanent gekühlt
werden muss. Und wenn man längere Zeit unterwegs ist und mit Kühlakkus hantiert
– auch noch im Hochsommer- dann ist das am Ende suboptimal. Also hatten wir uns
zu dieser Lösung entschlossen und es klappte auch einwandfrei! Im Zimmer
konnten wir die Box einfach an die Steckdose anschließen und waren somit nicht
darauf angewiesen ob das Zimmer einen Kühlschrank hatte oder nicht.
Aus
meiner Erfahrung kann ich heute sagen, dass es eigentlich für alle Probleme die
sich im Alltag mit einem kleinwüchsigen Kind so bieten eine Lösung gibt…man
muss nur erfinderisch und kreativ sein.
Die Fahrt
selbst gestaltete sich sehr ruhig und angenehm. Zu Anfang schliefen beide
Kinder – und hätten vermutlich auch die komplette Fahrt verpennt. Aber…und das
ist manchmal halt einfach total blöd: wir MUSSTEN anhalten und Jonathan Essen
geben damit er anschließend seine Medikamente nehmen konnte. Und die waren
wichtig: am Vormittag bekommt er die Medikamente gegen Bluthochdruck und
Krampfanfälle…nicht auszudenken was passieren würde wenn wir letzteres nicht
geben und er im Park dann einen Anfall hätte!!
Also
mussten wir ihn wecken und danach hat er dann auch nicht mehr geschlafen. Er
ist wie ich: wenn er einmal wach ist – dann ist er wach! Marvin war sowieso
aufgeregt, der WOLLTE dann gar nicht mehr schlafen…Aber zumindest waren beide Kinder
ruhig und gut gelaunt.
Irgendwann
kamen wir in Nürnberg an und sind erstmal ins Hotel gegangen: das Medikament
dort abgeben, damit es an der Rezeption kühl gestellt würde bis wir das Zimmer
am Nachmittag beziehen durften. Solche Arrangements sind eigentlich nie ein
Problem: man muss nur nett fragen! 8o))
Und dann
in den Park. ENDLICH!! Ok, wir waren erst um 10 Uhr dort. Aber immerhin: für
den ersten Ausflug und dafür das wir noch eine Rast gemacht und noch im Hotel
vorbei gegangen waren: lagen wir sehr gut im Zeitplan, finde ich!
Ich bin
nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube der Parkbesuch war nun auch das erste
Mal das wir unseren neu erhaltenen Schwerbehindertenausweis ausprobieren
konnten. Jonathan hat nämlich aufgrund seiner Erkrankung eine 100%ige
Schwerbehinderung erhalten – nach längeren Diskussionen und Einspruch
unsererseits.
An der
Stelle muss ich kurz abschweifen um einfach mal zu erzählen wie viele Steine
uns Eltern von behinderten Kindern noch zusätzlich zu der ohnehin schon immensen
Belastung in den Weg gelegt werden!
Also: wir
hatten einen Schwerbehindertenausweis beantragt und alle ärztlichen Unterlagen
(Gen-Analyse, Unterlagen der Orthopädin, Unterlagen über die Hirnfehlbildungen,
Arztbrief vom Kinderarzt usw) eingereicht.
Es
vergingen mehrere Wochen…dann kam irgendwann ein Brief vom Versorgungsamt, ich
freute mich schon. Doch der Brief beinhaltete nur eine Mitteilung „dass es beim
Versorgungsamt Umstrukturierungen gebe. Aufgrund dessen könnte es sein das die
Bearbeitungszeiten sich etwas in die Länge ziehen. Bitte sehen Sie von Anrufen
oder neuerlichen Schreiben/Faxen/Emails ab: das verzögert die Bearbeitung nur
noch mehr!“.
Na
super!! Aber ok…Umstrukturierungen sind MIR nicht fremd! Mit allem was dazu
gehört…8o))
Also habe
ich geduldig gewartet. Und irgendwann…ich glaube nach 5 MONATEN, habe ich dann
ein Schreiben und einen Ausweis für Jonathan erhalten. Mit 50% Schwerbehinderung.
Ganz ehrlich: ich fand das zu wenig! Mein Sohn hat eine Lebensverkürzende
Erkrankung mit erheblichen körperlichen und geistigen Einschränkungen…also wenn
ER nur 50% bekommt, was muss man dann bitte haben um 100% zu bekommen????
Auf
Umstrukturierungen wollte ich jetzt keine Rücksicht mehr nehmen und habe zum
Telefon gegriffen und die Bearbeiterin, die das Schreiben erstellt hatte,
angerufen. Dann habe ich sie gefragt warum mein Sohn nur 50% erhalten hat. Sie
teilte mir mit…und das ist jetzt mein voller Ernst, das habe ich mir nicht
ausgedacht!!
„Wir
haben die Hirnfehlbildungen nicht anerkannt. Ihr Sohn ist ja noch soooo klein,
das Gehirn kann sich ja noch entwickeln – das weiß man heute gar nicht ob er da
so eingeschränkt bleibt. Wir prüfen das erneut wenn er 6 Jahre alt ist: Sie
sehen ja das der Ausweis deswegen befristet wurde.“ ….“Sie haben gelesen das
mein Sohn die Diagnose MOPD Typ 1 hat?“…“Ja, das habe ich gelesen. Aber das
kenne ich nicht.“….“Meinen Sie nicht wenn Sie Schwerbehindertenausweise
erstellen und eine Diagnose nicht kennen sollten Sie sich VIELLEICHT mal im
Internet schlau machen?? Mein Sohn wird unter Umständen die nächste Prüfung
nicht mehr erleben: sein Gendefekt ist lebensverkürzend. Und da die
Hirnfehlbildungen vom Gendefekt kommen gehen die auch nicht mehr weg!“…“Ach
so..naja: Sie können ja Widerspruch gegen den Bescheid einlegen.“…….
Und das
haben wir natürlich auch getan. Mein Anschreiben hatte nicht den freundlichsten
Ton….Innerhalb von kürzester Zeit hatten wir aber einen neuen Ausweis in der
Hand und diesen dann auch über 100% und das …unbefristet…so lange Jonathan lebt
eben.
Soviel
dazu. Das war nicht das erste und letzte Mal das ich mich mit Behörden,
speziell auch mit der Krankenkasse!, auseinandersetzen musste!! Ich tue es: ich
diskutiere und kämpfe. Weil es für meinen Jungen ist. Aber….es ist eine solche
zusätzliche Belastung!! Denn jedes Mal wenn man solche Diskussionen wie die
oben geschilderte führen muss, wird einem vor Augen gehalten das das eigene
Kind diese schreckliche Diagnose hat.
Exkurs
beendet. 8o))
Zurück zu
unserem Tag im Playmobil-Funpark.
Wir haben
also unseren Ausweis das erste Mal vorgezeigt. Jonathan selber ist zwar bei den
meisten Unternehmungen aufgrund seines Alters sowieso noch kostenlos, aber
durch den Ausweis haben wir nun auch eine Begleitperson frei. Das heißt, wir
sparen ein bisschen Geld bei den Eintritten. Was mich total gefreut hat!!
Ja:
wahrscheinlich kommen jetzt wieder die NEIDER die es uns nicht gönnen und uns
vorwerfen das wir uns bereichern oder so etwas in der Art…
Aber ganz
ehrlich: ist mir egal! Wir leben jeden Tag mit dieser Krankheit, wir müssen so
viel aushalten und so viel Leid ertragen…wir dürfen uns auch mal an solchen
kleinen Dingen erfreuen und einen positiven Nutzen aus (sorry!) dieser ganzen
Scheiße ziehen!!
Und nun
waren wir im Park!! Marvin und ich kannten ihn ja schon wie unsere
Hosentaschen, wir waren schon so oft hier gewesen. Aber diesmal…hatten wir Joni
dabei und wir konnten ihm alles zeigen. Marvin war total aufgekratzt!! 8o))
Zuerst
ist man an der Baustelle. Hier ist es sehr laut, na klar: da wird ja auch
gearbeitet!! Ganz viele Kinder haben Steine geschaufelt, in Eimer gefüllt und
dann in Metallschächte geschüttet (gut: man hätte für die Schächte beim Bau
auch ein anderes Material nehmen können – aber das hätte dann natürlich nicht
so einen Lärm gemacht!).
Jonathan
war sehr fasziniert von dem RIESENGROSSEN Baustellenfahrzeug das hier als
Nachbau aus Holz und zum Klettern steht. Wir haben Jonathan und Marvin dann ins
Führerhaus gesetzt: es sah so lustig aus! Das riesige Auto und der winzige
Jonathan! 8o)
Ja, und
dann ging es weiter durch den Park. Jonathan hat sich nicht für alles
interessiert, irgendwann war auch einfach die Konzentration bei ihm weg. Er
musste zwischendurch essen, Medikamente nehmen und natürlich auch mal schlafen.
In der Zeit waren wir dann eben in den Klettergärten oder bei den
Wasserspielplätzen: so kam Marvin auch auf seine Kosten.
Was
Jonathan aber noch sehr gut gefallen hat waren die Wasserstraßen für die 1-3
Jährigen. Man muss sich das so vorstellen: ein Platz, komplett eingefasst mit
Hecken. Überdacht mit einem Sonnensegel. Und dann steht da quasi eine lange
Reihe „Tische“ aus Metall, eigentlich eher wie eine Rinne gebaut. Und die sind
mit Wasser gefüllt in dem Playmobil-1-2-3-Spielzeug herumschwimmt. Die Kinder
können sich dann an die Tische stellen und damit spielen. Und nach Herzenslust
planschen und Wasser spritzen. Im Sommer bei Hitze unschätzbar!
Es WAR
warm und so sind wir mit Jonathan dorthin gegangen. Es waren einige Eltern mit
ihren Kindern da die spielten. Ich habe Jonathan mitgenommen, mich an einen
Tisch gekniet und ihn darüber gehalten. Er hat sich ein Boot geschnappt, es hin
und her geschoben und hatte wahnsinnigen Spaß dabei!! Er wollte das Boot auch
gar nicht mehr loslassen!!! (Wir haben es dann später im Shop für zu Hause
gekauft.)
Aber mal
wieder: standen wir komplett im Mittelpunkt. Wir wurden begafft…Elternpaare
steckten die Köpfe zusammen und begannen zu tuscheln, ein Pärchen war sich
nicht zu schade dabei sogar mit dem Finger auf uns zu zeigen. NORMALERWEISE
wäre ich mal wieder zu ihnen gegangen und hätte ihnen erklärt das Jonathan
kleinwüchsig ist, aber trotzdem das Recht hat an diesen Wasserstraßen zu
spielen – auch wenn es anders aussieht weil er nicht davor stehen kann. Doch an
diesem Tag hatte ich einfach KEINE LUST mich mit irgendwem zu unterhalten oder
RECHENSCHAFT abzulegen. Ich habe es ignoriert, wollte einfach meine Ruhe haben…
Das wurde
allerdings schwierig als es zum Mittagessen ging. Wir haben Jonathan ein
Gläschen gegeben und er hat vom Löffel gegessen. Dabei saß er in einem kleinen
Stühlchen. Am Nachbartisch saß auch ein Elternpaar die ein Kleinkind fütterten
und sie beobachteten uns sehr genau und begannen ebenfalls zu tuscheln.
Allerdings war das eher ein absichtlich sehr lautes Tuscheln damit wir auch
hören konnten was sie sagten: „Wie kann man ein so kleines Kind schon zwingen
ein Gläschen zu essen?? Das ist ja voll die Quälerei und auch nicht normal!“…
Ich hatte
einfach keinen Bock auf Erklärungen. Auch das habe ich ignoriert!! Aber ein
Appell an alle Eltern: nicht immer sind die Dinge wie sie scheinen – und
manchmal ist es besser den Mund zu halten wenn man nicht gefragt wird!!
Aufgeregt
haben mich die Kommentare ja schon, wenn ich ehrlich sein soll!
Mit der
Diagnose MOPD I zu leben ist sowieso schon eine wahnsinnige Herausforderung –
man kann auch sagen: psychische Belastung. Dabei geht es mir nicht um die
Krankheit an sich: mit Kleinwuchs und geistigen Einschränkungen habe ich mich
mittlerweile abgefunden. Aber die Tatsache dass das eigene Kind nur eine sehr
begrenzte Lebenserwartung hat bestimmt einfach den Alltag. Die Gedanken. Es tut
weh. Sehr weh. Man kann das auch nicht einfach so vergessen, dieses Wissen ist
immer da und begleitet einen überall hin. Manchmal sehe ich meinen Jungen an
und dann bekomme ich keine Luft mehr – weil die Angst ihn zu verlieren dann
einfach übermächtig wird.
Und weil
man das alles psychisch auf Dauer so nicht aushalten kann schaffen wir uns
„Auszeiten“ in denen wir etwas „normales“ zusammen unternehmen. Um auf andere
Gedanken zu kommen, aber auch um ein paar Stunden ein Leben zu führen wie
andere Eltern es auch führen. Und wenn wir dann dauernd angestarrt werden oder
mitbekommen wie andere über uns tuscheln – dann trägt das nicht dazu bei das
wir uns entspannen oder „normal“ fühlen können. Aber mit der Zeit lernt man den
Ärger und die Traurigkeit in solchen Momenten einfach runterzuschlucken. Das
ist allerdings ein Lernprozess: es ist schwierig und dauert auch bis man es
schafft auf diese Art mit solchen Situationen umzugehen.
Wir
MÜSSEN mit diesen Situationen klarkommen, aber…wie jemand „Außenstehender“ es
erlebt sich mit Jonathan in der Öffentlichkeit zu bewegen sollte mir an diesem
Nachmittag vor Augen geführt werden.
Nach dem
Tod von Marvins Vater war ich mit Marvin zu einer Mutter-Kind-Kur im
Schwarzwald. Dort hatten wir eine junge Frau mit Tochter kennengelernt. Ihre
Tochter ist exakt am selben Tag wie Marvin geboren und über diese Tatsache
kamen wir ins Gespräch. Schnell haben wir gemerkt dass wir uns gut verstehen.
Wir waren dann in den drei Wochen Kur häufiger zusammen unterwegs und haben uns
versprochen dass wir auch in Kontakt bleiben wenn wir zu Hause sind. Das
verspricht man sich mit „Urlaubsbekannten“ ja gerne und meistens klappt es
nicht. Aber bei uns schon! Wir sind seit damals befreundet. Getroffen wird sich
mindestens einmal im Jahr: immer dann wenn wir im Playmobil-Funpark sind, denn
die Familie wohnt nur ein paar Kilometer entfernt. Und deswegen waren wir auch
an diesem Nachmittag verabredet.
Natürlich
hatte ich bereits Fotos von Jonathan geschickt und auch die Diagnose erläutert.
Ein paar
Tage vor dem Treffen habe ich dann noch einmal darauf hingewiesen das Jonathan
WIRKLICH SEHR SEHR KLEIN ist…sie sollten sich bitte nicht erschrecken wenn wir
uns treffen! (Das sagen wir eigentlich immer wenn wir jemanden treffen wollen
der Jonathan noch nicht kennt. Aber meistens sind die Leute trotzdem geschockt
weil er so winzig ist. Man kann es sich einfach nicht vorstellen, man muss es
sehen!)
Mein
Handy klingelte: meine Freundin und ihre Tochter waren da. Wir verabredeten
einen Treffpunkt. Als die beiden dann auf mich zukamen konnte ich sehen das die
Mutter schon etwas betroffen war weil sie sich Jonathan so klein nicht
vorgestellt hatte…die Tochter aber war einfach nur euphorisch! „Mei, is der
süß!!“ sagte sie unaufhörlich in ihrem reizenden fränkischen Dialekt. 8o) „Darf
ich ihn mal anfassen?? Darf ich ihn halten?? Mei, is der niedlich!“…lach…es war
so herzerwärmend wie schockverliebt sie war. …und bis heute ist, wenn ich das
mal sagen darf!!
Und dann
sind wir durch den Park gelaufen. Die beiden „großen“ Kinder wollten zu den
Muscheln um im Wasser zu planschen. Danach sollte es zur Ritterburg gehen. Also
immer quer durch den Park. Und irgendwann sagte meine Freundin dann zu mir:
„Merkst Du das die Leute alle starren??? Aber echt alle!! Das ist ja VOLL
SCHLIMM!! Das täte ich keine 5 Minuten aushalten!“ …ja…so wirkt das auf
Außenstehende.
Ich habe
ihr gesagt dass ich das natürlich merke, ich bin ja nicht blind. Aber mir bleibt
nichts anderes übrig als es auszuhalten – es sei denn ich möchte mich mit
Jonathan zu Hause einschließen. Sie war wirklich sehr betroffen. Hatte sie sich
doch keine Vorstellung davon gemacht wie sehr unser Leben sich verändert hatte.
An diesem
Abend sind wir dann in den Biergarten gegangen und haben noch zusammen gegessen
-ihr Freund kam von der Arbeit aus dann auch noch dazu- und natürlich wollten
die beiden dann wissen wie unser Leben sich so verändert hat durch Jonathans
Geburt.
Nun…das
ist eine Frage die wir in der Tat sehr häufig gestellt bekommen.
Jeder der
selbst Kinder hat weiß ja wie sich das Leben durch die Geburt eines Babys
verändert:
Alles
dreht sich nur um das kleine Menschlein – man richtet seinen kompletten
Tagesablauf nach den Bedürfnissen seines Babys aus. Kann nicht mehr so einfach
entscheiden wann man selbst essen oder duschen gehen möchte – das sind Dinge
die eben nur dann gehen, wenn das Baby zufriedengestellt und ruhig ist.
Man geht
am Wochenende nicht mehr gemeinsam ins Kino oder in die Disko, ja in den ersten
Jahren vermutlich gar nicht mehr gemeinsam aus. Man muss erstmal einen
Babysitter finden und dann…muss man innerlich auch erstmal so weit sein das
Baby bei einem Sitter lassen zu WOLLEN! Das ist ein Prozess der nicht so
schnell von Statten geht – bei den meisten Eltern jedenfalls nicht, es gibt
aber sicherlich auch Ausnahmen.
Themen
über die man früher in der Partnerschaft geredet hat (zum Beispiel über Politik
oder auch über den Job) geraten ins Hintertreffen hinter „Nahrungsaufnahme“ und
„Verdauung“. Das ist ja auch irgendwie verständlich: denn einer der beiden
Elternteile ist zu Hause um sich in Vollzeit um das Baby zu kümmern, da hat man
nicht so viele Themen über die man reden könnte!!
Die
Prioritäten verschieben sich – vollkommen. Man möchte das das Baby glücklich
ist, man tut alles dafür: nimmt sich selbst nicht mehr so wichtig. Wenn man
shoppen geht kommt man auf einmal mit 5 Tüten für das kleine Menschlein heim
und stellt zu Hause fest das man für sich selber mal wieder nichts gekauft hat
– was vor einem Baby undenkbar war!! Oder??
Die
Nächte sind unruhig. Kaffee wird der beste Freund den man hat. Und die
Hausarbeit bleibt liegen weil man jede Minute des Tages in der das Baby schläft
dazu nutzt um sich selber aufs Ohr zu hauen.
Der
Freundeskreis verändert sich oftmals. Man lernt über Spielkreise oder durch die
Rückbildung neue Leute kennen. Gut: man hat jetzt halt auch nur noch ein Thema
über das man gerne redet…das Baby…und die Freunde von „vorher“ die selber keine
Kinder haben…sind mit ihrer Geduld einem zuzuhören auch irgendwann am Ende
angekommen.
Aber bei
all dem weiß man doch: die Situation wird sich in ein paar Jahren wieder
ändern!!
Man geht
zurück in den Job und hat wieder spannende Themen für Diskussionen mit dem
Partner. Man wird einen Babysitter haben und gemeinsame Abende genießen können.
Das Abenteuer Baby wird irgendwann Alltag sein und man sich selbst wieder
wichtiger nehmen wollen – und können.
So ist es
normalerweise. So war es auch bei mir und Marvins Papa.
Aber so
ist es nicht mit Jonathan.
Das was
mir immer als erstes einfällt wenn ich zu den Veränderungen in meinem Leben befragt
werde sind die wahnsinnig vielen Termine die ich mit Jonathan wahrnehmen muss.
Wir gehen zur Physiotherapie, wir machen Frühförderung, wir machen (bald) Logopädie,
wir gehen zum Osteopaten und müssen auch sehr regelmäßig zum Kinderarzt.
Therapeutisches Reiten. Regelmäßige Arztbesuche beim Kardiologen, Orthopäden
und in der Sehschule. Und dann natürlich noch die Termine „die mal so nebenbei“
kommen: mal ein Termin bei der Humangenetikerin oder im Zentrum für seltene
Erkrankungen. Ein Termin im Sanitätshaus oder mit dem Reha-Team um Hilfsmittel
zu besprechen oder anzupassen. Ach ja: und wegen dem Pflegegrad bekommen wir
auch noch mindestens zweimal im Jahr Besuch von einem „Unabhängigen Dienst der
Krankenkasse“, dieser prüft ob uns der Pflegegrad noch zusteht.
So: das
ist unsere Terminliste. Seid ihr schon gestresst oder schwitzt, weil ihr
überlegt wie man das alles unter einen Hut bringen soll?? Dann lasst euch
gesagt sein das ich noch einen Sohn habe! Der möchte mittags etwas zu Essen auf
dem Tisch haben wenn er aus der Schule kommt. Und oftmals braucht er Hilfe bei
den Hausaufgaben. Auch er hat Termine und muss zu bestimmten Uhrzeiten irgendwohin
gefahren werden. Und nicht zu vergessen: auch er möchte Aufmerksamkeit und
„quality time“ mit mir. Eine Gradwanderung!! Und wer ein gesundes und ein
krankes Kind hat und erzählt dass er beide Kinder vollkommen gleich behandelt –
sorry, aber der lügt! Das ist schlichtweg unmöglich!! Man hat nämlich nur zwei
Hände….aber weil ich weiß das es so ist versuche ich natürlich alles um Marvin
so wenig wie möglich zu benachteiligen. Das allerdings wiederum bedeutet das
ich mich „vernachlässigen“ muss: denn mein Tag hat ja auch nur 24 Stunden. Ich
komme nicht oft dazu mich mit einem Buch zu verkriechen und mal ein wenig zu
schmökern – obwohl das meine Lieblingsbeschäftigung ist!! Oder mich mal in die
Badewanne zu legen und zu entspannen….
…und der
Punkt ist: während Eltern eines gesunden Kindes wissen das sie innerhalb
weniger Jahre wieder in ein relativ normales Leben zurückkehren können werden
mein Mann und ich nie mehr ein normales Leben führen können. Jedenfalls nicht
so lange Jonathan bei uns ist – was hoffentlich noch sehr lange der Fall sein
wird!!
Er wird
mit den Jahren nicht selbstständiger werden, oder jedenfalls nur unwesentlich.
Aufgrund seiner Erkrankung wird er weder körperlich noch geistig in der Lage
sein sich um sich selber zu kümmern. Das werden Zeit seines Lebens immer wir
tun müssen. Und seine Bedürfnisse werden Zeit seines Lebens immer Vorrang vor
unseren Bedürfnissen haben.
Wegen der
epileptischen Anfälle die Jonathan hatte trauen unsere Eltern und Geschwister
sich nicht für uns den Babysitter zu machen. Was wir durchaus verstehen
können!!! Das ist nicht der Punkt! Es ist eine riesige Verantwortung auf ihn
aufzupassen und wenn man sich dem nicht gewachsen fühlt - ist es sinnvoller das
auch zu sagen. Aber für unser tägliches Leben bedeutet das: mein Mann und ich
können nicht zusammen ausgehen. Nie. Einer muss immer bei den Kindern sein. Das
ist mitunter sehr belastend. An einer Ehe zu arbeiten und daran festzuhalten
wenn man nie gemeinsame Zeit allein
hat…es ist eine große Herausforderung!!
Uns steht
zwar wegen des Pflegegrades die Betreuung durch einen medizinischen Dienst zu –
aber soweit unseren kleinen Jungen in den Händen von FREMDEN zu lassen…sind wir
trotz allem noch nicht. Vielleicht irgendwann einmal. Aber nicht so bald.
Die
beiden einzigen Abende in den letzten zwei Jahren die mein Mann und ich
gemeinsam außer Haus verbringen konnten verdanken wir zwei ganz lieben Menschen
mit medizinischem Hintergrund. Jeder von ihnen war einen Abend lang bei uns um
Joni zu sitten, und dafür sind die beiden jeweils eine ganz schön weite Strecke
gefahren.
DANKE!!!
WIR SIND EUCH WIRKLICH DANKBAR!! UND WIR WISSEN DAS IHR DAS WIEDERHOLEN WERDET
SOBALD ES EURE ZEIT EINMAL ERLAUBT.
Ich war
früher ein sehr aktiver Mensch: engagiert im Beruf und immer offen dort Neues
zu lernen, mich weiterzubilden. Geistig fit zu bleiben. Es gab viele Themen für
die ich mich interessiert habe und ich war sehr oft unterwegs. Heute…ist das
alles nicht mehr in der Form möglich und wird es nie mehr für mich sein.
Zwar
beabsichtige ich tatsächlich wieder arbeiten zu gehen, doch das wird nur noch
in Teilzeit stattfinden können – denn Jonathan braucht ja Betreuung. Ein so
großes Engagement wie früher, das auch Dienstreisen beinhaltete, wird für mich
nicht mehr möglich sein.
Und
ausgehen…naja…Herbst/Winter/Frühling sind bestimmt von Infektionskrankheiten.
Und die könnten für Jonathan gefährlich werden. Also muss ich mir sehr genau
überlegen wohin ich gehen möchte, denn ich darf mich am besten mit nichts
anstecken. Und da mein Mann arbeitet und ich Jonathan zu Hause
betreue…verbringen wir die meisten Tage in diesen Jahreszeiten in unserem Haus.
Und außer unseren Therapeuten ist mein Mann dann oft für mehrere Tage der
einzige erwachsene Mensch den ich sehe…
Jonathan
schläft immer noch nicht durch. Nächte in denen er das mal getan hat können wir
auch heute noch an einer Hand abzählen. Es ist anstrengend, besonders für
meinen Mann. Denn ich bin tagsüber so unter Druck an alle Medikamente zu
denken, den Zeitplan einzuhalten, mich um beide Jungs UND den Haushalt zu kümmern…das ich nachts
einfach nicht wach werde wenn Jonathan schreit. Ich bin dermaßen erschöpft und
am Ende das ich NICHTS um mich herum mehr mitbekomme. Und deswegen steht mein
Mann jede Nacht auf. Jede Nacht mehrmals. Aber er muss am nächsten Morgen auch
zur Arbeit fahren.
Und zu
allem Überfluss ist da immer der Gedanke an die frühe Sterblichkeit von
Jonathan. Das ist belastend. Sehr.
Durch
Jonathans Gendefekt haben wir auch von einem „Traum“ Abschied genommen: der
Traum eines dritten Kindes. Eigentlich hatten wir den Gedanken daran seit der
Fehlgeburt der Zwillinge. Denn hätten wir sie bekommen hätten wir auch drei
Kinder gehabt!
Aber
heute wissen wir das MOPD I vererbt wird und wir es beide in uns tragen. Die
Chancen dass ein weiteres Kind diese Krankheit auch hätte liegen zwar nur bei
25%, aber die Gefahr besteht. Und was machen wir wenn wir in der
Schwangerschaft erfahren dass dieses Kind auch krank ist?? Was machen wir wenn
die Schwangerschaft so problematisch verläuft wie die mit Jonathan: wenn ich
nur liegen muss, aber mich doch um die Kinder kümmern muss?? Was machen wir
wenn es ein Frühchen wird zu dem ich täglich in die Klinik fahren will, aber
Jonathan nicht mitnehmen darf?? Nicht zu vergessen die psychische Belastung die
eine weitere Schwangerschaft für mich bedeuten würde. Und aus diesen Gründen
haben wir entschieden Maßnahmen zu ergreifen damit auf keinen Fall eine weitere
Schwangerschaft stattfinden kann. Aber es ist mir nicht leicht gefallen mich
von diesem Gedanken zu verabschieden! Ich habe monatelang mit mir gehadert und
überlegt…mein Herz hat JA geschrien: ich will noch ein Kind!! Aber der Kopf hat
gesiegt…
Ja…das
ist heute unser Leben. Und so hat es sich verändert durch Jonathans Geburt.
Wenn ich
meine eigenen Worte noch einmal lese dann habe ich einen Kloß im Hals. So
schwarz auf weiß zu sehen wie viele negative Dinge und Momente der Alltag mit
dem kleinen Mann mit sich bringt tut schon weh…das ist nicht das Leben das ich
eigentlich führen wollte – so habe ich mir das nicht vorgestellt. Und doch ist
es nun so…und mich hat niemand um meine Meinung gefragt.
Aber…dann
sehe ich ihn an und er lacht mit mir. Seine Augen strahlen und er ist so
wissbegierig! Und neugierig darauf seine kleine Welt zu entdecken!! Er möchte
so viel und ist so dickköpfig!! Er lässt sich nichts sagen und trotzt allen
Prognosen.
Und wenn
ich das dann sehe und darüber nachdenke wie schlecht die Prognosen eigentlich
waren und was wir gemeinsam schon erreicht haben…dann muss ich weinen weil ich
glücklich darüber bin. Und dann sagt mein Herz mir das es das alles wert ist.
Alles und noch viel mehr.
Auch wenn
es nicht das Leben ist das ich führen wollte…das ist das Leben das ich habe!
Und daraus muss ich nun das Beste machen. Das versuche ich ohne zu jammern….ich
hoffe alle diejenigen die mich persönlich kennen empfinden das auch so!
Nun..das
ist also in etwa das, was ich unseren Bekannten an diesem Abend im Playmobil-Park
zu vermitteln versucht habe.
Ich hätte
es vielleicht auch etwas kürzer ausdrücken können:
DAS LEBEN
IST KEIN PONYHOF!!!
Der Abend
im Biergarten des Playmobil-Funparks neigte sich dem Ende zu, es war
mittlerweile sehr spät geworden.
Die
„großen“ Kinder spielten Mini-Golf und Air-Hockey. Mein Mann war schon vor
längerer Zeit mit Jonathan auf unser Zimmer gegangen um ihn ins Bett zu
bringen. Es war ein großer Vorteil das wir das Parkhotel gebucht hatten: so war
es möglich das ich mit meiner Freundin noch ein paar ruhige Stunden verbringen
konnte. Denn die Zeit die wir miteinander verbringen ist rar - und geht für
meinen Geschmack auch immer viel zu schnell vorbei. 8o))
Man
verabschiedete sich, wir würden uns in einem Jahr wieder hier treffen. So wie
wir es schon immer machen seit wir uns in einer Mutter-Kind-Kur kennengelernt haben
– ein Ritual das ich sehr lieb gewonnen habe und auf das ich mich immer
wochenlang im Vorfeld freue.
Und jetzt
war es Zeit für mich und Marvin auch ins Hotel zu gehen. Die Nacht war etwas
unruhig, Jonathan schläft sowieso schlecht und eine fremde Umgebung macht das
nicht besser. Aber am nächsten Morgen konnten wir trotzdem voller Elan
aufstehen: wir würden noch einen halben Tag im Funpark verbringen und erst nach
dem Mittagessen wieder Richtung Heimat fahren.
Wir
begannen den Tag mit einem Frühstück im „HOB-Center“. Dieses Gebäude ist Teil
des Parks, es dient den Hotelgästen morgens als Frühstücksraum und ist
eigentlich…eine riesige Indoor-Spielhalle!!! Es gibt einen Klettergarten, eine
Bühne für die tägliche Minidisko und jede Menge Playmobil. Nach Themenwelten
sortiert stand hier alles was der Spielzeugladen zu bieten hatte. Die Kinder
konnten nach Herzenslust damit spielen…
…und wir
Eltern: in Ruhe frühstücken! 8o) So lange der Park noch nicht geöffnet hat sind
die Türen des HOB-Center verschlossen, man kann sein Kind also „frei laufen“
lassen – es kann nicht aus dem Raum hinaus. Ich genieße jedes Jahr aufs Neue
hier ein ausgiebiges Frühstück während ich sicher bin das Marvin einen
unbändigen Spaß hat!
Als der
Park öffnete sind wir als erstes in die Goldgräberstadt. Auch eine Tradition
bei uns: als erstes wird morgens nach Gold gegraben! Wir haben zwar
mittlerweile gefühlte 5 Kilo Gold zu Hause, aber egal: Marvin muss immer wieder
schürfen gehen. Also machen wir das.
Jonathan
hatte aber auch furchtbaren Spaß in der Goldgräberstadt! Hier gibt es Sand ohne
Ende und da es nicht kalt war haben wir ihm Schuhe und Socken ausgezogen und
ihn den Sand an den Füßen spüren lassen. Er hat gequietscht und sich gefreut
und wenn man ihn hochgehoben hat sah es aus als wolle er durch den Sand
laufen!
Wir
hatten ein ganz tolles Wochenende hier im Park. Besonders schön fand ich das
auch Jonathan hier etwas „tun“ und „erleben“ konnte: er hatte an den
Wasserstraßen und im Sand gespielt, er hatte die überall herumstehenden
(überdimensionalen) bunten Playmobil-Püppchen bestaunt, er hatte in einer
Schaukel gelegen und auch kurz in einem Boot gesessen. Eine (Plastik-)Kuh
gestreichelt und mit Papa gerutscht. Er hatte Eis gegessen.
Für ihn
waren diese beiden Tage ein sehr aufregendes Erlebnis, er hatte unglaubliche viele
neue Eindrücke gesammelt. Und man hatte gemerkt: es hatte ihn nicht geängstigt.
Er hatte alles in sich aufgesogen, offensichtlich brauchte er mittlerweile
immer wieder neuen „Input“.
Für uns
bedeutete das: wir konnten unser altes Leben ein Stück weit wieder aufnehmen,
wir konnten mit Jonathan aktiver werden und den ein oder anderen Ausflug
unternehmen. Langsam zwar, nicht zu viel auf einmal – wir wollten ihn ja nicht
überfordern! Aber wir spürten nach diesen beiden Tagen dass wir unser Leben
erneut ein wenig verändern und für uns wieder ein Stückchen lebenswerter machen
konnten. Das war ein sehr schönes Gefühl! Ein Gefühl als würde man ein wenig
Kontrolle über sein Leben zurückbekommen…ein bisschen freier werden. Wir waren
alle total euphorisch und machten uns schon Gedanken darüber wohin es als
nächstes gehen sollte!! 8o))
Ein
außergewöhnlicher Tagesausflug
Nur zwei
Wochen später haben wir einen mal ganz anderen Tagesausflug gemacht: wir haben
eine Straußenfarm besucht. Es gibt eine nur wenige Kilometer von uns entfernt.
Hier werden die Strauße in Freilandhaltung gehalten. Und zwar ganzjährig.
Der
Besuch begann mit einem Frühstück: Brötchen, Marmelade, Nutella und
auch….Straußenwurst. Sehr außergewöhnlich und interessant. Nicht unlecker. Aber
anders.
Nachdem
wir uns alle gestärkt hatten sind wir in eine kleine Bahn eingestiegen. Kennt
man als Touristen-Bahn aus jeder größeren Stadt: lauter kleine Wagen die von
einer Lok gezogen werden. Jonathan hat das erste Mal in so einer Bahn gesessen:
er hat sich sehr neugierig umgeschaut und als es losging hat er die vorbei
rauschende Landschaft aufmerksam betrachtet.
Wir sind
um die Weideflächen der Strauße herum gefahren, der Besitzer der Farm hat uns
unterwegs mit Informationen über die Tiere versorgt: was essen sie, wie
überstehen sie den Winter, sind sie aggressiv usw. Ok: das war für Jonathan
weniger interessant, denn er hat nichts davon verstanden. Aber die riesigen
Tiere die am Zaun standen hat er sehr wohl gesehen – und gerochen! Denn Strauße
riechen sehr streng, das muss an der Stelle mal gesagt sein.
Nach der
Rundfahrt ging es dann zurück auf den Hof. Hier gab es nun eine ganz besondere
Leckerei: Straußenrührei. Ein Ei reicht für….20 Personen!! Echt krass!! Der
Besitzer der Farm hat uns erklärt wie man ein Ei richtig öffnet, danach sind
alle Kinder mit der „Bäuerin“ in die Küche gegangen und haben Rührei
zubereitet. Wir haben in dieser Zeit erklärt bekommen wie man Straußenleder
herstellt und wieviel dieses exklusive Leder kostet. Nichts vom Strauß wird auf
dieser Farm verschwendet: auch die Federn werden weiter verarbeitet.
Das
Rührei schmeckte –genau wie die Wurst vom Frühstück- anders, aber nicht
unangenehm. Auch Jonathan hat ein wenig probiert. Nachdem wir alle noch etwas
getrunken und in der Scheune mit den Straußenartikeln gestöbert hatten, ging es
dann auch schon wieder nach Hause.
Ok,
zugegeben: für Jonathan war der Ausflug eher weniger spannend. Aber wir
genossen es wieder einmal etwas als Familie unternehmen zu können – Jonathan
war dabei, zufrieden und offensichtlich glücklich. Was wollten wir mehr????
Der erste
Besuch beim Ur-Opa
Mein Opa,
der Vater meines Vaters, erfreut sich noch bester Gesundheit. Jonathan ist
nicht sein erster Urenkel. Aber ein besonderer Urenkel: denn mein Opa hat
Medizin studiert. Und interessiert sich im hohen Alter von 98 Jahren immer noch
für Krankheiten, Gendefekte und all das was damit zusammenhängt.
Warum wir
ihn erst so spät zum ersten Mal besuchten weiß ich heute auch nicht mehr so
genau…ich weiß nur: mein Opa wohnt nicht um die Ecke und als Jonathan aus dem
Krankenhaus entlassen wurde - waren lange Autofahrten mit ihm etwas schwierig.
Außerdem stehen mit Jonathan immer so viele Termine an, ganz ehrlich: da bin
ich auch froh wenn ich mal NICHT Auto fahren muss….
Nun stand
aber endlich ein Besuch bei meinem Opa an. Mein Vater hatte ihn natürlich über
alles informiert, er wusste also das Jonathan sehr klein war und auch warum.
Kleinwuchs war ihm als Mediziner ja nun auch nicht ganz fremd! Vielleicht
konnte er mit dieser Diagnose sogar mehr anfangen als jeder andere in unserer
Familie. 8o)))
Jedenfalls
haben wir uns dann auf die Couch gesetzt und mein Opa hat Jonathan betrachtet.
Seine Hände angefasst und die Finger angeschaut. Irgendwann meinte er dann: „Kind,
können wir ihn mal bis auf die Windel ausziehen? Ich würde seine Arme und Beine
gerne mal nackt sehen!“…lol…ich finde es soooo cool dass sich mein Opa in
seinem Alter noch so für medizinische Aspekte interessiert. Und deswegen: klar
habe ich es gemacht!! Habe Jonathan auf den Couchtisch gelegt und ausgezogen.
Mein Opa
hat ihn betrachtet, berührt, abgetastet…Und man hat gemerkt: der Uropa hatte
sichtlich Spaß dabei! Jonathan übrigens auch. Er hat gelacht, sehr zum Gefallen
meines Opas. 8o))
Irgendwann
durfte ich den kleinen Mann wieder anziehen und dann haben mein Opa und ich die
Prognosen der Ärzte durchgesprochen, ich habe alles erläutert was ich wusste.
Mein Opa hat schon damals gesagt das er Jonathan nur in die Augen zu sehen
braucht und einfach weiß, das er sehr pfiffig ist und alles nicht so schlimm
kommen wird wie die Ärzte sagen! (Lebens-)Erfahrung ist manchmal mit Gold nicht
aufzuwiegen….
Ich bin
sehr froh meinen Opa noch zu haben, das ist nicht selbstverständlich in meinem
Alter! Und dann ist mein Opa geistig auch noch rege und nimmt Anteil an
Jonathans Erkrankung, ist interessiert an ihm und seiner Entwicklung und diskutiert
mit mir immer wieder medizinische Befunde. Eine Erfahrung die nicht jedem
vergönnt ist und deswegen bin ich sehr dankbar dafür.
Ich war
früher ein sehr aktiver Mensch: engagiert im Beruf und immer offen dort Neues
zu lernen, mich weiterzubilden. Geistig fit zu bleiben. Es gab viele Themen für
die ich mich interessiert habe und ich war sehr oft unterwegs. Heute…ist das
alles nicht mehr in der Form möglich und wird es nie mehr für mich sein.
Zwar
beabsichtige ich tatsächlich wieder arbeiten zu gehen, doch das wird nur noch
in Teilzeit stattfinden können – denn Jonathan braucht ja Betreuung. Ein so
großes Engagement wie früher, das auch Dienstreisen beinhaltete, wird für mich
nicht mehr möglich sein.
Und
ausgehen…naja…Herbst/Winter/Frühling sind bestimmt von Infektionskrankheiten.
Und die könnten für Jonathan gefährlich werden. Also muss ich mir sehr genau
überlegen wohin ich gehen möchte, denn ich darf mich am besten mit nichts
anstecken. Und da mein Mann arbeitet und ich Jonathan zu Hause
betreue…verbringen wir die meisten Tage in diesen Jahreszeiten in unserem Haus.
Und außer unseren Therapeuten ist mein Mann dann oft für mehrere Tage der
einzige erwachsene Mensch den ich sehe…
Jonathan
schläft immer noch nicht durch. Nächte in denen er das mal getan hat können wir
auch heute noch an einer Hand abzählen. Es ist anstrengend, besonders für
meinen Mann. Denn ich bin tagsüber so unter Druck an alle Medikamente zu
denken, den Zeitplan einzuhalten, mich um beide Jungs UND den Haushalt zu kümmern…das ich nachts
einfach nicht wach werde wenn Jonathan schreit. Ich bin dermaßen erschöpft und
am Ende das ich NICHTS um mich herum mehr mitbekomme. Und deswegen steht mein
Mann jede Nacht auf. Jede Nacht mehrmals. Aber er muss am nächsten Morgen auch
zur Arbeit fahren.
Und zu
allem Überfluss ist da immer der Gedanke an die frühe Sterblichkeit von
Jonathan. Das ist belastend. Sehr.
Durch
Jonathans Gendefekt haben wir auch von einem „Traum“ Abschied genommen: der
Traum eines dritten Kindes. Eigentlich hatten wir den Gedanken daran seit der
Fehlgeburt der Zwillinge. Denn hätten wir sie bekommen hätten wir auch drei
Kinder gehabt!
Aber
heute wissen wir das MOPD I vererbt wird und wir es beide in uns tragen. Die
Chancen dass ein weiteres Kind diese Krankheit auch hätte liegen zwar nur bei
25%, aber die Gefahr besteht. Und was machen wir wenn wir in der
Schwangerschaft erfahren dass dieses Kind auch krank ist?? Was machen wir wenn
die Schwangerschaft so problematisch verläuft wie die mit Jonathan: wenn ich
nur liegen muss, aber mich doch um die Kinder kümmern muss?? Was machen wir
wenn es ein Frühchen wird zu dem ich täglich in die Klinik fahren will, aber
Jonathan nicht mitnehmen darf?? Nicht zu vergessen die psychische Belastung die
eine weitere Schwangerschaft für mich bedeuten würde. Und aus diesen Gründen
haben wir entschieden Maßnahmen zu ergreifen damit auf keinen Fall eine weitere
Schwangerschaft stattfinden kann. Aber es ist mir nicht leicht gefallen mich
von diesem Gedanken zu verabschieden! Ich habe monatelang mit mir gehadert und
überlegt…mein Herz hat JA geschrien: ich will noch ein Kind!! Aber der Kopf hat
gesiegt…
Ja…das
ist heute unser Leben. Und so hat es sich verändert durch Jonathans Geburt.
Wenn ich
meine eigenen Worte noch einmal lese dann habe ich einen Kloß im Hals. So
schwarz auf weiß zu sehen wie viele negative Dinge und Momente der Alltag mit
dem kleinen Mann mit sich bringt tut schon weh…das ist nicht das Leben das ich
eigentlich führen wollte – so habe ich mir das nicht vorgestellt. Und doch ist
es nun so…und mich hat niemand um meine Meinung gefragt.
Aber…dann
sehe ich ihn an und er lacht mit mir. Seine Augen strahlen und er ist so
wissbegierig! Und neugierig darauf seine kleine Welt zu entdecken!! Er möchte
so viel und ist so dickköpfig!! Er lässt sich nichts sagen und trotzt allen
Prognosen.
Und wenn
ich das dann sehe und darüber nachdenke wie schlecht die Prognosen eigentlich
waren und was wir gemeinsam schon erreicht haben…dann muss ich weinen weil ich
glücklich darüber bin. Und dann sagt mein Herz mir das es das alles wert ist.
Alles und noch viel mehr.
Auch wenn
es nicht das Leben ist das ich führen wollte…das ist das Leben das ich habe!
Und daraus muss ich nun das Beste machen. Das versuche ich ohne zu jammern….ich
hoffe alle diejenigen die mich persönlich kennen empfinden das auch so!
Nun..das
ist also in etwa das, was ich unseren Bekannten an diesem Abend im Playmobil-Park
zu vermitteln versucht habe.
Ich hätte
es vielleicht auch etwas kürzer ausdrücken können:
DAS LEBEN
IST KEIN PONYHOF!!!
Der Abend
im Biergarten des Playmobil-Funparks neigte sich dem Ende zu, es war
mittlerweile sehr spät geworden.
Die
„großen“ Kinder spielten Mini-Golf und Air-Hockey. Mein Mann war schon vor
längerer Zeit mit Jonathan auf unser Zimmer gegangen um ihn ins Bett zu
bringen. Es war ein großer Vorteil das wir das Parkhotel gebucht hatten: so war
es möglich das ich mit meiner Freundin noch ein paar ruhige Stunden verbringen
konnte. Denn die Zeit die wir miteinander verbringen ist rar - und geht für
meinen Geschmack auch immer viel zu schnell vorbei. 8o))
Man
verabschiedete sich, wir würden uns in einem Jahr wieder hier treffen. So wie
wir es schon immer machen seit wir uns in einer Mutter-Kind-Kur kennengelernt haben
– ein Ritual das ich sehr lieb gewonnen habe und auf das ich mich immer
wochenlang im Vorfeld freue.
Und jetzt
war es Zeit für mich und Marvin auch ins Hotel zu gehen. Die Nacht war etwas
unruhig, Jonathan schläft sowieso schlecht und eine fremde Umgebung macht das
nicht besser. Aber am nächsten Morgen konnten wir trotzdem voller Elan
aufstehen: wir würden noch einen halben Tag im Funpark verbringen und erst nach
dem Mittagessen wieder Richtung Heimat fahren.
Wir
begannen den Tag mit einem Frühstück im „HOB-Center“. Dieses Gebäude ist Teil
des Parks, es dient den Hotelgästen morgens als Frühstücksraum und ist
eigentlich…eine riesige Indoor-Spielhalle!!! Es gibt einen Klettergarten, eine
Bühne für die tägliche Minidisko und jede Menge Playmobil. Nach Themenwelten
sortiert stand hier alles was der Spielzeugladen zu bieten hatte. Die Kinder
konnten nach Herzenslust damit spielen…
…und wir
Eltern: in Ruhe frühstücken! 8o) So lange der Park noch nicht geöffnet hat sind
die Türen des HOB-Center verschlossen, man kann sein Kind also „frei laufen“
lassen – es kann nicht aus dem Raum hinaus. Ich genieße jedes Jahr aufs Neue
hier ein ausgiebiges Frühstück während ich sicher bin das Marvin einen
unbändigen Spaß hat!
Als der
Park öffnete sind wir als erstes in die Goldgräberstadt. Auch eine Tradition
bei uns: als erstes wird morgens nach Gold gegraben! Wir haben zwar
mittlerweile gefühlte 5 Kilo Gold zu Hause, aber egal: Marvin muss immer wieder
schürfen gehen. Also machen wir das.
Jonathan
hatte aber auch furchtbaren Spaß in der Goldgräberstadt! Hier gibt es Sand ohne
Ende und da es nicht kalt war haben wir ihm Schuhe und Socken ausgezogen und
ihn den Sand an den Füßen spüren lassen. Er hat gequietscht und sich gefreut
und wenn man ihn hochgehoben hat sah es aus als wolle er durch den Sand
laufen!
Wir
hatten ein ganz tolles Wochenende hier im Park. Besonders schön fand ich das
auch Jonathan hier etwas „tun“ und „erleben“ konnte: er hatte an den
Wasserstraßen und im Sand gespielt, er hatte die überall herumstehenden
(überdimensionalen) bunten Playmobil-Püppchen bestaunt, er hatte in einer
Schaukel gelegen und auch kurz in einem Boot gesessen. Eine (Plastik-)Kuh
gestreichelt und mit Papa gerutscht. Er hatte Eis gegessen.
Für ihn
waren diese beiden Tage ein sehr aufregendes Erlebnis, er hatte unglaubliche viele
neue Eindrücke gesammelt. Und man hatte gemerkt: es hatte ihn nicht geängstigt.
Er hatte alles in sich aufgesogen, offensichtlich brauchte er mittlerweile
immer wieder neuen „Input“.
Für uns
bedeutete das: wir konnten unser altes Leben ein Stück weit wieder aufnehmen,
wir konnten mit Jonathan aktiver werden und den ein oder anderen Ausflug
unternehmen. Langsam zwar, nicht zu viel auf einmal – wir wollten ihn ja nicht
überfordern! Aber wir spürten nach diesen beiden Tagen dass wir unser Leben
erneut ein wenig verändern und für uns wieder ein Stückchen lebenswerter machen
konnten. Das war ein sehr schönes Gefühl! Ein Gefühl als würde man ein wenig
Kontrolle über sein Leben zurückbekommen…ein bisschen freier werden. Wir waren
alle total euphorisch und machten uns schon Gedanken darüber wohin es als
nächstes gehen sollte!! 8o))
Ein
außergewöhnlicher Tagesausflug
Nur zwei
Wochen später haben wir einen mal ganz anderen Tagesausflug gemacht: wir haben
eine Straußenfarm besucht. Es gibt eine nur wenige Kilometer von uns entfernt.
Hier werden die Strauße in Freilandhaltung gehalten. Und zwar ganzjährig.
Der
Besuch begann mit einem Frühstück: Brötchen, Marmelade, Nutella und
auch….Straußenwurst. Sehr außergewöhnlich und interessant. Nicht unlecker. Aber
anders.
Nachdem
wir uns alle gestärkt hatten sind wir in eine kleine Bahn eingestiegen. Kennt
man als Touristen-Bahn aus jeder größeren Stadt: lauter kleine Wagen die von
einer Lok gezogen werden. Jonathan hat das erste Mal in so einer Bahn gesessen:
er hat sich sehr neugierig umgeschaut und als es losging hat er die vorbei
rauschende Landschaft aufmerksam betrachtet.
Wir sind
um die Weideflächen der Strauße herum gefahren, der Besitzer der Farm hat uns
unterwegs mit Informationen über die Tiere versorgt: was essen sie, wie
überstehen sie den Winter, sind sie aggressiv usw. Ok: das war für Jonathan
weniger interessant, denn er hat nichts davon verstanden. Aber die riesigen
Tiere die am Zaun standen hat er sehr wohl gesehen – und gerochen! Denn Strauße
riechen sehr streng, das muss an der Stelle mal gesagt sein.
Nach der
Rundfahrt ging es dann zurück auf den Hof. Hier gab es nun eine ganz besondere
Leckerei: Straußenrührei. Ein Ei reicht für….20 Personen!! Echt krass!! Der
Besitzer der Farm hat uns erklärt wie man ein Ei richtig öffnet, danach sind
alle Kinder mit der „Bäuerin“ in die Küche gegangen und haben Rührei
zubereitet. Wir haben in dieser Zeit erklärt bekommen wie man Straußenleder
herstellt und wieviel dieses exklusive Leder kostet. Nichts vom Strauß wird auf
dieser Farm verschwendet: auch die Federn werden weiter verarbeitet.
Das
Rührei schmeckte –genau wie die Wurst vom Frühstück- anders, aber nicht
unangenehm. Auch Jonathan hat ein wenig probiert. Nachdem wir alle noch etwas
getrunken und in der Scheune mit den Straußenartikeln gestöbert hatten, ging es
dann auch schon wieder nach Hause.
Ok,
zugegeben: für Jonathan war der Ausflug eher weniger spannend. Aber wir
genossen es wieder einmal etwas als Familie unternehmen zu können – Jonathan
war dabei, zufrieden und offensichtlich glücklich. Was wollten wir mehr????
Der erste
Besuch beim Ur-Opa
Mein Opa,
der Vater meines Vaters, erfreut sich noch bester Gesundheit. Jonathan ist
nicht sein erster Urenkel. Aber ein besonderer Urenkel: denn mein Opa hat
Medizin studiert. Und interessiert sich im hohen Alter von 98 Jahren immer noch
für Krankheiten, Gendefekte und all das was damit zusammenhängt.
Warum wir
ihn erst so spät zum ersten Mal besuchten weiß ich heute auch nicht mehr so
genau…ich weiß nur: mein Opa wohnt nicht um die Ecke und als Jonathan aus dem
Krankenhaus entlassen wurde - waren lange Autofahrten mit ihm etwas schwierig.
Außerdem stehen mit Jonathan immer so viele Termine an, ganz ehrlich: da bin
ich auch froh wenn ich mal NICHT Auto fahren muss….
Nun stand
aber endlich ein Besuch bei meinem Opa an. Mein Vater hatte ihn natürlich über
alles informiert, er wusste also das Jonathan sehr klein war und auch warum.
Kleinwuchs war ihm als Mediziner ja nun auch nicht ganz fremd! Vielleicht
konnte er mit dieser Diagnose sogar mehr anfangen als jeder andere in unserer
Familie. 8o)))
Jedenfalls
haben wir uns dann auf die Couch gesetzt und mein Opa hat Jonathan betrachtet.
Seine Hände angefasst und die Finger angeschaut. Irgendwann meinte er dann: „Kind,
können wir ihn mal bis auf die Windel ausziehen? Ich würde seine Arme und Beine
gerne mal nackt sehen!“…lol…ich finde es soooo cool dass sich mein Opa in
seinem Alter noch so für medizinische Aspekte interessiert. Und deswegen: klar
habe ich es gemacht!! Habe Jonathan auf den Couchtisch gelegt und ausgezogen.
Mein Opa
hat ihn betrachtet, berührt, abgetastet…Und man hat gemerkt: der Uropa hatte
sichtlich Spaß dabei! Jonathan übrigens auch. Er hat gelacht, sehr zum Gefallen
meines Opas. 8o))
Irgendwann
durfte ich den kleinen Mann wieder anziehen und dann haben mein Opa und ich die
Prognosen der Ärzte durchgesprochen, ich habe alles erläutert was ich wusste.
Mein Opa hat schon damals gesagt das er Jonathan nur in die Augen zu sehen
braucht und einfach weiß, das er sehr pfiffig ist und alles nicht so schlimm
kommen wird wie die Ärzte sagen! (Lebens-)Erfahrung ist manchmal mit Gold nicht
aufzuwiegen….
Ich bin
sehr froh meinen Opa noch zu haben, das ist nicht selbstverständlich in meinem
Alter! Und dann ist mein Opa geistig auch noch rege und nimmt Anteil an
Jonathans Erkrankung, ist interessiert an ihm und seiner Entwicklung und diskutiert
mit mir immer wieder medizinische Befunde. Eine Erfahrung die nicht jedem
vergönnt ist und deswegen bin ich sehr dankbar dafür.
Der
1.Urlaub am Meer
Nachdem
ich bei unserem Wochenendtrip in den Playmobil-Park gesehen hatte WIEVIEL
Gepäck wir mitschleppen mussten für 3 TAGE…hatte ich ja ÜBERHAUPT keine Lust zu
einem längeren Urlaub!!
Für mich
war der Kurzurlaub schon Stress pur gewesen! Alles packen…nichts
vergessen…alles auspacken..alles wieder einpacken…daheim alles
waschen..schrecklich! Aber ich denke das verstehen nur die Frauen unter den
Lesern zu 100%! 8o))
Mein Mann
jedenfalls war von der Idee, im Sommer einen gemeinsamen Urlaub fern der Heimat
zu machen, mehr als begeistert. Nachdem ich ein- oder zweimal gesagt hatte das
ich dazu wirklich keine Lust hätte weil das alles mit viel zu viel Aufwand
verbunden sei, sagte er zu mir: „Lass uns das mal lieber machen. Wer weiß ob
wir es nächstes Jahr mit Jonathan noch machen KÖNNEN!“…damit hatte er
„gewonnen“: wir würden in Urlaub fahren. Denn er hatte ja Recht: wir durften
nichts auf die lange Bank schieben.
Also
haben wir eine Woche Holland gebucht, im Ferienhaus. So waren wir wenigstens
unter uns - kein Speisezimmer im Hotel in dem Bakterien herumschwirrten. Und
wir konnten kommen und gehen und essen wann wir wollten, bzw. wie es in
Jonathans Tagesablauf hineinpasste.
Die
Vorbereitungen…ätzend!! Wir wollten nach Holland. Und da wusste man ja nie wie
das Wetter war – auch im Sommer nicht. Also mussten wir alle dünne Sachen
mitnehmen (falls es warm war) und auch dicke Sachen (falls es kalt war). Da wir
aber nicht wussten wie sich in der einen Woche das Wetter gestalten würde:
mussten ausreichend Klamotten für warmes und kaltes Wetter mit – und das für 4
Personen! Von denen eine ein Baby war das sich gerne vollspuckte oder bei dem
die Windel überlief. Also zumindest bei Jonathan: alles in dreifacher
Ausfertigung.
Schon
eine Woche bevor es losging war ich mit waschen beschäftigt. Und dann habe ich
die Klamotten auf die Seite gelegt damit keiner sie mehr angezogen hat. Überall
in den Schlafzimmern stapelten sich die Klamotten für die Reise.
Dann war
ein Besuch in der Drogerie fällig: Gläschen, Quetschbeutel, Windeln und
Feuchttücher einkaufen. Ich wollte lieber alles mitnehmen weil ich ja nicht
wusste ob es das, was wir benutzen, auch im Ferienort geben würde. (Im
Endeffekt tat ich gut mit dieser Entscheidung: die Gläschen die wir benutzen
gab es im Ferienort NICHT. Die Windeln gab es, aber sie waren mehr als doppelt
so teuer als in Deutschland!)
Die
gesammelten Einkäufe aus der Drogerie kamen auf den Kinderzimmerboden, damit
ich nichts vergaß wenn ich Koffer packte. Dazu noch die Spucktücher, Lätzchen,
Jacken, Mützen und…Jonathans neue SONNENBRILLE!!! Bis wir die in den Händen
halten konnten war es auch ein etwas längerer Weg….
Auf die
Sonnenbrille waren wir besonders stolz: eine Maßanfertigung, natürlich!! Denn
in Jonathans Größe, bzw für seinen kleinen Kopf, kann man keine Brille von der
Stange kaufen.
Die
Sonnenbrille ist nicht deswegen wichtig damit Jonathan „cool“ aussieht – was er
definitiv mit der Brille tut, das ist gar nicht die Frage! Sie ist in Wahrheit
aber wichtig weil der kleine Mann Probleme mit tränenden Augen hat. Das liegt
vielleicht an den leichten Glubschaugen, ich weiß es nicht so genau. Auf jeden
Fall tränen ihm sehr oft die Augen - wenn ihn die Sonne blendet ist es aber
wirklich extrem schlimm: er kneift die Augen dann komplett zu und sieht nichts
mehr. Und es wäre doch blöd wenn er in einer Woche Urlaub das Meer gar nicht
sehen würde, oder???
Also
überlegten wir was wir machen könnten. Und dann fiel mir ein das wir einen
Optiker in der Nähe haben der tatsächlich noch eine eigene Werkstatt hat - und
deswegen in der Lage ist auch auf individuelle Wünsche der Kunden einzugehen.
Als wir
den Urlaub geplant hatten war ich mit Jonathan zu ihm gefahren und hatte erklärt
was mir vorschwebte: eine kleine Sonnenbrille mit Bügeln die um die Ohren herum
gehen damit sie nicht so leicht abzusetzen wäre.
Der
Optiker hörte sich alles an und meinte dass er das „Grundgerüst“ einer Brille
immer bestellen müsste. Das würde er jetzt mal tun: ein paar Brillen-Modelle
von der kleinsten Sorte die es gebe. Dann würde er sich melden.
Das tat
er auch und ich bin mit Jonathan wieder hingefahren. Ok….die Brillengestelle
waren alle VIEL zu groß! Also von den Bügeln mal abgesehen (die er sich hätte zweimal um den Kopf
schlingen können), waren die Gläser auch viel zu riesig. Und die Nase zu klein:
die Brille konnte auf der Nase nicht sitzen, sie rutschte herunter. Der Optiker
kam ins Grübeln…
Er hat
dann Jonathans Augenabstand, Länge bis zum Ohr, Länge der Nase usw ausgemessen
und sich die Daten notiert. Eine Internetrecherche nach einem „Grundgerüst“ sei
fällig. Er habe da schon so eine Idee wo er das herbekommen könnte. Er würde
sich melden…
Nach
einer Woche hat er mich angerufen und gesagt dass er nur ein Brillengestell
finden konnte das von den Maßen her einigermaßen passen könnte – wenn man es
noch ein wenig anpasste und umbaute. Ich sollte vorbeikommen und es mir
ansehen. Mittlerweile hatte ich die Hoffnung auf eine Sonnenbrille für Jonathan
schon fast aufgegeben und als er mir sagte das es EIN Gestell gebe..da war es
mir egal wie das aussieht! Ich hätte auch rosa mit Blumenmuster genommen!
Aber…die
Brille war blau und rund und ich fand sie auch noch hübsch!! Was will man
mehr!!
Natürlich
war sie zu groß. Der Optiker hat Jonathan die Brille aufgesetzt und die
benötigte Länge an den Bügeln angezeichnet. Dann hat er gesagt dass er die
Bügel nun entsprechend kürzen und den Bogen der auf dem Nasenrücken sitzt
schmaler machen würde. Dann kämen Sonnengläser hinein, denn momentan war es
einfach ein „normales“ Brillengestell. Er würde sich bei mir melden.
Zu dem
Zeitpunkt bekam ich das erste Mal Zweifel ob die Brille noch bis zum Urlaub
fertig werden würde! Ich sagte dem Optiker wann ich sie spätestens benötigte
und er versprach mir sein Möglichstes zu tun.
Ich hörte
nichts mehr vom Optikergeschäft. Nach einiger Zeit habe ich dort angerufen und
gefragt wie weit man sei. Noch nicht fertig, man würde sich bei mir melden.
Jetzt
bekam ich zum zweiten Mal Zweifel und sagte schon zu meinem Mann dass es nichts
werden würde mit der Brille. Die Zeit wurde langsam knapp! Und wenn ich zum
Abholen fuhr und sie nicht passte – dann hätten wir ein Problem!!
Aber…nur
wenige Tage vor der „deadline“ rief der Optiker an und sagte ich könnte kommen.
Habe ich umgehend gemacht. Und was soll ich sagen? Die Brille passte perfekt!!!
Die Bügel
waren gekürzt und es waren Gummiaufsätze draufgesteckt worden die halbrund
waren und das Ohr umschlossen. Diese Aufsätze waren so lang das ich sie, sollte
Jonathan wachsen, noch ein wenig herausziehen konnte um den Bügel zu
verlängern. So würden wir nicht sofort eine neue Brille benötigen!! Perfekt.
Das
Gestell war aus einer Art Gummi, so konnte es nicht kaputt gehen wenn Jonathan
die Brille mal ein wenig rabiater behandelte.
Ich war
glücklich! Der Holland-Urlaub mit viel Sonnenschein konnte beginnen!!!
…wenn wir
Brillenträger unter den Lesern haben wird denen nun die Frage nach den Kosten
durch den Kopf gehen. Das kann ich an der Stelle gerne beantworten. Denn es ist
mal ein positiver Punkt den ich über unsere Krankenkasse zu berichten habe..
Die Brille
hat 120€ gekostet und die Kosten wurden komplett von der Krankenkasse
übernommen.
Wir haben
alle zwei Jahre das Recht auf eine Brille für Jonathan. Ob es eine Sonnenbrille
oder eine „normale“ Brille ist, spielt keine Rolle.
Also auch
die Sonnenbrille kam in ihrem Etui nun auf den Haufen der Dinge die ich noch
einpacken musste.
Die Augen
waren nun also vor der Sonne geschützt, aber was war mit der Haut??? Sollte es
warm genug sein das wir Zeit am Strand verbringen oder sogar ins Meer gehen
könnten dann müsste Jonathan entsprechende Kleidung haben! Grade bei der
empfindlichen Haut die er hat…
Von
Marvins Kleinkindzeit wusste ich dass wir gute Erfahrungen mit UV-Anzügen
gemacht hatten. Meist Ganzkörperanzüge, ein- oder zweiteilig, die einen
Lichtschutzfaktor hatten und so die empfindliche Haut vor Sonnenbrand schützen
könnten. Dazu passend gab es meist noch Mützen mit Sonnenschutz im Nacken.
Davon erzählte
ich meinem Mann und sagte dass ich so etwas bestellen wollte. Gesagt, getan.
Das es problematisch werden würde bemerkte ich erst als ich am Internet saß und
sah, in welchen Größen diese Anzüge vorhanden waren: es gab sie definitiv nicht
in Jonathans Größe. Sie waren alle meilenweit zu groß! Und wenn der Anzug an
allen Ecken und Enden schlabbert, sei mal dahin gestellt ob der UV-Schutz dann
wirken würde!
Also:
stundenlange Recherche im Internet! Bei einem (ausländischen) Anbieter haben
wir dann etwas in der nächstgrößeren Größe gefunden: einen einteiligen Anzug
und einen Zweiteiler. Wir haben beides bestellt.
Schon
kurze Zeit später hielt ich mein Päckchen in den Händen.
Der
Zweiteiler hatte lange Arme und lange Beine – und die waren wirklich lang! ZU
lang. Der ging echt gar nicht. Klar hätten wir die Ärmel umkrempeln können,
aber das UV-Schutz-Material ist ja glatt, und so rutschten die Ärmel immer
wieder auf…also: zurückschicken.
Der Einteiler
hatte kurze Arme und Beine. Und das war unser Glück! Denn die waren bei
Jonathan genau richtig lang!!! Der Schritt saß zwar knapp über dem Knie und der
Halsausschnitt bedeckte das Kinn – aber es ging einigermaßen und mit dem Anzug
wäre Jonathan gut vor der Sonne geschützt. Also: den würden wir behalten!!
(Heute,
mehr als 1 Jahr später…haben wir den Anzug immer noch und er ist immer noch zu
groß!)
Schwimmwindeln
und Anzug kamen auf den Boden im Kinderzimmer. Man wusste ja nicht ob es nicht
DOCH warm genug sein würde um im Meer zu planschen! Und besser man war für alle
Eventualitäten gerüstet.
Weiter
ging es mit…den Medikamenten. Dafür hatte ich mir vom Kinderarzt noch Rezepte
geholt und war in die Apotheke gefahren: das Medikament das uns aus den USA
geliefert wurde noch einmal bestellen. Denn sollte das Fläschchen das wir
hatten in Holland kaputt gehen, würden wir dumm aus der Wäsche schauen. Also
lieber schon im Vorfeld für Ersatz sorgen! Genau wie bei dem Medikament für den
Bluthochdruck, das dauernd gekühlt werden muss. Das wurde ja für uns in der
Apotheke gemischt. Also lieber auch doppelt dabei haben.
Elektrolyte
und den Rest hatten wir noch. Also: alles auf den Kinderzimmerboden gestellt.
Jetzt
noch Milchpulver. Gab es auch nur in der Apotheke, also eine ausreichende Menge
mitnehmen! Lieber ein bisschen zu viel.
Fläschchen…Schnuller…seinen
Wärmeteller und Löffel. Eine Waage: denn wir wiegen das Essen immer, um eine
Übersicht zu haben wieviel er so zu sich nimmt am Tag. Spritzen für die
Medikamente, Behälter um die Elektrolyte mitzunehmen wenn wir unterwegs sein
sollten…
Spielzeug
für Jonathan. Einen Schlafsack. Oder lieber mal zwei??? Bücher. Seine
Kuscheltiere…Ich legte alles auf den Boden im Kinderzimmer.
Sandspielzeug???
Nun ja: Jonathan konnte noch nicht allein sitzen. Aber vielleicht hätte er
trotzdem Lust mal eine Schippe in die Hand zu nehmen und mit uns gemeinsam im
Sand zu buddeln??? Also kam auch eine Tüte mit Sandspielzeug auf den
Kinderzimmerboden.
Sollte es
sonnig werden in Holland: bräuchten wir Schatten wenn wir den ganzen Tag mit
Jonathan am Meer sein wollten. Zum Glück hatten wir noch eine Strandmuschel aus
einem Urlaub von vor einigen Jahren. Schnell in den Keller laufen und die
Strandmuschel holen. Und zu den anderen Sachen legen.
Schwimmflügel???
Zum ersten Mal dachte ich darüber nach was passieren würde wenn Jonathan im
Wasser planschen wollte. Normalerweise kauft man dann Schwimmflügel und legt
sie dem Kind an – zur Sicherheit. ABER: das war bei uns ja gar nicht möglich!!
Joni hat so dünne, kleine Arme…es gibt einfach keine passenden Schwimmflügel
für ihn!
Vielleicht
einen Schwimmgürtel??? Den man um den Bauch macht?? Eigentlich eine gute Idee.
Aber leider auch das nicht möglich weil Jonathans Bauchumfang zu schmal ist für
diese Gürtel, die halten bei ihm gar nicht.
Für
dieses Problem haben wir damals keine Lösung gefunden und uns dann einfach
gesagt: WENN das Wetter gut genug ist das er ins Meer kann, dann wird immer
einer von uns mitgehen und ihn festhalten. Anders ist es nicht möglich.
Das
Reisebett musste auch noch mit: denn irgendwo musste Jonathan ja schlafen. Für
dieses Bett hatten wir eine Matratze gekauft damit er ein wenig weicher und
komfortabler liegen könnte. Die beiden Sachen kamen also auch noch auf den
Boden dazu.
Mir fiel
nichts mehr ein was ich noch einpacken müsste, ich glaubte dass ich nun an
alles gedacht hätte. Und deswegen schaute ich mich mal etwas genauer um.
Jonathans Zimmer ist nicht klein, aber auch nicht riesig. Jedenfalls war der
komplette Boden mit Gepäck bedeckt. Ich fragte mich wie DAS alles ins Auto
passen sollte! Und das war ja nur Jonathans Gepäck! Es gab aber noch drei
Personen in diesem Haushalt!!
Ich
schaute alles noch einmal durch und überlegte genau ob ich es wirklich
brauchte. Das war aber der Fall: es gab nichts dass ich überflüssig fand. Also
musste das wohl alles mit!!
Am Ende
hatte Jonathan zwei Koffer dabei: einer mit Medikamenten und Essen und einer
mit dem Rest. Marvin hatte einen Koffer dabei: mit Kleidung und jeder Menge
Büchern (er ist eine Leseratte!). Und mein Mann und ich teilten uns einen
Koffer. Dazu kam dann noch die Kühlbox und…unser Buggy. Hierbei handelt es sich
um einen Rehabuggy, das bedeutet er ist nicht klein. Hat annähernd die Ausmaße
eines Rollstuhls.
Mein Mann
fährt einen Van mit einem echt großen Kofferraum. Aber wir bekamen trotzdem
nicht alles hinein. Und haben uns dann entschieden das der Rehabuggy zu Hause
bleiben muss. Stattdessen haben wir dann den Unterteil des Kinderwagens mit
einem Adapter für das MaxiCosi eingepackt: das nahm doch etwas weniger Platz
weg. War aber auch nicht so schön für Jonathan weil er darin weniger sah als in
seinem Buggy.
Aber wir mussten Abstriche machen wenn wir nicht noch einen Anhänger
kaufen wollten für den Urlaub!!
Ich hätte
ja nicht geglaubt dass der Moment mal kommen würde, aber irgendwann war
tatsächlich alles eingepackt und im Auto verstaut.
Wir sind
wieder am frühen Morgen gefahren, mit der Uhrzeit hatten wir auch gute
Erfahrungen auf dem Weg in den Playmobilpark gemacht.
Die Fahrt
war gut: bis zu unserem Urlaubsort brauchten wir nicht einmal 4 Stunden. Pausen
machten wir: Jonathan musste ja essen und seine Medikamente bekommen. Das
klappte aber alles einwandfrei. Stau gab es auch keinen. Ein super Beginn
unseres Urlaubs!
Per Mail
hatten wir von unserer Vermieterin die Mitteilung bekommen das wir ab 15 Uhr
unser Appartement beziehen könnten. Natürlich waren wir aber viel früher vor
Ort. Wir haben vor der Unterkunft geparkt und das halbe Auto ausgeräumt um an
den Kinderwagen zu kommen. 8o)
Dann
haben wir die Taschen und Koffer durchwühlt, und unsere Strandsachen und Essen
für Jonathan in den Wagen gepackt. UND DANN: ging es erstmal los ans Meer.
Marvin
war nicht zu bändigen! Er liebt das Meer. Wenn man ihn fragt wohin er im Urlaub
möchte, dann kann man sicher sein das er ans Meer will.
Der Weg
war nicht so weit: vielleicht 800 Meter. Wir kamen auf der Strandpromenade an:
herrlicher Sonnenschein und es war warm. Jonathan bekam seine Sonnenbrille und
eine Sonnenmütze aufgezogen und dann ging es an den Strand. Marvin hatte uns
seine Schuhe in die Hand gedrückt und war eh schon weg…
Wir mussten
erstmal den Wagen eine Treppe hinunter-, und dann auch noch über den Strand
tragen. Schieben auf Sand, wenn das Gefährt beladen ist mit Handtüchern und Essen
– eher nicht möglich! Aber schnell hatten wir einen Platz gefunden an dem wir
den Wagen lassen konnten, haben Jonathan aus seinem Wagen geholt und sind ans
Wasser gegangen.
Er war so
begeistert! So interessiert!! Hat sich alles betrachtet und auf die Geräusche
gelauscht. Sich umgesehen. Es war einfach so schön zu sehen dass er Freude
daran hat!!
Natürlich
waren wir die Attraktion am Strand. Ein so winziges Baby mit Sonnenbrille und
Mütze…viele Leute sind stehen geblieben und haben gelächelt oder uns gewunken.
Wir sind es ja schon gewohnt…
Die
Mittagszeit kam, Jonathan brauchte Medikamente und auch sein Essen. Also
mussten wir uns wohl ein Lokal suchen.
Ich habe
zu meinem Mann gesagt das ich mich in Holland ausschließlich von Fisch ernähren
werde und wir deswegen ein Lokal suchen sollten in dem es Fisch gibt.
Also: den
Wagen wieder auf die Strandpromenade tragen und sich umschauen was es da so
gibt. Genau gegenüber auf der anderen Straßenseite gab es ein Lokal. Ich weiß
den Namen nicht mehr, aber er versprach Fischgerichte. Also sind wir dorthin
gegangen und haben uns einen Platz gesucht.
Es hat
EWIG gedauert bis jemand zu uns kam. Aber nur um uns zu sagen das in diesem
Lokal nur Gäste des Hotels essen dürften – das es eigentlich war. Super!! Mir
hing der Magen in den Kniekehlen, Jonathan würde auch nicht mehr lange ruhig
bleiben und dann waren wir hier nicht einmal erwünscht. Na gut: alles wieder
einpacken und weiter suchen.
Relativ
schnell haben wir ein weiteres Lokal entdeckt. Auch hier weiß ich den Namen
nicht mehr. Aber die Dekoration waren Piraten, Schiffe und Angelutensilien.
Also musste es hier ja wohl Fisch geben!
Wir haben
uns einen Platz gesucht. Prompt kam eine Bedienung und wir haben Getränke
geordert und die Speisekarte bekommen. Ja, und dann kam die große Überraschung:
das hier war…ein PFANNKUCHENHAUS!!!
Ich
wollte es nicht glauben. Direkt am Strand, eingerichtet wie ein Piratenschiff
und dann gab es NUR PFANNKUCHEN.
Aber wir
hatten Hunger, hatten schon Getränke bestellt und konnten jetzt auch nicht
schon wieder auf die Suche nach einem neuen Lokal gehen. Also haben wir uns
alle etwas ausgesucht und eben hier gegessen. Zumindest war das Lokal sehr
kinderfreundlich: es gab eine Mikrowelle in der wir Jonathans Essen erwärmen
konnten.
Zwar
hatte ich mir mein erstes Essen in Holland am Meer etwas anders vorgestellt.
Aber wenigstens haben wir heute noch diese Geschichte zu erzählen die uns immer
wieder zum Schmunzeln bringt!! 8o)
Nachdem
alle einen vollen Bauch (und Jonathan
auch eine frische Windel) hatten sind wir wieder an den Strand gegangen. Es war
traumhaftes Wetter!!! Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel und es war
warm! Ich wünschte mir dass es die ganze Woche so bleiben möge. Jonathan hat
das Meer betrachtet, dem Rauschen der Wellen gelauscht und war total
fasziniert. Er hat sich umgeschaut, war ganz ruhig dabei und es sah aus als
würde er alle diese Eindrücke in sich aufsaugen wie ein kleiner Schwamm.
Nachmittags
mussten wir dann zu unserer Ferienwohnung: die Schlüsselübergabe sollte
stattfinden, die Vermieterin hatte angerufen das alles bereit sei für uns. Wir
haben alles zusammen gepackt und sind zurück gelaufen.
Die
Vermieterin war wirklich sehr nett und unsere Wohnung zwar eine Kellerwohnung,
aber sehr luxuriös eingerichtet: wir konnten uns auf knapp 100m2 austoben und
das mit der edelsten Einrichtung! Regenwalddusche, eine tolle Couchlandschaft,
ein großer Esstisch der zur abendlichen Spielerunde einlud, eine Stereoanlage
mit CD´s quer durch sämtliche Genres, eine Küche mit allen Geräten die das Herz
begehrte: ich war begeistert!! Wir würden ja jeden Tag ab dem frühen Abend hier
sein weil Jonathan Abendessen und sicherlich auch ein wenig Ruhe benötigte, es
war schön zu wissen das wir es hier so gemütlich hatten!
Jetzt
hieß es: uns einrichten. Koffer auspacken und uns mit der neuen Umgebung
vertraut machen. Damit endete der erste Tag unseres ersten Urlaubs!
Am
nächsten Morgen, nach einer für Jonathan erstaunlich ruhigen Nacht, zeigte der
Blick durchs Fenster einen grauen Himmel. Einen SEHR grauen Himmel!! Okay: Strandwetter
war das eher nicht. Was sollten wir mit diesem Tag anfangen?? In unserer
Wohnung lagen Broschüren mit Sehenswürdigkeiten aus der Gegend, die haben wir
dann mal studiert. Und festgestellt das unser Ort eine Autorennstrecke besaß!!
Früher war hier Formel1 gefahren worden - heute gab es noch die DTM-Rennen.
Aktuell fand zwar kein Rennen statt, aber die Strecke konnte man sich trotzdem
anschauen. Da unser Ferienort nicht grade eine Millionenmetropole war sollte
die Distanz bis zur Rennstrecke gut zu Fuß zu bewältigen sein.
Mein Mann
schaute sich auf dem Handy den Weg an, ich machte Jonathan „ausgehfertig“ und
packte Essen und Medikamente ein. Und dann ging es los! Unsere erste
Ortserkundung!! 8o))
Ich schob
den Buggy mit Jonathan, Marvin ging neben uns und jammerte weil er keine Lust
zum Spazieren gehen hatte und mein Mann lief vorne weg: sehr sicher wohin wir
gehen mussten um zur Rennstrecke zu kommen. Am Anfang dachte ich mir noch
nichts und lief ihm hinterher. Wir kamen durch ein Wohngebiet…dann an einer
Schule vorbei…liefen auf einen Sportplatz zu…hinter dem Sportplatz war ein
Golfplatz, das Betreten war nur Mitgliedern des Golfclubs erlaubt. Und hier
endete die Straße. Es war eine Sackgasse.
Aber
immer noch war mein Mann sich sicher das DAS der richtige Weg zur Rennstrecke
war…ich wollte jemanden fragen, aber „Quatsch! Das ist richtig hier! Schau mal,
da ist ein Weg: der führt auf die Dünen!“…auf die DÜNEN???? Mit dem BUGGY???
Ernsthaft???
Ich habe
ihm gesagt dass das mit mir nicht machbar ist und dass wir einen anderen Weg
brauchen. Und das es auch nicht richtige Weg sein KANN: es kann doch nicht
angehen das der einzige Weg zu einer großen Rennstrecke über DÜNEN führt…
Also: wir
wieder ein riesiges Stück zurück. Irgendwann kam ein Weg der Richtung Meer
führte und wir wussten von Fotos das die Rennstrecke am Meer lag. Also haben
wir beschlossen den Weg mal auszuprobieren. Wir haben Wohnanlagen gefunden –
für TAUBEN!! Kein Scherz!! Das Gebiet rechts und links neben dem Weg sah aus
wie eine Reihenhaussiedlung für Zwerge und hier wohnten TAUBEN. Die sind über
uns herumgeflogen und haben gegurrt. Alles war voller Taubendreck und
wieder…endete der Weg als Sackgasse. Und zwar nicht am Meer, sondern schon weit
vorher. Also: wieder umdrehen und einen neuen Weg suchen.
Mittlerweile
nörgelte Marvin stärker. Er hatte ja von Anfang an keine Lust zum Laufen gehabt
und dass wir nun noch nicht mal den Weg fanden machte die Sache nicht besser!!
Ich wurde
auch langsam unruhig. Jonathan würde bald Essen brauchen und es sah nicht so
aus als würden wir in der näheren Zukunft an der Rennstrecke ankommen.
Wir sind
bis ins Wohngebiet zurückgelaufen – und das war ein ziemliches Stück!! Hier war
mein Mann sich dann sicher dass er nur falsch abgebogen war. Wir hätten nicht
Richtung Schule laufen sollen sondern in die andere Richtung. Ok: probieren wir
es aus! Was blieb uns auch anderes übrig.
Also in
die andere Richtung. Alles was es hier gab war: Wohngebiet. Komisch. Weit und
breit noch nicht mal Meer!! Aber mein Mann sagte dass wir bald da sein müssten,
so weit war die Rennstrecke doch von unserer Ferienwohnung gar nicht entfernt.
Also wackelten Marvin und ich immer hinter ihm her. Es begann zu regnen.
Marvins Laune wurde dadurch nicht besser. Und ich immer genervter…und noch
immer war keine Rennstrecke zu sehen.
Wir kamen
an eine ziemlich große…Hauptstrasse??? Die hatte ich hier noch gar nicht
gesehen. War das nun gut oder nicht?? Hmmm….
Ein
CenterPark. Interessant. Da kamen wir nicht durch, wir mussten außen herum
laufen. Marvin war mittlerweile im Dauernörgel-Modus: seine Füße taten weh, er
hatte Hunger und es regnete – drei Dinge die für ihn gar nicht gehen.
Ich wurde
immer wütender auf meinen Mann…wo war denn nun diese dumme Rennstrecke? Das
konnte doch nicht sein!! Wir hatten uns verlaufen, da war ich ganz sicher und
er konnte das nicht mal zugeben oder nach dem Weg fragen…schlimm!! 8o(( Zum Glück war Jonathan relativ entspannt. Er
schaute sich seine Umgebung an, gut geschützt unter Decken und einem Regennetz.
Trotzdem ging mein Blick immer wieder zur Uhr, die Zeit wurde knapp und das
Ziel war noch nicht in Sicht. Mittlerweile war ich soweit das ich bei der
Tankstelle, die ich einige hundert Meter vor uns sehen konnte, nach dem Weg
fragen wollte. Aber wir kamen um die Kurve herum und…sahen das Meer und die
Strandpromenade!! Halleluja!!
Jetzt ist
es in unserem Ferienort so, dass am Strand ganz viele Lokale stehen. Und jedes
Lokal hat eine Nummer, diese Nummer weht auch als Fahne über dem Lokal. So kann
man sich super orientieren! Wir waren bei
Nummer 17 angekommen. Auf dem Lageplan stand dass die Rennstrecke bei
Nummer 23 war. Das wäre noch ein gutes Stück zu laufen gewesen. Mit Marvin
nicht mehr möglich. Und mit Jonathan auch nicht, der brauchte Medikamente und
Essen. Also haben wir beschlossen in Nummer 17 einzukehren und etwas zu
trinken, wenn es uns gefallen sollte: auch etwas zu essen. Marvin und ich waren
versöhnt und machten meinem Mann auch nicht länger Vorwürfe…nein…jetzt machten
wir uns lustig über ihn weil er den Weg nicht gefunden hatte. Der Weg wäre so
leicht zu finden gewesen wenn wir einfach an der Uferpromenade entlang gegangen
wären!!! Und nicht quer durch den Ort!!! …8o)) LOL
Diese
Aktion ist ein „running gag“ bei uns geworden. Wenn wir nicht wissen wo genau
es hingeht sagen wir meinem Mann immer das ER den Weg nicht raussuchen darf!!!
Aber: Schwamm drüber… damals hat es mich sehr genervt, aber rückwirkend
betrachtet war es doch irgendwie lustig. Weil so typisch MANN, oder?? Nicht
nach dem Weg fragen wollen und so….
Jedenfalls
kehrten wir nun in Nummer 17 ein. Nach dem langen Fußmarsch hatten wir Durst,
also haben wir gleich große Getränke bestellt: Marvin eine Cola und wir jeweils
ein Bier. Und dann haben wir uns die Karten fürs Mittagessen bringen lassen.
Einmal reinschauen reichte: die Preise waren definitiv nicht unsere Liga!! Fast
6€ für ein 0,4l Bier….das war so krass! Ich brauchte die Speisekarte gar nicht
anschauen, da verging einem ja der Appetit!
Also
haben wir dem Kellner gesagt dass wir uns anders entschieden hätten und nichts
essen wollten, aber gerne die Rechnung hätten. Und dann sind wir aufgebrochen
und auf der Strandpromenade weitergelaufen um ein anderes Lokal zu finden. Die
Suche nach einem Lokal kam mir bekannt vor! 8o))
Nun ja,
heute brauchten wir nicht weit zu laufen: schon Nummer 18 sah vielversprechend
aus. Vor dem Eingang stand ein Hummer aus Pappmache, das würde ja nun
hoffentlich ein Fischlokal sein! Wir sind dort eingekehrt und was soll ich
sagen? Dieses Lokal wurde für den kompletten Urlaub unser zweites Zuhause! (Und
auch im Jahr danach, denn wir haben noch einmal in diesem Ort Urlaub gemacht!)
Dieses
Lokal war für mich der Himmel auf Erden: Fisch auf der Speisekarte soweit das
Auge reichte! Endlich!! Auch die Preise schienen moderat zu sein. Wir waren
froh dass wir uns gegen das erste Restaurant entschieden hatten, denn so waren
wir hier gelandet.
Unser
erster Fisch in Holland war KIBBELING. Hörte sich lustig an und ich dachte noch
so bei mir das ich das noch NIE gegessen hatte, obwohl ich immer viel Fisch
esse. Bis die Bedienung, die perfekt Deutsch konnte, dann erklärte das es sich
hierbei schlicht und ergreifend um KABELJAU handele. LOL. Ok, hatte ich
vielleicht ja doch schon mal gegessen!
Wir haben
alle drei Kibbeling gegessen, und er war wirklich fantastisch zubereitet.
Jonathan hat eine Pommes bekommen und begeistert auf ihr rumgelutscht.
Das Lokal
selber war toll eingerichtet: überall hingen Fischer-Utensilien, sogar eine
Gallionsfigur konnte man sehen. Draußen gab es eine Terrasse mit direktem Blick
zum Meer. Glasscheiben schützen aber vor herumfliegendem Sand und auf den
meisten Tischen brannte ein kleines Feuer. Dann gab es noch eine überdachte
Couchlandschaft: und hier haben wir uns eingerichtet. Und das… für die
komplette nächste Woche! Wir sind jeden Tag mit Buggy und Gepäck in diesem
Lokal eingefallen: haben uns auf der Couchlandschaft ausgebreitet, uns in der
Toilette zum Schwimmen gehen umgezogen, danach in der Toilette wieder „trocken
gelegt“, haben Jonathan dort gefüttert und gewickelt.
In den
ersten Tagen habe ich mich ein wenig unwohl gefühlt weil ich dauernd dachte das
gleich ein Kellner kommt der uns rausschmeißt weil wir uns ein bißchen ZU WOHL
dort fühlen…aber es hat nie jemand ein Wort gesagt. Okay: wenn wir den ganzen
Tag dort waren haben wir natürlich auch einiges getrunken und gegessen.
Vielleicht hat dieser Punkt überwogen. Oder es war Jonathan geschuldet: in ihn
waren alle Kellner und Kellnerinnen total verliebt!
(Und, das
muss ich mal an der Stelle vorweg nehmen: unsere 4 Lieblingskellner haben uns
ein Jahr später tatsächlich wiedererkannt und wussten auch unsere Namen noch!!
Das hat mich schon schwer beeindruckt, denn in einem Jahr sieht man als Kellner
in Holland vermutlich schon einige Gesichter!!)
An
unserem zweiten Urlaubstag besserte sich das Wetter nicht mehr. Wir sind nach
dem Essen zwar noch mal auf den Strand und ans Meer gegangen – haben die Wellen
angeschaut und angehört und wir „Großen“ waren auch mal mit den Füßen im
Wasser, aber wirklich Strandwetter war das nicht. Also haben wir überlegt wie
wir diesen Tag sinnvoll nutzen könnten und haben uns entschieden durch den Ort
zu bummeln.
Marvin
war begeistert: er LIEBT bummeln und shoppen. (Das hat er NICHT von mir! Lach)
Wir sind
also durch die Fußgängerzone gelaufen und haben Schaufenster betrachtet, sind
auch in ein paar Läden hinein gegangen und haben uns umgesehen. Als wir einen
Spielzeugladen entdeckt haben gab es für Marvin kein Halten mehr!!
Er war
direkt verschwunden auf der Suche nach LEGO und PLAYMOBIL. Vielleicht gab es
hier in Holland ja ein paar Sets die es in Deutschland nicht gab???
Eigentlich
hatten wir nicht beabsichtigt für Jonathan etwas zu kaufen, aber…kaum das wir
den Laden betreten hatten haben wir die TutTut-Babyflitzer entdeckt. Da gab es
nun für MICH kein Halten mehr! 8o))
Leider
gab es keine anderen Autos als in Deutschland, aber diese hier sprachen
natürlich holländisch und ich habe mich relativ schnell in ein Taxi verliebt:
Thjis. Der Name war so lustig!!! Also habe ich meinen Mann so sehr genervt bis
er sagte: er kauft das Auto. Und das war das Beste was wir tun konnten, denn den
restlichen Urlaub hat Jonathan das Auto nicht mehr aus der Hand gelegt, wir
hätten keine anderen Spielsachen gebraucht! Und bis heute ist es eins seiner
absoluten Lieblingsautos. 8o))
Den
restlichen Abend haben wir also mit dem TutTut-Taxi verbracht und sind dann
recht früh zu Bett gegangen. Die Seeluft macht wirklich wirklich müde!!
Und da
wir recht früh ins Bett gegangen waren…waren wir auch früh wieder wach. Aber
der Blick aus dem Fenster zeigte uns das das Wetter sich seit dem Vortag nicht
verbessert hatte: eher im Gegenteil – wir hatten starken Wind. SEHR starken
Wind…
Nach dem
Frühstück haben wir beschlossen wieder in unser Lieblingsrestaurant zu gehen
und uns dort „breitzumachen“. Vielleicht würde das Wetter im Laufe des Tages ja
besser werden.
Als wir
die Ferienwohnung verlassen haben....haben wir eine MINI-Schnecke gefunden. Und
ich meine: eine Mini-Schnecke. Ich habe noch nie in meinem Leben so eine kleine
Schnecke gesehen! Sie war wie für Jonathan gemacht. Kleine Hände, kleine
Schnecke! 8o)) Wir haben sie ihm auf die Hand gesetzt und er hat sie sehr
neugierig betrachtet. Offensichtlich hat sie ihn auch gekitzelt, denn er hat
mehrfach gelacht…
Nachdem
der kleine Mann aber genug von der kleinen Schnecke hatte sind wir losgegangen
Richtung Strand. (Wir haben uns zum Glück auch nicht verlaufen!) Es war so
windig, das war unfassbar!!! Ich hatte das Gefühl das wir weg geweht werden.
Auf der Strandpromenade haben wir den Buggy losgelassen und er ist von allein
gefahren…und das obwohl er voll beladen war mit Handtüchern, Windeln,
Klamotten, Essen, Büchern, Spielen und noch einigem mehr…
Zuerst
mal sind wir in unserem neuen Lieblingsrestaurant eingekehrt und auch trotz des
Windes ans Meer gegangen. Ich habe Jonathan über meinen Kopf in die Luft
gehalten und der Wind war so stark das sein Schnuller an der Schnullerkette
waagrecht in der Luft hing. 8o) Uns war klar: Strandtag ist das leider wieder
nicht.
Bis zum
Mittagessen sind wir trotzdem am Strand und im Lokal geblieben. Als dann alle
gegessen hatten haben wir beschlossen einen Spaziergang am Meer entlang zu
machen. Bei Wind. Mit dem Buggy. Das mache ich NIE mehr, ich schwöre!! Allein
den beladenen Buggy durch den Sand zu schieben ist eine Kunst für sich – aber
wenn es auch noch stürmt und einem der Sand in die Augen fliegt…nein, nicht
schön!!
Mehrfach
mussten mein Mann und ich den Buggy gemeinsam tragen weil es anders nicht ging.
Das hieß dann gebückt aber den Strand laufen und einen Buggy tragen der
gefühlte 25 Kilo wog und dabei flog einem der Sand um den Kopf. Igitt…es war
die falsche Entscheidung nicht die Uferpromenade zu nehmen. Lol….
Aber
wenigstens haben wir SO unser Ausflugsziel für den Nachmittag gefunden: am
Strand gab es ein „Museum“ - klein aber der Eintritt war kostenlos. Hier wurden
Strandfundstücke ausgestellt. Fanden wir alle ziemlich spannend und deswegen
haben wir beschlossen uns das anzuschauen. Draußen konnte man eh nicht viel
unternehmen bei dem Wetter, also…
Total
witzig was dort alles zu sehen war: von Rinderknochen (da hatte bestimmt jemand
auf einem Schiff gegrillt und die Knochen über Bord geworfen), über Schnuller
und Barbiepuppen, Matchbox-Autos, Playmobil, Ferngläser, Taschenlampen und
Abzeichen von Bundeswehr und Marine bis hin zu Baby-Trinkflaschen und
Gummi-Dinosauriern war alles vertreten. Bei diesen Sachen konnte man sich ja
noch vorstellen dass sie beim Spielen oder versehentlich ins Meer geraten
waren…aber bei den ganzen Abfällen die auch im Museum zu sehen waren ahnte man
das hier Vorsatz am Werk gewesen war. Selbst Marvin war betroffen als wir die
Tonnen von Plastikmüll, Kanistern und sonstigem Kram betrachteten die man am
Strand gefunden hatte, weil sie von der Flut angeschwemmt worden waren. Traurig
was die Menschen ihrer Umwelt so antun!!!
Doch
neben der Betroffenheit hatten wir auch Spaß in diesem Museum…es gab Aquarien
in denen lebende Tiere ausgestellt waren…es gab Sattelitenteile der NASA zu
bestaunen die im Meer gelandet waren und wir lernten: Strandgut gehört
offiziell dem Bürgermeister der Stadt. Das hieß für uns: sollten wir einen
Schatz am Strand finden, gehörte er dem Bürgermeister und nicht uns…8o)))
Wir
ließen den Tag bei einem ausgiebigen Abendessen ausklingen und hofften dass am
nächsten Tag besseres Wetter sein möge damit wir einen Strandtag einlegen
könnten.
Dem war
aber leider nicht so. Am nächsten Morgen zeigte der erste Blick aus dem Fenster
einen genauso grauen Himmel wie in den Tagen davor. Aber: wir ließen uns davon
nicht die Laune verderben! Wir hatten Urlaub, den ersten Urlaub mit Jonathan,
und daraus würden wir das Beste machen.
Also
beschlossen wir: der richtige Tag um mit dem Zug nach Amsterdam zu fahren und
uns die Stadt anzusehen!!
Weder
mein Mann noch ich waren jemals in Amsterdam gewesen. Wir wollten dort eine
Stadtrundfahrt machen, im HardRock-Cafe zu Mittag essen und dann auch schon
gemütlich wieder zurück fahren um Jonathan nicht zu überfordern.
Gesagt,
getan. Der Buggy wurde mit allem beladen was wir so für einen Tag mit Jonathan
brauchten. Dann haben wir unsere Sachen zusammen gepackt, Regenjacken angezogen
und sind losgelaufen. Der Bahnhof war quasi um die Ecke und die Fahrt nach
Amsterdam sollte laut unserer Vermieterin nur circa 30 Minuten dauern.
Aber
allein die Tickets zu kaufen war eine Herausforderung. Es gab keinen
Ticketschalter an dem man mit einem Menschen hätte reden können. Die Tickets
mussten an einem Automaten erstanden werden und der konnte nicht richtig
Deutsch…aber irgendwann hatte mein Mann es geschafft und drei Tickets für die
Hin- und Rückfahrt in der Hand.
Also ab
in den Zug und los ging´s. Jonathans erste Zugfahrt. Marvin hat ihn auf den Arm
genommen und durch das Fenster hat Jonathan staunend die vorbeirasende
Landschaft betrachtet. Ich habe ein Foto nach dem anderen geschossen. Wir waren
einfach total glücklich! Fühlten uns frei…eine Zugfahrt und eine
Stadtbesichtigung mit Jonathan. Wer hätte gedacht das dass eines Tages einmal
möglich sein würde?? Wahnsinn…
Nach
etwas mehr als einer halben Stunde kamen wir in Amsterdam an. Als wir aus dem
Hauptbahnhof heraus und auf die Straße gingen fiel mir als erstes ein Gebäude
auf…ein Parkhaus. An sich ja nichts Besonderes: gibt es bei uns überall. Aber:
das hier war ein Parkhaus für….FAHRRÄDER!!! Sowas hatte ich noch nicht gesehen.
Mehrere Ebenen und jede Ebene war überflutet mit Fahrrädern. Total krass. Tausende
von Fahrrädern! Ich habe direkt zu meinen Männern gesagt: „Wie soll man da SEIN
Fahrrad wiederfinden?“
Gegenüber
vom Fahrrad-Parkhaus war ein Cafe, und da Jonathan Hunger hatte sind wir dort hingegangen
um ihn vor der Stadtrundfahrt noch zu füttern. Eins muss man sagen: die
Holländer sind ja wirklich kinderfreundlich!! Wir wurden hier nicht so
angestarrt wie zu Hause oder mit Fragen gelöchert. Man hat uns weitestgehend in
Ruhe gelassen und das war wirklich SEHR entspannend!!!
Nach der
„Raubtierfütterung“ sind wir dann zu einer Stadtrundfahrt mit einem „Hop on/Hop
of-Bus“ aufgebrochen. Zuerst habe ich mir ein paar Gedanken gemacht ob Jonathan
eine knapp 2stündige Busfahrt gut mitmacht. Oder ob es ihm zu langweilig ist
und er am Ende den ganzen Bus zusammen schreit. Aber weit gefehlt!!! Er hat bei
meinem Mann auf dem Schoß gesessen und aus dem Fenster geschaut. Und zwar
INTERSSIERT aus dem Fenster geschaut!!! Zwar nicht die komplette Fahrt über,
das ist klar. Aber er hat Kanäle mit Hausbooten gesehen und eine Windmühle. Und
fand es offensichtlich spannend!!
Am
HardRock-Cafe sind wir aus dem Bus ausgestiegen: mein Mann ist riesiger Fan und
das HardRock-Cafe Amsterdam hatte er noch nie besucht. Es war mittlerweile
sowieso schon fast Mittag und dann könnten wir dort auch gleich noch etwas
essen.
Das
HardRock-Cafe selbst ist echt cool!! Toll eingerichtet, toll gelegen und hat tolle
Erinnerungsstücke an große Künstler ausgestellt. Aber vom Service waren wir ein
wenig enttäuscht. Im kinderfreundlichen Holland war es hier leider nicht
möglich ein Gläschen für Jonathan in der Mikrowelle aufzuwärmen. So etwas haben
wir weder vor unserem Besuch hier, noch danach jemals erlebt. Man konnte uns
auch nicht sagen wo genau das Problem lag, nur dass es nicht möglich ist. Wir
haben ein großes Glas gefüllt mit heißem Wasser auf den Tisch gestellt bekommen
und mussten dann selbst versuchen das Gläschen darin zu erwärmen. Was von
mäßigem Erfolg gekrönt war: wir haben das Essen nur lauwarm bekommen. Und
lauwarme Pute mit Kartoffelpüree und Mais fand Jonathan nicht ganz so
spannend….hmmmm.
Wir waren
enttäuscht von dieser „Behandlung“. Ganz ehrlich: bei den Preisen die man im
HardRock-Cafe für Essen und Getränke bezahlt hatte ich eigentlich ein wenig
mehr Entgegenkommen von Seiten der Service-Kräfte erwartet. Natürlich ist es
sicherlich nicht Usus das Kleinkinder hier zum Essen herkommen – aber ein
Wickelraum existierte, also so ganz unvorbereitet war man auf den Besuch von
Windelträgern offensichtlich nicht.
Nun
ja…wir haben dann spontan beschlossen dass wir KEIN HardRock-Cafe mehr zu einer
Mahlzeit aufsuchen werden bis Jonathan alt genug ist vom Tisch zu essen.
Trotz
dieser kleinen „Panne“: uns hat das Essen geschmeckt, natürlich sind wir danach
noch im Shop gewesen und haben ein paar Kleinigkeiten als Erinnerungen gekauft.
Dann ging es wieder zurück zum Bus um den Rest der Stadtrundfahrt zu machen.
Jonathan war müde und hat diesen Teil der Fahrt verschlafen. 8o))
Als wir
wieder am Hauptbahnhof, und damit dem Ende der Stadtrundfahrt ankamen, haben
wir uns entschieden dass der Tag in Amsterdam für uns damit zu Ende geht.
Natürlich hätte es noch einige Sachen gegeben die wir gerne gemacht hätten:
zugesehen wie in einer Fabrik Diamanten geschliffen werden, den Zoo besuchen,
in der ICE-BAR etwas trinken…aber wir wollten Jonathans Geduld nicht
überstrapazieren und ihn auch nicht überfordern.
Wir sind
also zurück gefahren in unseren Urlaubsort, und was soll ich sagen? Als wir
dort ankamen hatten wir STRAHLENDEN SONNENSCHEIN!! Wir haben uns ein bisschen
geärgert das wir nicht doch hier geblieben waren: wer weiß wie lange das Wetter
schon so traumhaft war, da hätten wir einen prima Strandtag einlegen können!!
Aber gut…ließ sich nicht ändern!
Jetzt
wollten wir keine einzige Minute Sonnenschein verpassen und sind direkt an den
Strand gegangen! Die Jungs hatten Spaß: Marvin hat im Sand getobt und war im
Meer schwimmen. Jonathan hat die Wellen beobachtet, dem Rauschen des Meeres
zugehört, und alles beobachtet was am Strand so los war.
Natürlich
sind auch an diesem Tag wieder eine Menge Menschen stehen geblieben und haben
ihn angelächelt – er sieht aber mit dieser Sonnenbrille einfach zu niedlich
aus!!
Es war
für uns ein rundum perfekter Tag und eigentlich wollten wir ihn auch nicht
beenden…aber Jonathan brauchte Medikamente, Abendessen und ein wenig Ruhe. Also
mussten wir aufbrechen.
An diesem
Abend haben wir noch eine Runde UNO gespielt um den Tag ausklingen zu lassen.
Das wir zusammen spielen ist nichts Besonderes, das machen wir öfter. Aber
dieser Spieleabend ist mir in Erinnerung geblieben weil Jonathan mitgespielt
hat! 8o))
Er saß
auf dem Arm meines Mannes und hat ihm in die Karten geschaut (leider kann er
nicht sprechen, sonst wäre er ein prima Spion gewesen!). Und dann hat er sich
irgendwann eine Karte ausgesucht und sie sich geschnappt. Was ein Zufall war es
eine Karte die grade für meinen Mann passend zum Ablegen war. Und deswegen hat
er Jonathan erklärt dass die nun auf den Tisch gelegt werden muss. Er hat
Jonathan über den Tisch gehalten, aber…es war nichts zu machen! Der junge Mann
wollte die Karte nicht mehr hergeben. Wir mussten sie ihm dann mit „Gewalt“
abnehmen, aber das fand er nicht lustig.
An dem
Abend haben wir einige Witze darüber gerissen das Jonathan das Spiel noch nicht
verstanden hat…8o))
Die Zeit
verging wie im Flug und schon brach der 5.Urlaubstag an.
Der
morgendliche Blick aus dem Fenster zeigte: einen strahlend blauen Himmel!!!
Juchuuuuu!! Strandwetter!!! Wir würden den kompletten Tag am Strand verbringen.
Marvin war aus dem Häuschen: ich sagte es ja schon einmal…für ihn ist Urlaub
nur dann Urlaub wenn er ans Meer kann. 8o))
Also:
alles zusammen packen was wir für einen Tag so brauchten und ab Richtung Meer.
Auf dem
Weg dorthin kamen wir an einem Geschäft vorbei in dem es Luftmatratzen und
Strandspielzeug gab. Marvin war nicht mehr zu halten: er brauchte UNBEDINGT
eine Luftmatratze. Also gut. Am Ende wurde es dann ein fast 2 METER (!!!)
großer aufgeblasener Delphin. Für Jonathan haben wir einen kleinen Drachen in
Form einer Möwe gekauft.
Und dann
ging es endlich in Richtung unseres Lieblingslokal wo wir uns wieder wohnlich
einrichteten.
Marvin
war keine 5 Minuten dort und schon Richtung Meer verschwunden. Was auch besser
so war weil dieser Delphin einen Platz einnahm im Lokal – das war mir schon
peinlich! Mindestens 3 Leute hätten auf der Couch sitzen können wenn der
Delphin nicht dort geparkt hätte.
Nun gut:
das Gummitier und mein großer Sohn hatten Spaß im Wasser. Bis…der Himmel sich
zuzog und ein Regenschauer kam. Ein so dermaßen heftiger Regenschauer! Ich
bezweifelte das wir an diesem Tag noch mal an den Strand gehen könnten.
Aber…das Wetter in Holland ist echt witzig! Keine halbe Stunde später war der
Himmel wieder strahlend blau. Verrückt!
Wir haben
den Drachen für Jonathan steigen lassen. Aber: er hat es nicht so richtig
wahrgenommen. Vielleicht war der Drachen zu klein und er konnte ihn nicht gut
sehen wenn er einige Meter über ihm geflogen ist. Vielleicht war er schlicht
und einfach noch zu klein um das zu verstehen. Der Rest der Familie hatte aber
trotzdem Spaß…
Später am
Nachmittag haben wir Jonathan den UV-Anzug angezogen und ihn im Sand spielen
lassen: mit nackten Füßen. Am Anfang fand er es ein wenig merkwürdig. Aber dann
ist er gehüpft und hat sich gefreut.
Spannender
fand er aber auf jeden Fall das Meer: die Wellen die an den Strand kamen und
sich wieder zurückzogen haben ihn sehr fasziniert. Das Wetter war zwar
traumhaft und uns war es auch warm, aber das Wasser war MEGA-KALT und aus
diesem Grund wollten wir ihn nicht komplett ins Meer lassen, wir hatten Angst
dass er sich erkälten könnte. Doch da er so fasziniert war haben wir seine Füße
in den Sand gehalten und immer gewartet bis das Wasser sie berührt hat. Auch hier
war er am Anfang skeptisch und etwas erschrocken, fand es danach aber super!!
Wir sind
tatsächlich bis zum späten Nachmittag am Strand geblieben, für Marvin war das
eigentlich noch nicht genug: er wäre auch bis zum Einbruch der Nacht hier
geblieben. 8O))
Abends in
der Ferienwohnung haben wir festgestellt das Jonathan gebadet werden musste: er
hatte tatsächlich überall Sand – in den Haaren, in den Ohren, in der
Windel…8o))
Nur: WO
baden wir ihn?? Es gab keine Wanne, sondern nur eine Dusche, und die Duschwanne
war so flach – sie eignete sich nicht für ein Bad. Also…dann blieb nur eins:
das Spülbecken!! Jonathan war ja so klein das er problemlos hineinpasste. Wir
haben also Wasser einlaufen lassen und ihn in der Spüle gebadet. Fand er
prima!!
Am
nächsten Morgen….begann der 6., und damit unser letzter!, Urlaubstag: morgen
würden wir wieder nach Hause fahren. Warum geht die Zeit eigentlich immer so
schnell vorbei wenn man Spaß an etwas hat???
Wir haben
uns entschlossen in den Nachbarort zu fahren, Marvin wollte unbedingt nach Yu-Gi-Oh-Karten
Ausschau halten. Ein Kartenspiel im Manga-Stil, ich denke die wenigsten in
unserer Generation kennen es.
Um es
kurz zu machen: er hat seine Karten gefunden und bekommen. 8o))) Nachdem wir in
einem Cafe noch einen super leckeren Kakao getrunken hatten sind wir wieder
zurück gefahren denn wir wollten unbedingt am letzten Tag noch mal an den
Strand.
Das
Wetter war super und so stand dem nichts im Wege.
Der
Delphin kam wieder zum Einsatz; Jonathan genoss das Wetter, die Umgebung und
das Meer.
Weil wir
unseren Urlaub mit etwas besonderem ausklingen lassen wollten haben wir
beschlossen abends kein Brot zu essen sondern uns an einem Wagen am Strand
Fisch mitzunehmen. Gesagt, getan. Jetzt hatten wir aber diesen riesigen Delphin
dabei und Marvin war nicht geneigt ihn an dieser Bude selbst zu halten „das ist
ja voll peinlich!“. Also hat mein Mann sich den Delphin geschnappt und mit ihm
zusammen in der Schlange angestellt. Ich muss mich heute noch jedes Mal kaputt
lachen wenn ich das Foto sehe wo der Delphin an der Fischbude ansteht. 8o)))
Die
letzte Nacht brach an…ich hatte abends schon begonnen zu packen. Denn am
nächsten Morgen würde es früh Richtung Heimat gehen.
Schade
dass der Urlaub schon vorbei war. Ja: erst war ich von der Vorstellung mit
Jonathan in Urlaub zu fahren nicht so begeistert gewesen - mein Mann hatte mich
überreden müssen. Aber nun konnte ich sagen dass er mit der Entscheidung auch
Recht gehabt hatte! Es war gut gewesen raus zu kommen, und es war gut gewesen
das Jonathan einmal andere Eindrücke bekommen hatte. Ganz davon abgesehen, das
mir die Meerluft unfassbar gut getan hatte: seit ich vor einigen Jahren mehr
als 5 Wochen mit Lungenentzündung zu kämpfen hatte bin ich Asthmatikerin. Hier
am Meer, grade auch bei leichtem Wind, ist mir das Atmen so leicht gefallen wie
seit Jahren nicht mehr!
Wir waren
alle traurig das wir nun nach Hause mussten…aber es half ja nichts: der Urlaub
war nun einmal zu Ende. Aber wir haben beschlossen im nächsten Jahr
wiederzukommen. 8o))
Da Marvin
extrem geknickt und traurig war haben wir beschlossen ihm die Rückfahrt
dahingehend zu versüßen das wir bei der Fastfoodkette mit den „goldenen Bögen“
anhalten und er etwas dort essen darf. Das hat ihn dann auch aufgemuntert…lach…
Und
Joni…der hat zum ersten Mal in seinem Leben eine Pommes versucht! Nach dem
Gesichtsausdruck zu schließen war sie okay…aber das Eis, dass er von seinem Papa
bekommen hat war eindeutig mehr nach seinem Geschmack. Da ging die kleine
Schnute dauernd wieder auf und es wurde Nachschub gefordert.
Dass die
Erholung relativ schnell vorbei war als wir zu Hause ankamen – weil Unmengen
von Sachen ausgeladen/ausgeräumt und Wäsche gewaschen werden musste…das muss
ich niemandem sagen. Ich war echt froh als das alles erledigt war!
In den
kommenden Tagen hatte mein Mann noch Urlaub, aber wir hatten geplant nichts zu
unternehmen und Jonathan jetzt –nach dieser einen Woche mit extrem vielen
Eindrücken!- einfach mal einige Tage Ruhe zu gönnen.
Ja….und
dann….war Jonathan dermaßen unleidlich!! Hat gequengelt und gemosert. Er war
mit nichts zufrieden. Am zweiten Tag habe ich dann zu meinem Mann gesagt dass
ich glaube…dass er sich langweilt!! Er hatte im Urlaub so viel Input und hat
jeden Tag etwas anderes unternommen, er fand es öde wieder zu Hause zu sein und
„nur“ zu spielen.
Wir haben
überlegt was wir in der näheren Umgebung unternehmen könnten und sind dann zum
Minigolf gefahren.
Kaum
waren wir dort und Jonathan hatte wieder etwas Neues zum Anschauen: war er
zufrieden und ruhig. Verrückt! Da dachten wir er braucht Ruhe…weit gefehlt!
Action war angesagt…8o))
Marvin
hatte noch Ferien, mein Mann noch Urlaub und wir hatten festgestellt das
Jonathan keineswegs Ruhe brauchte – also: haben wir überlegt was wir in den
kommenden Tagen noch unternehmen könnten. Es gab ein Ausflugsziel an das ich
schon seit vielen Jahren fahren wollte und doch hatte es noch nie geklappt: das
Kloster Eberbach. Hier wurde „Der Name der Rose“ gedreht, und das Kloster ist
landschaftlich sehr schön gelegen. Und nicht so weit von uns entfernt.
Also: auf
ins Kloster!! 8o))
Wir haben
Jonathan aus dem Auto geholt und in seinen Buggy gesetzt. Er hat sofort alles
aufmerksam in Augenschein genommen. Vielleicht ist ihm auch das aufgefallen was
mir als erstes aufgefallen ist: die Ruhe…es war als würden alle Geräusche
verschluckt.
Ein sehr
beeindruckender Ort! Und nicht nur weil hier große Filmstars dieselben Wege
gegangen sind wie die Besucher. Sondern auch weil das Gebäude sehr alt ist,
hier ist Geschichte geschrieben worden. Ich habe mich gefragt was diese Mauern
wohl schon alles gesehen haben mögen.
Wir haben
hier einen sehr schönen Tag verbracht, alles angeschaut was man anschauen
durfte: die Kapelle, die Weinpressen, die Ausstellung und alle frei
zugänglichen Räume des Klosters. Dann haben wir etwas gegessen und Jonathan
gefüttert, der nach dem Essen sofort und ohne Murren eingeschlafen ist. Es
waren dann offensichtlich doch genug Eindrücke für ihn!
Eine
Rittergewandung für Joni
Es ist
kein Geheimnis: wir sind Mittelalterfans. Mein Mann und ich sind seit einem
gemeinsam besuchten Mittelalterfestival ein Paar. Auch geheiratet wurde
mittelalterlich: in Gewandungen auf einer Burg. Unsere komplette
Hochzeitsgesellschaft, immerhin 30 Personen, mussten sich auch gewanden – und
diesen Spaß haben alle mitgemacht!! Es war ein grandioser Tag, der natürlich
auch mit einem Ritteressen ausgeklungen ist.
Das
Schöne an dieser Art der Hochzeit ist: wir können unsere Hochzeitskleider
regelmäßig tragen. Nämlich immer dann wenn wir mal wieder ein
Mittelalterfestival besuchen – und das machen wir mehrmals im Jahr.
Marvin
war bei der Hochzeit dabei und hatte seine Tempelrittergewandung. Aber Jonathan
war noch nicht standesgemäß ausstaffiert und das wollten wir ändern! Denn wie
sieht das aus wenn wir zu dritt in so tollen Kleidern auflaufen und Jonathan
dann „normal“ aussieht…???
Also
haben wir uns ins Auto gesetzt und sind in den Mittelalterladen unseres
Vertrauens gefahren. Hier haben wir schon für unsere Hochzeit eingekauft, ich
wusste also das der Laden mit einer Schneiderin zusammen arbeitet: sie hatte
mein Brautkleid maßgeschneidert. Und das es eine Schneiderin gab war ja wichtig
zu wissen: denn für Jonathan konnten wir definitiv nichts von der Stange
kaufen!!!
Der
Besitzer des Ladens kannte uns noch, Jonathan sah er heute zum ersten Mal. Wir
haben ihm unsere Geschichte grob umrissen erzählt.
Und ihm
gesagt das wir den Wunsch haben das Jonathan denselben Templerwaffenrock
bekommt wie Marvin – nur einige Nummern kleiner eben. Er fand die Idee spitze
und meinte das die Anfertigung auch kein Problem sei, es würde nur ein wenig
dauern. Aber technisch: machbar. Jonathan wurde vermessen – seine
Schulterbreite waren 10cm…das hat dem Besitzer des Ladens ein kleines Schmunzeln
entlockt. So einen winzigen Waffenrock hatte er noch nie bestellt!
Wir haben
uns noch über den Preis unterhalten – ein nicht unwichtiger Punkt für uns. Und
der Waffenrock war schließlich eine Maßanfertigung!! Aber der genannte Preis
lag sogar weit unter dem was wir uns als Obergrenze überlegt hatten, also wurde
er bestellt. 8o)
(Michael:
diesen Satz hast Du überlesen!! Lol)
Ein paar
Wochen später wurden wir angerufen das die Gewandung für Jonathan fertig sei.
Wir sind sofort in den Laden gefahren und haben ihm den Waffenrock angezogen.
Er sah sooo süß aus damit!! Noch eine Kordel kaufen um den Waffenrock
ordentlich festzubinden und…natürlich!!...ganz standesgemäß: ein Trinkhorn!!!
Unser Mittelalterladen hat Trinkhörner für Babys, die haben sogar einen
gefrästen Rand damit man einen Sauger für Milch oder Tee daran befestigen kann!
8o)) Und dann: konnte es losgehen zum nächsten Mittelalterfestival! Mit dem
kleinsten Ritter den man jemals gesehen hatte.
Aber
bevor wir vier in der Zeit zurückreisen und ins dunkle Mittelalter abtauchen
konnten…stand Marvins Einschulung in der weiterführenden Schule auf dem
Programm.
Marvins
Einschulung in der 5.Klasse
Da
Jonathan aufgrund seiner Krankheit ein schlechtes Immunsystem hat meiden wir
mit ihm normalerweise große Menschenansammlungen – aus Angst dass er sich mit
irgendetwas anstecken könnte. Aber für Marvin war die Einschulung ein wichtiger
Tag, ein neuer Lebensabschnitt begann und er wollte seinen Bruder unbedingt
dabei haben um das mit ihm zu teilen.
Also sind
wir alle vier zur Einschulung gefahren. Einen Vorteil hatte das Ganze: alle
Mitschüler - und die Eltern der Mitschüler -
würden Jonathan sehen, wir könnten erklären das er einen Gendefekt
hat…und damit würden sich in Zukunft vielleicht Hänseleien oder dumme
Kommentare gegenüber Marvin vermeiden lassen. Dachten wir. Aber es sollte an
diesem Tag ganz anders kommen….
Eigentlich
lief alles gut: die Feier war schön, die Klassenlehrerin schien nett zu sein
und die meisten Mitschüler kannte Marvin schon aus der Grundschule oder dem
Sportverein. Ich war erleichtert! Einem guten Start auf dieser Schule –meiner
Schule: ich hatte hier mein Abitur gemacht- stand somit nichts im Weg.
Und dann
sind wir zum Parkplatz gegangen um nach Hause zu fahren. Mein Mann trug
Jonathan auf dem Arm und wir haben uns unterhalten. Als uns plötzlich eine Frau
„überholte“, sich umdrehte, uns anschaute und dann sagte: „Ach Gott! Der sieht
ja aus wie ein kleiner Affe!“……hallo???? Ich habe zu ihr gesagt das dass kein
AFFE, sondern mein Kind ist!! Und Marvin…SO VIEL schlagfertiger als
ich!!!...sagte: „Gegen das Aussehen könnte man ja was tun – aber Blödheit
bleibt!“…….und das lassen wir jetzt mal so stehen.
Jonathans
erster Besuch auf einem Mittelaltermarkt
Nur
wenige Wochen nachdem wir den kleinen Tempelritter-Waffenrock bekommen hatten,
ergab sich die Gelegenheit ihn zum ersten Mal „auszuführen“.
In
unserer Stadt fand ein (kleiner) Mittelaltermarkt statt. Genau das Richtige für
Jonathan!! Nicht so groß und voll das es ihn überfordern würde, aber doch groß
genug um ein paar neue Eindrücke zu gewinnen.
Also
haben wir uns alle gewandet, Jonathan bekam sein kleines Trinkhorn und dann sind
wir losgezogen. Ich war total aufgedreht!! Schön, dass wir dieses Hobby nun
auch zu viert genießen konnten!!
Natürlich
war Jonathan DIE Attraktion auf dem Mittelaltermarkt. So viele Leute haben
geschaut, gelacht und uns angesprochen: „Das ist aber ein süßer kleiner
Ritter!“..8o))
Jonathan
selbst war DAS natürlich egal. Aber er hatte seinen Spaß mit den Stelzenläufern
die vor Ort waren!! Aufmerksam betrachtete er den Waldläufer und eine Fee (ich
hoffe ich gebe es richtig wieder!!!). Jonathan war dermaßen fasziniert,
vermutlich von der Größe: für IHN müssen die beiden ja noch größer gewesen sein
als für uns!! Er hat die Fee angehimmelt und die hat Seifenblasen für ihn
gemacht…es war wirklich wirklich schön!!
Und dann
kamen dunkle Gestalten: Orks näherten sich…8o)) Ich dachte schon das Jonathan
jetzt Angst bekommen würde, denn ehrlich: die sahen gruselig aus!!! Die Masken
und die Verkleidung waren HAMMER GEIL, aber eben auch schaurig….doch
Jonathan…war einfach nur fasziniert und selbst als der Ork ihm eine Kralle
reichte war unser „Zwerg“ weder ängstlich noch angewidert - sondern einfach nur
neugierig.
Marvin
durfte bei einem Schmied richtig schmieden: eine Brosche in Drachenform
entstand – mit viel Schweiß und lahmen Armen!!! 8o))
Zum
Abschluss des Besuches auf dem Mittelaltermarkt durfte Jonathan aus seinem Horn
einen Saft trinken und an einem Schokoladenbrötchen lutschen – und hat sich
natürlich direkt den ganzen Waffenrock beschmiert….zum Glück kann man den aber selber
waschen und muss ihn nicht in die Reinigung bringen, von daher war es mir egal!
Kirmes
Mittlerweile
war es Oktober geworden und in unserem Ort stand die Kirmes bevor.
Wir
wohnen ländlich…SEHR ländlich. Vielleicht liegt es daran das es hier nicht viel
Ablenkung gibt: wir können FEIERN…was das Zeug hält!! Und das tun wir einmal im
Jahr an Kirmes. Und zwar gleich für 5 Tage!!
Es war
nicht Jonathans erste Kirmes, im letzten Jahr waren wir mit ihm auch schon hier
gewesen – damals war er grade mal 4 Wochen aus dem Krankenhaus zu Hause. Aber
er hatte im vorigen Jahr von allem nichts mitbekommen und in seinem Kinderwagen
geschlafen.
Dieses
Jahr war das anders. Er saß in seinem Reha-Buggy und konnte sich alles ansehen.
Natürlich konnte er nicht viel „machen“: Entchen angeln oder Autoscooter fahren
waren nichts für ihn. Trotzdem wollten wir dass unsere Kirmes für ihn ein
Erlebnis wird und deswegen haben wir ihm einen Schaumkuss gekauft – seinen
allerersten Schaumkuss. Er mochte ihn!! 8o))
Und dann
durfte er mit Papa eine Runde auf dem Karussell drehen: auf einem
Pferdchen-Karussell. Das war genau nach Jonathans Geschmack! Er hatte ein
Lächeln im Gesicht….es war soo schön anzusehen!!
Am
zweiten Tag unserer Kirmes kamen wir ein wenig ins Grübeln. Es ist Usus das die
Eltern den Kindern „Kirmesgeld“ geben: und das dürfen die Kinder auf der Kirmes
nach Herzenslust ausgeben – für Süßkram, Fahrgeschäfte oder auch an der
Schießbude.
Natürlich
hatte auch Marvin Kirmesgeld bekommen. Jonathan aber nicht...und außer mal
einer Runde auf dem Karussell würde er auf dem Kirmesplatz auch nichts machen
können. Und dann kam mir der Gedanke…das er eben eine andere Art von
„Kirmesgeld“ bekommen würde!
Schon
damals liebte Jonathan seine TutTut-Babyflitzer über alles (und das ist bis
heute so geblieben!). Und deswegen hat er ein Straßenset mit einer Ampel
bekommen, die blinkt… singt… und redet. Und ich muss an der Stelle sagen…dieses
Set…war UNUNTERBROCHEN…JEDEN TAG…für 10 Monate in Gebrauch bevor ich es
wegräumen konnte ohne das er gejammert und es gesucht hat. 8o))
(Marvin
war zwischenzeitlich schon mehr als genervt von den immer wiederkehrenden
Melodien und Sätzen der Ampel. Ich weiß auch nicht wie oft wir die Batterien
ausgetauscht haben weil sie leer waren. Aber Jonathan konnte sich nicht allein
fortbewegen und irgendwie war es für ihn total super auf diese Ampel zu drücken
und dadurch das Blinken und die Musik auszulösen.)
So schön
unsere Kirmes auch ist und so heftig wir „Landeier“ auch feiern können –
irgendwann neigen sich diese 5 Tage trotzdem dem Ende zu.
Und
dieses Ende wird bei uns traditionell mit einem Markttag gefeiert. Händler aus
der ganzen Region kommen in den Ort und bauen ihre Marktstände auf: man kann
von der Blumenzwiebel über Socken und Kochtöpfe bis zu Gewürzen alles kaufen.
Der halbe Ort ist mit Marktbuden zugestellt (ok..unser Ort ist auch KLEIN, aber
trotzdem!) und jedes Jahr auf´s Neue bricht das Verkehrschaos aus weil hunderte
von Besuchern in unseren Ort kommen und irgendwo parken müssen - einige Straßen
aber von vornherein gesperrt sind wegen der Buden.
Überall
unterschiedliche Gerüche…so viele bunte Farben…laut schreiende und um Käufer
buhlende Händler: für mich einer der schönsten Tage im Jahr…schon seit meiner
Kindheit und bis heute!!
Für
Jonathan war es der erste Markt den er bewusst mitbekommen hat. Und er war sehr
aufmerksam und neugierig. Hat sich überall umgeschaut und alles genau
betrachtet. So viel Neues und so vieles zu entdecken!! Der Mittagsschlaf ist an
diesem Tag ausgefallen….8o))
Als
Abschluss unserer Kirmes durfte der kleine Mann dann noch mal auf dem
Pferdchen-Karussell fahren. Er sah so unfassbar glücklich aus!
Das war
ich auch…weil es einfach wundervolle Tage gewesen waren. Auch das, Kirmes
feiern, war nun mit Jonathan möglich! Wir mussten nicht zu Hause sitzen bleiben
– wir konnten am Ortsgeschehen teilnehmen.
Und das
wir das auch taten..kam bei einigen anderen Einwohnern ziemlich gut an! Wir
wurden mehrfach angesprochen: wie schön es doch sei das wir uns im Ort
zeigten..das wir Jonathan zeigten! Uns nicht schämten oder verkrochen, sondern
einfach offensiv damit umgingen das wir ein behindertes Kind hatten – dazu
standen und darüber redeten.
Viele
mögen jetzt denken: ja – wofür sollte man sich auch schämen? Und warum sollte
man nicht mit Jonathan in die Öffentlichkeit gehen???
Sehe ich
genauso!! Aber wir wohnen eben in einem sehr kleinen Ort…in einem Ort in dem
die Uhren noch anders ticken, wo der Altersdurchschnitt sehr hoch ist – viele
hier gehören einer anderen Generation an und wurden anders erzogen. Über
Behinderungen redet man nicht, die werden tot geschwiegen oder bestenfalls schön
geredet. „Es gehört sich nicht“ so etwas zu thematisieren und es ist ein Stück
weit sowieso „peinlich“ wenn man einen Behinderten in der Familie hat.
Von daher
war unser offensiver Umgang mit diesem Thema anders. Neu. Modern?? Es war und ist bis heute auf jeden
Fall UNSER Weg….und wir fahren gut damit.
Auch wenn
es nicht jedem passt. NATÜRLICH wird in einem so kleinen Ort wie unserem
geredet!!! „Tratschen“ (wie es bei uns heißt) ist das größte Hobby von
sicherlich mehr als der Hälfte der Einwohner!!! Es passiert ja sonst auch nicht
viel, irgendwie muss man sich beschäftigen…8o))
Es passte
nicht jedem das mein Mann und ich auch Kirmes feierten: das wir Bier tranken!!
Hinter unserem Rücken wurde geredet….“Die haben ein BEHINDERTES KIND und
trinken ALKOHOL!“ SKANDAL!!!
….LOL…ich
habe noch NIE etwas darauf gegeben was andere reden/lästern. Interessiert mich
nicht DIE BOHNE. Es hat uns eher amüsiert das wir SO WICHTIG waren das man über
uns geredet hat!! Ich war noch nicht oft Thema des Dorftratsches!! 8o))
Das war
im Jahr 2016. In 2017 haben wir mittlerweile auch Kirmes gefeiert – und mein
Mann und ich haben WIEDER Bier getrunken!! 8o))) Lol …
Der erste
Besuch auf dem Bauernhof
Da wir
auf dem Land wohnen gibt es bei uns natürlich einige Bauernhöfe. Mit einem
Landwirt bin ich schon seit der Grundschule bekannt/befreundet. Er hat einen
Milchbetrieb (ich hoffe das ist das richtige Wort mein Lieber???), hat also nur
Kühe – und Felder.
Schon in
unserer Jugend war es so dass bei seinen Geburtstagsfeiern alle Bier oder
Radler getrunken haben – nur ich nicht: ich wollte MILCH. Warm, direkt von der
Kuh. Lach…
Und nun
wollte ich Jonathan auch gern mal frische Kuhmilch trinken lassen. Die schmeckt
nämlich wirklich um LÄNGEN besser als die, die man im Supermarkt kaufen kann.
Also:
schnell eine SMS geschrieben und gefragt ob wir kommen dürfen. Klar durften
wir!!!
Zuerst
sind wir mit Jonathan mal in den Kuhstall gegangen und haben uns die Kühe „von
Angesicht zu Angesicht“ angesehen. So ein Kuhkopf ist im Verhältnis zu
Jonathans Kopf wirklich ganz schön groß!! Aber Angst hatte der kleine Mann
keine, er war neugierig.
Danach
durfte er mit Papa auf den großen Traktor klettern und am Steuer sitzen. Und
der Traktor WAR groß: die Reifen überragten MICH ein ganzes Stück! Aber auch
hier hatte Jonathan keine Angst, neugierig schaute er sich die Umgebung
an…sicher in Papas Arm sitzend.
Und bevor
wir heimgingen bekamen wir dann noch eine Flasche mit 1 Liter frischer
Kuhmilch. Die haben wir an diesem Abend zum Abendbrot getrunken, auch
Jonathan!! Der hat aber erst mal nur einen kleinen Schluck bekommen weil ich
nicht wusste ob er sie verträgt.
Er hat
die Milch vertragen, das kann ich schon mal vorweg nehmen…und er hat sie GELIEBT!!
Er konnte gar nicht genug bekommen: dauernd hat er seinen kleinen Mund
aufgesperrt und wollte MEHR!!! 8o))) So niedlich!!
Halloween-Party
Nur
wenige Tage nach unserem Besuch auf dem Bauernhof war Halloween. EIGENTLICH
finde ich es ja wichtiger am 31.10. Reformationstag zu feiern….aber was will
man machen wenn man Kinder (Marvin) hat die Halloween feiern möchten???
Naja…man feiert eben.
Also
haben wir Jonathans Patentante mit Familie eingeladen, ihr Sohn ist Marvins
bester Freund. Und eine Party vorbereitet. Inklusive Deko im Esszimmer. Zu
essen gab es Fingerfood und wir wollten alle zusammen Brettspiele spielen.
Es war
keine Kostümparty, das ist nicht so unser Ding…aber die „großen Kinder“ waren
unterwegs und haben Süßigkeiten gesammelt. Jonathan blieb zwar zu Hause, hatte
aber auch ein Skelett-Kostüm an und hat mit uns zusammen die Tür geöffnet wenn
Kinder klingelten. Die meisten haben sich über ihn einfach kaputt gelacht! Weil
er ÜBERHAUPT nicht zum Fürchten aussah – sondern einfach nur niedlich…8o))
Der
1.Sankt-Martins-Umzug
….wäre
fast ins Wasser gefallen. Weil ich (mal wieder) nicht mitbekommen hatte WANN er
in unserem Ort stattfinden sollte. Ich kann mich auch nicht mehr erinnern wie
ich überhaupt von dem Termin erfahren habe – auf jeden Fall habe ich vormittags
erfahren das am selben Tag abends der Umzug war…und ich hatte die Laterne noch
nicht gebastelt!!
Da bin
ich in Panik verfallen! Das war schließlich der ERSTE Sankt-Martins-Umzug auf
den wir mit Jonathan gehen wollten, das konnte ja nicht einfach ausfallen….also
habe ich mich ans Basteln gemacht. Nicht ohne Murren und Motzen weil ich
eigentlich gar keinen Bock hatte…meine Männer hatten es an diesem Vormittag
weiß Gott nicht leicht mit mir!
Unter
großem Getöse habe ich das Bastelset zusammengesetzt, das hatte ich zum Glück
schon gekauft! Ein kleiner grüner Drache sollte es werden. Und es wurde auch
ein kleiner grüner Drache den Jonathan sehr skeptisch beäugte als er fertig
war.
Es wurde
Abend, Jonathan bekam etwas früher als üblich sein Abendbrot. Dann wurde er ganz
dick eingepackt und kam zu mir in die Bauchtrage. Die Laterne festhalten konnte
der kleine Mann leider noch nicht, also habe ich den Laternenstab seitlich auch
in die Bauchtrage geklemmt: so schwang der kleine leuchtende Drache vor
Jonathans Gesicht. 8o))
Und los
ging´s! Ich war ganz schön aufgeregt!!
Der erste
Sankt-Martin mit Jonathan…und der erste Sankt-Martin ohne Marvin!! Denn er war
seit kurzem bei der Jugendfeuerwehr und musste an diesem Abend „arbeiten“: Wege
absperren, mit der Fackel den Weg erleuchten, das Martinsfeuer entzünden und
bewachen, die Martinsbrezeln verteilen…. Ich habe ihn an diesem Abend nur kurz
gesehen und ein Foto mit ihm gemacht. Beim Umzug wusste ich nicht wo er war und
habe ihn auch nicht gesehen. Das war schon ein bisschen komisch für mich! So
zum ersten Mal…
Dafür
konnte ich mich dann voll und ganz auf Jonathan konzentrieren. Der hatte sehr
viel Spaß!! Er schaute sich um und beobachtete die Laternen die überall
leuchteten. Drehte seinen Kopf hierhin und dorthin um nur ja nichts zu
verpassen…war sehr aufmerksam als die Sankt-Martins-Lieder gesungen wurden.
Und auch
das Feuer das vor unserer Mehrzweckhalle entzündet worden war hat ihn schwer
fasziniert. Sowas hatte er ja auch noch nie gesehen!!!
Als dann
Marvin auf uns zukam hat Jonathan ihn sofort erkannt und ist wie verrückt in
der Bauchtrage herumgehüpft!! 8o))
Alles in
allem: ein sehr gelungener erster Laternen-Umzug. Ich war glücklich! Weil
Jonathan glücklich schien…für mich ist es einfach gut zu sehen das er sein
Umfeld wahr- und am Geschehen auch teilnimmt. Es könnte alles noch sooo viel
schlimmer sein!!
Es war im
November 2016 als Jonathan sich das erste Mal von allein …drehte!!
Er war
jetzt etwas mehr als 1 Jahr aus dem Krankenhaus entlassen und genauso lange
arbeiteten wir schon mit der Physiotherapie an seiner Motorik. Bisher
erfolglos. Es passierte nichts, es ging nicht vorwärts. Zeitweise war ich schon
kurz davor gewesen einfach aufzugeben…schließlich hatten die Ärzte im
Krankenhaus gesagt das er nicht in der Lage sein würde zu krabbeln oder zu
laufen – vielleicht hatten sie ja Recht damit und ich bemühte mich hier völlig
umsonst.
Und…das
habe ich in einem früheren Beitrag schon mal erwähnt: die Therapie nach Vojta
war nicht angenehm!! Jonathan weinte und wehrte sich mitunter ziemlich
stark…TROTZDEM: ich habe jeden Tag mit ihm geturnt!! Jeden Tag….außer sonntags,
da hatten wir frei.
Also: ein
Jahr lang turnte ich täglich mit ihm und es passierte einfach…NICHTS…das war SO
frustrierend!!
Und dann,
ganz plötzlich! Liegt er unter seinem Spielbogen und fängt an auf dem Popo zu
hopsen und sich mit den Beinen abzustoßen. Dabei kam er vorwärts…naja,
eigentlich eher: rückwärts…also er ist in die Richtung gekommen in der sein
Kopf lag, aber halt auf dem Rücken liegend. Es sah zum Schießen aus!!
Irgendwie
hat er ziemlich überrascht geschaut dass er auf einmal ganz allein seine
Position verändern kann. Und dann hat es nicht mehr lange gedauert bis er raus
hatte das er seine Position auch ändern kann indem er sich umdreht.
Ich habe
grade mit ihm gespielt als er auf einmal sehr angestrengt aus der Wäsche
schaute und sich mit aller Macht nach rechts schmiss: die erste Drehung war
gelungen….ich hatte Tränen in den Augen und habe sofort meinen Mann angerufen
und versucht seine Drehungen auf Video aufzunehmen. Was aber nicht geklappt
hat. (Kennt ihr das? Das Kind kann was Neues und GENAU DANN wenn man es filmen
will: macht das Kind es einfach nicht mehr…)
Dieser
ersten Drehung sollten in den nächsten Wochen noch ganz viele folgen,
allerdings immer NUR über die rechte Seite und nie über die linke. Er hatte
eine Lieblingsseite entwickelt. Die Frühforderung und ich haben verstärkt
darauf geachtet ihn auch für die linke Seite zu sensibilisieren – was
schlussendlich auch funktioniert hat: heute dreht er sich über beide Seiten.
Aber auch das war harte Arbeit und kam nicht von allein. Wie fast nichts bei
Jonathan…
Er hat in
den folgenden Wochen auch seine Technik perfektioniert sich auf seinem Po in
Richtung seines Kopfes fortzubewegen. Das hat irgendwann gut und schnell
geklappt. Allerdings kam er so nie dorthin wo er EIGENTLICH hinwollte weil er
ja nichts gesehen hat…das führte dann zu Frust und Heulerei…
Mitunter
nicht einfach mit anzusehen wenn das Kind etwas möchte, aber einfach nicht in
der Lage ist das auch umzusetzen! Und man es ihm nicht erklären kann weil es
einen nicht versteht….an der Stelle ist es manchmal schwierig ein behindertes
Kind zu haben. Das Mama-Herz blutet und man kann nicht helfen, man muss die
Situation einfach aushalten. Mit dem Kind weiterarbeiten und hoffen dass es
irgendwann in der Lage sein wird seine Ziele auch umzusetzen…
Nikolaus
Auch in
diesem Jahr, zum zweiten Mal für Jonathan, hatten wir einen Nikolaus vom
Nikolausservice unserer Stadt bestellt.
Marvins
bester Freund und dessen Mutter, die Jonathans Patentante ist, waren an diesem
Tag bei uns und warteten mit uns gemeinsam darauf das es klingeln würde.
Das tat
es auch irgendwann. Und herein kamen …ein ENGELCHEN..und der Nikolaus in rotem
Ornat und so groß das er gebückt durch unsere Tür gehen musste.
Die
großen Jungs waren BESTENS vorbereitet…nämlich überhaupt nicht! O man…sie
konnten kein Gedicht und kein Lied….aber wenigstens konnten sie die Geschichte
vom Heiligen Nikolaus erzählen und retteten somit ihre Ehre. 8o))
Das
kleine Engelchen war schockverliebt in Jonathan und dem Nikolaus beim Besuch
bei uns keine große Hilfe…lach…
Und
Jonathan selbst?? Der saß mit offenem Mund auf meinem Schoß und starrte den
Nikolaus ehrfürchtig an. Der nahm sich Zeit und redete lange mit ihm: auch wenn
Jonathan noch so „klein“ war erzählte der Nikolaus ihm doch trotzdem was er gut
machte (das er so gut bei der Physiotherapie mitmachte und schon Erfolge
erzielte) – und was er nicht so gut machte: zum Beispiel das er nicht
durchschlafen wollte in der Nacht. (Genutzt hat diese Ansage aber nichts, der
junge Mann schläft immer noch nicht durch!)
Geschenke
gab es dann selbstverständlich auch noch für die Kinder und Jonathan schaute
dem Nikolaus lange hinterher als dieser sich mit einem „Husch, husch kleines
Engelchen!“ verabschiedete.
Weihnachtsmarktbesuch
Traditionell
sind wir auch in diesem Jahr wieder auf den Weihnachtsmarkt in unsere Landeshauptstadt
gefahren. Hier waren wir im letzten Jahr auch schon und mussten einiges
ertragen: von angeglotzt werden, über Antatschen und dumme Kommentare war
damals alles dabei. Aber…wir trauten uns trotzdem und fuhren hin! Schlimmer
konnte es ja dieses Jahr nicht mehr kommen…
Kam es
auch nicht. Es war okay. Vielleicht lag es daran das wir nun, ein Jahr später,
besser in der Lage waren mit der Situation umzugehen. Vielleicht lag es auch
einfach daran das Jonathan doch ein wenig größer geworden war. Zwar sah er
nicht aus als sei er eineinhalb Jahre alt, sondern eher als sei er wenige
Wochen alt – aber er war nicht mehr so auffällig klein wie im vergangenen Jahr.
Und so wurden wir weitgehend in Ruhe gelassen….natürlich sprach der ein oder
andere uns an und wollte wissen wie alt Jonathan war, aber damit hatte es sich
dann auch.
Und so
konnten wir den Besuch auf dem Weihnachtsmarkt genießen. Jonathan betrachtete
die ganzen Lichter, bestaunte das Karussell. Wir haben auch mal kurz überlegt
ob wir ihn damit eine Runde drehen lassen sollten, aber die Betreiber teilten
uns mit das es leider nicht möglich sei das ein Erwachsener mit auf dem
Karussell fuhr – auch dann nicht wenn er bezahlte. Und somit war das Vorhaben
für uns gestorben, Jonathan konnte ja nicht alleine sitzen und deswegen auch
nicht alleine fahren….
Der
Weihnachtsbaum der Familie Braunsdorf-Kremer….8o))
Dieses
Jahr feierten wir zwar nicht das erste Mal Weihnachten mit Jonathan, aber wir
feierten das erste Mal Weihnachten in unserem eigenen Haus. Und deswegen hatte
Marvin eine Idee von der er sich nicht mehr abbringen ließ: wir würden unseren
Weihnachtsbaum dieses Jahr SELBER SCHLAGEN gehen.
Okay:
dann also los!
Es gibt
in unserer Nähe einen Tannenbaumverkauf wo man einen Baum selber schlagen kann:
ein riesiges Gelände, man bekommt eine Säge und dann geht man los und sucht sich
einen Baum. Hat man ihn gefunden: fällt man ihn und schleppt ihn zur Kasse. Der
Preis berechnet sich nach Größe und Art des Baumes, man weiß also vorher nicht
so ganz genau was er kosten wird….
Eine
Woche vor Weihnachten haben wir Jonathan dick eingepackt und sind losgezogen um
uns unseren Weihnachtsbaum auszusuchen.
Ich kam
mir ein bisschen vor wie die Familie Griswold auf der Suche nach dem perfekten
Weihnachtsbaum, nur das bei uns kein Schnee lag wie im Film.
Wir sind
über das Gelände gestiefelt und haben die Bäume betrachtet. Der eine war zu
krumm, der andere zu klein, ein weiterer hatte kaum Äste oder eine unschöne
Spitze: es war nicht einfach mit Marvin DEN Baum zu finden! Aber irgendwann
hatte er sich für einen entschieden.
Also
haben mein Mann und Marvin die Säge gezückt und losgelegt. Gar nicht so einfach
einen Baum selber zu schlagen stellte Marvin fest: denn während man
sägt..hängen einem ja die Äste ins Gesicht!! Mein Mann hat sich auch prompt
eine blutige Wunde im Gesicht geholt, aber zum Glück ist er kein typischer Mann
und jammert nicht bei jeder Kleinigkeit. 8o)))
Nachdem
der Baum geschlagen, zur Kasse geschleift und bezahlt, in ein Netz verpackt und
im Auto verstaut war….gab es zur Belohnung noch warmen Kakao und eine Waffel.
Für Jonathan war der Ausflug so anstrengend (oder aufregend) dass er
eingeschlafen ist bevor wir überhaupt die Getränke hatten!!
Und noch
eine Sache ist mir von diesem Tag in Erinnerung geblieben…wir haben unseren
Nikolaus beim Baum schlagen getroffen!!! Natürlich war er nicht als Nikolaus
hier, sondern „in Zivil“ – deswegen habe ich ihn erstmal nicht erkannt (schäm).
Wie auch schon am Nikolausabend war er in Begleitung seiner Tochter. Bei Getränken
und Waffeln hat sich ein wunderschönes, so verständnisinniges Gespräch
entwickelt an das ich noch lange zurückdenken musste.
Wieder
einmal hatten wir –durch Jonathan!- so wundervolle Menschen kennengelernt. DAS
ist ein Geschenk das wir durch unseren Sohn bekommen: wir haben in den letzten
2,5 Jahren so viele tolle Menschen kennengelernt – so viele tolle Gespräche
geführt – so viel Verständnis erfahren. Ohne Jonathan…wäre das nicht so und wir
wüssten es auch nicht zu schätzen.
Zu Hause
angekommen haben wir unseren Baum ins Wohnzimmer gestellt und das Netz
zerschnitten. Und NEIN: die Äste haben NICHT die Wohnzimmerscheibe
zerschmettert! 8o))
Da stand
unser Baum und er roch so gut und er sah auch gut aus! Wir haben beschlossen
ihn sofort zu schmücken…EINE WOCHE vor Weihnachten!! Das haben wir auch noch
nie gemacht…aber gut: manchmal ist einfach die Zeit gekommen neue Traditionen
auszuprobieren!
Wir haben
uns für die rot/weiße Deko entschieden und auch Jonathan hat geholfen die
Kugeln an den Baum zu hängen. Dazu ließen wir Weihnachtsmusik laufen um uns
schon mal in Stimmung zu bringen! 8o)
Heiligabend
Wie jedes
Jahr schien der Tag des Heiligen Abends viel länger zu sein als alle anderen Tage
im Jahr – jedenfalls für Marvin!! Obwohl er nun schon so GROSS war und gar
nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubte..hatte dieses Fest für ihn seinen Reiz
nicht verloren und er war den ganzen Tag über aufgeregt und ungeduldig. Am
Nachmittag begannen seine Ohren zu glühen und wurden rot: eine Sache die er von
seinem Papa hat! Der hatte auch immer rote Ohren bei Aufregung und
Vorfreude…8o))
Nun
ja…ich muss gestehen das mein Mann und ich diesen Tag dahingehend ein wenig
auskosten das wir alles extrem laaaaaaaangsam angehen lassen und uns gar nicht
heeeetzen….8o))
Nachdem
es mittags nur eine Kleinigkeit zu essen gegeben hatte kochten wir abends. Dann
wurde in aller Ruhe ein Drei-Gänge-Menu verspeist. Marvin rutschte schon nach
der Vorspeise ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her…
Nach dem
Essen setzten wir uns alle vor den Weihnachtsbaum auf den Boden, Marvin und ich
packten unsere Flöten aus und dann wurden ein paar Weihnachtslieder gespielt –
mein Mann sang. Und erst DANACH konnte die Bescherung beginnen. Ich glaube länger
hätten wir Marvin auch nicht mehr hinhalten können!! 8o))
Jonathan
war ganz erstaunt und neugierig was hier nun wohl passieren würde. Der Kamin
war an, die Kerzen am Baum brannten, im Hintergrund leise Weihnachtsmusik aus
dem CD-Player. (Wenn ich heute so drüber schreibe kann ich fast den Geruch des
Weihnachtsbaums noch riechen! Es war ein wirklich schöner Abend!)
Bei uns
läuft die Bescherung sehr gemütlich ab und zieht sich sehr lange hin: ein
Geschenk wird unter dem Baum hervorgeholt und verteilt. Dann schauen alle zu
was da ausgepackt wird und freuen sich mit dem Beschenkten. Oftmals wird das
Geschenk auch erst noch „ausprobiert“, bevor dann das nächste Päckchen den Weg
zu seinem neuen Besitzer findet.
So
dauerte die Bescherung recht lange, obwohl es nicht wahnsinnig viele Geschenke
gab:
Jonathan
bekam die Weltraumstation von den TutTut-Babyflitzern und hatte Spaß mit dem
kleinen Raumschiff.
Außerdem
bekam er „Prinz Henry“ von der KLEINEN ENTDECKERBANDE: ein Püppchen das man auf
den Rücken eines Pferdes setzt und dann läuft das Pferd von allein durch den
Raum. SEHR faszinierend für Jonathan! Er hatte noch nie ein Spielzeug gehabt
das sich von allein bewegte.
Natürlich
hatte sich „der Weihnachtsmann“ bei diesem Geschenk etwas gedacht: Jonathan
krabbelte oder robbte zu diesem Zeitpunkt noch nicht und eventuell könnte ihn
Prinz Henry ja dazu animieren???
Ob es
daran lag oder an anderen Dingen, aber zwei Monate später begann Jonathan
tatsächlich sich vorwärts zu bewegen….8o))
So schön
der Abend auch war und so viel Spaß wir auch hatten: Jonathan wurde natürlich
zur gewohnten Zeit müde und musste ins Bett gebracht werden. Marvin hingegen
liebt eine ganz bestimmte Familientradition an Weihnachten: er darf so lange
aufbleiben wie er will – quasi bis er unter dem Weihnachtsbaum einschläft. Also
haben wir nachdem Jonathan im Bett war noch die neuen Brettspiele ausprobiert
und die Männer haben noch ein wenig auf der Konsole „gezockt“.
Die
Weihnachtsfeiertage verbringen wir normalerweise immer bei unseren Eltern: am
einen Tag bei den einen, am anderen Tag bei den anderen. 8o)
In diesem
Jahr sah das aber leider etwas anders aus…
Aufgrund
seiner Grunderkrankung hat Jonathan ja leider ein schlechtes Immunsystem. Und
wenn man auch nicht viel über MOPD Typ 1 weiß (weil es in 200 Jahren nur 40
betroffene Kinder gegeben hat), so weiß man eins ganz sicher: wenn diese Kinder
sterben, dann sterben sie an Infekten. Also sind wir immer sehr vorsichtig,
grade im Herbst und Winter wenn viele Infekte auftreten. Bedeutet: wer krank
ist kommt nicht zu uns zu Besuch. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!!
Warum etwas riskieren das man auch vermeiden kann???
Tja, und
in diesem Jahr waren meine Eltern leider an Weihnachten erkältet. Deswegen fiel
der Besuch bei ihnen aus, aus Vorsicht. Denn an einem Tisch zu sitzen und
zusammen zu essen war natürlich „gefährlich“: ganz schnell fing man sich so die
herumschwirrenden Bakterien ein…
Für mich
war es total deprimierend. Ich kann mich nicht erinnern in meinem ganzen Leben
ein Weihnachtsfest ohne meine Eltern gefeiert zu haben….deswegen haben mein
Mann und ich die Möglichkeit diskutiert das ich allein zu meinen Eltern fahre,
mit Mundschutz um mich nicht anzustecken. Aber das wäre einfach nicht dasselbe
gewesen: Weihnachten ist ein Fest für die Kinder, und dann ohne die Enkel
hinfahren???
Im
Endeffekt kamen meine Eltern für eine Stunde am Nachmittag zu uns, haben sich jeweils
einen Mundschutz übergestreift und sich von Jonathan ferngehalten. Sie haben
unsere Geschenke gebracht, ihre Geschenke bekommen und vor allem hatte man sich
so an Weihnachten gesehen – wenn auch nur sehr kurz und ganz anders als wir es
gewohnt waren…
Den
anderen Weihnachtsfeiertag verbrachten wir bei und mit der Familie meines
Mannes, die zum Glück alle gesund waren.
Und auch
die Paten von Jonathan waren von der grassierenden Erkältungswelle zum Glück
verschont geblieben und konnten uns so zwischen den Jahren einen Besuch
abstatten.
Nachdem
also alle Weihnachtsbesuche erledigt waren neigte das alte Jahr sich auch
langsam dem Ende zu….
Silvester
…haben
wir in diesem Jahr so unspektakulär gefeiert wie noch nie….nämlich irgendwie
gar nicht.
Wir
hatten Fingerfood vorbereitet weil uns das an unserer Halloween-Party so gut
geschmeckt hatte. Und dann haben wir traditionell auch wieder „Dinner for one“
angeschaut. Ein paar Brettspiele gespielt, nachdem Jonathan im Bett war. Und
dann…wurden Marvin und ich müde…der junge Mann ist auf der Couch eingeschlafen
– das ist sonst immer mir vorbehalten. Und deswegen habe ich mich zu ihm gelegt
und auch die Augen zugemacht.
Mein Mann
hat uns kurz vor Mitternacht geweckt, wir sind auf die Straße gegangen und haben
unser kleines Feuerwerk angezündet und angestoßen. Dann sind wir wieder
reingegangen und wollten eigentlich noch das Tischfeuerwerk anzünden das wir
für Marvin gekauft hatten. Aber er war zu müde und hatte gar keine Lust dazu:
er wollte lieber ins Bett und schlafen.
Ein sehr
merkwürdiges Silvesterfest. Hatten wir in der Form auch noch nicht. So
vollkommen unspektakulär…
Eine
weitere OP
Am 3.1.
stand eine weitere (geplante) OP an, diesmal aber zum Glück nur ambulant.
Bei der
OP des Leistenbruchs hatten die Augenärzte den Augenhintergrund untersucht.
Aufgrund dessen das bei MOPD eine verstärkte Neigung zu Glaukomen besteht
sollten wir das häufiger kontrollieren lassen, was nur unter Vollnarkose
möglich ist - weil Jonathan sonst nicht richtig still hält.
Und diese
Kontrolle war nun geplant. Gleichzeitig sollte noch ein Gerstenkorn entfernt
werden das sich am linken oberen Augenlid gebildet hatte.
Dass die
OP überhaupt stattfinden konnte grenzte auch an ein Wunder – fast hätten uns
mal wieder Klinikvorschriften einen Strich durch die Rechnung gemacht…
Mit den
Augenärzten war beim letzten Termin alles besprochen worden. Zwischen den
Jahren sollte dann noch der Termin mit den Anästhesisten stattfinden.
Es war
Erkältungszeit und wir versuchen immer Jonathan (soweit das möglich ist) vor
Infekten zu schützen. Außerdem sollte die OP in der Klinik stattfinden in der
Jonathan zur Welt gekommen und die ersten 5 Monate seines Lebens verbracht
hatte, in der Klinik in der schon mal eine Operation unter Beteiligung der
Augenklinik und natürlich auch der Anästhesisten stattgefunden hatte.
Von daher
habe ich mir unseren medizinischen Ordner geschnappt und bin allein zum Termin
beim Anästhesisten gefahren.
Und wurde
im Vorzimmer heruntergeputzt: „Wo ist das Kind? Das geht so gar nicht! Ohne das
Kind kann hier kein Narkosegespräch stattfinden!“
Ich war
wirklich etwas irritiert weil ich die Problematik nicht verstand. Jonathan war
doch hier bekannt und es gab Unterlagen über ihn. Musste man ihn SEHEN um eine
Narkose BESPRECHEN zu können???
Nachdem
ich der Dame erklärt hatte WARUM Jonathan nicht dabei war, nämlich wegen seines
schlechten Immunsystems, wurde eine Anästhesistin herbeigerufen die beurteilen
sollte ob man das Gespräch auch ohne „das Kind“ führen könne. Ich habe dieser
Dame auch erklärt warum Jonathan nicht anwesend ist und sie fand das zum Glück nicht
so problematisch wie die Dame am Empfang….Juchuuuu! Also: ab zum
Anästhesie-Gespräch, ich hatte schon geglaubt die Fahrt sei umsonst gewesen.
Wir haben
über die Grunderkrankung geredet, über den Bluthochdruck und die
Herzfrequenzabfälle die zu Klinikzeiten verstärkt vorhanden gewesen waren.
Das bei
der letzten OP keine Komplikationen aufgetreten waren (außer dass es schwierig
gewesen war den Zugang für die Narkose zu legen) konnte die Ärztin im Computer nachlesen.
Da
Jonathan nicht dabei war hat sie mir erklärt dass er am Tag der OP gewogen
werden müsse um zu ermitteln wie viel Narkosemittel er benötige. Außerdem
sollte ich noch eine aktuelle Aufstellung der Blutwerte von unserem Kinderarzt
mitbringen. Das war ja alles kein Problem!
Am
Operationstag sind mein Mann und ich dann morgens mit Jonathan in die Klinik
gefahren. Marvin war an diesem Tag bei seinen Großeltern, es waren ja noch
Ferien und mitnehmen wollten/konnten wir ihn nicht.
Als wir
durch die Türen der Klinik traten ging mir mal wieder der Hals zu…die Gerüche,
die Geräusche…die ganze lange Zeit die wir mit Jonathan hier verbracht hatten –
alles wieder da und so greifbar.
Zudem stand
heute wieder eine OP auf dem Plan und ich war MEGA aufgeregt und hatte Angst
dass etwas schief gehen könnte. Zwar waren nur circa 20 Minuten angesetzt, aber
auch dabei konnte viel passieren.
Mein Mann
war die Ruhe selbst. Er hat Jonathan auf dem Arm herum getragen und belustigt
während wir warteten – ich hätte dafür überhaupt keinen Nerv gehabt, ich hatte
mit mir selber mehr als genug zu tun. Die Zeit verging, und niemand holte uns
ab. Dabei war es schon eine halbe Stunde später als vereinbart!! Mein Magen tat
weh…
Irgendwann
wurden wir dann aber abgeholt. Eine junge Ärztin kam zu uns, holte die
Blutwerte von Jonathan ab die uns unser Kinderarzt ausgehändigt hatte und
schaute sich das Gerstenkorn noch einmal an.
Dann
wurden wir in einen Raum geführt in dem wir Jonathan ausziehen und ihm einen
OP-Kittel anziehen sollten. Das gestaltete sich aber etwas schwierig, weil…es
keinen Kittel in seiner Größe gab!! Der kleinste Kittel war RIESIG für ihn…wir
haben die Ärmel gefühlte 10Mal umgeschlagen, der Kittel selber war ungefähr
doppelt so lang wie Jonathan! Wir konnten ihn komplett darin einwickeln wie in
eine Decke…8o))
Anschließend
habe ich mich noch umgekleidet um Jonathan in den OP-Bereich zu bringen. Mein
Mann musste warten, es durfte nur einer von uns hinein.
Ich bin
mit dem kleinen Mann in eine Art Aufwachraum gegangen, dort kamen dann 3
Anästhesisten und noch ein paar Ärzte zu mir und haben mir Fragen gestellt.
Über die Krankheit an sich: scheinbar hatte sich herum gesprochen dass heute
ein Kind mit seltenem Gendefekt hier war. Ich habe alle Fragen so gut ich
konnte beantwortet, noch einmal darauf hingewiesen das das Legen eines Zugangs
bei Jonathan nicht ganz so einfach war und ihn dann einer Anästhesistin in die
Arme gedrückt. Habe ihm TSCHÜSS gesagt und bin gegangen.
Es war
sehr schwer ihn einfach dort, bei Fremden, so zurückzulassen! Aber manchmal
muss man eben Dinge tun die man nicht mag…
Zurück in
die Schleuse und wieder die normalen Klamotten anziehen und dann zu meinem Mann
in den Wartebereich…und jetzt hieß es mal wieder: warten…..ätzend!!
Irgendwie
dauerte es länger als wir gedacht hatten. Ich wurde unruhig. War doch etwas
schief gegangen? Oder hatte man im Augenhintergrund etwas Beunruhigendes
gefunden???
Ich hatte
eine Zeitung zum Lesen dabei, konnte mich aber überhaupt nicht konzentrieren
und gab schließlich auf es zu versuchen. Rutschte auf meinem Stuhl hin und
her….und hoffte dass bald jemand kommen und uns gute Nachrichten bringen würde.
Irgendwann
öffnete sich die Tür und der Arzt den wir bei der letzten OP schon als Koryphäe
im Glaukombereich kennengelernt hatten kam heraus. Endlich! Er kam zu uns und
sagte das soweit alles ok sei: er habe die Untersuchung ohne Probleme
durchführen können. Und im Augenhintergrund etwas gesehen…er sei zwar
eigentlich sicher dass es KEIN Glaukom sei, aber er wisse momentan nicht genau
WAS es sei. Und somit wäre dann eine erneute regelmäßige Kontrolle notwendig.
Augeninnendruck und sonstiges sei alles ok, da bestünde kein Grund zur Sorge.
Aktuell werde noch das Gerstenkorn entfernt, in wenigen Minuten könnten wir
dann zu unserem Sohn.
Na, zum
Glück! Auch das hatten wir dann offensichtlich gut hinter uns gebracht! Ich war
erleichtert. Jetzt fiel mir das Warten nicht mehr so schwer, ich wusste ja
schon dass das Schlimmste geschafft war und es Jonathan gut ging.
Es
dauerte dann auch nicht mehr lange und die junge Ärztin die morgens das
Gerstenkorn untersucht hatte kam zu uns. Alles ok: einer von uns dürfte nun zu
Jonathan.
Ich
brauchte meinen Mann nur anzuschauen und er wusste das ich diejenige sein
wollte die hinein ging. Also wieder in die Schleuse und Kittel überstreifen und
dann durfte ich zu meinem Baby…
Was uns
keiner gesagt hatte und uns beide schockte: er hatte einen riesigen Verband auf
dem Auge. Mit Mullbinden. Das Auge war gar nicht mehr zu sehen und weil der
Kopf so klein ist – war auch der halbe Kopf verschwunden. Darauf war ich in
keinster Weise vorbereitet! Ich hätte nicht gedacht dass die Entfernung eines
Gerstenkorns solch einen Verband nötig macht.
Die
Schwester die mich kurz informierte teilte mir mit, dass Jonathan eine richtige
Wunde am Auge habe und diese auch blutet. Deswegen wäre es am besten wenn der
Verband bis zum folgenden Tag am Auge bleiben könnte. WHAT???
Also wir
hatten ja schon eine Untersuchung an den Augen hinter uns gebracht und ich
wusste somit ziemlich genau wie schlimm es gewesen war als er nicht richtig
gesehen hatte wegen der Pupillenerweiternden Tropfen…wenn jetzt einen Tag lang
das eine Auge komplett abgeklebt bleiben sollte: PROST MAHLZEIT…
Noch war
Jonathan nicht wach, er jammerte ein wenig vor sich hin – aber im Schlaf…ich
habe mich an sein Bett gesetzt und seine Hand gesucht um sie zu halten und zu
streicheln. Er war eingepackt wie ein kleiner Eskimo: in Tücher und Decken…
Es
dauerte nicht lange und er wurde wach. Jammerte und weinte. Ich habe ihn auf
den Arm genommen und die Schwester kam um seine Werte zu kontrollieren. Da wir
ganz allein in dem Raum waren habe ich sie gefragt ob mein Mann vielleicht
ausnahmsweise dazu kommen darf, er wäre sowieso derjenige von uns der Jonathan
viel besser beruhigen könnte wenn er weinte. Weil wir wirklich komplett allein
im Raum waren und die Schwester offensichtlich auch ein wenig fasziniert von
Jonathan war…ist sie meinen Mann holen gegangen.
Rückwirkend
betrachtet hatten wir in solchen OP-Situationen wirklich immer Glück und
durften GEMEINSAM an Jonathans Bett sitzen. Was diese Momente für mich erträglicher
macht…ich bin ja eher der hippelige, ungeduldige und manchmal auch unruhige
Typ: und das ist in solchen Momenten oftmals nicht gut. Mein Mann ist der
ruhige, leise und EXTREM geduldige Part in unserer Beziehung und er holt mich
dann immer auf den Boden zurück und beruhigt mich…8o))
Jonathan
hat an diesem Vormittag wieder extrem geweint und ständig versucht den Verband
von seinem Auge zu ziehen. Wir haben ihm zwar immer gesagt das er den Verband
drauf lassen muss – aber, um ehrlich zu sein: das versteht er ja leider nicht.
Also mussten wir ihm die Hände festhalten, was auch nicht unbedingt dazu führte
das er besser gelaunt gewesen wäre.
Ich
konnte ihn ja auch verstehen! Man wird aus der Narkose wach und das eine Auge
„ist weg“. Und er verstand nicht warum es weg war und das es wiederkommen
würde. Alles was er tun konnte um seinen Unmut zu äußern war eben
schreien….also schrie er.
(Hatten
wir ja schon mal erlebt, als er die OP am Hodenhochstand gehabt und man ihm die
Pupillenerweiternden Tropfen gegeben hatte.)
Am späten
Vormittag durften wir Jonathan Milch geben und danach beruhigte er sich ein
wenig und schlief wieder ein. Seine Werte wurden noch mehrfach kontrolliert und
waren immer gut, also durften wir relativ schnell wieder nach Hause fahren.
Erfreulich: wir hatten uns eigentlich nach unseren diversen
Krankenhauserfahrungen auf einen längeren Aufenthalt eingestellt.
Als wir im
Anmeldebereich auf unsere Entlassungspapiere warteten, haben wir mit dem Handy
Fotos für unsere Eltern gemacht und sie ihnen geschickt. Alle waren total
geschockt vom Anblick unseres kleinen Zwerges: ein RIESEN-Pflaster auf dem
Auge….und das auch noch etwas blutig. Sah schon schlimm aus.
Auf der
Heimfahrt hat Jonathan geschlafen, er war noch total erledigt von der OP. Als
wir zu Hause ankamen wachte er aber sofort auf und schien so erleichtert wieder
hier zu sein. Das ist ein Verhalten das ich schon öfter bei ihm beobachtet
habe: wenn wir aus der Klinik heimkommen (vom stationären oder auch nur
ambulanten Aufenthalt) dann betrachtet er seine Umgebung so aufmerksam und
scheint erleichtert zu sein. Er ist aufgedreht und möchte alles erkunden: wie
um sich zu versichern das er wirklich wieder hier ist.
Wir haben
ihn dann auch den Boden zum Spielen gelegt um in Ruhe sein Essen machen und
alles ausräumen zu können.
Was soll
ich sagen? Es hat keine 15 Minuten gedauert und das Pflaster war abgerissen. Jonathan
kann sehr hartnäckig sein wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat – und
offensichtlich hatte er sich in den Kopf gesetzt dass das Pflaster
runtermusste….
Das Auge
sah gar nicht so schlimm aus: es war nur ein kleines Loch auf dem Augenlid zu
sehen wo das Gerstenkorn gewesen war. Und das Loch war ein wenig blutig. Aber
ansonsten…sah man nichts.
Und
Jonathan war hoch zufrieden dass er nun wieder beide Augen benutzen konnte!!
8o))
Die
Heiligen Drei Könige
Ich habe
es ja schon einige Male erwähnt: wir sind Protestanten und deswegen gehört der
Brauch „Die heiligen drei Könige“ nicht unbedingt zu den Bräuchen die WIR pflegen.
Aber…im März
des vergangenen Jahres waren wir in mein Elternhaus eingezogen und so dachten
wir uns: eine Segnung des Hauses könnte ja nicht schaden.
Als es
klingelte baten wir also die drei „Sternsingerinnen“ und die Begleiterin
herein. Sie stellten sich im Flur auf und begannen zu singen als mein Mann mit
Jonathan auf dem Arm in den Flur trat. Die Begleiterin war lange Jahre unsere
Nachbarin gewesen und so wusste sie um Jonathans Krankheit. Doch die jungen
Damen die an diesem Tag als Sternsinger unterwegs waren – wussten das nicht.
Ich habe
mich prächtig darüber amüsiert wie sie krampfhaft versuchten weiter zu
singen…und doch dauernd aus dem Takt kamen und Jonathan sprachlos anstarrten.
Und der wiederum starrte sie mit offenem Mund und staunend an. 8o)) Verkleidet
waren sie, hatten Kronen auf dem Kopf und eine hatte einen riesigen Stern in
der Hand. Auch ein Behälter, aus dem Weihrauch verteilt wurde, gehörte zur
Ausstattung. So etwas hatte Jonathan noch nicht gesehen und gerochen. Er war
total fasziniert! Und die Ladies auch…lol…
Der 1.
Zahnarztbesuch
Jonathan
war nun schon 1 Jahr und 9 Monate alt und die Zähne ließen sich Zeit. Mit viel
gutem Willen war zu diesem Zeitpunkt ein Zahn durchgebrochen, aber bei mir
stand ein Kontrolltermin beim Zahnarzt an und ich dachte dass es nichts schaden
könnte Jonathan mitzunehmen und ihn an die Gerüche und Geräusche zu gewöhnen.
Und daran das er hier den Mund aufmachen musste.
Es ist bekannt
dass bei Kindern mit MOPD I die Zähne nur sehr wenig Zahnschmelz haben und
deswegen leicht abbrechen können. Somit wäre es ja für die Zukunft gut, wenn
Jonathan beim Zahnarzt keine Angst hätte und freiwillig den Mund aufmachen
würde!!
Ich habe
Jonathan auf den Schoß genommen und erst mal selbst eine Kontrolle bekommen –
dabei konnte der kleine Mann schon mal zuschauen und sehen dass nichts
schlimmes passierte. Mir machen Zahnarztbesuche nichts aus, im Gegenteil.
Vermutlich habe ich noch nicht mal erhöhten Puls und ich glaube, ich bin eine
der wenigen der es schon mal gelungen ist auf dem Stuhl einzuschlafen - während
ich auf den Arzt und das Ziehen eines Weisheitszahns gewartet habe. Kein
Scherz! Der Arzt musste mich damals wecken und hat sich kaputt gelacht über
mich, weil ich so die Ruhe weg hatte….8o) Aber das ist eine andere Geschichte….
Die
Kontrolle bei mir war –wie fast immer!- ohne Befund, alles prima und kein
weiterer Handlungsbedarf.
Jonathan
hatte von der Helferin einen Plastikbecher zum Spielen bekommen, mit dem
quietschte er vergnügt herum. Und nun war er dran. Ich habe ihn auf meinen
Bauch gesetzt und die Ärztin hat ihm erklärt dass sie nun gerne in seinen Mund
schauen würde. Keine Chance. Er schmiss sich immer wieder nach hinten und fing
zu kreischen an…er zappelte und gebärdete sich wie verrückt.
Nachdem
er nicht zu beruhigen war bat ich die Ärztin den Mundschutz abzunehmen. Das hat
sie auch gemacht und siehe da: nun ließ Jonathan sich die Untersuchung
gefallen….ich habe es schon öfter erwähnt, er ist hospitalisiert. Es ist kein
Hirngespinst, es ist die Wahrheit! So unvorstellbar das auch ist, weil man
denkt das ein Mini-Baby gar nichts mitbekommt. Jonathan ist das lebende
Beispiel dafür das dem anders ist.
Mehr als
ein kurzer Blick in den Mund war heute aber gar nicht nötig. Ein Zahn war
durchgebrochen, einer im Anmarsch…
Da ich um
die (vielleicht) schlechte Situation seiner Zähne wusste: habe ich mit dem
Zahnarzt vereinbart das ich nun alle drei Monate mit Joni zur Kontrolle
vorbeikommen würde. Der Arztbesuch selbst dauerte ja nur ein paar Minuten, half
Jonathan aber vielleicht seine Angst vor Mundschutz und Handschuhen zu
überwinden….
Das 1.Mal
im Schwimmbad
In
unserem Sommerurlaub war das Wasser zu kalt gewesen um darin zu schwimmen. Und
da Jonathan ein schlechtes Immunsystem hat und anfällig für Infekte ist, waren
wir mit ihm auch noch nie in einem Schwimmbad/Thermalbad. Unser Kinderarzt
hatte uns stark davon abgeraten da sich zum einen Bakterien in dem warmen Klima
sehr gut vermehren können, zum anderen das Chlor im Wasser vermutlich nicht gut
für Jonathans Haut wäre.
(Der
junge Mann hat starke Probleme mit der Haut: sie ist extrem trocken, grade am
Kopf. Wir cremen ihn mindestens 3mal am Tag komplett ein und trotzdem hat er
immer wieder gerötete Hautstellen.)
Also war
Jonathan außer ab und an in der Badewanne (auch nicht soooo oft weil baden die
Haut zusätzlich austrocknet!) noch nie im Wasser gewesen. Mir ging schon
längere Zeit durch den Kopf das ich das schade fand: Wasser ist ein tolles
Element – grade für Kinder! Ich erinnerte mich so oft daran welche Freude
Marvin im Babyschwimmen gehabt hatte….aber das war leider mit Jonathan nun mal
nicht möglich.
Aber
unsere „Frühfördertante“ kam mit einem Vorschlag um die Ecke…
Die
Lebenshilfe hat ein eigenes Schwimmbad, naja: ein Therapiebecken. Auf jeden
Fall so groß das hier auch Babyschwimmkurse stattfinden, Materialien zum
Spielen und Lernen waren also vorhanden. Der Schwimmkurs findet immer am
gleichen Wochentag um dieselbe Uhrzeit statt und dauert 10 Wochen – danach steht
das Becken an diesem Tag und um diese Uhrzeit leer, aber der Lebenshilft zur
Verfügung. Und es war genau der Zeitraum in dem wir immer Frühförderung
hatten!!! Was wäre also wenn wir uns statt bei uns zu Hause…im Schwimmbad
treffen würden? Und statt Frühförderung..eben schwimmen würden??? Und zwar so
lange bis der nächste Schwimmkurz startete, wir hätten also ein paar Wochen
Zeit.
Ich war
gleich Feuer und Flamme! Ich meine..wann hat man bitte mal die Gelegenheit ein
Schwimmbad ganz für sich alleine zu haben? Eine bessere Gelegenheit Jonathan
das Element Wasser näher zu bringen OHNE das er Gefahr lief sich bei anderen
Kindern anzustecken würde uns bestimmt nicht mehr geboten werden.
Trotzdem
wollte ich das Thema noch mal mit unserem Kinderarzt besprechen. Und das tat
ich auch umgehend. Er war leider nicht begeistert…das wir allein ins Schwimmbad
gehen würden fand er zwar gut und sah an der Stelle auch kein Problem – aber er
hatte Bedenken wegen der Haut. Denn gechlort war das Wasser trotzdem, und in einem
Therapiebecken auch -ehrlich gesagt- nicht zu knapp. Das bisher einzige Mal
ließ ich mich aber von seiner Meinung nicht überzeugen und habe ihm erklärt das
ich trotzdem schwimmen gehen würde: mir war es einfach wichtiger Jonathan die
Freude am Wasser zu gönnen…
Der
Kinderarzt respektierte meine Entscheidung auch, gab mir aber noch ein paar
Tipps und eine Bitte mit auf den Weg:
Zum einen
sollte ich Jonathan nach dem Schwimmen nicht im Schwimmbad waschen, zu viele
Keime und Bakterien in der Dusche! Ich sollte ihn dick eincremen und zu Hause
ordentlich waschen und erneut eincremen.
Zum
anderen sollte ich gut auf sein Verhalten achten: wenn ihm das Schwimmen nicht
geheuer war oder ich den Eindruck hatte das es ihm nicht gut tat…dann sollte
ich es bei diesem einen Besuch belassen (das hätte der Arzt mir nicht sagen
brauchen, das hätte ich sowieso genauso gehandhabt!).
Als
letztes musste ich ihm noch versprechen: WENN die Haut nach einem Besuch im
Schwimmbad schlechter wurde, schuppte oder Jonathan Ausschlag bekam – dann war
es das Ende unseres Schwimmexperimentes. Ok: damit konnte ich leben!
Also
dann: das Experiment SCHWIMMBAD konnte starten! Unsere Frühfördertante freute
sich mindestens genauso sehr wie ich. In der ersten Stunde würde auch die
Leiterin des Schwimmkurses anwesend sein: sie sollte uns zeigen welche Spiele
wir mit Jonathan machen könnten, welche „Übungen“.
Die erste
Stunde fand in den Ferien statt und so konnte auch Marvin mitkommen: er freute
sich wie ein Keks, ist er doch eine Wasserratte schlechthin.
Einen
UV-Anzug für Jonathan hatten wir noch aus dem letzten Urlaub, einen Bademantel
ebenfalls. Also packte ich alles zusammen..und fuhr mit beiden Kindern los.
Ok..es
war schon ein recht großer Aufwand für die kurze Zeit die wir im Wasser
verbringen wollten. Ich musste eine Schwimmtasche für drei Leute packen, ich
musste den Wickelrucksack mitnehmen mit Essen und Trinken, ich musste den Wagen
ins Auto packen damit ich Jonathan bis zum Schwimmbad „fahren“ konnte….dann
dort angekommen: alles ins Schwimmbad bringen, drei Leute umziehen und kurz abduschen
– und später alles in umgekehrter Reihenfolge…
Aber ich
will mich nicht beschweren: unsere Frühfördertante und die Schwimmlehrerin mussten
einige Türen aufsperren und hinter uns wieder zusperren. Sie mussten nach der
Schwimmstunde aufräumen und das Schwimmbad „abziehen“ damit die Fliesen alle
trocken waren…also von daher war es für uns alle ein immenser Aufwand. Ich muss
sagen, ich bin allen die es uns ermöglichen dort schwimmen zu gehen extrem
dankbar!! Sie hätten uns das nicht anbieten müssen, das wäre für alle
stressfreier – aber dann hätte Jonathan auch nicht so viel Spaß!
Denn den
hat er zweifellos im Wasser!! Er paddelt und planscht, er freut sich und
strahlt über alle vier Backen. 8o) Er juchzt und plappert…wenn wir unser
Abschlusslied singen und es aus dem Becken rausgeht dann beschwert er sich
immer und möchte nicht gehen….eine kleine Wasserratte ist er!!
Die
kleinen Spiele die er im Wasser machen soll (Entchen schieben, Bälle einsammeln
oder Rutschstopper von einer Seite des Beckens zur anderen transportieren)
macht er alle gerne und super mit.
Nach der
ersten Schwimmstunde habe ich ihn (wie dem Kinderarzt versprochen) dick
eingecremt und erst zu Hause gewaschen. Am Nachmittag und Abend habe ich ihn
noch einmal dick eingecremt. Und: er hat keinen Ausschlag oder trockene Haut
bekommen, alles war wie immer. Der Kinderarzt war sehr zufrieden als ich das
beim nächsten Besuch genauso erzählen konnte wie vom Spaß den Joni im Wasser
gehabt hatte.
Seitdem
sind wir einige Male im Schwimmbad der Lebenshilfe gewesen. Mit Marvin, der
dann entweder mit Jonathan spielt oder auch mal mit mir – manchmal auch ohne
Marvin, wenn er zur Schule muss. Immer hat Jonathan eine wahnsinnige Freude
dabei und wir sind uns alle einig: DESWEGEN lohnt sich der Aufwand den wir
betreiben!!
Fasching
Wir sind
keine Faschingshasser, aber auch nicht die weltgrößten Fans dieser närrischen
Tage - doch wenn man Kinder hat kommt man um manche Sachen nicht herum.
Im
letzten Jahr waren wir bei keinem Umzug gewesen weil wir einfach fanden dass
Jonathan zu klein war und es zu laut und aufregend für ihn wäre. Doch in diesem
Jahr, nachdem wir mittlerweile schon so viele Ausflüge mit ihm gemacht und
gesehen hatten wie gut er damit zurecht kam und wieviel Spaß er auch hatte:
beschlossen wir zu einem Umzug zu fahren.
Nur…wie
verkleiden wir Jonathan??? Alle gängigen Faschingskostüme (selbst die für
Neugeborene) waren alle zu groß, denn eigentlich immer ist eine Kopfbedeckung
dabei und bei Jonathans kleinem Kopf…das ging gar nicht. Außerdem mussten wir
auch etwas haben was er über die normale Kleidung ziehen konnte, denn wenn das
Kostüm UNTER der Jacke war…dann brauchte ich ihm auch gar keins anzuziehen!
Ich
stöbere ja gerne online nach Kleidern für die Kinder und somit hatte ich nun
eine prima Ausrede das mal wieder zu tun. 8o)
Recht
schnell hatte ich auch etwas gefunden: einen Overall aus Teddyplüsch der aussah
wie der „Tigger“ aus WinniePooh. Ich bin ja riesiger WinniePooh-Fan und von
daher hätte mir dieses Teil jetzt keiner mehr ausreden können! Es war aber auch
perfekt - weil einfach warm.
Der Tag
des Faschingsumzugs kam und morgens fiel mir auf: ich selbst hatte gar kein
Kostüm. Marvin wollte sich nicht verkleiden…mein Mann auch nicht. Ich schon.
Aber ich hatte mir nichts gekauft (…kennt ihr das? Man denkt immer nur ans Kind
und nicht an sich!).
Nun
ja…ich bin London-Fan. Und so habe ich eine Kappe und Schuhe mit Union Jack,
dazu noch ein blaues Tshirt und ein Fähnchen in die Hand – fertig. Ich ging als
Englische Flagge – wobei meine Verkleidung auch eigentlich unrelevant war….8o)))
Los
ging´s es also zum ersten Faschingsumzug.
Jonathan
hatte natürlich keine Ahnung was ihn hier erwartete, aber er nahm die vielen
Menschen wahr die auf der Straße standen. Die lautstark johlten und natürlich
auch „komisch“ aussahen. Hinter uns stand ein junges Pärchen und sie hatte ein
Rentier-Geweih auf dem Kopf - das hat Jonathan schwer interessiert. Dauernd hat
er sich den Kopf nach der jungen Frau verdreht und das Geweih angehimmelt…oder
eher SIE??? Ich weiß es nicht so genau…8o))
Auf jeden
Fall hatte Jonathan Spaß die Wagen und die Menschen zu bestaunen die vorbeikamen…
vermutlich kamen sie ihm vor wie aus einer anderen Welt entsprungen - weil sie so bunt und verrückt gekleidet waren.
Unter den
Motivwagen waren auch einige „alte Bekannte“: zum Beispiel die Straußenfarm die
wir im Sommer besucht hatten….allerdings hatte diese KEINE lebenden Strauße
dabei – schade eigentlich. LOL…
Natürlich
fiel Jonathan mal wieder auf: so viele Menschen sprachen uns an „Ist der süß!“
und lächelten. Alles in allem war es ein gelungener Tag, auch wenn wir uns nach
zwei Stunden wieder auf den Heimweg machten weil wir dachten das der Lärm und
die Aufregung nun genug für Jonathan seien….8o))
Ganz
ehrlich? Ich mag Fasching nicht soo gerne…aber ich war schon ziemlich glücklich
an diesem Tag. Warum??? Weil ich lange Zeit nicht geglaubt hätte das wir sowas
wie heute mit unserem Kleinen mal machen könnten – und er auch noch Spaß dabei
empfinden würde!
Manchmal
geht das Leben ganz eigene Wege: manchmal hält es Überraschungen bereit.
Manchmal wandelt sich eine Situation die man für ausweglos hielt und die Angst
macht dann doch zu etwas wertvollem und schönem.
Etwas
schönem das man viel mehr zu schätzen weiß….weil man nie glaubte das es SO GUT
werden würde. Nach den Prognosen der Ärzte haben wir mit VIEL SCHLIMMEREM
gerechnet…jeder Tag ist ein Geschenk für uns!! Und wir leben jeden Tag sehr
intensiv.
Das
sollte sich dann auch in den kommenden Osterferien bemerkbar machen! 8o))
Osterferien
und einige Familienausflüge
Das Leben
in vollen Zügen genießen….etwas zusammen erleben…quality time als Familie…wir
hatten Nachholbedarf!!!
BESONDERS
ICH….
Mein Mann
geht arbeiten, Marvin zur Schule und nachmittags zu Freunden. ICH bin diejenige
die zu Hause ist und deren Leben so anders ist…so anders als früher…und so
anders als ich es mir vorgestellt und gewünscht hätte.
Jonathans
Immunsystem ist schlecht und der Kontakt mit kleinen Kindern wegen der
Ansteckungsgefahr für ihn gefährlich. Aber alle meine Freundinnen haben kleine
Kinder….also: kann ich sie tagsüber nicht sehen. Deswegen – bin ich meistens
alleine…
Klar sehe
ich die Therapeuten und Ärzte, denn ich habe jeden Tag irgendwo einen Termin
mit Jonathan. Aber so gerne man sich auch mag, und auch wenn man über die Jahre
„zusammen gewachsen“ ist und sich gut kennt – im Grunde sind es „Fremde“ mit
denen ich nicht über das rede was mir wichtig ist oder mich beschäftigt.
Außerdem
ist Jonathans Tag extrem „durchgetaktet“: Medikamente geben (15 Mal am Tag),
ihn füttern (6 Mal am Tag), ihm trinken geben, ihn wickeln, Termine wahrnehmen,
kochen, Physio-Übungen mit Jonathan machen…..manchmal komme ich noch nicht mal
dazu nur spazieren zu gehen. Und sehe den Großteil des Tages nur die vier Wände
um mich herum.
(Diese
Situation ist nicht immer einfach für mich und als ich letztens mit einem sehr
guten und langjährigen Freund darüber geredet habe wie mein Leben heute
aussieht -und während dieses Gesprächs auch ganz fürchterlich in Tränen
ausgebrochen bin- hat er gesagt: „Das ist ja schlimmer als Gefängnis!“ …Ja…..manchmal
ist es das. Besonders im Winter: wenn es morgens lange dunkel ist und früh
wieder dunkel wird. Da habe ich oft das Gefühl das das Leben komplett an mir
vorbeigeht und ich nichts davon mitbekomme….)
Also…bin
ich immer froh wenn mein Mann Urlaub hat, das Wetter gut ist und wir raus
können. Klar sind Unternehmungen mit Jonathan auch immer Stress für mich: an
alles denken und alles einpacken, und auch wenn man unterwegs ist muss man
dauernd auf die Uhr schauen um keine Medikamentengabe zu vergessen….ABER: man
sieht mal was anderes und bekommt ein paar neue Eindrücke. UND….ich fühle mich
ein bisschen wie früher als ich noch in der Lage war viele verschiedene Dinge
zu erleben und die Welt zu erkunden.
Jetzt
standen die Osterferien bevor, mein Mann hatte eine Woche Urlaub. Das Wetter
war schön und das wir etwas unternehmen würden war klar. Schon vor einigen
Jahren haben wir eine Liste gemacht mit Dingen die wir in unserer Umgebung
unternehmen wollen. Diese Liste haben wir uns nun zu Gemüte geführt und
geschaut was realisierbar war. Wir haben uns für ein paar Ausflüge entschieden,
es würde auch Ruhetage daheim geben die wir vor dem Fernsehen oder –wie Marvin
jetzt neuerdings sagt- CHILLEND verbringen würden.
Der erste
Ausflug führte uns in unsere Landeshauptstadt, nach Wiesbaden. Hier hatten
Marvin und ich viele Jahre gelebt und hier fühlten wir uns immer noch zu Hause.
In
Wiesbaden gibt es etwas das ich unbedingt mit Jonathan machen wollte….8o))…Nerobergbahn
fahren!!
Die
Nerobergbahn ist die letzte Wasserlast- und Zahnstangenstandseilbahn
Deutschlands und überwindet auf einer Länge von 438 Metern und einer
durchschnittlichen Steigung von 19% einen Höhenunterschied von 83 Metern (Daten
aus WIKIPEDIA).
Von der
Talstation fährt man auf den Neroberg. Von hier oben hat man einen traumhaften
Ausblick über ganz Wiesbaden und es gibt hier ein kleines Amphitheater, einen
Tempel, eine Kirche, ein Schwimmbad und einen Kletterwald. In den wollten meine
„großen“ Männer auch unbedingt. 8o))
Zuerst
einmal haben wir natürlich Tickets gelöst und uns in der gelben Bahn einen
Platz gesucht. Wir waren nicht allein im Wagen und unsere „Mitfahrer“ haben
über Jonathan gelächelt, uns aber in Ruhe gelassen und keine Fragen gestellt.
Jonathan
selbst fand die Fahrt jetzt nicht sooo spektakulär, ich glaube er hat gar nicht
wirklich verstanden was da passierte. Man ist auch nicht lange unterwegs: nur
ein paar Minuten, dann steigt man schon wieder aus.
An der
„Bergstation“ angekommen wollte Marvin unbedingt ein Foto mit Jonathan vor der
Bahn machen und der Schaffner hat sich kaputt gelacht. Naja: er wusste ja auch
weder was so besonders an Jonathan noch was so besonders für uns am heutigen
Tag war.
Wir waren
zwar nach dem Frühstück weggefahren, aber wir mussten auch einige Kilometer bis
Wiesbaden zurücklegen, dann hatten wir noch auf die Bahn gewartet….jetzt war es
schon fast Zeit für Mittagessen, also sind wir in das Lokal auf dem Berg
gegangen. Nicht ganz kostenneutral dort – aber dafür mit Aussicht. 8o))
Wir haben
lecker gegessen und das auch noch in Ruhe! Denn Jonathan hat sich in seinem
Wagen mit seinem TutTut-Auto aus Holland, Thjis-Taxi, beschäftigt. Total toll!
Mal in RUHE essen!!! Hat Seltenheitswert!!!
Nach dem
Essen konnte Marvin seine Ungeduld nicht mehr länger zügeln: er wollte jetzt
unbedingt in den Kletterwald. Also habe ich den Männern gesagt das sie gehen
sollen, ich würde mit Jonathan hier bleiben: ihn füttern und wenn er dann
(hoffentlich) seinen Mittagsschlaf halten würde – könnte ich ein wenig lesen.
Babystühle
gab es in diesem Lokal leider nicht, also musste Jonathan zum Essen in seinem
Wagen – im Grunde dem Autositz der mit einem Adapter auf ein
Kinderwagenuntergestell montiert war – sitzen bleiben. Ich hatte Einweglätzchen
dabei, davon habe ich ihm eins um den Hals gemacht. Keine Ahnung warum, aber
der kleine Mann hatte auf einmal so wahnsinnig gute Laune und lachte mich an -
mit diesem weißen Papierding um den Hals aus dem wirklich nur der kleine Kopf
herausschaute: ein Bild das ich so witzig fand das ich einfach lauthals
losgelacht habe….mehrere Leute glotzten mich an, vermutlich dachten sie das ich
nicht mehr alle Latten am Gartenzaun habe – aber egal! 8o))
Der kleine
Mann hat gut gegessen und ist dann zufrieden eingeschlafen. Zeit für mich auch
mal etwas abzuschalten und ein wenig zu lesen. Bei herrlichem Sonnenschein und
einem Bier mit Blick über Wiesbaden – was will man mehr???
Nach
circa zwei Stunden waren die „großen Männer“ auch wieder zurück vom Klettern -
geschwitzt aber glücklich. Sie haben noch was getrunken und dann haben wir die
Heimreise angetreten. Der erste Tag mit schönem Ausflug war vorbei, aber am
nächsten Tag wollten wir etwas mindestens genauso Tolles unternehmen!!!...
….nämlich
einen Besuch beim höchsten Kaltwassergeysir der ERDE!! Und dieser befindet sich
in Andernach, in der Nähe von Koblenz (Rheinland-Pfalz). Ja: ihr habt richtig
gelesen! Es ist der höchste Kaltwassergeysir der ERDE und er befindet sich in
Deutschland….ehrlich gesagt hatten wir überhaupt keine Ahnung das er existierte
und dann auch noch in unserer Nähe!! Erfahren haben wir davon durch einen
Kollegen meines Mannes. Er wohnt viel weiter von Andernach weg als wir und hat
meinem Mann dann irgendwann erzählt dass er den Geysir besucht hat und total
begeistert war – wir wären ja sicherlich auch schon dort gewesen??? Waren wir
nicht, weil wir gar nichts davon wussten…peinlich! Dieser Fauxpas musste
ausgemerzt werden, also haben wir beschlossen uns dieses Naturwunder
anzuschauen!
Morgens
wurde also wieder mal gepackt: Klamotten, Essen, Medikamente und diesmal auch
der Reha-Buggy damit Jonathan auch gut sehen konnte unterwegs. Das Wetter war
perfekt: Sonne, aber nicht zuuuu warm. Die Fahrt bis Andernach dauert ungefähr
eine Stunde, wir sind schon früh gestartet und haben uns am Geysir-Zentrum
unsere Tickets geholt – aber erst für den Nachmittag. Was man mit diesen
Tickets alles machen kann, erzähle ich später. Erstmal sind wir in die Stadt
gegangen und haben ein wenig Kulturprogramm genossen. Man muss wissen:
Andernach ist die Stadt der kurzen Wege! Alle Sehenswürdigkeiten sind hier
höchstens 5 Gehminuten auseinander und so schafft man in kürzester Zeit
unfassbar viel an Kultur. 8o))
Wir haben
eine Kirche besichtigt und Reste der Stadtmauer, haben eine Burgruine gesehen
und den „runden Turm“. Danach hatten wir genug und sind Mittag essen
gegangen….8o)))
Durch
Zufall haben wir einen ganz kleinen, aber unfassbar GUTEN!, Italiener gefunden
– der in Wirklichkeit gar kein Italiener war. Aber es schmeckte PHANTASTISCH
und der Service war grandios! Ich war genauso begeistert wie am Tag zuvor auf
dem Neroberg: unsere Familie, zusammen und auf einem Ausflug, gutes Essen und
einfach Zeit miteinander – es konnte doch gar nicht besser laufen!!
Nach dem
Essen war es Zeit zum Geysir-Zentrum aufzubrechen. Es ist so: wenn man den
Geysir besuchen will kann man das nicht auf eigene Faust machen, denn er
befindet sich in einem Naturschutzgebiet in das man nur als „geführte Gruppe“
Zutritt hat.
Im Ticketpreis
ist eine Besichtigung des Geysir-Zentrums inklusive, laut Internet werden hier
eineinhalb Stunden empfohlen. Uns hat diese Zeit NICHT gereicht!! Wir waren 2
Stunden hier und hätten noch länger bleiben können…dieses Zentrum ist ganz ganz
toll gemacht! Mit Filmen und „Mitmach-Stationen“ an denen man die Wirkung von
Geysiren ausprobieren kann: an denen man auch über Gesteine, Erdschichten und
Umwelteinflüsse informiert wird und etwas lernt. Für Marvin, der Museen liebt,
war es hier der Himmel auf Erden. Dass dieses Zentrum für Jonathan eher
langweilig war erklärt sich von selbst. Aber mal geht es um das eine Kind – und
mal um das andere, nicht wahr? 8o))
Im
Anschluss an das Museum begibt man sich auf ein Schiff das nur wenige Meter
entfernt vor Anker liegt. Mit diesem Schiff wird man dann 20 Minuten über den
Rhein gefahren und ins Naturschutzgebiet gebracht wo man von Bord geht. Nach
einem kurzen Fußmarsch erreicht man den Geysir. Er bricht circa alle 100
Minuten aus, die Touren sind so geplant dass man zur Eruption vor Ort ist. Und
diese ist gewaltig: 60 Meter hoch ist die Wassersäule die unter Getöse in den
Himmel schießt. Ja, es ist auch laut!!! Und das Wasser spritzt alles in einem
Umkreis von bestimmt 30 Meter nass….So hatte ich mir das gar nicht vorgestellt.
Selbst
Jonathan hat den Geysir aufmerksam betrachtet, wahrscheinlich auch wegen des
Lärms. Ich bin mit ihm ein wenig näher heran gegangen so dass ihn die
Wassertropfen getroffen haben..das Wasser des Geysirs ist voller Schwefel, es
riecht und man schmeckt das natürlich auch. Woher ich das weiß? Nach dem
Ausbruch ist ein Angestellter der Geysir-Tour mit einem Eimer herumgegangen in
dem er Wasser aus dem Geysir aufgefangen hatte und wer sich getraut hat: durfte
einen Schluck probieren!! 8o))
(Eins
kann ich sagen: es schmeckt nicht so streng wie das Wasser aus Wiesbadens
Kochbrunnen!)
Auf jeden
Fall hat also auch Jonathan das Wasser gespürt und gerochen, Eindrücke die er auf
jeden Fall wahrnehmen kann. Genau wie die Bootsfahrt. Er hat alles aufmerksam
beobachtet, den Geräuschen der Turbinen gelauscht und einen Keks
gelutscht…8o)))
Dieser
Tag war lang….wir sind nach dem Frühstück losgefahren und waren zum Abendbrot
wieder zu Hause. Glücklich und…müde!!! Wir haben beschlossen am nächsten Tag
noch einmal etwas zu unternehmen, aber nur einen „kleinen und kurzen“ Ausflug.
Wir wollten Jonathan nicht überfordern.
Klein und
kurz….es sollte ein Besuch in einer Einkaufsmall werden. Ich liebe bummeln
gehen, klar: ich bin eine Frau! 8o)) Aber…auch Marvin liebt shoppen über alle
Maßen – ein Punkt der unseren Opa immer wieder dazu anregt Marvin auf die
Schippe zu nehmen.
Wir sind
also bummeln gefahren. Das Einkaufszentrum war geschmückt, überall Deko: Blumen
und Ostereier, in der Mitte waren sogar Osterhasen aufgebaut die sich bewegten
und denen man beim Eier färben oder Möhren ernten zuschauen konnte. Fand
Jonathan extrem spannend!! Für ihn muss es so ausgesehen haben als würden sich
echte Tiere bewegen! 8o))
Natürlich
haben wir auch ein paar Kleinigkeiten gekauft: ein Buch für Marvin und eins für
Jonathan…Bücher sind bei uns ein Heiligtum, Marvin und ich sind Leseratten –
wir haben sogar eine Bibliothek in unserem Haus weil wir sonst nicht wüssten
wohin mit den Büchern. Aber ich finde, dieses Hobby muss man in der heutigen
Zeit auch unterstützen, grade bei Jugendlichen! Normalerweise sitzen die doch
fast nur noch am Handy oder der Konsole, da finde ich es gut wenn auch gelesen
wird. Deswegen würde ich NIE „Nein!“ sagen wenn ein Kind ein Buch haben möchte.
Wir sind
nicht so lange im Einkaufszentrum geblieben, heute wollten wir ja ein wenig
langsamer machen. Aber: auch das war ein schöner Tag gewesen. Ich hatte in den
letzten Tagen so viele neue Eindrücke gewonnen, war so froh mal rausgekommen zu
sein.
(Letztens
hat mich eine Freundin gefragt wie es überhaupt möglich ist das ich mich immer
so genau und detailliert an unsere Unternehmungen erinnere, obwohl diese schon
mehr als 1 Jahr zurückliegen. Tja, ich denke weil ich so froh bin das überhaupt
erleben zu können?? Das prägt sich dann einfach viel mehr ein!)
In ein
paar Tagen war Ostern. Auch das würden wahnsinnig schöne Tage im Kreise der
Familie werden. Bis dahin hatten wir aber auch noch einiges vorzubereiten…..
Ostervorbereitungen
und Ostern
Ich finde
Traditionen wichtig. Egal wie alt die Kinder sind, es gibt Dinge die einfach
dazugehören: und zu Ostern gehört es Eier zu färben. Also wird das in unserem
Haus jedes Jahr zelebriert. Auch wenn Marvin es mittlerweile nicht mehr ganz so
spannend findet….
In diesem
Jahr jedoch war etwas anders…Jonathan färbte mit! 8o))) Mit unserer „Frühfördertante“
hatte er ja schon mit Fingerfarben gematscht und es hatte ihm Spaß gemacht. Also
dachte ich dass er dann auch mit Fingerfarben Ostereier bemalen könnte!! Um
einfach dabei zu sein und dasselbe zu tun wie sein Bruder!
Gesagt
getan.
Nachdem
ich Eier gekocht und den Tisch mit einer Wachstischdecke „gesichert“ hatte,
haben Marvin und ich Eier traditionell ins bunte Farbbad getaucht. Mein Mann
und Jonathan haben sich Fingerfarben geschnappt und ein Ei mit roter Farbe
bemalt. Naja….also Jonathan hat nicht NUR das Ei bemalt – sondern auch meinen
Mann. Der hatte sich aber glücklicherweise auf meinen Ratschlag hin schon mal
das T-Shirt ausgezogen. Sein Gesicht sah trotzdem ziemlich….farbig aus! 8o)))
Irgendwann nachdem das Ei genug bemalt war und Jonathan immer noch SEHR VIEL
Fingerfarbe an den Händen übrig hatte, haben wir einfach Papier geholt und ihn
das bemalen lassen. So hatten wir ein prima Geschenk für die Großeltern! 8o))
Und dann
war auch schon der Ostersonntag da. Obwohl Marvin schon so groß ist…findet er
es immer noch toll wenn er seine Ostereier, die Schokolade und eine Kleinigkeit
zum Spielen…suchen darf! In diesem Jahr hat schon wieder das Wetter nicht
mitgespielt und so wurde wieder alles in der Wohnung versteckt. Also: die
Sachen für Marvin. Die für Jonathan nicht, denn er hat den Sinn und Zweck einer
Geschenkesuche noch nicht verstanden. 8o)
Marvins
Ohren haben geglüht vor Aufregung, er ist durch jeden Raum gelaufen und hat
sich genau umgeschaut und auch tatsächlich alles entdeckt. Jonathan hat seine
Ostergeschenke dann im Wohnzimmer bekommen: ein großes Polizeiauto von TutTut
und…die allererste Schokolade.
(Die
durfte Jonathan nach dem Abendbrot probieren und was soll ich sagen? Er hat sie
zwar offensichtlich lecker gefunden, aber sie blieb nicht drin…..lol….)
Nachdem
die Kinder nun glücklich waren haben wir alles Notwendige zusammen gepackt und
sind zum Osteressen zu meinen Eltern gefahren. Vor einem Jahr hatten wir am
Ostersonntag auch schon zusammen gegessen: damals gab es allerdings Essen vom
Partyservice, denn genau ein Jahr zuvor hatten wir alle gemeinsam Jonathans
Taufe gefeiert. So schnell verging die Zeit, unfassbar!! Ich erinnere mich sehr
gerne an die Zeremonie: an die dunkle Kirche, nur mit Kerzen erleuchtet - an
die Gefühle als der Pfarrer unseren Jungen getauft und meinen Mann und ich mich
gesegnet hat. Jetzt war schon wieder ein Jahr vergangen…ein Jahr in dem wir so
viel erlebt hatten!!!
Hätte mir
an diesem Ostersonntag 2017 jemand gesagt das sich unser Leben in ein paar
Wochen komplett verändern sollte und das unser Jahr 2017 mit Abstand das
aufregendste und emotionalste Jahr unseres Lebens werden würde – ich hätte ihm
nicht geglaubt. Und doch ist genau DAS passiert…..
Aber
zuerst…feierten wir nichts ahnend Jonathans zweiten Geburtstag. 8o)
Der 2.te
Geburtstag..
..begann
mit einem Kuchen, Kerzen und einem Lied. Wie jedes Geburtstagskind in unserer
Familie bekam auch Jonathan einen Kuchen: ich hatte mich wirklich schwer ins
Zeug gelegt und ihm einen Kuchen in WinniePooh-Form gebacken und ihn mit
Lebensmittelfarben glasiert – das ALLERERSTE Mal in meinem Leben das ich DAMIT
gearbeitet hatte! Das Ergebnis war dann auch kein Meisterwerk, aber Jonathan
konnte den Kuchen sowieso nicht essen – es ging allein um die Geste….(Und wer
mich kennt weiß was diese Geste bedeutet denn ich HASSE backen! Und kochen
übrigens auch….)
Aber ich
hatte beschlossen ihm einen ganz besonderen Kuchen zu schenken mit zwei Kerzen
darauf und den sollte er auch schon morgens direkt nach dem Aufwachen bekommen.
DENN: im letzten Jahr hatten wir seinen Geburtstag nicht feiern können wie wir
es uns vorgestellt hatten – da lag Jonathan nach einem Krampfanfall im
Krankenhaus. Deswegen wollten wir das dieses Jahr alles PERFEKT war…naja:
vielleicht nicht wirklich PERFEKT, aber perfekt so wie wir es uns vorstellten!
Also sind
Marvin und ich morgens ins Schlafzimmer marschiert (da schlief Jonathan mit
meinem Mann), den Kuchen mit den brennenden Kerzen in der Hand und haben
lauthals (und vermutlich sehr falsch!) HAPPY BIRTHDAY gesungen. Jonathan hat
vielleicht Augen gemacht! 8o) Er hat ja sowieso sehr große Augen, aber in
diesem Moment schienen sie noch größer zu sein.
Er hat
den Kuchen angestarrt und uns…und wusste gar nicht wie ihm geschieht. Dann
haben wir ihm geholfen die Kerzen auszupusten und uns stellvertretend für ihn
etwas gewünscht. Was….das verrate ich nicht, denn sonst geht es ja nicht in
Erfüllung! 8o))
Ich hatte
ja bereits erwähnt das wir an unseren Geburtstagen immer Ausflüge machen die
sich das Geburtstagskind wünscht. Nun gut: DAS war bei Jonathan etwas schwierig
weil er ja nicht sprechen und somit seine Wünsche nicht äußern konnte. Also
musste an der Stelle der Familienrat tagen und beschließen welcher Ausflug für
den kleinen Mann geeignet und machbar war.
Wer genau
den Vorschlag gemacht hat weiß ich gar nicht mehr, aber wir waren uns schnell
einig: das „Schmetterlings-Schloß Sayn“ sollte es sein! 8o))
Das
Schloß Sayn, im Landkreis Mayen-Koblenz gelegen, befindet sich heute im Besitz
der Fürsten zu Sayn-Wittgenstein-Sayn und hat eine lange Geschichte
vorzuweisen. Im Garten, oder mehr: der Parkanlage!, befindet sich ein
Schmetterlingshaus. Und dorthin führte uns unser heutiger Ausflug.
Das
Schmetterlingshaus war wunderschön angelegt: mit kleinen Seen und Flüßen über
die Brücken führten, verschlungene Wege direkt durch die ganze Vegetation – so
waren die Schmetterlinge überall um einen herum. Und nicht nur Schmetterlinge:
es gab auch Schildkröten, Fische, einen Leguan, Vögel und Gottesanbeterinnen.
Es war
nicht riesig, das hatten wir schon vorher gewusst – wenn man sich Zeit ließ die
Hinweistafeln zu lesen und alles genau zu betrachten, auch mal ein paar Minuten
Rast auf einer Bank einlegte um die Schmetterlinge zu beobachten…dann war man
nach circa eineinhalb Stunden komplett durch. Aber für Jonathans Ausflug war
DAS genau richtig! Es gab nämlich genug Input für ihn mit den Farben, Gerüchen,
Geräuschen und auch der Wärme die hier herrschte. Und dann ist auch noch ein
Schmetterling auf ihm gelandet….er war in der Bauchtrage und der Schmetterling
hat auf seinem Arm Platz genommen! Jonathan hat so irritiert geschaut, das war
dermaßen lustig!!! 8o))
Wir sind
Mittagessen gegangen und während unser Geburtstagskind in seinem Wagen
geschlafen hat, konnte der Rest der Familie das Schloss besichtigen. Daran hatte
dann besonders Marvin Spaß, er ist geschichtlich nämlich so wahnsinnig
interessiert!
Und ich….
war hin und weg von den im Schloss ausgestellten Brautkleidern der
Prinzessinnen zu Wittgenstein. DAS waren Brautkleider!!! Meine Güte!!! Ich
meine mich zu erinnern das bei einem besonders schönen Modell vermerkt war es
habe 20.000€ gekostet….(zum Vergleich: unsere komplette Hochzeit hat nicht mal
ein VIERTEL gekostet!)
Vollgepackt
mit diesen ganzen Eindrücken ging es dann auch wieder nach Hause wo Jonathan
noch seine Geburtstagsgeschenke aufpacken durfte: den Flughafen von den
TutTut-Babyflitzern und ein Buch, außerdem ganz kleine – und für seine Finger
geeignete- Holzrasseln (die ihm Marvin gekauft hatte).
Es
wartete aber auch eine Überraschung vor unserer Haustür: ein mit Helium
gefüllter Luftballon an dem ein kleiner TutTut-Traktor hing…8o)
Dieses
Geschenk war von meiner Freundin: von Anja, die ich durch Jonathans Geburt
näher kennengelernt und ganz feste in mein Herz geschlossen habe….sie ist immer
für mich da, bis heute. Sie geht diesen nicht leichten Weg mit mir gemeinsam,
total unaufgeregt und ohne Vorurteile oder negative Worte. Und sie ist einer
der GANZ wenigen Menschen die ALLES für mich tun – ohne eine Gegenleistung
dafür zu ERWARTEN. Sie tut das alles weil sie empathisch und in der Lage ist zu
helfen…meine/unsere Freude scheinen ihr Lohn genug zu sein.
Seit über
zwei Jahren ist sie ganz eng an meiner Seite und manchmal kann ich immer noch
nicht fassen dass ICH solch einem Menschen begegnet bin und ihn MEINE FREUNDIN
nennen darf.
DANKE
SÜSSE!! DU BIST EIN GANZ BESONDERER MENSCH FÜR MICH GEWORDEN….
Auch
dieser Tag neigte sich nun dem Ende entgegen: wir hatten Jonathans zweiten
Geburtstag gefeiert…verrückt! Wer hätte das vor zwei Jahren gedacht??? Die
Prognosen waren so schlecht gewesen, aber nun saßen wir hier. Mit einem
fröhlichen kleinen Jungen der eine wahre Kämpfernatur hatte und allen Voraussagen
trotzte. Wenn man sich das vor Augen hielt…..war das schon ganz schön
ergreifend!!
Und
irgendwie stimmte mich das auch ein wenig melancholisch. Wir hatten schon viel
mehr mit Jonathan erreicht als man uns prophezeit hatte…wir hatten ihn schon
viel länger bei uns als der Altersdurchschnitt der Kinder vermuten ließ. Wie
viel Zeit mit ihm blieb uns noch??? Wenn ich es hätte erfahren können…würde ich
es wissen wollen??? Oder lieber nicht?? Keine Ahnung….
Aber ich
wollte etwas mit ihm unternehmen: ich wollte mit ihm in den Zoo fahren. In DEN
Zoo in dem ich mit Marvin an SEINEM 2.ten Geburtstag gewesen war. Es war so ein
Gefühl….ich musste alles sofort erledigen, ich hatte Angst sonst keine
Gelegenheit mehr dazu zu bekommen. Schwachsinnig vermutlich…aber so war es.
Also
haben wir ein Wochenende ausgewählt an dem wir Zeit hatten und an dem das Wetter
auch super war und sind in den Zoo gefahren. Erst mit dem Auto bis zu einem
Park&Ride-Parkplatz und dann mit der Bahn in den Zoo. Und das erste was wir
sehen als wir vor dem Zoo ankommen ist…ein PINKES Fahrrad! Und das wo Jonathan
doch so auf PINK steht. Das war ein Zeichen! 8o)))
Wir
hatten einen wunderschönen, entspannten Tag im Zoo – bei traumhaftem Wetter.
Wir wurden weder angestarrt noch angesprochen….wir konnten einfach SEIN und
GENIESSEN.
Der Zoo
war groß und bei Jonathan reichte die Konzentration nicht für alle Tiergehege.
Manche Tiere hat er gar nicht wahrgenommen. Aber die Gorillas: die hatten es
ihm angetan!!
Das
Menschenaffenhaus ist neu gebaut, ohne Gitter – nur mit Glas. Kein gekachelter
Boden wie früher: es gibt richtige Erde und Lehm, mit Blättern bedeckt und
Bäume zum Klettern und tropische Temperaturen und viele Verstecke. So optimal
an den natürlichen Lebensraum angepasst wie es einem Zoo nur möglich ist -
würde ich sagen. Und dafür belohnten die Tiere dann auch indem sie Nachwuchs
bekamen.
Kleine
Gorillas sind nicht anders als kleine Kinder: sie haben nur Unfug im Kopf,
toben herum und ärgern die Erwachsenen…8o)
Als wir
im Menschenaffenhaus waren, tobten zwei kleine Gorilla-Kinder direkt an der
Glasscheibe herum: spielten Verstecken und bewarfen sich gegenseitig mit Stroh.
Machten dabei ein Riesengetöse und „lachten“ auch??? Hörte sich jedenfalls so
an. Auf jeden Fall war Jonathan sehr fasziniert!! Er hat die Affenbabys fixiert
und sie bei allem beobachtet was sie gemacht haben, bewegt hat er sich
überhaupt nicht mehr – selbst am Schnuller hat er nicht mehr genuckelt.
Wir haben
uns ein wenig über ihn kaputt gelacht weil er diese kleinen drolligen Wesen so
angehimmelt hat…und ich hätte gerne seine Gedanken gehört! Hat er gespürt dass
diese Tiere uns so unfassbar ähnlich sind??? Hätte er gerne mit ihnen
mitgespielt??? …leider werden wir das nie erfahren. Aber in diesem Moment im
Menschenaffenhaus wusste ich das wir alles richtig gemacht hatten damit dem Zoo
einen Besuch abzustatten! Diese wenigen Minuten der Freude und Faszination bei
Jonathan waren den Aufwand des Tages wert gewesen….
Bald
danach traten wir die Heimfahrt an, wieder mit der Bahn zum
Park&Ride-Parkplatz. Wir waren mit unserem Reha-Buggy unterwegs und schon
in der Bahn fiel mir eine Frau auf die mit drei Kindern unterwegs war, und eins
dieser Kinder saß ebenfalls in einem Reha-Buggy.
Lustigerweise
stieg diese Familie an derselben Haltestelle aus wie wir und dann…Zufälle
gibt´s!...hatten sie auch noch ihr Auto GENAU NEBEN UNS geparkt. Das war für
mich der Moment die Frau anzusprechen, was ich sonst nicht so gerne mache –
weiß ich doch selber dass es sehr nervig sein kann immer und überall
angequatscht zu werden. Aber in dem Falle fand ich dass es Schicksal war….
Der Frau
war natürlich auch schon aufgefallen das Jonathan nicht gesund war und so hat
sich sehr schnell ein sehr intensives Gespräch entwickelt. Es brauchte gar
nicht vieler Worte, wir verstanden uns auch so. Ich erwähnte „Physiotherapie“
und SIE wusste genau Bescheid. Sie erwähnte die Blicke von Fremden wenn man
unterwegs war und ICH wusste Bescheid.
Das ist
ein Punkt am Leben mit einem behinderten Kind: man sieht andere Familien mit
behinderten Kindern und man ist direkt auf demselben Level. Ist sich direkt
nah. Man sieht sich an und es bedarf fast keiner Worte, man WEISS einfach wie
es ist und man fühlt sich diesen Menschen direkt verbunden. Wie eine geheime
Gruppe der man beigetreten ist – na gut: wohl eher in der man sich den Beitritt
Tag für Tag hart erkämpft!! Aber auch
eine Gruppe in der es keine bösen Kommentare und keinen Neid gibt. Es
ist fast als habe man eine „neue Familie“ gefunden…und die sollten wir auch
sehr bald finden! Denn…..
…dieser Tag
sollte einer der letzten Tage unseres „alten Lebens“ sein…wenige Tage nach
unserem gemeinsamen Zoobesuch habe ich eine Entscheidung getroffen die unser aller
Leben komplett verändert hat….
Der
Schritt in die Öffentlichkeit
Für mich
ist eine Welt untergegangen als ich erfuhr dass ich ein behindertes Kind - ein
Kind mit nur sehr geringer Lebenserwartung! - bekommen habe. Wie geht man damit
um und wie verarbeitet man das???
Ich denke
dafür gibt es kein „Geheimrezept“, das muss jeder für sich selber herausfinden.
Wichtig ist nur DAS man einen Weg findet damit umzugehen!! Denn findet man den Weg
nicht…geht man daran kaputt. Und vielleicht auch die Partnerschaft/Ehe. Das
wollte ich unbedingt vermeiden!! Beides…
Nun ist
es so dass ich in meinem Leben schon einige Schicksalsschläge einstecken musste
und gelernt habe damit umzugehen, vielleicht sogar an ihnen zu wachsen.
Denn….man wächst und reift nicht an dem was im Leben GUT läuft – sondern an dem
was im Leben SCHLECHT läuft. Die negativen Erfahrungen machen einen zu dem
Menschen der man ist….
(An der
Stelle muss ich dann auch mal sagen das ich es aus diesem Grund auch komisch
finde das man in Fotoalben immer nur die schönen Momente des Lebens abbildet,
aber nie die schlimmen. Dabei sind es doch DIE, die uns verändern!!! Und es
sind auch DIE, die uns viel mehr in Erinnerung bleiben!! Oder nicht?? Denkt mal
drüber nach!)
Mein Weg
mit diesem Schicksalsschlag umzugehen war….aufzuschreiben was in meinem Leben
passierte und wie es mir damit ging.
Ursprünglich
wollte ich das nur tun um NICHTS zu vergessen was in Jonathans Leben
passierte…um mich an alles erinnern zu können wenn er mal nicht mehr da sein
sollte. Um die Bilder in meinem Kopf wieder heraufbeschwören zu können und von
ihnen zu zehren.
Immer
wenn ich aber am PC saß und in Worte fasste was passiert war und wie es mir
damit ging….kamen mir die Tränen. Ich suchte mir mit Absicht Zeiten zum
Schreiben aus in denen ich allein war, so konnte ich meinen Tränen ungestört
freien Lauf lassen und beim Schreiben einfach alles rauslassen. Danach: ging es
mir viel besser! Das alles schwarz auf weiß zu sehen, mich überhaupt noch
einmal damit auseinanderzusetzen…DAS war meine Therapie!! Das war genau DAS was
ich brauchte um damit klarzukommen und mich mit meinem Schicksal zu
arrangieren.
Irgendwann…hat
mein Mann ein wenig in meinem Blog gelesen und mich gedrängt: „Stell das
online, das ist fantastisch!“…und ich habe nur gesagt: „Ach Quatsch!! Es wird
NIEMANDEN interessieren wie es MIR geht und was ICH fühle!“…das war meine
felsenfeste Überzeugung und ich habe mich geweigert auch nur darüber
NACHZUDENKEN meine Worte im Internet für jeden zugänglich zu machen.
Das
sollte sich ändern als ich eines Nachmittags Besuch von einer jungen Frau bekam
die in einem Online-Auktionshaus bei mir etwas gekauft hatte. Als wir kurz an
der Haustür redeten hat sie mir erzählt das sie Zwillings-Jungs hat, von denen
einer leider unter großen Einschränkungen leidet: die Ärzte hätten ihr
prognostiziert das er nie laufen oder reden wird, er habe auch epileptische
Anfälle. Normalerweise bitte ich nie Fremde zu uns in die Wohnung – aber in
diesem Moment habe ich ihr gesagt das sie mal mitkommen soll.
Im
Wohnzimmer lag Jonathan auf dem Boden, er quietschte und lachte und rollte sich
wie ein Rollmops durch die Gegend. Die junge Frau betrachtete ihn, wir setzten
uns zu ihm auf den Boden und ich habe ihr unsere Geschichte erzählt. Angefangen
von der Diagnose über die geringe Lebenserwartung und die Prognosen der Ärzte.
Und ich sagte ihr das Jonathan das alles widerlegt hat! Das er Dinge kann die
man nie für möglich hielt….und dann…begann sie zu weinen. So sehr zu weinen –
vor mir, einer Fremden….und sie sagte zu mir das ihr das so viel Hoffnung gibt!
Denn wenn UNSER Junge den Aussagen der Ärzte getrotzt hat: dann vielleicht auch
IHR Junge?
Dieser
Besuch hat mich so berührt….als sie ging wollte sie meine Handynummer um mit
mir in Kontakt zu bleiben und ich kann das an der Stelle gerne sagen: wenn wir
uns auch seitdem selten sehen oder hören – aber wir sind in Kontakt geblieben!!
Abends
kam mein Mann von der Arbeit und ich habe ihm erzählt was nachmittags passiert
ist….und wie sehr es mich berührt hat. Und ich kam ins Grübeln. Das habe ich
zwei Tage lang getan und dann hatte ich einen Entschluss gefasst:
MEIN BLOG
WÜRDE ONLINE GEHEN!!
Wenn es
dieser jungen Frau geholfen hatte mit mir zu reden oder zu hören wie Jonathan
sich entwickelte, was er alles lernte und wie er den Prognosen trotzte…dann
würde das NOCH MEHR MENSCHEN helfen!
Ab diesem
Moment war DAS mein Ziel: ich wollte durch unser Schicksal anderen Menschen
helfen. Ich wollte dass Jonathans Leben nicht umsonst ist. Das etwas von ihm
bleibt und das alles das, was wir „erleiden“ mussten anderen Menschen dienen
sollte.
Ich bin
der festen Überzeugung dass alles im Leben einen Sinn hat. Den erkennt man
nicht immer sofort, manchmal braucht es auch Jahre – aber irgendwann erkennt
man ihn. Und ich hatte nun für mich den Sinn gefunden warum ich mich unter Tränen
mit unserem Leben auseinandergesetzt hatte – und war total euphorisch und
glücklich!!
Ein Punkt
mit dem ich aber SEHR haderte waren…FOTOS!
Ich war
IMMER…und ich meine wirklich IMMER!!!....der Auffassung gewesen das Fotos
meiner Kinder NICHTS im Internet zu suchen haben. Mein Mann hatte von mir ein
striktes Verbot bekommen bei Facebook Fotos der Kinder zu posten, ich selber
war dort gar nicht angemeldet.
Aber….nun
musste ich überlegen was mir wichtiger war. Wollte ich anderen Menschen helfen?
Dann musste ich auch Fotos von Jonathan zeigen – denn wer liest so viel Text
ohne sich Bilder anzuschauen? Ohne eine Vorstellung davon bekommen zu können
wie Kinder mit MOPD I aussehen….ein Blog ohne Fotos ist wie ein Butterbrot ohne
Butter – es geht GAR NICHT. Also bin ich sehr intensiv in mich gegangen und
habe diesen Punkt überdacht.
Wie ihr
ja alle wisst: bin ich an der Stelle über meinen Schatten gesprungen. Es gibt
Fotos von Jonathan und Marvin im Internet. ABER….mein Mann und ich haben uns
intensiv mit Fotobearbeitungsprogrammen auseinandergesetzt. Wir suchen die
Fotos SEHR bewusst aus und diskutieren auch oft darüber ob dieses oder jenes
Foto wirklich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte. Oftmals verkleinern
wir das Bild oder bearbeiten den Hintergrund (wenn es unseren Aufenthaltsort
verrät), Bilder die unsere Kinder in intimen Situationen zeigen oder mit deren
Veröffentlichung Marvin nicht einverstanden ist werden nicht gezeigt…. und
andere Menschen werden unkenntlich gemacht (wenn sie keine Genehmigung zur
Veröffentlichung gegeben haben) – denn das ist ein Punkt der mir extrem wichtig
ist: in meinem Blog (und auch bei Facebook) wird NIEMAND ohne sein
ausdrückliches Einverständnis gezeigt oder beschrieben. Jedes Foto das „fremde
Menschen“ zeigt ist von diesen Personen genehmigt worden – jeder der in meinem
Blog erwähnt wird hat dem vorher zugestimmt. Alles andere ist für mich ein
ABSOLUTES „NO-GO“.
Und so
gibt es ein paar Menschen die in unserem Leben eine Rolle spielen und die ich
gerne erwähnt hätte….die aber nicht erwähnt oder gezeigt werden MÖCHTEN – also
werden sie das auch nicht.
Nun
gut…aber wieder zurück zum Thema.
Zum Thema
Fotos, das ich mir also nicht leicht gemacht habe. Der Wunsch anderen Menschen
Mut zu machen und ihnen durch unsere Geschichte vielleicht sogar zu helfen –
hat überwogen. Ich wollte den Blog online stellen!!
Mein Mann
ist gelernter ITler und einen Blog zu „bauen“ war für ihn somit kein Problem.
Wir haben uns abends gemeinsam an den Computer gesetzt und ich habe zuerst
einen Hintergrund ausgesucht, dann haben wir uns einen Namen überlegt den die
Seite haben sollte: mein Mann meinte der Name sollte prägnant sein, aber
trotzdem mit dem Thema das Blogs zu tun haben. Der Titel ist mir dann ziemlich
lang geraten und am Anfang war ich nicht sicher ob das gut ist. Aber es war
genau das was ich sagen wollte, also blieb es einfach so.
Dann
haben wir ziemlich lange herum probiert: Schriftgröße und Schriftart unseres
Blognamens auf dem ausgewählten Hintergrund – wie wirkt das? Kann man den
Hintergrund überhaupt noch erkennen oder ist er komplett von Buchstaben
bedeckt?? Erschlägt einen die Überschrift oder ist sie aufdringlich???
….wir
sind am ersten Abend nicht mit der Gestaltung fertig geworden. Was aber auch
voll in Ordnung ist: so eine Sache will gut überlegt sein und ich muss hinter
jedem einzelnen Detail mit meinem ganzen Herzen stehen.
Der
schwierigste Part kam noch…wir mussten ein Foto auswählen auf dem man Jonathan
sehen konnte, das sollte auf die Startseite. Ansprechend sollte es wirken,
damit die Besucher der Seite hier „hängen blieben“ und Lust bekamen die
Geschichte dieses Jungen zu lesen.
Aber für
mich war es nicht leicht das allererste Foto von Jonathan fürs Internet
auszuwählen. Ich wollte das er nicht „richtig“ zu sehen war….so lange hatte ich
meine Meinung über Kinderfotos im Netz konsequent vertreten – an den Gedanken,
das nun doch bald welche für jedermann zu sehen wären, musste ich mich trotz
allem erstmal gewöhnen.
Und das
ist der Grund warum man auf der Startseite unseres Blogs das Foto von Jonathan
mit Mütze und Sonnenbrille sieht….8o) Weil man ihn eben NICHT richtig sieht…
Aber
rückwirkend betrachtet hätte ich auch gar kein besseres Bild von ihm auswählen
können! Es ist eins der schönsten Bilder die von ihm existieren - dieses kleine
Lächeln das um seinen Mund spielt wirkt so niedlich, es zaubert mir heute noch
selbst ein Lächeln ins Gesicht wenn ich es betrachte. Und….dieses Foto zeigt
Jonathans Charakter wie kaum ein anderes Bild: er ist ein so freundliches
kleines Wesen, fast immer gut gelaunt schaut er offen und neugierig in die
Welt.
FÜR
DIESES PHANTASTISCHE FOTO MÖCHTE ICH MICH AN DIESER STELLE, MAL WIEDER, BEI
MEINER FOTOGRAFIN UND FREUNDIN ROSEMARIE HOFER BEDANKEN!! DU SCHAFFST ES SEIT
SO VIELEN JAHREN UNS AUF FOTOS NICHT NUR GUT AUSSEHEN ZU LASSEN - SONDERN AUCH
UNSERE CHARAKTERE EINZUFANGEN!! GANZ, GANZ GRANDIOS!! DANKE!
Noch ein Thema
musste geklärt werden und dann konnte es endlich losgehen: wie wollte ich den
Aufbau gestalten??? Ich hatte ehrlichweise bisher nicht viele Berührungspunkte
mit Blogs anderer Leute gehabt (ich bin eigentlich nicht so der
Internetjunkie), deswegen konnte ich mir gar nicht vorstellen wie das alles
aussehen sollte.
Mein Mann
musste mir viel erklären oder zeigen indem wir es für meinen Blog einfach
ausprobierten. Schlussendlich habe ich mich für die Variante entschieden die
ihr alle kennt: einzelne Reiter die verschiedene Themen beinhalten, je nach
Interesse kann man den einen oder anderen Reiter anklicken – und den Rest der
Seite auch einfach ignorieren…
Für mich
als „Internet-Legastheniker“ war es wichtig das der Blog klar strukturiert und
einfach zu bedienen war. Damit auch Leute die von Internet und Technik nicht so
viel Ahnung hatten (wie ICH!!) hier klarkommen und Spaß haben würden.
Zu Beginn
gab es nur 4 Reiter:
Einen auf
dem ich „bloggen“ würde. Als mein Mann mir zeigte wie das dann aussieht habe
ich festgestellt dass dabei der neueste Beitrag immer oben steht und wenn man
den Text in der richtigen Reihenfolge lesen möchte müsste man sich von unten
nach oben durcharbeiten. Das ging für mich als alte Leseratte ja gar nicht! Das
war gar nicht aufgebaut wie ich Buch, das hatte ich mir so nicht
vorgestellt…hmmmm…
Also gab
es damals noch einen zweiten Reiter: einen auf dem ich „unsere Geschichte“ in
der richtigen Reihenfolge einstellen konnte und somit den Lesern das Gefühl vermitteln
konnte ein Buch zu lesen. (Diesen Reiter gibt es heute nicht mehr. Man kann
nämlich nur eine bestimmte Anzahl von Reitern in den Blog integrieren. Heute
sind ein paar Reiter dazu bekommen und einer ist mir dabei sehr wichtig:
„Medizinische Fakten“, doch dazu später mehr.)
Der
dritte Reiter war der mit den Fotos. Die von mir, bis heute!, sehr sorgfältig
ausgewählt wurden/werden. Zu Beginn habe ich auch viele Fotos eingestellt in
denen Jonathan nicht komplett zu sehen war: es gab Fotos von seinen Händen oder
Beinen. Allerdings muss ich hier sagen dass ich dies AUCH gemacht habe um einen
Eindruck davon vermitteln zu können an welchen Stellen er sich von „gesunden“
Kindern unterscheidet.
Der
vierte Reiter war der mit den Danksagungen. Schon damals war es mir ein sehr großes
Bedürfnis den Menschen in unserem Umfeld zu danken!! Wir spürten dass einige
sehr viel mehr für uns taten und leisteten als sie gemusst hätten. Natürlich
haben wir auch immer persönlich DANKE gesagt. Aber wo kann man heutzutage mit
seinem Dank ein besseres Statement abgeben als im Internet???
Dieser
vierte Reiter ist bis heute derjenige der mich die meisten Tränen kostet. Wenn
ich für jemanden aus unserem Umfeld Worte des Dankes formuliere dann sehe ich
diese Person vor mir und versuche alle meine Gefühle für sie in Worte zu
fassen. Schriftlich fällt es auch leichter manche Dinge zu sagen…und so kann
ich auf diesem Weg WIRKLICH sagen was ich empfinde und das rührt mich einfach
total oft zu Tränen.
Mein Mann
dachte das ein fünfter Reiter sinnvoll wäre: ein Kontaktformular. Wir haben uns
nämlich bewusst gegen ein Gästebuch entschieden…unser Blog sollte keine
Möglichkeiten zur Diskussion bieten, sondern lediglich ein Einblick in unser
Leben und unsere Gefühle sein. Eine „Einbahnstrasse“ sozusagen. Trotzdem
wollten wir Menschen die Möglichkeit bieten mit uns in Kontakt treten zu
können. Also haben wir ein Formular eingerichtet das man an uns senden kann.
Wir entscheiden dann ob wir auf diese Nachrichten antworten und damit UNSERE
Email-Adresse preisgeben. Das war mir ganz Recht so: ich hatte am Anfang
wirklich große Angst vor Beschimpfungen und wollte so wenig Daten wie möglich
von mir zugänglich machen.
Nach ein
paar Abenden Arbeit und auch einiger Diskussionen war das Layout also fertig….nun
könnte es theoretisch losgehen! Aber zuerst…stand ein schon lange geplanter
Ausflug an….
Wochenendausflug
nach Bochum
Wir
verbrachten ein verlängertes Wochenende in Bochum: Marvin nahm an der Deutschen
Meisterschaft im Yu-Gi-Oh teil und wurde im Jugendbereich direkt 8.ter!!!
Während
er in der Kongresshalle seine Turniere ausfocht haben mein Mann, Jonathan und
ich Bochum unsicher gemacht. Wir waren shoppen, lecker essen und im Tierpark.
Übrigens dem SCHÖNSTEN TIERPARK den ich bis jetzt zu Gesicht bekommen habe!!
Die Gehege waren wunderschön angelegt und wo dies möglich war nicht mit
Maschendraht oder Zäunen abgesperrt, sondern mit natürlichen Barrieren wie
aufgeschichtetem Holz.
Zwei
Sachen sind mir –abgesehen vom Stolz auf Marvin!- von diesem Wochenende
besonders in Erinnerung geblieben…
Zum
einen: der Spielplatzbesuch im Tierpark. Der war riesig und wunderschön!!! Mein
Mann ist mit Jonathan auf das Klettergerüst gegangen und hat den Sand mit ihm
erkundet. Ich habe die beiden beobachtet und fotografiert. Neben mir stand ein
etwas älteres Ehepaar. Sie zeigte –nicht grade unauffällig!- auf meinen Mann
und Jonathan und fing an mit ihrem Mann zu tuscheln. Das war mir echt zu doof
und deswegen habe ich sie einfach angesprochen und gesagt: „Wenn Sie Fragen
haben können Sie mir die auch einfach stellen!! Mein Sohn ist 2 Jahre alt und
kleinwüchsig, aber er möchte ja trotzdem auf den Spielplatz gehen wie andere
Jungs in seinem Alter auch!“…daraufhin war die Dame dermaßen peinlich berührt
das sie nur nickte und mit ihrem Mann von dannen zog.
Zum
anderen: das Hotel. Das war wirklich unter aller Kanone!!!
Ein
Viersterne-Hotel wohlgemerkt. Nicht ganz billig. Wir hatten es gebucht weil
sich ein italienisches Restaurant im Haus befinden sollte und wir uns dachten:
da können wir abends gemeinsam essen und wenn Jonathan dann müde wird kann
einer mit ihm hoch gehen und die anderen können noch eine Runde Karten spielen
oder ähnliches.
Nun gut.
Das Lokal gab es schon lange nicht mehr. Sowohl im Internet als auch im
Schaukasten vor dem Hotel wurde aber noch eifrig damit geworben! Eine
Unverschämtheit in meinen Augen und das habe ich an der Rezeption auch gesagt.
Aber eine noch größere Unverschämtheit kam noch!!
Wir
reisten an, im Gepäck unsere Kühlbox mit dem Medikament das dauernd gekühlt
werden musste. Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten habe ich die Schränke
gecheckt und einen Kühlschrank gefunden in dem Licht brannte. Prima: dann
mussten wir die brummende Kühlbox nicht dauernd am Strom lassen! Also ab mit
dem Medikament in den Kühlschrank.
Was wir
eigentlich sofort bemerkten war die brütende Hitze im Zimmer! Es war Pfingsten,
also noch kein Hochsommer…aber in diesem Zimmer herrschten gefühlte 50 Grad und
es gab keine Klimaanlage. Ich sagte zu meinem Mann dass ich nicht wusste wie
wir mit Jonathan hier die Nacht überstehen sollten!! Und die wurde auch
schlimm!! Wir sind um 0.30 Uhr noch mit ihm durch die Lobby gelaufen weil es
dort einigermaßen kalt war. Im Zimmer war es unerträglich und wir hatten zwei
Nächte gebucht…mir graute schon vor der nächsten Nacht: mein Mann und ich
würden überhaupt keinen Schlaf bekommen….
Der
nächste Morgen hatte dann auch eine Überraschung für uns parat: das Medikament
im Kühlschrank…war WARM!!! Der Kühlschrank ebenso.
Ich war
entsetzt und geschockt: hatte das Medikament nun seine Wirkung verloren? Es war
Pfingsten, wir waren nicht mal in der Nähe unseres Arztes oder unserer Klinik…wo
sollten wir Ersatz bekommen???
Also habe
ich beschlossen zur Rezeption zu gehen und mich zu beschweren. Brachte mir zwar
auch kein neues Medikament, aber ein wenig Erleichterung in meiner Wut! Aber
was soll ich sagen…das einzige was die Dame an der Rezeption von sich gab, war:
„Wie, Sie haben einen KÜHLSCHRANK im Zimmer??? Die sollte es aber nicht mehr
geben, die funktionieren nämlich nicht!“ Ach neeee…..interessant!!!
Ich
bin…gelinge gesagt…ausgeflippt. „Sie müssen doch wissen wie die Zimmer in Ihrem
Hotel aussehen!“…“Das Hotel gehört mir nicht, ich arbeite hier nur!“…nach
dieser Aussage stieg mein Blutdruck auf 360….ehrlich!! Also allein diese
Aussage obwohl sie GENAU wusste was ich gemeint hatte!!! Davon abgesehen: kann
ich nicht von einer Mitarbeiterin im Hotel erwarten das sie WEISS wie die
Zimmer ausgestattet sind?? Und in diesem Hotel gab es circa 30 Zimmer, keine
500!! Und hätte ich nicht erwarten können dass man mich bei der Anreise
informiert dass der Kühlschrank nicht funktionsfähig ist????
(Nun, um
es kurz zu machen: ich habe an diesem Tag keine Entschuldigung gehört. Und auf
meinen Beschwerdebrief den ich im Nachgang an die Geschäftsleitung geschrieben
habe…noch nicht einmal IRGENDEINE ANTWORT erhalten.
Jonathan
ist zwar nichts passiert, entweder hat das Medikament seine Wirkung nicht
verloren oder wir haben einfach nur Glück gehabt. Aber: dieses Medikament ist
gegen Bluthochdruck und wenn wir es nicht haben kann das eine lebensbedrohliche
Situation auslösen. Das sowohl Angestellte als auch Hotelleitung nicht einmal
ein Wort der Entschuldigung für uns hatten – ist unverzeihlich!!!)
Der
nächste Beschwerdegrund war die unerträgliche Hitze im Zimmer…wir hatten noch
eine Nacht vor uns, die vergangene war wirklich schlimm gewesen. Wenigstens
hatte man in diesem Punkt insoweit Mitleid mit uns das man uns „Ausnahmsweise,
normal machen wir das nicht!“ einen Ventilator zur Verfügung stellte.
Die Nacht
war mit Ventilator erträglicher. Jonathan schlief früh ein, er war sicherlich
auch sehr erschöpft nach der vergangenen Nacht und den ganzen Eindrücken des
Tages.
Den
Ventilator haben wir zur Wand gedreht damit er keinen von uns direkt anpustete
und ihn die ganze Nacht laufen lassen.
Es war ja
eigentlich klar: kaum waren wir zu Hause, hatte Jonathan einen Schnupfen….wir
mussten inhalieren und Medikamente geben. Das hat meinen Hass auf dieses Hotel
nicht grade gemindert!!
Aber
Ablenkung nahte, denn….
Unser
Blog geht online
Bei der
Gestaltung und beim Layout des Blogs hatte mein Mann mir geholfen. Aber nun war
ich auf mich allein gestellt: der Text war „mein Baby“, mein Part….ich bin diejenige
die diese Beiträge schreibt!
(Das ist
jetzt der passende Moment um kurz abzuschweifen: ich bin mittlerweile EINIGE
MALE gefragt worden ob ich den Text ganz allein schreibe oder ob ich einen „Ghostwriter“
habe? Ob ich im Bekanntenkreis jemanden habe der Autor ist und mir beim
Schreiben hilft?
Dazu
möchte ich mal öffentlich Stellung nehmen….8o))
ICH
SCHREIBE DIESE TEXTE WIRKLICH UND WAHRHAFTIG KOMPLETT ALLEIN. JEDER EINZELNE
BUCHSTABE KOMMT AUS MEINEM HERZEN, UND ALLES WAS IHR HIER IN DIESEM BLOG LESEN
KÖNNT ENTSPRICHT 100% DER WAHRHEIT.
Um mich
an Begebenheiten genauer erinnern zu können die schon etwas länger her sind,
nehme ich unsere Fotos zu Hilfe und betrachte sie bevor ich die Texte schreibe.
Meistens reicht mir das dann.
Manche
Beiträge liest mein Mann Korrektur bevor sie online gehen weil ich mich nicht
mehr an jedes Detail erinnern kann und ihn bitte mir auf die Sprünge zu helfen
– die meisten Beiträge liest allerdings auch mein Mann erst wenn sie bereits
online sind.
Marvin
DARF diesen Blog lesen, aber er möchte es nicht. Allerdings gibt er zu jedem
Foto das von ihm hier gezeigt wird sein Einverständnis.)
Also
setzte ich mich an den Computer und begann zu lesen was ich für meinen Blog
geschrieben hatte. Das erste „Problem“ war: ich musste eine Art Kapitel bilden.
Irgendwo im Text einen Schnitt machen, dieser sollte natürlich auch thematisch
passend sein…die einzelnen Beiträge durften aber auch nicht zu lang oder zu
kurz sein, beides würde die potentiellen Leser sonst bestimmt vergraulen.
Während
ich meinen eigenen Text zu lesen begann….wurde mir der Hals immer enger….ich
hatte alle diese Worte zu Papier gebracht und danach NIE wieder gelesen. Es war
wie eine Explosion meiner Gefühle gewesen sie zu Papier zu bringen, es hatte
mich viele Tränen gekostet und ich hatte nie das Bedürfnis gehabt den Text
erneut zu lesen – mich noch einmal mental in die Situationen zurückzuversetzen
die ich hier beschrieb.
Jetzt
musste ich das aber tun. Denn ich war im Begriff meine Worte und meine Gedanken
JEDEM DORT DRAUSSEN zugänglich zu machen – dann wollte ich auch sicher sein das
ich keinen „geistigen Dünnpfiff“ von mir gab.
Auch an
diesem Tag kostete es mich wieder einige Tränen….aber ich war zufrieden mit dem
was ich las. Es war die Wahrheit…die reine Wahrheit!! Lange habe ich über dem
Part gegrübelt in dem ich beschreibe dass ich Jonathan „am liebsten umgetauscht
hätte“ als wir die Diagnose bekamen.
Ich habe
meinen Mann gefragt ob ich das WIRKLICH so online stellen soll: ich hatte unfassbare
Angst vor einem ShitStorm! Eine Mutter die sagt dass sie ihr Kind ablehnte??
Wie würden fremde Menschen reagieren? Was würden sie von mir denken??? Würden
sie mich für einen schlechteren Menschen halten weil ich zugab solche Gedanken
gehabt zu haben???
Mein Mann
überdachte das kurz und fragte mich: „Hast Du damals genauso empfunden und
genau das gedacht?“…und ich sagte ohne zu überlegen und aus tiefstem Herzen:
„JA!“…darauf meinte er: „Dann gehört das auch genauso in Deinen Blog! Du
möchtest anderen Menschen damit helfen – dann musst Du auch absolut ehrlich
sein! Du darfst Dir keine Gedanken darüber machen was ANDERE denken – schäm Dich
nicht dafür was war, heute liebst Du Jonathan doch und das ist das Wichtigste!“
Damit war
auch das entschieden: ich würde, auch auf die Gefahr hin das andere mich dafür
verurteilten, in der Öffentlichkeit zugeben das ich mein Kind zu Anfang
abgelehnt hatte. Tief in meinem Herzen….hatte ich damals schon die Vermutung
das ich nicht die einzige Frau war die so empfand – aber vielleicht eine der
wenigen Frauen die es ZUGAB!! (Und diese Vermutung hat sich für mich
bestätigt…mittlerweile habe ich einige Nachrichten von anderen Frauen erhalten
die sagten das ich ihnen mit diesen Worten aus der Seele gesprochen habe!)
Bevor ich
aber nun meinen ersten Beitrag wirklich online stellen konnte brauchte ich noch
einen Anfang für meinen Blog: ein paar einleitende Worte die kurz erklärten
worum es hier ging.
So
einfach es mir auch immer gefallen war Begebenheiten und Gefühle zu
beschreiben…mit dieser Einleitung tat ich mich sehr schwer! Vielleicht weil ich
sehr aufgeregt war: ich würde mit meinen Worten ONLINE gehen! Da musste ich
jetzt jedes einzelne Wort gut überlegen.
Also
dauerte es noch einmal einen Tag: schreiben, lesen – Dokument schließen. Am
nächsten Tag erneut lesen – und dann (zum Glück!) für gut befinden!! (Und das
ist eine Sache die ich mir bis heute bewahrt habe: ich schreibe meine
Blogbeiträge „vor“, ich lese jeden mindestens zwei Mal um wirklich sicher zu
sein das es gut ist, das es genau das ausdrückt was ich denke…und nicht selten
wird vor der Veröffentlichung noch einmal korrigiert, neu geschrieben oder
verändert!)
Aber dann
kam der Moment wo ich absolut sicher war: so konnte der Text bleiben! Das
Layout stand….Fotos waren ausgesucht….jetzt musste ich nur noch den Text
einfügen und auf „Enter“ drücken…
Ich habe
meinen Mann und Marvin zu mir geholt damit wir das gemeinsam machen und um
einen Trommelwirbel gebeten! LOL….habe den Text kopiert, eingefügt und…AUF
ENTER GEDRÜCKT!!!
Meine
Güte!! Ein großer Moment für mich…für uns! WIR WAREN ONLINE…unser Schicksal
jedem zugänglich. Hoffentlich war es der richtige Schritt gewesen.
Wie
würden aber nun die Leute auf uns aufmerksam werden?
Mein Mann
teilte meinen Link auf seiner Facebook-Seite und schrieb eine kurze Erklärung
dazu.
Ich
schrieb Freunde und Bekannte per WhatsApp an und erzählte von unserem Blog.
Mal sehen
was nun für Feedback kommen würde!!
Das erste
Feedback…kam von Marvin! Der war so aufgeregt über diese ganze Sache das er zu
mir sagte: „Mama, wenn Du 1000 Klicks auf Deinen Blog hast: dann kaufe ich Dir
von meinem Taschengeld eine Tafel Schokolade!“ ....ich weiß nicht genau wieso
es passierte, aber…ich hatte bereits nach zwei Tagen MEHR ALS 1000 Klicks!
Marvin war sprachlos. Und ich noch viel mehr!!! Ich hätte nie erwartet das sich
IRGENDWER für das interessierte was ich dort beschrieb – doch scheinbar traf
ich einen Nerv.
Mein Blog
ging bereits in den ersten Tagen durch die Decke! Ich bekam sehr viele
Nachrichten über das Kontaktformular und ich muss sagen: sie waren alle
positiver Natur!!
Sehr
gefreut hat mich das ich immer wieder von anderen Mamis behinderter Kinder
gesagt bekam das ich ihnen aus der Seele sprach: viele andere hatten das
gleiche Problem wie ich!! Sie hatten zu Beginn Schwierigkeiten damit ihre
Kinder anzunehmen. Sich auf das Leben einzustellen das sie nun gezwungen waren
zu führen. Schöne Gespräche sind entstanden, man hat sich ausgetauscht – und
gemerkt dass man nicht allein ist.
Am
meisten gefreut haben mich aber die Nachrichten in denen mir andere Mütter
mitteilten das sie aus meinen Worten Kraft schöpften, das diese Worte ihnen
halfen nicht aufzugeben. Das war GENAU DAS was ich mit meinem Blog erreichen
wollte: anderen helfen, ihnen Mut machen!!
Ich
dachte dass es nun nicht besser kommen könnte und stellte weitere Beiträge online.
Zuerst tat ich das „nach Gutdünken“: oft zweimal die Woche, wann immer ich Zeit
hatte. Die Klickzahlen stiegen….unser Kinderarzt sprach mich an und gratulierte
mir zu diesem fantastischen „Werk“… mein Mann wurde sogar auf der Arbeit
angesprochen dass unser Blog grandios sei.
Allerdings
meinte eine Kollegin meines Mannes das sie es besser fände wenn es einen festen
Tag geben würde an dem neue Beiträge online gingen, so wüsste sie immer wann
sie sich an den Rechner setzen müsste. Das gab mir zu denken….und nachdem ich
darüber nachgedacht hatte kam ich zu der Einsicht dass es keine schlechte Idee
sei! Und deswegen: gibt es seitdem jede Woche FREITAG einen neuen Beitrag! 8o)
So gingen
die Wochen ins Land....
Ich
„nullte“….8o)))
4o Jahre
war ich nun alt. Eine Zahl vor der ja vielen graut…mir nicht! Ich konnte
zurückblicken ohne depressiv zu werden: meine Ziele die ich mir mit 20 Jahren
für mein Leben gesetzt und mit 30 Jahren noch einmal überdacht hatte waren alle
erreicht….ich hatte Kinder, einen Mann, ein Haus und ich hatte Karriere
gemacht. Jetzt war ich 40, so what???
Alle
Ziele waren erreicht, ich hatte nichts zu bereuen und außerdem das Gefühl das
das kommende Lebensjahr sehr spannend und aufregend für mich werden sollte – und
damit sollte ich Recht behalten!
Jonathan
in der Presse
Meine
Vermutung das mein neues Lebensjahr spannend werden würde bewahrheitete sich
als sich eines Tages unsere lokale Tageszeitung (NASSAUISCHE NEUE PRESSE) dazu
entschloss über uns zu berichten: über
Jonathan und meinen Blog….eine Tageszeitung mit nicht geringer Auflage!!
Ich
schwebte wie auf Wolken!! Mit SO einer Reaktion hatte ich wirklich nicht
gerechnet: über uns würde in der Tageszeitung berichtet werden!! WIE GEIL WAR
DAS DENN BITTE???
Wir haben
mit der Reporterin einen Termin ausgemacht an dem sie uns besuchen kommen
würde. Vorher war bei uns Ausnahmezustand: Wohnung putzen, aufräumen…welche
Klamotten ziehen wir an??? Müssen wir zum Friseur??? Ich schminkte mich
sorgfältig…schließlich wollte die Reporterin Fotos machen und da die in die
ZEITUNG kamen wollte man ja gut aussehen, nicht wahr!!
Wir waren
aufgeregt ohne Ende!!! Okay: ICH war aufgeregt….meine Männer eher nicht so. LOL
Und dann
klingelte es. Ich öffnete und vor der
Tür stand eine attraktive, junge Frau. Schon auf den ersten Blick war sie mir
total sympathisch! Dieser Eindruck sollte sich im Laufe unserer
„Zusammenarbeit“ noch bestätigen.
Das
„Interview“ dauerte annähernd zwei Stunden, war aber ungezwungen. Ich erzählte
ihr auch Dinge und sagte „Das möchte ich nicht erwähnt haben!“…und sie schrieb
es nicht. Das baute ein großes Vertrauensverhältnis zwischen uns auf.
Sie
fotografierte, zeigte uns die Bilder und ließ uns selbst aussuchen was wir in
der Zeitung gedruckt sehen wollten – sehr sehr cool!!
Eine
Aussage von ihr an diesem Nachmittag sollte unser komplettes Leben verändern –
und das meine ich genauso wie ich es schreibe!!!
Sie
fragte: „Gibt es schon ein Spendenkonto für Jonathan das wir erwähnen
können?“..und wir sagten „Nein!“. Sie meinte wir sollten schleunigst eines
eröffnen, es würden bestimmt Spenden erfolgen. Ich wiegelte noch ab und sagte
das das nie unser Gedanke war: wir wollten einfach nur helfen mit unserem Blog.
Die Reporterin schaute mich sehr intensiv an und fragte: „Haben Sie denn keine
Träume für Ihren Sohn?“…und aus mir platzte es heraus: „Doch klar! Wir möchten
reiten gehen weil die Orthopädin und die Physiotherapeutin sagen das wäre gut
für ihn! Aber das ist zu teuer für uns!“…“Na, sehen Sie! Sie WERDEN reiten
gehen!!“, kam von ihr zurück…ich schaute meinen Mann an und mein Kopf
schwirrte.
Ich schwöre:
bis zu diesem Moment hatten wir nie daran gedacht das unser Schritt in die
Öffentlichkeit uns finanzielle Möglichkeiten für Jonathan eröffnen könnte die
wir einfach nicht hatten…aktuell kann ich nicht arbeiten gehen, mein Mann ist
Alleinverdiener. Wir haben zwei Kinder und ein Haus gekauft. Und…entgegen dem
was Eltern gesunder Kinder vielleicht denken…kommt die Krankenkasse leider
nicht in voller Höhe für alle notwendigen Therapien auf, so dass wir einiges
selber zahlen müssen. Deswegen waren die Kosten einer Reittherapie einfach
nicht drin.
Aber wenn
die Reporterin so sicher war das wir ein Konto angeben sollten, dann wollten
wir das auch machen. Einen Versuch war es wert, oder??? Also gingen wir in den
folgenden Tagen zur Bank und eröffneten ein Konto, nur für Jonathan. Denn eins
war mir von Anfang an wichtig: wir wollten „durchsichtig“ bleiben. Spenden für
Jonathan: werden auch für Jonathan verwendet!! Dessen soll jeder sicher sein
der uns unterstützt, also geht es für uns GAR NICHT das wir UNSERE Bankdaten
angeben.
Ich
teilte der Reporterin die Bankverbindung mit. Sie erklärte mir daraufhin das es
über uns nicht nur EINEN, sondern ZWEI Zeitungsartikel geben würde!!! Einen der
sich mehr mit dem Thema Blog beschäftigen sollte und einen der von Jonathan und
seiner Krankheit erzählte. Wow!!! Gleich zwei Artikel auch noch!!! Und einer
davon in der Samstagsausgabe….als sie uns allerdings sagte WANN die Artikel
erscheinen würden war ich ein wenig traurig: GENAU in unserem Urlaub. Wir wären
also an beiden Tagen nicht zu Hause und könnten uns die Zeitung nicht kaufen um
uns druckfrisch selbst darin zu sehen…
Aber auch
das war kein Problem: wir würden per Email eine PDF-Datei bekommen und könnten
dann einfach dort hineinschauen. Prima!!
Bis
dahin….vergingen aber noch fast zwei Wochen….
Und
wieder Urlaub in Holland…
Eigentlich
wollte ich in diesem Jahr keinen Sommerurlaub machen. Aus einem einzigen Grund:
mein Elterngeld war zu Ende…wir hatten ein Haus gekauft. Ich hatte ein wenig
Angst dass das Geld nicht reichen würde. Also hatten wir eigentlich geplant im
Sommer zu Hause zu sein und den ein oder anderen Tagesausflug zu machen.
Doch dann
erhielt mein Mann unverhoffter Weise eine Bonuszahlung. Und meinte direkt:
„Komm, damit fahren wir DOCH in Urlaub! War doch schön in Holland letztes Jahr!
Schau doch mal ob es noch ein Ferienhaus in dem Ort gibt!“ …also schaute ich
nach. Und fand auch etwas: sehr nah am Strand und am Supermarkt. Wir waren im
letzten Jahr auf unserem täglichen Weg zum Strand sogar immer an diesem Haus
vorbeigekommen und erkannten es auf den Bildern. Die Lage war toll und der
Preis…ok. Nicht billig…aber ok. Also buchten wir.
Als fest
stand das wir nun doch für eine Woche ans Meer fahren würden habe ich mich
gefreut…war ja doch irgendwie schön mal rauszukommen!
Wie das
mit dem Packen bei uns so läuft: brauche ich nicht noch einmal zu erzählen, das
war wie im Jahr zuvor! 8o)) Auch die Fahrt nach Holland verlief genau
gleich…alles war prima und wir kamen relativ schnell am Urlaubsort an, fanden
die Unterkunft sofort und luden das Auto aus. Der Schlüssel war für uns
hinterlegt worden und so erkundeten wir allein unser neues Zuhause….
Ja….und
hier hatten wir dann doch den GROSSEN Unterschied zum Vorjahresurlaub: damals
waren wir in einer Luxusunterkunft gewesen, riesig und wunderschön
eingerichtet. In diesem Jahr…nun ja…ich sage mal so: wir nannten unsere
Ferienwohnung liebevoll „unsere Bruchbude“.
Türen
hingen schief in den Angeln…der Fußboden (PVC) schlug Wellen (beim Staubsaugen
hat mein Mann fast den kompletten Bodenbelag aus dem Wohnzimmer aufgesaugt weil
er nicht festgeklebt war) …die Wände sahen teilweise feucht aus…in die Schränke
im Schlafzimmer wollte man nicht hineinsehen: da bekam man Alpträume weil sie
so dunkel und dreckig waren und man erwartete jeden Moment von einer Ratte oder
schlimmerem angefallen zu werden. Das absolute Highlite aber war das Bad. Zum
einen gab es hier kein Waschbecken, dafür war das Bad zu klein. Das Waschbecken
befand sich im Elternschlafzimmer…ging Marvin also nachts aufs Klo, dann kam er
anschließend zu uns um Hände zu waschen…..(und wenn der ein oder andere jetzt
sagt: Hände waschen in der Küche!...keine gute Idee!!! Der Wasserhahn hier war
SO LOCKER, den hatte ich mehr als einmal in der Hand beim Abspülen!)….der Clou
am Bad war aber: zog man an der Klospülung….tanzte der Abfluss in der Dusche
Samba! Und das meine ich wörtlich! Er kam aus seiner Verankerung und tanzte
wild in der Dusche umher. Als ich das zum ersten Mal sah war ich fassungslos
und starrte mit offenem Mund in die Dusche – mein erster Gedanke war wirklich
das Ratten aus dem Abfluss hochkommen, doch dann habe ich gemerkt das es nur
mit der Klospülung zusammenhing.
Mein Mann
wollte ausziehen. Ich sagte ihm dass es doch gar nicht sooo schlimm sei, es
ging BESTIMMT auch schlimmer.
Es ging
schlimmer…..
Nachdem
ich die erste Maschine Wäsche gewaschen hatte (wir hatten extra darauf geachtet
das unsere Unterkunft Waschmöglichkeiten hatte um nicht soo viele Kleider
mitnehmen zu müssen)..wäre ICH am liebsten ausgezogen!!! 40 Grad,
Feinwäsche….dauerte…ACHTUNG:TROMMELWIRBEL!!!!....ungelogen fast 6 Stunden!!! In
Worten: SECHS STUNDEN!!! Ich war wieder fassungslos….Wie KANN eine Maschine 6
Stunden brauchen um Feinwäsche zu waschen??? Keine Ahnung…..
Wer jetzt
denkt das es nun aber wirklich NICHT schlimmer geht….doch: geht es! Sonntag Morgen….ich
stand auf und wollte mir Kaffee machen…doch die Kaffeemaschine ging nicht an.
Stecker drin? Ja….Wasser in der Maschine? Ja…komisch….die anderen Geräte in der
Küche gehen auch nicht….im Wohnzimmer: ebenfalls kein Strom…und irgendwie: war
es auch kalt oder nicht? Richtig: die Heizung war auch aus…und damit das warme
Wasser! Prima!!! Und das am Sonntag.
Ich habe
unserem Vermieter, den wir bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gesehen hatten,
eine Email geschrieben und habe gebetet dass er sie schnell lesen möge. Hat er
auch…und innerhalb von 30 Minuten war er da um nachzusehen was los war.
Gemeinsam und mit englisch/deutscher Verständigung hatten wir den Fehler bald
gefunden: unser Boiler hatte sich abgeschaltet…warum auch immer. Vielleicht
hatte er auch einfach keinen Bock mehr auf diese Bruchbude.
Aber ein Gutes
hatte dieser Urlaub: wir können heute noch lustige Geschichten davon erzählen!!
8o)
Naja, und
es war nicht alles NUR schlecht!!!
Wir
hatten einen tollen Tag im Amsterdamer Zoo. Wir haben endlich die Rennstrecke
gefunden und gesehen!! Die Kellner in unserem Lieblingslokal am Strand haben
uns wiedererkannt und sogar noch mit Namen ansprechen können. Wir hatten
insgesamt schon recht schöne Tage hier, das Wetter hat diesmal allerdings nicht
mitgespielt….
Ein paar
Tage bevor unser Urlaub zu Ende war erschien der erste Zeitungsartikel. Ich bin
morgens schon im Morgengrauen aus dem Bett gestiegen und habe meine Emails
gecheckt: die Reporterin hatte mir geschrieben das ich direkt im Online-Portal
der Zeitung schauen könnte. Was ich auch umgehend gemacht habe.
Und da
waren wir!!! Mit Foto und langem Text und fetter Überschrift:
„Mutter schreibt Blog über ihren
schwerbehinderten Sohn
Jonathan soll nicht vergebens
leben“
Wow!!!
Ich hatte erstmal Tränen in den Augen. Überhaupt war der ganze Text so toll
geschrieben. So einfühlsam. So liebevoll. So wahr, aber ohne auf die
Tränendrüse zu drücken.
Und dann
kamen auch schon die ersten SMSen von Freunden und Bekannten. Die Klickzahlen
für meinen Blog gingen nach oben. Nachrichten über das Kontaktformular
erreichten uns. ...was für eine Resonanz! Hätte ich NIE gedacht….
Wir
genossen die restlichen Urlaubstage. Am letzten Tag den wir in Holland
verbrachten erschien der zweite Artikel über uns:
„Jonathan ist ein
Geschenk“
Das Foto
dazu war seitenfüllend groß und obwohl wir es selbst ausgesucht hatten liefen
mir die Tränen als ich es sah, als ich es mit den Augen eines „Fremden“ zu
sehen versuchte der heute die Zeitung aufblätterte: Marvin und Jonathan beim
Schmusen.
Auch
dieser Artikel war unfassbar schön geschrieben. Unser Kinderarzt war interviewt
worden und hatte auf unseren Wunsch hin zur medizinischen Seite dieser
Krankheit Stellung genommen. Und auch Jonathans Kontonummer war abgedruckt
worden – allerdings nur in der Papierausgabe, im Onlineartikel erschien sie
nicht.
Das fand
ich aber überhaupt nicht schlimm!! Ich sagte an diesem Tag noch zu meinem Mann:
„Naja, wenn wir so 200€ bekommen – dann freue ich mich schon riesig!! Davon
können wir vielleicht nicht dauerhaft reiten gehen, aber ein paar neue
Musikinstrumente für Joni wären drin und ein paar Physiomatten für unsere
Übungen!“ ….zu diesem Zeitpunkt hatte ich wirklich ÜBERHAUPT keine Ahnung WAS
ALLES noch auf uns zukommen würde….
Unser
Urlaub war nun vorbei und wir machten uns auf den Heimweg…gut gelaunt und
irgendwie auch…naja: ein bisschen stolz!! Man erlebt es schließlich nicht alle
Tage dass man zwei seitenfüllende Zeitungsartikel über sich selber lesen kann.
Ich war
echt SEHR GESPANNT wie es mit meinem Blog weitergehen würde…ob sich jetzt noch
mehr Menschen bei mir meldeten und mir Feedback gaben??? Würde JETZT vielleicht
negatives Feedback dabei sein, jetzt wo die Zeitung meinen Blog bekannter
gemacht hatte und ihn mehr Menschen lesen würden??
Was an
diesem Tag auf dem Heimweg noch passierte…damit hatte ich in meinen kühnsten
Träumen nicht gerechnet…..
Ein
Fernsehbericht???
Als wir
unterwegs auf einen Rastplatz fuhren um Pause zu machen hatte mein Mann eine
Email vom Kontaktformular des Blogs…..er schaute rein und sagte nur:
„ÄÄÄÄÄÄHHHHH, FRAU…..das solltest Du UNBEDINGT sofort lesen!“, und reichte mir
sein Handy. Ich habe es zweimal gelesen und dann nur: „ÄÄÄÄÄÄHHH, ist das ein
SCHERZ???“ gesagt…..in der Email stand:
„Liebe
Frau Braunsdorf-Kremer,
ich
arbeite beim Hessischen Rundfunk und habe von Ihrer Geschichte gelesen, die
mich sehr berührt hat. Wir möchten gerne mit Ihnen einen Bericht machen fürs
Fernsehen.“
Natürlich
waren auch die Kontaktdaten angegeben, die Dame kam aus der Redaktion
MAINTOWER.
Am
liebsten hätte ich SOFORT zurückgerufen!!! Aber mein Mann mahnte mich zur
Geduld. Ich solle das erstmal sacken lassen und darüber nachdenken was ein
Bericht im Fernsehen überhaupt für uns bedeuten würde: WOLLTEN wir das???
Einen
Blog im Internet und Zeitungsartikel zu haben war die eine Sache, aber WOLLTEN
wir wirklich ins FERNSEHEN??? Zwar „nur“ regionales Fernsehen, aber trotzdem
Fernsehen.
Okay…mein
Mann hatte ja irgendwie Recht! Erstmal drüber nachdenken. Zurückrufen könnte
ich morgen ja immer noch und bis dahin könnte der Familienrat tagen und sich
überlegen was wir machen wollten.
(Denn:
solche Entscheidungen werden bei uns NICHT ohne Marvin getroffen. Er ist Teil
dieser Familie und auch er muss hinter den Schritten in die Öffentlichkeit
stehen und die Art dieser Schritte gut finden! Auch er wird mit den
Auswirkungen konfrontiert: in Schule und Vereinen.)
Also
redeten wir abends, wieder zu Hause, beim Abendbrot darüber. Generell fanden
wir die Idee ins Fernsehen zu gehen gut: mein Blog würde mehr Aufmerksamkeit
bekommen und vielleicht noch mehr Menschen helfen. Auch Jonathans Krankheit
würde bekannter werden, und wer weiß: vielleicht gab es ja doch noch ein paar
weitere –bisher nicht diagnostizierte- Fälle von MOPD 1 in Deutschland und wir
könnten Ärzte und Eltern auf die richtige Diagnose bringen???
Aber….es
gab Dinge die wir NICHT mitmachen würden. Welche, sind an dieser Stelle hier
unwichtig. (Ich kann nur sagen: bis jetzt haben wir NICHTS gemacht hinter dem
wir nicht alle zu 100% stehen würden – und das soll auch so bleiben!)
Am
nächsten Tag telefonierte ich mit der Dame von Maintower und hörte mir an was
sie zu sagen hatte: wie der Beitrag gestaltet und was gezeigt werden sollte…was
einfach die „Botschaft“ des Beitrages wäre…
Was sie
sagte gefiel mir grundsätzlich. Aber ich war skeptisch weil sie mir sagte dass
ich nicht die Möglichkeit hätte den Beitrag schon vor der Ausstrahlung zu
sehen. Ich würde ihn genau wie alle anderen Zuschauer erst im Fernsehen
anschauen können….
…ich habe
ein behindertes Kind. Ich möchte nicht das Jonathan im Fernsehen „blamiert“
oder in peinlichen Situationen gezeigt wird. Am wenigsten möchte ich das seine
seltene Krankheit ausgeschlachtet wird nur für fette Schlagzeilen oder hohe
Zuschauerzahlen….
Es
gehörte also ein wenig Vertrauen in die Redakteurin dazu. Ich musste ihr
vertrauen dass sie den Bericht in unserem Sinne drehen würde. Dieses Vertrauen
hatte ich nach dem ersten Telefonat noch nicht…..nicht so ganz. Sie war mir
sympathisch, aber ich war skeptisch.
Doch einen
Drehtermin zu finden war für uns sowieso nicht so leicht. Auf der einen Seite
waren unsere Termine mit den Therapien…auf der anderen Seite waren ihre Termine
mit anderen Drehs und sie hatte noch mal Urlaub. Es stellte sich also heraus
dass wir uns erst in 5 Wochen zum Drehen treffen könnten. Scheinbar merkte sie
auch dass ich noch nicht vollkommen überzeugt von der ganzen Angelegenheit war
und deswegen vereinbarten wir in den kommenden Wochen wieder zu telefonieren
und weitere Details zu besprechen. Bei Fragen könne ich mich auch jederzeit bei
ihr melden, sagte sie.
Nun
ja…das war schon alles ziemlich aufregend!!!
Und kaum
war das alles geklärt, ging es direkt aufregend weiter! Mein Mann hatte schon
wieder eine Email über unser Kontaktformular im Blog:
„Hallo
Familie Kremer,
hallo
Jonathan!
Wir,
der Dartclub Babylon xx, haben in der Zeitung euren Bericht gelesen. Dieser ist
uns sehr nahe gegangen und wir haben beschlossen euch ein wenig zu
unterstützen. Unser erstes Benefiz-Dartturnier möchten wir gerne Jonathan
widmen.“
Wow!!!
Ein Benefizevent!! Für Jonathan!! Und dann auch noch DARTS!! Ich LIEBE Darts!!
Ich war total aufgeregt…..ehrlich: in diesen Tagen ging mein Puls gar nicht
mehr RUNTER!!! Es kam ja wirklich eine Aufregung nach der nächsten….
Ich habe
dem Herrn geantwortet und diese Nachrichten, die wir damals ausgetauscht haben,
waren der Beginn einer Freundschaft….KANN ICH SO SAGEN MEIN LIEBER, ODER???
8o)))
In den
kommenden Wochen tauschten wir weitere Nachrichten und SMSen aus, wir
telefonierten auch oft. Irgendwann kam die Idee auf, beim Dartturnier auch eine
Tombola zu veranstalten…
Wir
besprachen so viel: wie sollten Flyer und Plakate aussehen??? Wo würden die
aufgehängt/ausgelegt werden??? (Wo war ich unterwegs und wo er und seine
Vereinskollegen: so teilten wir die Arbeit auf)....welche Unterstützung bekamen
wir bei der Werbung für das Turnier durch Online-Plattformen???... wen könnten
wir um Preise für die Tombola bitten???
…es war
ein sehr intensive Zeit- für den Dartclub mehr als für uns, keine Frage!!
Dieser Club hängte sich DERMASSEN ins Zeug!!! Für uns, für Menschen die keiner
von ihnen vor dem Zeitungsartikel jemals gesehen hatte. Diese Nächstenliebe ist
für uns bis heute UNFASSBAR…
...hört
sich theatralisch an: aber diese Geste hat mir ein bisschen den Glauben an die
Menschheit wiedergegeben! Nicht jedem dort draußen sind seine Mitmenschen
egal….WIRKLICH: nicht jedem!!!
Und
dieses Wissen, das Menschen die uns nicht kennen, helfen möchten…sich voll ins
Zeug legen für unseren Jungen…das machte diese Zeit für UNS so intensiv…schön…und
echt aufregend…ich habe mich mittlerweile so oft bei diesem Dartclub bedankt
und habe trotzdem immer wenn wir uns sehen das Gefühl das ich DANKE sagen möchte…
Bis das
Dartturnier stattfinden sollte waren es aber noch ein paar Wochen. Wer jetzt
denkt das Ruhe in unserem Leben herrschte in dieser Zeit…weit gefehlt!! 8o)))
Denn
schon stand das nächste „Benefizevent“ an!! Diesmal hatte sich der Sportverein
aus unserem Ort gemeldet. Mein Vater war hier viele Jahre als 1.Vorsitzender
tätig, man kannte uns. Und so hatte der Verein sich überlegt dass er einen Teil
der Einnahmen des bevorstehenden Pokalspiels an uns spenden würde. Und das
Spiel würde schon in wenigen Tagen stattfinden…KRASS!!
Mein Mann
und ich haben damals etwas beschlossen und das haben wir auch bis heute
eingehalten/einhalten können:
Wenn
Benefizevents für Jonathan durchgeführt werden und es die Uhrzeit sowie die
räumlichen Gegebenheiten erlauben, ist Jonathan selbst anwesend. Ist das nicht
möglich, ist zumindest einer von uns anwesend und steht für Fragen zur
Verfügung und (für uns SEHR WICHTIG!) zeigt RESPEKT für die Arbeit die man sich
für uns gemacht hat.
Also
sagten wir dem Sportverein dass wir alle anwesend sein würden. Man fragte mich
ob ich mit aufs Feld kommen würde um ein paar Worte zu sagen: zu erklären was
Jonathan für eine Krankheit hat und wofür wir das Geld benötigten.
…ich bin
nie um Worte verlegen und habe in meiner Firma auch Schulungen gehalten…aber
das konnte ich dann doch nicht! Es wurden mehr als 300 Zuschauer erwartet, ich
traute mich einfach nicht – aus Angst dass ich dort stehen und in Tränen
ausbrechen könnte.
War aber
kein Problem, ein Mitglied des Vereins sagte ein paar Worte und wies darauf hin
das wir am Spielfeldrand für alle Fragen zur Verfügung standen.
Die
meisten Menschen die bei diesem Spiel anwesend waren kannten uns ja sowieso und
viele Fragen wurden uns auch nicht gestellt. Aber es kamen einige Leute zu uns
die einfach mal sagen wollten, dass sie unsere Art mit Jonathans Gendefekt
umzugehen sehr gut fanden!! Dass sie den Schritt in die Öffentlichkeit richtig
und wichtig fanden. Und an diesem Nachmittag wurde uns zum ersten Mal bewusst
das wir durch die Zeitungsartikel Berührungsängste abgebaut hatten!!!
Natürlich
sah man uns im Ort spazieren gehen oder traf uns auf der Kirmes. Und sicherlich
hatte fast jeder mittlerweile mitbekommen das Jonathan nicht gesund war. Aber
viele hatten bis zum Erscheinen des Zeitungsartikels trotzdem nicht gewusst wie
sie mit uns umgehen sollten: konnte man uns ansprechen und uns Fragen stellen?
Oder würden wir das blöd finden?? Wollten wir dazu keine Auskunft geben?? Aber
jetzt….waren wir an die Öffentlichkeit gegangen und hatten dort offen und
ehrlich über alles geredet. Nun wusste jeder: es ist ok mit uns über Jonathan
zu sprechen! Und das erleichterte die Menschen. Von dieser Seite hatte ich das
alles noch nie betrachtet. Und ich freute mich umso mehr dass wir den richtigen
Schritt gegangen zu sein schienen und dass es einen weiteren positiven
Nebeneffekt gegeben hatte!!
Dieser
Nachmittag war wirklich überwaltigend…..
Zum einen
die grade geschilderten Reaktionen und Aussagen der Anwesenden.
Zum
anderen gab es auch noch einen Stand an dem Tshirts zu unseren Gunsten verkauft
wurden. Die beiden Damen die den Stand betreuten hatten sich ganz viel Arbeit
gemacht: Bilder und Texte aus meinem Blog ausgedruckt um den Menschen zu zeigen
wer Jonathan überhaupt war, und sie hatten eine Spendendose selber gebastelt.
Außerdem
MUSSTEN wir alle vier mit aufs Feld: für ein Mannschaftsfoto mit beiden
Mannschaften!! Mir wurde später zugetragen dass der GEGNER sich geweigert hat
das Spiel zu beginnen bevor nicht ein Foto mit uns gemacht worden sei.
Mein Mann
ist relativ früh mit Jonathan nach Hause aufgebrochen, er brauchte Medikamente
und Essen.
Ich bin
noch mit meinem Vater vor Ort geblieben, habe nach dem Spiel noch mit den Mannschaften
gesprochen und….bekam schon die ersten Spenden überreicht. Unsere Mannschaft
hatte in der Kabine die „Spendendose“ herumgehen lassen. Die gegnerische
Mannschaft überreichte einen Umschlag. Einzelpersonen kamen zu mir und drückten
mir Umschläge oder manchmal auch einfach einzelne Scheine in die Hand.
Überwältigend….das ist wirklich das Wort das diesen Tag am ehesten beschreibt….
Mein Mann
und ich bekamen an diesem Abend das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht.
Keiner…wirklich keiner!...der sowas nicht schon einmal selbst erlebt hat kann
sich vorstellen, wie es sich angefühlt hat das „fremde Menschen“ sich so für
Jonathan einsetzten und versuchten uns auf unserem nicht so einfachen Weg zu
begleiten.
Wir waren
„geflashed“….wie im Traum, denn: an diesem Tag ist eine vierstellige Summe für
uns zusammengekommen!!!
Auch auf
Jonathans Konto gingen nach Veröffentlichung der Zeitungsberichte schon die
ersten Gelder ein: Privatpersonen und ein Verein hatten uns sehr großzügig
bedacht….wir hatten das nie erwartet und waren einfach nur DANKBAR!!!
Und somit
konnte ich mich nun an den Computer setzen und eine Reittherapiestätte in
unserer Nähe suchen. DENN…unser Traum konnte nun wahr werden! Jonathan würde
beginnen zu reiten….so unfassbar schön!
Wir gehen
auch mit Facebook online
Die
Veranstaltung unseres Fußballvereins…die Spendenbereitschaft der Leute…das
alles hat uns so wahnsinnig berührt und DANKBAR gemacht. Wir haben natürlich
allen gedankt die wir getroffen haben….aber bei vielen war das nicht möglich
weil wir ihnen nie begegnet sind. Und das hat mich beschäftigt: denn ich bin
dazu erzogen worden DANKE zu sagen. Das ich das nun nicht bei ALLEN Leuten tun
konnte, lag mir wie ein Stein im Magen.
Deswegen,
und NUR deswegen!, habe ich die Entscheidung getroffen eine Facebook-Seite für
Jonathan zu erstellen. Um auch den Menschen danken zu können bei denen ich es
auf anderem Weg nicht konnte. In der heutigen Zeit ist wohl nichts geeigneter
um viele Menschen zu erreichen als die sozialen Netzwerke!
Also hat
sich mein Mann wieder einmal an den Computer gesetzt und begonnen für mich eine
Seite zu erstellen. Es hat zwar nicht ganz so lange gedauert wie das Erstellen
der Blog-Seite, denn diesmal hatten wir schon Fotos die wir verwenden konnten.
Aber trotzdem war es nicht an einem Abend erledigt!! Denn ich wollte die Texte
die ich bei „Info“ hinterlegen konnte gut formulieren, wollte die
Sicherheitseinstellungen der Seite genauestens anschauen und musste die
Beteiligten des Fußballspiels erst fragen ob ich ihre Fotos einstellen durfte.
Außerdem
wollte ich der „Seitenadministrator“ werden und dazu: benötigte ich selbst auch
eine Facebook-Seite, die ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht hatte. Diese musste
auch erst erstellt werden.
Aber nach
zwei Tagen: sind wir auch mit unserer eigenen Jonathan-Facebook-Seite online
gegangen…8o)))
Wir
dankten dem Sportverein und posteten Fotos der Veranstaltung. Zu diesem
Zeitpunkt war ich davon überzeugt dass ich die Seite nur dazu verwenden würde
von Benefizevents zu berichten und Fotos davon zu posten um DANKE zu sagen.
Doch nach
einigen Tagen hatten wir schon über 500 Abonnenten!! Und wir bekamen
Nachrichten dass es wunderschön sei den kleinen Jonathan nun auch bei Facebook
sehen zu können und auf diese Weise an unserem Leben teilhaben zu dürfen.
Und da
erst habe ich realisiert das diese Seite viel mehr sein würde als nur eine
Plattform um anderen zu danken!! Diese Seite würde das Fenster sein durch das
alle Menschen dort draußen in unser Leben schauen könnten. Ein unschätzbares
Geschenk!! Wir würden in der Lage sein bei noch mehr Menschen Berührungsängste
abzubauen und ihnen Mut zuzusprechen, Jonathans Krankheit bekannter zu machen
und vielleicht auch in ferner Zukunft die Forschung etwas anzukurbeln?
Deswegen
begann ich aus unserem Alltag zu posten.
Doch wie
auch schon bei meinem Blog gab und gibt es bis heute Dinge die mir wichtig
sind:
-niemand
wird gepostet wenn er das nicht will
-unsere
Kinder werden nicht in beschämenden Situationen gezeigt
-alle
Fotos werden genauestens ausgesucht und zur Not werden die
-Fotos
bearbeitet um z.B. keine Rückschlüsse auf unseren Aufenthaltsort und/oder andere anwesende Personen
zuzulassen
-wir sind
absolut ehrlich und spielen niemandem etwas vor: alles was wir posten entspricht
der Wahrheit
-niemand
wird auf unserer Facebook-Seite in Verlegenheit gebracht
-wir
posten NICHT unsere Adresse oder unsere Kontaktdaten im Internet
An diesen
Punkten halte ich eisern fest.
Ich
möchte das unsere Seite den Menschen dort draußen Freude macht… ihnen hilft
und/oder Mut macht wenn sie selber in schwierigen Lebenssituationen
stecken….unsere „Follower“ sollen an unserem Leben teilhaben so wie es ist: mit
Höhen - und auch mit Tiefen… sie sollen unsere Freude sehen im Leben mit
Jonathan – aber auch die Herausforderungen und Ängste die dieses Leben mit sich
bringt.
Das was
auf Facebook seit damals von uns zu sehen und zu lesen ist: das sind wirklich
wir, das entspricht unseren Charakteren und unserem Leben. Und alle die uns
persönlich kennen werden das bestätigen können. 8o)))
Aber nun
bin ich ein wenig abgeschweift – mal wieder….
Dabei
stand bald ein aufregender Termin für uns an: die Dreharbeiten für den
Hessischen Rundfunk würden in wenigen Tagen stattfinden.
Dreh mit
dem Hessischen Rundfunk
Wenn ich
sagen würde das ich aufgeregt wegen dem Dreh war…dann wäre das glatt
UNTERTRIEBEN!!!
…schon
eine Woche vorher betete ich: „Hoffentlich bekomme ich keinen Pickel!“
…die
Fenster wurden geputzt: wie würde das denn bitte aussehen wenn man unseren
Bericht im FERNSEHEN sehen und denken würde die Dreharbeiten hätten bei Nacht
stattgefunden??? Und dabei kam nur kein Sonnenlicht mehr durch die Scheiben….
…ich
machte einen „Nottermin“ bei meiner Friseurin aus, die zum Glück alles möglich
machte damit ich vor den Dreharbeiten noch mal kommen konnte.
…was
ziehe ich nur an??? Ich hatte NICHTS anzuziehen!! (Kennt ihr das? LOL)
Mein Mann
hatte zum Glück bezüglich des Kleiderproblems ein Einsehen und schickte mich in
die Stadt zum Einkaufen….
Ich habe
Marvin mitgenommen damit er auf Jonathan aufpassen könnte wenn ich in der Umkleidekabine
beschäftigt wäre. Und dann ist uns so etwas lustiges passiert…..
Wir waren
im Geschäft, ich habe mich von der Verkäuferin beraten lassen und bin dann mit
den Sachen in der Kabine verschwunden. Marvin stand mit Jonathan (im Wagen)
davor. Und auf einmal höre ich eine Frau sagen: „Ach, ist das nicht das Baby
das in der Zeitung war????“…und Marvin sagt: „Ja, das stimmt.“….ich war grade
fertig, öffnete den Vorhang und sagte: „Und hier ist auch die Mama dazu!“.
Die Frau
war ganz angetan davon uns zu treffen und hat einige Fragen gestellt. Dann kam
die Verkäuferin dazu, die von dem Gespräch nichts mitbekommen hatte, sah
Jonathan an und fragte mich wie alt er sei. Und dann….LOL…bevor ICH etwas sagen
konnte!! Sagte die andere Frau: „Das ist der Jonathan, er ist zwei und hat
einen seltenen Gendefekt! Haben Sie das denn NICHT in der Zeitung gelesen?!“……ich
musste so lachen!! Es war DAS ERSTE MAL das mal nicht ICH Stellung nehmen
musste zu den Fragen. Wir waren schon so bekannt dass man ÜBER UNS Auskunft
gab. 8o)))
Die
Verkäuferin war auf jeden Fall verdutzt und meinte: „Sie waren wirklich in der
Zeitung?“, das habe ich bestätigt und dann beide Damen sprachlos gemacht als
ich erklärte das ich grade für einen Fernsehdreh einkaufte.
Nun ja…eine
lustige Geschichte an die ich wirklich gerne zurückdenke!! Es war DAS ERSTE MAL
das wir erkannt wurden. Seitdem ist das noch öfter passiert…..und ich muss
sagen: das ist für uns SEHR ANGENEHM!!! Es geht nicht darum im Mittelpunkt zu
stehen (das tun wir sowieso immer, egal wohin wir mit Jonathan gehen – einfach
weil er auffällt). Es geht darum das wir nun seltener „dumme Blicke“ ertragen
müssen oder „dumm angesprochen“ werden. Denn die Leute erkennen uns, wissen um
Jonathans Krankheit und gehen nun ganz anders mit uns um.
Es ist
doch sehr viel schöner von Fremden mit einem „Hallo Jonathan!“ begrüßt zu
werden als mit einem „Wieso ist er denn so klein? Was hat er denn für eine
Krankheit? Wird er noch größer?“…oder schlimmeren Kommentaren.
Gut
gelaunt nach dieser schönen Begegnung und mit einer gut gefüllten Kleidertüte
sind wir wieder nach Hause gefahren.
Und dann
kam der Morgen des Fernsehdrehs. Unser Familienleben sollte gezeigt werden:
eine gemeinsame Mahlzeit, unser Alltag mit Therapieterminen, aber auch wie wir
mit Jonathan spielen, Medikamentengaben….durch die Telefonate mit der
Redakteurin war ich relativ gut auf das vorbereitet was gedreht werden sollte.
Marvin
hatte noch Ferien, mein Mann einen halben Tag Urlaub genommen und unsere
Physiotherapeutin öffnete nur für uns heute ihre Praxis: denn eigentlich hatte
sie in dieser Woche Urlaub.
Alles war
geklärt und alle Beteiligten gut vorbereitet..und ich machte mir fast in die
Hose vor Angst. Ich weiß nicht wie viele Male ich an diesem Morgen ins Bad
gerannt bin, mein Magen rebellierte. Wir würden tatsächlich gleich für´s
FERNSEHEN gefilmt werden! Unfassbar!
Und dann
parkte ein Auto vor dem Haus. Das erste was wir nach einem Blick aus dem
Fenster sagten: „Das Auto hat ja gar kein HR-LOGO drauf!“…dabei wollten wir
doch so gerne die Nachbarn beeindrucken!! LOL
(…das ist
uns aber trotzdem gelungen, denn was die dreiköpfige Crew an Equipment auslud, blieb
unseren Nachbarn nicht verborgen! Mehrfach mussten sie laufen um Lichtgiraffen,
Schirme, Kameras und Mikrofone aus dem Auto zu holen.)
Und dann
standen die Redakteurin und ich uns das erste Mal gegenüber. Sie sah ganz
anders aus als ich erwartet hatte: blond, schlank, hübsch…und sehr viel jünger
als ich nach den Telefonaten geglaubt hatte. Ich war also bezüglich der Optik
schon mal positiv beeindruckt.
Mit ihr
zu reden war vertraut, wir hatten bis zu diesem Tag schon einige Male
telefoniert. Meine Aufregung blieb allerdings und das sagte ich ihr auch. Aber
sie winkte nur ab und meinte dass ich mich beruhigen könne: der Dreh werde ganz
familiär und es gebe nichts weswegen wir aufgeregt sein müssten. Wenn wir etwas
sagten was wir danach blöd fanden sollten wir einfach Bescheid sagen, dann
würde noch mal gedreht werden – kein Thema.
Und dann
begann der Drehtag….
Wir
wurden beim Frühstück gefilmt. Ich hätte mir nicht vorstellen können vor der
Kamera etwas zu essen, also fütterte ich Jonathan. Was nicht immer einfach ist,
weil er sich oftmals in seinem Stuhl windet und schreit. Und aus Angst das er
das wieder tun könnte und DAS wenn die Kamera lief…fing ich fürchterlich an zu
schwitzen!!! (Wer sich den fertigen Bericht auf YouTube anschaut sieht in
dieser Szene wie meine Nase trotz Puder glänzt!)
Aber ganz
ehrlich…trotz der Aufregung und des Schwitzens…nach einigen Minuten fängt man
an sich zu entspannen. Man vergisst die Kamera zwar nicht, aber man „wird
wieder man selbst“ und versucht nicht besonders toll auszusehen oder besonders
tolle Sachen zu sagen. Also jedenfalls war das bei uns so.
Und das
war auch gut, denn uns war es wichtig bei diesem Dreh das wir so gezeigt wurden
wie wir sind, wir wollten authentisch sein und keine Rolle spielen.
Nach dem
Frühstück wurde Jonathan beim Spielen gefilmt. Was sich recht schwierig
gestaltete denn der kleine Mann hatte großen Gefallen an den Lichtgiraffen
gefunden und krabbelte immer wieder dorthin um an den Ständern zu wackeln. Der
Kameramann hatte kein ganz so leichtes Spiel….LOL
Was ich
persönlich bei der Zusammenarbeit mit unserer Redakteurin am meisten schätze,
ist die Tatsache das sie versucht sich in unser Leben einzupassen – und nicht
umgekehrt. Schon im Vorfeld hatten wir am Telefon besprochen um welche
Uhrzeiten Jonathan Essen, Trinken oder Medikamente bekommt. Und sie hatte einen
Plan entwickelt wann was gefilmt würde: um Jonathan so wenig wie möglich in
seinem normalen Ablauf zu stören. Wenn die Zeit gekommen war das er etwas
trinken musste, gab es eben Einzelinterviews mit den anderen
Familienmitgliedern.
Mir hat
es imponiert das so viel Rücksicht auf Jonathan genommen wurde. Dieses Vorgehen
hat natürlich auch dazu beigetragen das er und der Rest der Familie entspannt waren
und DAS wiederum führte zu guten Aufnahmen!
Gemeinsam
mit dem Fernsehteam bin ich zu unserer Physiotherapeutin gefahren. Marvin und
mein Mann blieben zu Hause. Warum? Weil der Bericht unser Leben genauso
schildern sollte wie es ist und da mein Mann arbeitet und Marvin zur Schule
geht: nehme ich Therapietermine allein wahr.
Ich
sollte mit meinem Auto fahren und das Team mit dem eigenen Auto folgen. Bevor
es aber losgehen konnte sollte noch in unserem Hof gedreht werden wie ich mit
Jonathan ins Auto einsteige. Also: ich raus in den Hof, Auto auf, Kind rein,
anschnallen, Tür zu und selbst einsteigen, losfahren. Und STOP!
Jetzt das
Ganze nochmal und nun stand der Kameramann an einer anderen Stelle. (Das wird
gemacht damit man im Bericht verschiedene Einstellungen derselben Sequenz zusammenschneiden
kann.)
Und noch
ein drittes Mal: diesmal saß der Kameramann auf dem Fahrersitz in meinem Auto
und filmte mich beim Anschnallen von Jonathan. Und da merkte ich dass ich meine
Handtasche nicht umgelegt hatte wie bei den beiden Malen vorher. Also STOP! Und
nochmal…lach…
(Fernsehdrehs
sind gar nicht so spektakulär wie man denkt, sie sind anstrengend! Weil man
oftmals dasselbe immer wieder machen muss damit verschiedene Perspektiven
gefilmt werden.)
Während
wir also alle im Hof hin und herliefen und filmten kam eine Nachbarin in ihrem
Auto vorbei und ich sah aus dem Augenwinkel wie sie ganz verdutzt zu uns rüber
schaute. 8o)) Ich musste schon ein wenig schmunzeln als ich mir vorstellte wie
diese Szene auf jemanden wirken musste der keine Ahnung hatte was hier
passierte.
Endlich
waren aber alle Bilder im Kasten und wir fuhren zur Physiotherapie. Die
Therapeutin war so dermaßen aufgeregt, ein reines Nervenbündel. Da war ich am
Morgen ja gar nichts dagegen gewesen!
Da ich
aber nach einigen Stunden Dreh schon voll der Profi war…lach…habe ich
versucht sie zu beruhigen und ihr zu
erklären das das alles gar nicht schlimm ist. Hatte nur mäßigen Erfolg. Wir starteten
trotzdem mit dem Dreh.
Und nach
einigen Minuten tat unsere Redakteurin etwas was mich einerseits erneut
beeindruckte und andererseits mein Vertrauen in sie stärkte: es wurde gefilmt
wie ich mich über Jonathan beuge der auf dem Boden liegt. Da sagte sie
plötzlich: „STOP!! Ihr Ausschnitt war grade etwas zu tief, das drehen wir noch
mal!“
…ich kann
mich auf sie verlassen. Sie blamiert weder mich, noch mein Kind. Ab diesem
Moment war ich VOLLKOMMEN entspannt. Beruhigt. Und nun vollends davon überzeugt
die richtige Entscheidung mit diesem Dreh getroffen zu haben!!
Nach der
Physiotherapie wurden noch einige Sequenzen bei uns zu Hause gedreht. Gegen 14
Uhr war der Dreh beendet, das Drehteam packte sein Equipment wieder
zusammen……..
Unser
Drehtag hatte über 6 Stunden gedauert. Ich war platt. Die Interviews waren für
mich sehr kräftezehrend gewesen weil ich mich mit vielen Themen/Punkten
auseinandersetzen und dazu Stellung nehmen musste die einfach sehr belastend
für mich sind.
Bei wem
von Müdigkeit oder Erschöpfung nichts zu merken war: war Jonathan. Wir hatten
den Eindruck dass IHM der Drehtag sehr gut gefallen hatte – er hatte regelrecht
mit der Kamera geschäkert und gespielt. Der kleine Mann liebt es schon sehr
wenn er im Mittelpunkt steht!! 8o)))
Wann der
Bericht ausgestrahlt werden würde stand noch nicht fest: das Material musste
gesichtet, geschnitten und mit einem „Kommentator vertont“ werden. Die Info
über den Ausstrahlungstermin bekämen wir aber rechtzeitig.
Es hat circa
zwei Wochen gedauert und dann bekamen wir einen Anruf: am heutigen Abend würde
unser Bericht ausgestrahlt werden.
AUFREGUNG!!!
..Familie
und Freunde informieren….bei Facebook einen Hinweis posten…eine Aufnahme am
Fernseher programmieren damit wir den Bericht häufiger anschauen könnten..UND:
eine Flasche Sekt kaltstellen!! Den würden wir uns zur Feier des Tages
genehmigen.
Nun hieß
es abwarten. Ich hasse warten. Ich bin ungeduldig – schon immer und von Natur
aus. Habe ich von meinem Vater. LOL
Aber auch
dieser Tag ging irgendwie vorbei und der Beginn der Sendung „Maintower“ rückte
näher. Wir platzierten uns vor dem Fernseher und schossen noch schnell ein
Selfie: für unsere Redakteurin, um ihr zu zeigen wie wir die Ausstrahlung des
gemeinsamen Berichts zelebrierten.
Dann ging
es los. Die Titelmelodie war zu hören und die Vorschau der Sendung begann. Und
da war Jonathan!!!! Verrückt…..
Schon die
Worte der Moderatorin in der Vorschau „Jonathan aus Hadamar ist kleinwüchsig.
Wie seine Familie diese besondere Herausforderung meistert!“ trieben mir direkt
Tränen in die Augen. Für mich war es schon immer sehr ergreifend zu hören wie
andere Menschen -mit objektivem Blick- unser Leben beurteilen, wie sie es
sehen.
In
solchen Momenten wie dem als die Moderatorin davon spricht dass unser Leben
eine „Herausforderung“ ist, wird mir SO SEHR bewusst wie ANDERS bei uns alles
ist. ANDERS nicht nur im positiven Sinn. Das tägliche Leben mit Jonathan ist
ein Kampf…ein Kampf an vielen Fronten: in erster Linie ein Kampf gegen die
Angst wegen seiner frühen Sterblichkeit. Aber auch ein Kampf um jeden Erfolg,
jeden Fortschritt des kleinen Mannes. Ein Kampf um unser Familienleben – und um
unsere Ehe, die durch die großen Einschränkungen in unserer Freizeitgestaltung zu
zweit leidet.
Dazu
kommt noch das ich auch immer sehr nah am Wasser gebaut bin wenn Menschen uns
Komplimente darüber machen wie gut wir unsere Situation meistern – damit kann
ich überhaupt nicht umgehen, um ehrlich zu sein. Denn wir haben ja keine Wahl,
oder??? Jonathan ist da, er lebt und er hat Freude am Leben. ER kämpft. Was
bleibt UNS denn dann anderes übrig als diesen Weg mit ihm zu gehen und ihn für
Jonathan so angenehm wie möglich zu gestalten??? Für mich ist das, was wir tun
und wie wir es tun einfach selbstverständlich. Und wenn ich dafür Komplimente
erhalte dann weiß ich nicht wie ich darauf reagieren soll….
Während
wir also den Bericht schauten vergoss ich aus diesen Gründen einige Tränen.
(Was ich übrigens bis heute immer wieder tue wenn ich den Bericht ansehe!)
Es war
aber auch wirklich ein wundervoller Beitrag geworden. Er zeigte unser
Familienleben genauso wie es war. Die Krankheit und die Herausforderungen des
Alltags wurden geschildert, aber es wurde nicht auf die Tränendrüse gedrückt.
Wir waren alle begeistert.
Marvin allerdings
war noch von einer anderen Tatsache als nur dem Bericht begeistert…nachdem wir
„uns“ zu Ende angeschaut hatten sagte er total trocken: „Auf unserem Fernseher
ist Jonathan größer als in echt!“…lol…
Ein ganz
besonderer Geburtstag…
Zwei
Wochen nach Ausstrahlung unseres Berichts bei Maintower feierten wir
Geburtstag. Und zwar einen ganz besonderen Geburtstag: mein Opa wurde 100!!!!
Und das
war noch nicht alles: mein Mann hat am gleichen Tag wie mein Opa Geburtstag, er
wurde 39 (schade eigentlich das er nicht 40 wurde, das wäre irgendwie cooler
gewesen).
Normalerweise
unternehmen wir an unseren Geburtstagen immer etwas was dem Geburtstagskind
Spaß macht. Leider gilt das nicht für den Geburtstag meines Mannes: denn an
diesem Tag sind wir IMMER, und in diesem Jahr natürlich GANZ UNBEDINGT!, bei
meinem Opa – der zu diesem Zeitpunkt auch noch in seiner eigenen Wohnung lebte!
Bevor ihr
nun aber „Mitleid“ mit meinem Mann bekommt: für ihn ist es kein Opfer seinen
Geburtstag in diesem Rahmen zu begehen.
Zum einen
habe ich eine sehr große Familie. Eine sehr große und laute Familie. Es ist wirklich
IMMER Stimmung in der Bude. Zum anderen ist mein Opa trotz seines hohen Alters
geistig noch fit und interessiert auch an „modernen“ Themen. Er weiß dass mein
Mann ITler ist und so unterhält er sich mit meinem Mann immer über „Hardware“
und „Software“, was mein Mann ausgesprochen „COOOL!“ findet.
Und an
noch einem anderen Thema ist mein Opa interessiert: an der Medizin. Er hat
Medizin studiert und bis heute ist das seine große Leidenschaft - natürlich hat
er auch Wissen in diesem Bereich!
Jonathan
und sein Gendefekt sind also Themen die immer besprochen werden wenn wir meinen
Opa sehen.
An diesem
Tag konnte ich einen vorwärts robbenden Jonathan präsentieren und mein Opa war
BEGEISTERT: „Kind, ich hätte NIE gedacht das er das mal können wird! Das ist
fantastisch!!“
Auch der
Rest meiner Familie war beeindruckt von der Entwicklung die Jonathan im letzten
Jahr vollzogen hatte (die meisten meiner Tanten und Onkel sehe ich nur einmal
im Jahr wenn mein Opa Geburtstag hat: weil sie einfach überall verstreut
leben).
Die
anfänglichen Berührungsängste die der ein oder andere aus der Verwandtschaft
noch vor einem Jahr gehabt hatte waren spätestens dann verflogen als Jonathan
durchs Wohnzimmer robbte, sich lässig auf die Seite legte und alle beobachtete.
8o)))
Ein
Besuch mit „Folgen“
Am
nächsten Tag erwarteten wir Besuch: ein Schulkamerad von mir (mit dem ich zu
Schulzeiten befreundet gewesen war – ihn über die Jahre aber aus den Augen
verloren hatte) hatte mich „wiedergefunden“ und durch ein Telefonat mit mir von
Jonathan und seiner Krankheit erfahren. Jetzt wollte er vorbei kommen und den
kleinen Mann in „echt“ kennenlernen.
(An der
Stelle muss ich erwähnen das dieser Schulkamerad heute Musiker ist: er hat eine
Band; singt und spielt Klavier im Duett mit einer Partnerin und tritt auch solo
als Keyboard-Begleitung für andere Musiker auf - z.B. im ZDF-Fernsehgarten.)
Ich
freute mich wirklich sehr auf diesen Besuch!! In den vergangenen Jahren hatte
ich mich oft gefragt wie es ihm ergangen war und was er machte – früher waren
wir Freunde gewesen und als solchen habe ich ihn ganz oft vermisst.
Tja…und
dann stand er vor mir. Nach zig Jahren sahen wir uns das erste Mal wieder –
aber es fühlte sich an als hätten wir uns erst vor ein paar Tagen gesehen und
gesprochen: die Vertrautheit von früher war sofort wieder da.
Und so
fiel es mir auch SEHR leicht ganz offen mit ihm über Jonathan -und das Leben
das wir nun führten- zu reden. Ich habe ihm von den Herausforderungen und
Ängsten erzählt die uns jeden Tag begleiten, von den Prognosen der Ärzte und
von unseren Träumen für Jonathan.
Er hat
sich alles ganz ruhig angehört und mir auch einige Fragen gestellt. Er hat
Jonathan auf den Arm genommen und mit ihm gekuschelt.
Dann hat
er mich angesehen und aus tiefstem Herzen gesagt: „Jonathan ist so ein süßer
Kerl, ich möchte euch helfen! Ich werde ein Benefizkonzert für euch spielen!“
Wir
hatten so lange keinen Kontakt gehabt und trotzdem bot er uns direkt diese
großartige Möglichkeit für Jonathan an. Ich wusste in diesem Moment zwar nicht
genau was ich sagen sollte, weil ich einfach total überwältigt und gerührt war
– aber ich wusste: er war ein wirklicher Freund!!!
Das
Konzert würde allerdings nicht sofort stattfinden können weil er aktuell zu
viele Engagements und keine Zeit hatte, aber wir würden einen Termin zu Beginn
des kommenden Jahres finden. Und jetzt natürlich auch in Kontakt bleiben!!!
(…das tun
wir auch bis heute. Und vielleicht weil wir älter und reifer sind als zu
Schulzeiten…vielleicht weil wir beide viele Rückschläge im Leben einstecken
mussten…vielleicht auch aufgrund meiner aktuellen Situation mit Jonathan an der
ich ihn SEHR offen teilhaben lasse….ist unsere Freundschaft um einiges tiefer
und intensiver geworden als sie es jemals war.)
Kurztrip
mit (fast) der ganzen Familie
Wiederum zwei
Wochen später feierten mein Vater und meine Schwester an zwei
aufeinanderfolgenden Tagen ihre Geburtstage. Und diese beiden Tage lagen dieses
Jahr auf einem Wochenende.
Also
hatten wir beschlossen etwas zu tun was wir tatsächlich (warum auch immer!)
vorher noch NIE gemacht hatten: wir würden mit der kompletten Familie einen
Kurzurlaub machen!!!
Mit der
kompletten Familie?? Naja, nicht ganz!!
Meine
Eltern, meine Geschwister sowie Marvin und ich würden gemeinsam an den Chiemsee
reisen – aber mein Mann und Jonathan würden zu Hause bleiben….
Der
ursprüngliche Plan war das auch sie mitkommen sollten, aber als wir es logisch
überdachten stellten wir fest: Marvin hatte freitags noch Schule, dann
Mittagessen und Hausaufgaben. Die Fahrt dauerte circa 6 Stunden - bis wir dann
am Zielort ankämen wäre es später Abend. Den nächsten Tag, Samstag, hätten wir
zwar komplett zur Verfügung – aber am Sonntag müssten wir spätestens nach dem
Mittagessen wieder zurückfahren weil Montag natürlich Schule war!
Für
Jonathan wäre dieser Wochenendausflug nur Stress gewesen: mindestens 12 Stunden
Autofahrt für nur einen vollen Tag „Urlaub“. Aus diesem Grund entschlossen wir
uns dazu dass Marvin und ich allein fahren würden….
Enttäuschung
bei der restlichen Familie: wir würden also NICHT alle zusammen das Wochenende
verbringen – aber die Gründe verstanden hat trotzdem jeder.
Es war
nicht das erste Mal das mein Mann das Wochenende mit Jonathan allein verbringen
würde: ich war bereits das ein oder andere Mal unterwegs gewesen, entweder mit
Marvin – oder mit meiner Cousine.
Mit
Marvin war ich in der Vergangenheit unterwegs gewesen damit auch er mal wieder
im Mittelpunkt stand, damit sich (wenigstens 2 Tage lang) mal wieder alles um
ihn drehte und Sachen gemacht wurden die IHM Spaß machten.
Wenn man
zwei Kinder hat, wovon eins behindert ist und besonderer Aufmerksamkeit bedarf:
dann muss das andere Kind öfter mal zurückstecken. Grade dann wenn der
Altersunterschied so groß ist wie bei uns und das gesunde Kind schon
selbstständig handeln kann.
(Ich rede
hier nicht von LIEBE: natürlich LIEBEN wir beide Kinder gleich, sowohl ich –
als auch mein Mann. Er ist zwar „nur“ Marvins Stiefvater, aber er liebt ihn wie
seinen eigenen Sohn - liebt ihn genauso sehr wie Jonathan. Unsere Familie und
Freunde können das bestätigen.)
…es geht
um die Aufmerksamkeit die man schenken kann, und um die Zeit die man zur
Verfügung hat… die ist bei zwei Kindern mit so unterschiedlichen Bedürfnissen
NICHT gleich und NICHT gerecht verteilt.
Und jeder
der sich in einer ähnlichen Situation befindet und der von sich behauptet
beiden Kindern in gleicher Weise gerecht zu werden: der LÜGT.
Mein Mann
und ich halten an der Stelle nichts von Augenwischerei, wir haben uns schon ein
paar Monate nachdem Jonathan aus der Klinik entlassen worden war eingestanden
das wir Marvin nicht mehr in der Weise gerecht werden (können) wie früher.
Und wir
haben uns die Frage gestellt wie wir die Situation verbessern können.
Zum einen
haben wir eine WIRKLICH tolle Familie hinter uns!!
Meinen
Eltern war von Anfang an klar dass wir Unterstützung benötigen würden. Sie
hatten Marvin ja schon zu der Zeit aufgefangen als Jonathan noch im Krankenhaus
lag und wussten dass sich die Situation nicht komplett entspannen würde wenn
der kleine Mann zu Hause war.
Also hat
mein Papa begonnen mit Marvin (und oft auch einem oder mehreren seiner Freunde)
Ausflüge zu unternehmen: schwimmen oder minigolfen zu gehen, solche Sachen
eben. Bei seinem Opa steht Marvin sowieso VIEL MEHR im Mittelpunkt als zu Hause
und hier darf er auch Sachen die er zu Hause nicht darf – also war das schon
mal PERFEKT und hat ihm gefallen. 8o))
Aber
Marvin braucht natürlich auch Aufmerksamkeit von meinem Mann und mir. Doch immer
wenn wir gemeinsam mit Jonathan unterwegs sind gehen die Bedürfnisse des
kleinen Mannes eben vor.
Deswegen
unternehmen wir regelmäßig und abwechselnd auch etwas mit Marvin allein: zum
Basketball, Eishockey oder Fußball gehen. In ein Spaßbad fahren und
MEGA-RUTSCHEN ausprobieren. Ausstellungen oder Museen ansehen. In Freizeitparks
mit Achterbahnen fahren. Die Tournee der „Ehrlich-Brothers“ besuchen. Was immer
Marvin machen möchte.
Mein Mann
war es also schon gewohnt mit Jonathan (auch länger) allein zu sein wenn Marvin
und ich unser „Mama-Marvin-Wochenende“ verbrachten. Und er war es noch aus
einem anderen Grund gewohnt. Denn….
..ab und
an….breche ich auch zu einem „Mama-Wochenende“ auf: mit meiner Cousine. Nur wir
beide – ohne Kinder und ohne Männer.
Städtereisen…Shopping…Konzertbesuche…egal!
Hauptsache wir sind zusammen und mal „nur für uns“.
Ich
brauche diese freie Zeit. Um Kraft zu tanken. Um mal wieder das Gefühl zu haben
das ich „mein eigener Mensch“ bin, der eigene Entscheidungen treffen darf und
NICHT abhängig ist von Uhrzeiten, Medikamentengaben oder Windeln die gewechselt
werden wollen. Ich muss dann nicht an die Hausarbeit oder die Wäscheberge
denken, nicht ans Kochen. Kann einfach mal Spaß haben….
Und mit
meiner Cousine (die für mich eher wie eine Schwester ist) unterwegs zu sein ist
immer so herrlich unkompliziert!!! Wir mögen zwar nicht immer die gleichen
Dinge, aber wir gehen beide klaglos Kompromisse ein und so kommt jeder auf
seine Kosten. Mit ihr fühle ich mich wohl und entspannt. Ich kann mit ihr über
alles reden was mich bewegt, sie bringt mir immer Verständnis entgegen - und
das ist ein unglaublich schönes Gefühl.
Mein Mann
hat zum Glück überhaupt kein Problem mit der Betreuung von Jonathan - er kann
und macht alles was auch ich mache: er wechselt dreckige Windeln, füttert und
verabreicht Medikamente. Ins Bett bringen klappt bei meinem Mann sogar BESSER
als bei mir!!! Während ich STUNDEN brauche bis Jonathan endlich schläft –
schafft mein Mann das meist in wenigen Minuten.
Von
daher: bin ich immer total tiefenentspannt wenn ich übers Wochenende wegfahre.
Ich mache mir keine Sorgen darüber ob mein Mann klarkommt: das tut er. Sogar
wenn Jonathan mal krank ist.
So, und
nachdem ich nun die Hintergründe ein wenig erklärt habe können wir wieder zum
eigentlichen Thema zurückkehren:
unserem
Wochenendtrip an den Chiemsee.
Meine Eltern
und meine Geschwister würden schon Freitag früh losfahren, sie hatten alle frei
und wollten die Zeit optimal nutzen.
Für uns
war das unmöglich weil ich Marvin nicht aus der Schule zu Hause lassen wollte.
Wir würden am Nachmittag starten und dann hoffentlich pünktlich zum Abendessen
ankommen.
Aber
leider stand unser Trip unter keinem guten Stern.
Schon
morgens häuften sich in den Nachrichten die Staumeldungen auf unserer
Fahrstrecke.
Meine
Eltern schickten per Handy Updates wo sie grade waren: auch sie hatten mit
Verkehrsbehinderungen durch Baustellen und Unfälle zu kämpfen.
Je näher
der Feierabend an diesem Freitag rückte desto mehr häuften sich die
Verkehrsbehinderungen. Ich kam ins Grübeln: hatte ich Lust stundenlang auf der
Autobahn im Stau zu stehen? Wahrscheinlich mit einem genervten Marvin neben mir
dem langweilig war. Klare Antwort: NEIN, HATTE ICH NICHT!
Deswegen
habe ich eine Entscheidung getroffen und meine Eltern und Geschwister
informiert: wir würden erst in der Nacht losfahren. Dann waren die Autobahnen
frei und wir kämen mit weniger Stress voran. Vorher könnte ich noch ein wenig
schlafen und dann ausgeruht starten: zum Frühstück würden wir alle zusammen
sitzen. Und auf den Geburtstag meines Papas anstoßen.
Gesagt,
getan. Es war zwar nicht die ganze Familie begeistert davon: die Frage ob sich
der Kurzurlaub dann noch lohnt wurde gestellt. Und, ob ich dann den kommenden
Tag überhaupt genießen könne wenn ich die halbe Nacht hindurch Auto gefahren
wäre.
Aber…ich
bin ein Dickkopf und lasse mir selten reinreden wenn ich mal eine Entscheidung
getroffen habe. Deswegen habe ich mich auch hier nicht beirren lassen. Und, wie
sich herausstellte: es war die richtige
Entscheidung…
Denn
nachts waren die Straßen wunderbar frei, es waren fast keine Autos und kaum LKW
unterwegs. Marvin machte auf dem Beifahrersitz die Augen zu und ich konnte in
aller Ruhe und absolut stressfrei Gas geben.
In den
frühen Morgenstunden, ungefähr eine Stunde Autofahrt lag noch vor uns, merkte
ich das meine Augen etwas schwer wurden. Also fuhr ich auf einen Rastplatz und
sagte Marvin dass ich mal eine halbe Stunde die Augen zumachen würde – danach
würden wir weiterfahren.
Als die
Sonne aufging, boten sich uns unfassbar schöne Bilder: der Himmel glutrot
hinter dem Panorama der Berge. Marvin holte sein Handy raus und knipste was das
Zeug hielt. Aber da wir Auto fuhren wurden die meisten Bilder nichts weil sie
verwackelt waren.
Nach fast
auf die Minute genau sechs Stunden kamen wir in unserer Pension an. Die Koffer
blieben erstmal im Auto, wir gingen hinein und fanden den Rest der Familie im
Frühstücksraum. Wir hatten es tatsächlich pünktlich geschafft, ich war
ausgeruht und kein bisschen gestresst – alles gut also.
Und dann
wurde erst mal auf den Geburtstag des Familienoberhauptes angestoßen,
standesgemäß mit Sekt. Und ordentlich gefrühstückt. Und darüber geredet was
heute auf dem Plan stand. 8o))
Entschieden
wurde vom Geburtstagskind. Wir würden zuerst eine Schiffsfahrt auf die Herreninsel
machen und dort würde sich ein Teil der Familie (Marvin, meine Schwester und
ich) das Schloss ansehen. Danach wollten wir auf die Fraueninsel übersetzen und
ein wenig spazieren gehen. Den Abschluss des Tages würde eine Seilbahnfahrt auf
die Kampenwand bilden, wo wir dann auch gemeinsam etwas essen würden.
Ich war
überaus begeistert von diesem Plan! (Ironisch gemeint!)
Denn ich
hasse es auf einem Schiff zu fahren und Seilbahn fahren ist auch überhaupt
nicht meine Welt. Aber gut. Das Geburtstagskind entschied und immerhin sollte
das Wochenende ein Familienwochenende werden und da musste man auch mal Sachen
machen die man nicht mochte.
Zum Glück
dauerte die Schifffahrt nicht lange und der Chiemsee lag ruhig vor uns, ich
habe es also überlebt.
Das Schloss
war ein Traum, es ist Versailles nachgebaut und so konnte ich Marvin viele
Details zeigen die man auch im Schloss des Sonnenkönigs bewundern durfte.
Solche Besichtigungen sind ja VOLL UND GANZ Marvins Ding, er hatte riesigen
Spaß und nervte unseren Guide mit hunderten von Fragen…LOL
Wir
spazierten noch etwas über die Insel und fuhren dann zur Fraueninsel, auf der
wir ebenfalls eine kleine Runde drehten. Groß ist diese Insel ja nicht, alles
was man dort machen kann sind Restaurantbesuche. Fischrestaurants, um genau zu
sein. Es war Mittagszeit und Marvin hatte eigentlich Hunger. Es war ein sehr
anstrengender Spaziergang weil er in jedem Lokal einkehren wollte – der Rest
der Familie aber lieber in luftiger Höhe auf dem Berg Mittagessen wollte.
Irgendwann
sind wir dann aber zu Marvins Begeisterung zurückgefahren und mit den Autos zur
Talstation der Seilbahn gefahren.
Ja….als
ich die Seilbahn sah…wäre ich am liebsten wieder in die Pension gefahren. Oder
nach Hause.
Lang…SEHR
STEIL…SEHR KLEINE Kabinen…die auch noch wackelten….mir war schlecht.
Meine
Schwester sah auch schon etwas grün im Gesicht aus. Wieso dann ausgerechnet wir
zwei Schisser gemeinsam mit Marvin in eine Kabine eingestiegen sind weiß ich
nicht. Auf jeden Fall war es die falsche Entscheidung Marvin mit uns fahren zu
lassen. Denn er erzählte uns die ganze Fahrt über (sicherlich 10-15 Minuten)
wie es wäre wenn die Stahlseile rissen und die Kabine abstürzen würde.
Ich hätte
am liebsten die Tür geöffnet und ihn rausgeworfen. Ging aber nicht weil wir
schon ziemlich hoch in der Luft waren.
Die
Kabine ächzte und schaukelte im Wind. Es war FÜRCHTERLICH. Ich begann mit
Atemtechniken und sah nicht nach UNTEN….nur gegen den Berg. Der steil war. Sehr
steil. Und sehr hoch. War nicht besser als in die Tiefe zu schauen.
Aber
irgendwie interessierte es mich wie der Ausblick von hier war. Schauen wollte
ich trotzdem nicht. Also habe ich einfach den Fotoapparat ans Fenster gehalten
und geknipst. Konnte mir die Bilder ja später anschauen wenn ich wieder
sicheren Boden unter den Füßen hatte. FALLS ich jemals wieder sicheren Boden
unter den Füßen haben würde.
Nun ja.
Wir kamen oben auf dem Berg an. Ohne Schäden. Aber mir war wirklich schlecht
und ich war fix und fertig. Was mein Papa überhaupt nicht verstehen konnte.
Der
Ausblick von hier oben entschädigte aber dann für einiges. Auch wenn leider
etwas Nebel über den Bergspitzen lag. Es war trotzdem fantastisch. Wir haben
gut gegessen und viel zusammen gelacht.
Verrückt:
aber in dieser Konstellation hatten wir noch nie zusammen Urlaub gemacht! Warum
eigentlich? (Das habe ich mich nach diesem Wochenende so oft gefragt.)
Runter
kommen sie alle, sagt man. Wir mussten mit der Bahn wieder nach unten fahren.
Aber Marvin würde nicht mehr mit in meiner Kabine sein, das stand für mich
fest!! Also fuhr er mit unseren Eltern und mein Bruder dafür mit meiner
Schwester und mir.
Der arme
Kerl hatte es nicht leicht mit uns. Meine Schwester und ich kreischten immer
wieder wie am Spieß weil es schaukelte und wir quasi mit der Kabine über die
Bergkante „geschossen“ wurden. Aber er lachte nur und sagte uns immer wieder
dass nichts passieren würde. Angenehm war die Fahrt trotzdem nicht, aber besser
als die Fahrt nach oben auf jeden Fall. Ich hätte Marvin gleich mit meinen
Eltern losschicken sollen….
Den Abend
ließen wir in unserer Pension beim Essen und einigen Bier ausklingen….oder
einigen Bier mehr….es war ein feuchtfröhlicher Abend um genau zu sein. Mit sehr
viel Gelächter und vielen alten Geschichten. Perfekt. Für MICH war es einfach
PERFEKT!
Am
nächsten Tag hatte meine Schwester Geburtstag. Und wieder sollte mit Sekt
angestoßen werden.
Der
Frühstücksraum war voll besetzt, eine Bedienung lief auch geschäftig hin und
her. Marvin saß meinem Papa am Tisch gegenüber als dieser die Sektflasche aus
dem Kühler nahm. Mein Papa wollte witzig sein und richtete die Flasche auf
Marvin, tat so als würde er den Sektkorken knallen lassen und lachte sich
kaputt als Marvin in Deckung ging.
ZUM
GLÜCK….ging Marvin auch ein paar Minuten später in Deckung als mein Papa die
Sektflasche dann WIRKLICH entkorkte. Denn DAS…ging ORDENTLICH daneben!!!
Keine
Ahnung was genau da passierte oder warum! Aber der Korken SCHOSS aus der
Flasche und flog knapp an Marvin vorbei, knallte gegen die Zimmerdecke
-verfehlte dabei die Lampe nur um Zentimeter- prallte ab, traf die Kellnerin
und landete schließlich mitten auf dem Frühstücksbüffet. Und das alles mit
einem ohrenbetäubenden Knall. O man. Die Blicke der anderen Frühstücksgäste
sprachen auch Bände. Wie PEINLICH!
Im ersten
Moment dachte ich das die Deckenverkleidung kaputt sei und/oder die Kellnerin
sich ernsthaft verletzt habe. Beides war aber zum Glück nicht der Fall.
Meinem
Papa fiel auch direkt auf das sein „Späßchen“ mit Marvin ein paar Minuten
vorher böse hätte ins Auge gehen können – im wahrsten Sinne des Wortes!
Aber zum
Glück war ja nichts passiert und komischerweise schäumte der Sekt auch nicht
über – obwohl man ja hätte meinen können dass die Flasche unter Druck gestanden
hätte und der Korken deswegen so herausgeschossen war.
Nachdem
wir uns dann alle von unserem Schreck erholt und uns bei der Kellnerin und den
anderen Gästen entschuldigt hatten konnten wir dann auch auf den Geburtstag
meiner Schwester anstoßen.
Sie hatte
sich für heute ausgesucht das wir Minigolfen gehen würden. DAS war doch mal was
nach meinem Geschmack!!!
Also
machte sich die komplette Familie auf den Weg zur Minigolfanlage. Das hatten
wir auch noch nie zusammen gemacht!! Manche von uns stellten sich besser an,
andere weniger gut (wer sich wie anstellte tut ja eigentlich nichts zur Sache.
Aber OKAY: ich war nicht so die beste Minigolferin! LOL)
Auf jeden
Fall hatten wir viel Spaß zusammen und haben auch sehr viel gelacht.
Gewonnen
hat, und das war passend!, das Geburtstagskind: meine Schwester.
Nach
einem sehr leckeren Mittagessen in einem Fischrestaurant mussten Marvin und ich
uns schon vom Rest der Familie verabschieden: für uns wurde es Zeit die
Heimreise anzutreten, morgen war wieder Schule.
Es war
zwar ein sehr „kurzes“ Wochenende in dem Sinne gewesen, aber auch ein sehr
schönes. Wir hatten so viel gelacht und einfach mal „quality time“ mit der
Familie genossen. PERFEKT.
Und zu
Hause??? Lief auch alles gut. Mein Mann hatte alles im Griff, wie immer wenn er
mit Jonathan allein war.
Drehtermin
mit der Tageszeitung
Nur
wenige Tage nach unserem Kurzurlaub am Chiemsee kamen drei Redakteure der
Tageszeitung vorbei in der schon mehrfach über uns berichtet worden war.
Diese
Zeitung hatte nicht nur ein Online-Portal, sondern seit Neuestem auch ein
Online-VIDEO-Portal. Das heißt, die Zeitung drehte kurze Filme und stellte
diese dann online bereit. Quasi Zeitungsberichte in bewegten Bildern.
Man hatte
uns vor einiger Zeit gefragt ob wir uns vorstellen könnten einen Drehtag mit
der Zeitung zu machen. Bei dieser Frage mussten wir nicht lange überlegen und
haben zugesagt. Schließlich verdankten wir dieser Zeitung sehr viel! Anstehende
Benefizaktionen und auch die vielen privaten Spenden hätten sicherlich nicht in
dem Umfang stattgefunden wenn wir nicht so eine liebevolle Berichterstattung
bekommen hätten.
Also
rückten an diesem Morgen unsere Zeitungsredakteurin, ein Kameramann und ein
Redakteur bei uns an. Auch sie kamen mit einer Menge Equipment, es unterschied
sich eigentlich nicht großartig von dem was das Fernsehteam mitgebracht hatte.
Auch die
Fragen die mir im Interview gestellt wurden ähnelten denen des Fernsehberichts.
Aber es gab einen Unterschied…dieses Interview nahm mich mehr mit und einige
Tränen kullerten. Ich weiß nicht genau woran es lag….vielleicht daran das ich
die Redakteurin die mir die Fragen stellte schon ziemlich gut kannte: sie hatte
uns ja schon mehrfach für die Zeitungsberichte interviewt – außerdem hatte mit
ihr wirklich von der ersten Sekunde an die Chemie total gestimmt. Vielleicht
war ich auch an diesem Tag einfach etwas emotionaler als sonst.
Nach
meinem Interview war mir dann aber zum Glück eine Pause zum Verschnaufen
vergönnt: für den Dreh hatten wir eine Stunde Frühförderung vereinbart. Unsere
„Frühfördertante“ war völlig aufgelöst und aufgeregt als sie bei uns ankam –
aber sie hat das vor der Kamera sehr souverän und gut gemacht!! Es sind tolle
Bilder für den Film entstanden!!!
Auch
dieser Dreh dauerte mehrere Stunden.
Wir
würden Bescheid bekommen wenn der Bericht fertig war und online ging, was ein
paar Tage dauern würde.
Aber die
Zeit bis dahin wurde nicht langweilig für uns, denn nun stand unser
Benefizdartturnier an!!!!
Benefizdartturnier
Seit
MONATEN war der Dartclub mit den Vorbereitungen beschäftigt gewesen:
-Plakate
und Flyer wurden gedruckt und aufgehängt/verteilt.
-Seit
feststand das es eine Tombola zu unseren Gunsten geben würde mussten Sponsoren
für die Preise gefunden werden. Also wurden sehr viele Emails geschickt und
Telefonate geführt. Einige Spenden fanden ihren Weg mit der Post zum Dartclub,
die meisten mussten aber abgeholt werden. Sie mussten sortiert und nummeriert -
und bis zum Tag des Turniers auch irgendwo gelagert werden: hier funktionierte
ein Mitglied des Clubs seine Kellerbar als „Lagerraum“ um.
-Anmeldungen
von Spielern wurden „bearbeitet“ und nach kurzer Zeit stand fest das in den
Räumlichkeiten des Dartclubs weder genug Platz für alle Spieler sein würde,
noch waren genug Dartautomaten vorhanden um die Spielabwicklung in angemessener
Zeit gewährleisten zu können.
Der
Dartclub hat seine Räume im Keller einer Shisha-Bar. Es wurde kurzerhand mit
deren Besitzern vereinbart dass man die Bar ausräumen werde um genug Platz für
alle Menschen zu haben. Ein Dartautomatenanbieter stellte noch einige Automaten
zur Verfügung, die wurden zum Glück auch geliefert und mussten nicht geholt
werden.
Logistisch
war bald alles geklärt. Nun ging es um die „Muskelkraft“: der Dartclub DURFTE
die Shisha-Bar ausräumen, musste die Möbel aber selbst aus dem Weg räumen.
Was diese
Männer und Frauen für diesen Tag geleistet haben ist –auch heute noch!-
unbegreiflich für mich. Sie haben tatsächlich alle Möbel „weg geschleppt“, die
Automaten aufgestellt, den Raum mit Tüchern abgehängt um eine besondere
Atmosphäre zu schaffen, die Preise für die Tombola in den Keller getragen…..
Einige
der Mitglieder des Clubs haben in den Monaten bis zum „großen Tag“ so viel
Kraft in dieses Event investiert das sie nervlich und körperlich einfach fertig
und vollkommen erschöpft waren. Das äußerte sich dann an diesem Abend in
Aussagen wie „Es ist ein super toller Abend und ich wünsche mir dass sehr viel
Geld für euch zusammenkommt! Aber sowas machen wir NIE WIEDER! Es war einfach
nur anstrengend!!“
Ich
(wir!) haben gesehen was diese Menschen geleistet haben, was sie über Monate
hinweg für uns getan haben um auf diesen einen Tag hinzuarbeiten. Für FREMDE
die wir einfach zu Beginn waren.
Dankbarkeit
ist ein viel zu kleines Wort für das was wir -bis heute- empfinden. Und bis
heute stehen wir in sehr engem Kontakt zu diesem Dartclub, wir sind Freunde
geworden.
(Mittlerweile
bin ich sogar Mitglied in diesem Club und trainiere einmal in der Woche mit
ihnen!)
Dieser
Abend war sehr aufregend für uns: es war das erste „richtige“ Benefizevent das
AUSSCHLIESSLICH für Jonathan organisiert worden war.
Da ich
Darts so liebe hatte ich vom Dartclub eine „white card“ für diesen Abend
bekommen: das heißt ich nahm aktiv am Turnier teil ohne eine Startgebühr zu
zahlen.
Das
Jonathan abends an so einer Veranstaltung nicht teilnehmen konnte war klar. Und
da ich mitspielen würde musste mein Mann mit ihm zu Hause bleiben - genau wie
Marvin: denn leider darf man nur ab 18 Jahren in die Shisha-Bar. Wir dachten
aber dass es schön wäre wenn man ein gemeinsames Foto von Jonathan mit dem
Dartclub hätte, also sind wir vor Beginn des Turniers (und somit vor
offizieller Öffnung der Bar) mit dem kleinen Mann dorthin gefahren und haben
Fotos gemacht.
(Eins
dieser Fotos ist bis heute das Startbild des Dartclubs bei Facebook! Was uns
sehr freut, zeigt es doch dass dem Club der Abend genauso viel bedeutet hat wie
uns.)
Mein Mann
ist mit den Kindern dann aber recht zügig auch wieder nach Hause gefahren, ich
hatte das große Glück diesen Abend genießen zu können. Es war umwerfend.
Fantastisch. Beeindruckend.
…über 100
Menschen kamen um am Turnier teilzunehmen. Viele unserer Bekannten und Freunde
hatten den Weg gefunden um sich an den Darts zu versuchen – der eine mit mehr,
der andere mit weniger Erfolg…aber alle mit viel Freude!! 8o))
Ganze
Dartclubs hatten sich angemeldet um uns zu unterstützen, einige von ihnen
überreichten mir auch Umschläge - weil die Vereine schon im Vorfeld Geld für
uns gesammelt hatten.
Der designierte
Bürgermeister war vor Ort und sagte ein paar Worte bevor auch er mir einen
Umschlag mit Spenden der Gemeinde überreichte.
Und dann…musste
ICH etwas ins Mikrofon sagen. Eigentlich kein Problem, ich bin durch meinen Job
gewöhnt vor vielen Menschen zu reden. Aber an diesem Abend….meine Eltern waren
auch gekommen und sahen mich erwartungsvoll an als ich zum Mikrofon griff und…
keine Ahnung…dann ging mir der Hals zu. Ich glaube ich habe sehr gestottert und
kein vernünftiges Wort herausgebracht. Auf jeden Fall habe ich komplett
vergessen zu sagen WER ich überhaupt bin. Bestimmt haben alle die mich NICHT
kannten erstmal überlegt was die Frau da mit dem Mikrofon macht. LOL
Irgendwie
habe ich es aber geschafft dem Dartclub zu danken und unser Geschenk (einen
Bilderrahmen mit Bildern von Jonathan und einer Danksagung) zu überreichen und
eine Einladung zu uns nach Hause zu Pizza und Bier –und natürlich Darts!- auszusprechen.
Und dann
ging es los: das Dartturnier startete. Mit einiger Verspätung weil auf der nahe
gelegenen Autobahn eine Vollsperrung war und einige Teilnehmer nicht
rechtzeitig vor Ort SEIN KONNTEN.
Nach drei
Spielen bin ich ausgeschieden weil ich einfach zu schlecht war. Aber egal: es
hat so viel Spaß gemacht!!!
Mit den
Gedanken war ich sowieso nicht wirklich beim SPIEL, denn es war so
beeindruckend diese ganzen Menschen zu sehen. Die nur aus dem Grund gekommen
waren um uns zu unterstützen. Mehr als einmal an diesem Abend habe ich mit den
Tränen gekämpft. Diese Anteilnahme erleben zu dürfen und diese
Unterstützung…..unser Leben ist ja weiß Gott nicht einfach: jeden Tag schwebt
der Gedanke über uns das Jonathan nicht ewig bei uns sein wird. Wie sehr man
sich auch anstrengt diese Gedanken zu „verdrängen“ – es gelingt nicht, oder
nicht immer.
Niemand
der nicht in einer ähnlichen Situation war oder ist kann nachempfinden, wie
sehr es hilft zu wissen das man Menschen hat die diesen Weg mit einem gemeinsam
gehen. Das Gefühl nicht allein zu sein gibt mir/uns so viel Kraft. An diesem
Abend war dieses Gefühl allgegenwärtig. So viele Menschen hatten den Weg
gefunden und mehr als einer sagte mir dass er eigentlich gar nicht Darts
spielt, aber wegen dem „guten Zweck“ gekommen sei: weil es wichtig wäre zu
helfen.
Bis heute
sind meine Gefühle dieses Abends so präsent, und ich glaube das werden sie auch
immer sein. Wir sind gesegnet das wir so etwas erleben durften.
(Und beim
Schreiben über diesen Abend kämpfe ich grade schon wieder mit Tränen der
Rührung…)
Meine
Eltern waren ja auch vor Ort und mein Papa konnte nur sagen: „Bow, Wahnsinn!“….immer
wieder höre ich Menschen darüber sprechen das Hilfsbereitschaft und
Nächstenliebe in unserer Gesellschaft nicht mehr praktiziert würden. Ich kann
das NICHT bestätigen. Und ich denke das ist auch das, was mein Papa an diesem
Abend gespürt hat.
Nach ein
paar Stunden waren alle Lose für die Tombola ausverkauft, tolle Preise (von der
Profidartscheibe über ein Tablet und Fanartikel einiger großer
Bundesligavereine und des DFB) hatten ihre neuen Besitzer gefunden. Und
wir….haben nicht nur eine größere vierstellige Summe als Unterstützung für
Jonathan erhalten – sondern auch viele ganz fantastische neue Freunde gewonnen.
Außerdem
hatte der Dartclub sich noch etwas einfallen lassen was uns echt sehr gerührt
hat: wir haben einen POKAL als Erinnerung an diesen Abend bekommen!! Einen
RIESIGEN POKAL!! Er war größer als alle Pokale die an die Gewinner des Turniers
vergeben wurden.
Nachdem
der Pokal am nächsten Morgen von Jonathan in Augenschein genommen worden war
(der kleine Mann war übrigens im Sitzen kleiner als der Pokal hoch war), hat er
einen Ehrenplatz in unserem Flur gefunden. Jeder der zu uns zu Besuch kommt
muss an diesem gigantischen Ding vorbei und auf jede Frage wo wir ihn denn
herhaben antworten wir sehr gerne – und bis heute mit einem breiten Grinsen im
Gesicht.
Der erste
Haarschnitt
…kam bei
Jonathan erst im Alter von über zwei Jahren…lach…
Lange
Zeit hatte der kleine Mann nämlich überhaupt keine Haare, dann nur einen zarten
Flaum - der aber nicht länger wurde. Auf meine Befürchtungen das Jonathan unter
Umständen wegen des Gendefekts GAR KEINE Haare bekommen würde…konnte mir kein
Arzt etwas erwidern.
Es ist eine Tatsache dass bei vielen Kindern
mit MOPD1 ein spärlicher Haarwuchs beschrieben wurde. Außerdem sind die Haare
dieser Kinder sehr oft „farblos“ – die Pigmente fehlen einfach. Bei Jonathan
waren die Augenbrauen so gut wie nicht sichtbar, sie bestanden nur aus sehr
wenigen und farblosen Haaren. Also war die Vermutung, das er keine
Kopfbehaarung bekommen würde, naheliegend.
Was aber unserer Humangenetikerin auffiel:
Jonathan HATTE Wimpern. Und zwar sehr lange, sehr dichte und SCHWARZE Wimpern.
Also bestand vielleicht doch Hoffnung dass auch die Kopfhaare wachsen würden??
Zu Anfang machte ich mir über das „Haarthema“
einige Gedanken. Doch irgendwann dachte ich: „Ich kann es nicht ändern, selbst
wenn er keine Haare bekommt. Und eigentlich..ist DAS doch auch nicht soooo
wichtig!“
Also haben wir das einfach so hingenommen und warteten
einfach darauf was passieren würde.
Ein „Problem“ bringt Jonathans Krankheit auf jeden
Fall mit sich: er hat eine SEHR trockene Haut die viel eingecremt werden muss.
Besonders im Winter wenn sie durch die trockene Heizungsluft noch zusätzlich
ausgetrocknet wird. Am Kopf ist es „am schlimmsten“, und so cremten wir dort
immer fleißig.
Trotzdem schuppte sich die Haut immer wieder und
unschöne Hautschuppen entstanden.
Meine Kosmetikerin hatte eine tolle Idee: ich hatte
von ihr eine elektrische Gesichtsbürste bekommen. Diese sollte die Durchblutung
anregen und die abgestorbenen Hautschüppchen lösen. Als sie Jonathan sah meinte
sie, dass ich einen zweiten Aufsatz für die Bürste kaufen und dem kleinen Mann
regelmäßig den Kopf massieren solle. Das würde ihm bestimmt gefallen und auf
jeden Fall das Hautbild verbessern.
Da ich oft sah wie Jonathan sich den Kopf am Boden
„schubberte“ als würde er jucken, fand ich es sei einen Versuch wert das mal
auszuprobieren.
Und was soll ich sagen??? Es war der HAMMER!!
Erstens war der kleine Mann absolut begeistert mit der Bürste den Kopf
„gekrault“ zu bekommen! Er kniff genießerisch die Augen zu und lag ganz still.
Zweitens wurde schon nach wenigen Tagen die Kopfhaut tatsächlich besser!! Keine
Schüppchen mehr!!
..und DRITTENS….begannen HAARE zu wachsen!! So
krass!!! Das lag offensichtlich daran dass die Massage mit der elektrischen
Bürste die Durchblutung förderte… und damit eben den Haarwuchs.
(Als unser Kinderarzt Jonathan das erste Mal „mit
Haaren“ sah war er total begeistert und fragte mich was ich gemacht hätte. Ich
habe ihm von dem Bürstchen erzählt und er sagte daraufhin total trocken: „Ich
glaube sowas brauche ich auch mal!“…LOL)
Natürlich hatte Jonathan nicht innerhalb kürzester
Zeit eine „Walle-Mähne“, das ist klar. Seine Haare waren und sind sehr dünn und
sehr spärlich. Ich habe auch den Eindruck dass sie langsamer wachsen als bei
anderen Menschen. Und aus diesem Grund dauerte es über ein Jahr bis wir
überhaupt darüber NACHDACHTEN mit ihm mal zum Frisör zu gehen.
Aber irgendwann wurde es Zeit dafür weil ihm
Haarsträhnen in die Ohren hingen und er sich immer wieder die Ohren aufkratzte
weil es ihn kitzelte.
Natürlich hätte ich im Endeffekt auch die Strähnen
selber abschneiden können. ABER…Jonathan ist SEHR LEBHAFT und immer in Action,
er hält nicht still. Alles an ihm ist so klein und ich kann sowieso NICHT gut
Haare schneiden – ich hatte Angst ihm mit der Schere ins Ohr zu schneiden.
Wenn ich zum Friseur gehe, muss Jonathan in der
Regel sowieso mit. Also habe ich meine Friseurin (zu der ich schon seit vielen
Jahren gehe) gefragt ob sie beim nächsten Termin mal „ein wenig Ordnung in das
Chaos bringen könne“. Was sie auch sehr gerne machen wollte!!
Sie kann unglaublich gut mit Kindern umgehen, hat
Marvin schon als kleinem Wicht immer die Haare geschnitten und er hat sie vom
ersten Moment an geliebt. Außerdem hat sie Jonathan schon gekannt bevor er auf
der Welt war, sie hat die ganze schwierige Schwangerschaft mitbekommen und
immer mit mir mitgefiebert. Also wer, wenn nicht sie, wäre jetzt besser für
diesen „Job“ geeignet gewesen???
Beim nächsten Termin ging sogar Marvin mit, was
auch sehr gut war: ist Jonathan doch immer viel ruhiger und entspannter wenn er
mit seinem Bruder zusammen ist.
Ich war ganz schön aufgeregt! Lach…eigentlich ja
totaler Blödsinn, aber der erste Haarschnitt ist schon irgendwie was
Besonderes.
Marvin saß auf dem Stuhl und hatte Jonathan auf dem
Schoß. Und dann fingen die „Probleme“ an. Unsere Friseurin betrachtete den
kleinen Mann und stellte fest das selbst ihr kleinster Kinderumhang NICHT
passen würde weil Jonathans Hals einfach zu dünn und er selbst viel zu kurz
war. Ohne Umhang wollte sie aber nicht schneiden damit ihm keine Haare in die
Kleidung fielen und ihn juckten.
Wir überlegten gemeinsam. Ich kam auf die Idee dass
wir ihm ein kleines Handtuch umlegen könnten, nur wie machten wir das fest
damit es nicht rutschte?? Da hatte sie aber eine Idee: das ginge doch mit einer
großen Haarklammer! Gesagt, getan! Es klappte….und zwar perfekt!!! Man muss nur
Ideen haben und kreativ sein…
Jetzt hieß es Jonathan abzulenken damit man ihm die
Haare schneiden konnte. Der Spiegel vor dem er mit Marvin saß war schon mal die
halbe Miete. Dann hat unsere Friseurin noch ein Bilderbuch gebracht und schon
konnte sie loslegen. Auf dem Schoß seines Bruders fühlte Jonathan sich sicher
und ließ sich alles gefallen.
(Für mich ist es immer wieder beeindruckend zu
sehen welches Vertrauen Jonathan zu Marvin hat. Dabei hatte ich nach Jonathans
Geburt solche Angst dass die beiden durch die lange Zeit im Krankenhaus keine
Bindung zueinander finden würden! Diese Angst war sowas von unbegründet!!!
Allein die Blicke die Jonathan seinem großen Bruder in für ihn unüberschaubaren
Situationen zuwirft sind einfach nicht zu beschreiben. Als wollte er ihn
fragen: „Ist die Situation okay oder muss ich Angst haben?“)
Unsere Friseurin ließ sich Zeit die Haare zu
schneiden und erklärte Jonathan auch immer wieder was sie tat oder zeigte es
ihm im Spiegel. Natürlich kann man nicht davon sprechen das der kleine Mann
einen „richtigen Schnitt“ bekommen hat: dafür sind seine Haare zu dünn und zu
wenig. Doch die Ohren waren wieder frei.
Übrigens…auf Wunsch EINER „Facebook-Fanin“ wurde
Jonathans Haar am Oberkopf nur MINIMAL gekürzt. Denn diese Frau liebt einfach
seine LOCKE so sehr! 8o))
Besuch im Gesundheitszentrum
Jonathans Gendefekt bringt auch diverse
Knochenfehlbildungen mit sich. Bei ihm besonders stark betroffen sind die
Beine: er hat X-Beine, ab dem Knie steht der Unterschenkel in einem
35Grad-Winkel ab. Ich habe so etwas tatsächlich noch NIE in live gesehen…wenn
Jonathan die Beine ausstreckt liegen die Unterschenkel irgendwie komplett nach
außen gedreht…das er so nicht stehen oder laufen kann: brauche ich niemandem zu
sagen.
Wir sind regelmäßig bei unserer Orthopädin. Diese
hatte schon vor circa einem halben Jahr gesagt das wir über Lagerungsschienen
für die Nacht nachdenken sollten. Damit könnten wir versuchen die Beine zu
begradigen. ABER: ähnlich wie bei einer Zahnspange passiert das natürlich mit
Druck. Und Druck tut weh. Die Nächte könnten also etwas unruhig werden.
Das war der Punkt der uns an der Stelle dazu
bewogen hat zu sagen: wir versuchen es erst noch einmal mit Osteopathie und
Physiotherapie. Arbeiten mit den Therapeuten an Übungen die die Beine grade
stellen könnten. Denn die Nächte waren (und sind) bei uns die Hölle. Auch ohne
Schienen.
Denn Jonathan schläft nicht durch. Und hat es noch
nie getan.
Er schläft einige Stunden in seinem eigenen Bett,
dann wird er wach. Wir haben WIRKLICH alles versucht…nichts bringt ihn dazu
dort weiterzuschlafen. Es hilft nur ihn mit zu uns ins Bett und in den Arm zu
nehmen. Aber auch dann: schläft er nicht ruhig sondern wacht alle halbe Stunde
auf und schreit WIE AM SPIESS. Warum das so ist…? Keine Ahnung. Wir wissen nur,
dass so ziemlich alle Eltern von Kindern mit Primordialen Kleinwuchsformen
damit Probleme haben…
Vielleicht liegt es daran das diese Kinder zu wenige
Schlafhormone produzieren oder das sie aufgrund der vorhandenen
Hirnfehlbildungen eine innere Unruhe besitzen die man nicht ausschalten kann.
Wir wissen es nicht genau. Wir wussten nur dass wir diesen Zustand, der uns
sowieso schon so viel Kraft kostete, nicht noch mit Schienen verschlimmern
wollten.
Also haben wir mit den Therapeuten Übungen gefunden
die helfen sollten die Beine zu begradigen. Ein halbes Jahr hatte ich sehr
intensiv mit Jonathan gearbeitet, und die Therapeuten ebenso.
Nun stand der nächste Kontrollbesuch bei der
Orthopädin an. Sie hat die Beine gemessen und festgestellt: ein Bein hatte sich
tatsächlich gebessert!!! Juchuuuuu!!! …aber ein Bein…war schlimmer geworden….na
toll!
Also führte nun kein Weg mehr an Lagerungsschienen
vorbei, denn das wir Jonathan „auf die Beine“ bekommen wollten stand für uns
einfach fest. Dafür musste er aber auch die körperlichen Voraussetzungen haben.
Wir haben ein Rezept erhalten mit der Maßgabe ein
Gesundheitszentrum aufzusuchen das auf Kinder spezialisiert und somit in der
Lage war diese winzigen Schienen überhaupt herzustellen. Die Orthopädin sagte
noch zu mir das wir eigentlich „Quengel-Schienen“ benötigen würden: das sind
Schienen mit einem Gelenk welches man immer fester anziehen kann – ähnlich wie
eine Zahnspange eben. Doch das es nicht möglich wäre diese Schienen in
Jonathans Größe anzufertigen, denn das kleinste Gelenk allein sei schon so groß
wie sein komplettes Bein.
Bei der Suche nach einem geeigneten
Gesundheitszentrum kam es mir zu Gute das ich einen Freund habe der in genau in
einem solchen arbeitet. 8o)) Es befindet sich nur 11 km von uns weg UND es hat
eine eigene Werkstatt. Das fand ich UNSCHÄTZBAR!! Derjenige der die Abdrücke
für die Schienen nehmen würde…würde die Schienen auch bauen. Und hätte
natürlich auch eine wirkliche Vorstellung davon WIE klein Jonathans Beine
waren!!
Also habe ich dort einen Termin gemacht und bin mit
Jonathan hingefahren. Ich habe dem Mitarbeiter (leider nicht meinem Freund, der
ist nicht auf Kinder spezialisiert) erklärt das wir EIGENTLICH Quengelschienen
brauchen würden, aber das wohl nicht möglich sei. Das sah er genauso.
Die erste Herausforderung vor der wir standen: wenn
Gipsabdrücke genommen werden müssen dann bekommt der Patient eine Art Strumpf
an – damit der Gips später nicht an der Haut klebt. Aber alle Strümpfe die
vorrätig waren – waren viel zu groß für Jonathans Mini-Beine. Kurzes Überlegen
und Absprachen unter den beiden anwesenden Mitarbeitern. Dann schnappte sich
einer einen Strumpf und ging.
Ich habe den anderen Mitarbeiter gefragt was sie denn
nun vorhatten. Ganz einfach: man würde diesen Strumpf kaputt schneiden und neu
zusammen nähen. Zum Glück kann hier offensichtlich jeder eine Nähmaschine
bedienen und schon nach kurzer Zeit war der Mitarbeiter mit dem selbst genähten
Strumpf wieder da. Und der passte auch noch wie angegossen!! Toll…ich war begeistert
das hier so viel Erfindungsreichtum und Kreativität an den Tag gelegt wurde.
Und dann, beim Gipsabdrücke für die Schienen nehmen…hielt
der eine Mitarbeiter Jonathans Bein in seiner Hand. Auf einmal fing er an zu
grinsen und sagte: „Ich habe da eine Idee!“. Nachdem die Abdrücke fertig waren
ging er weg und kam kurze Zeit danach wieder. Mit einem Gelenk in der Hand. Er
zeigte es mir, hielt es an Jonathans Bein und erklärte mir dass es sich hier um
ein Gelenk für einen FINGER handeln würde. Die Gelenke für Beine waren
tatsächlich zu groß, aber man könnte doch mit einem FINGERGELENK arbeiten???
Das passte auch!! Hammer..ich war SCHWER beeindruckt!!
Weniger beeindruckt war ich mal wieder von unserer
Krankenkasse….
Wir haben einen Kostenvoranschlag für die Schienen
bekommen und diesen dann auch bei der Kasse eingereicht. Nach wenigen Tagen
bekamen wir einen Anruf:
Das Gesundheitszentrum ist leider kein
Vertragspartner unserer Krankenkasse und deswegen sieht man sich außerstande
die kompletten Kosten zu übernehmen. Wir müssten 25% selber tragen – von 3000€
wohlgemerkt, denn das kosteten diese kleinen Schienen.
Ich war geschockt und habe gefragt wo denn der
nächste Vertragspartner der Krankenkasse sei. Der war 80 Kilometer weit
weg….hatte er eine eigene Werkstatt??? Nein, hatte er nicht. Das bedeutete für
mich: wenn ich dorthin fahren würde…würde ich ZIGMAL fahren!! Denn jedes Mal
wenn die Schienen anprobiert würden und etwas drückte oder nicht passte –
müssten sie eingeschickt werden. Und ich könnte erst dann wiederkommen wenn die
Schienen das Gesundheitszentrum wieder erreicht hatten…wenn sie dann wieder
nicht passten…naja, man kann es sich vorstellen denke ich.
Deswegen habe ich der Bearbeiterin erklärt das es
doch für alle Beteiligten viel Zeit- und Kostensparender wäre auf DAS Zentrum
zurückzugreifen das in der Nähe ist UND eine eigene Werkstatt hat!! Wenn man
dort feststellt dass etwas nicht passt geht der Mitarbeiter einfach eine Etage
höher und behebt das Problem während ich warte. Außerdem waren die Mitarbeiter
in dem von mir gewählten Haus so pfiffig und einfallsreich! Es musste doch auch
im Sinne der Kasse liegen dass man GUTE WARE bezahlte, die auch etwas brachte!!
Oder nicht??
Der Kompromiss bestand darin das wir eine
Kostenübernahme für EIN PAAR Schienen bekamen. Doch wenn wir wieder welche
benötigen, was der Fall sein wird wenn Jonathan wächst…dann müssen wir entweder
Weg und Zeit in Kauf nehmen und zum Vertragspartner der Kasse fahren. Oder eben
ein Viertel der Kosten selber bezahlen.
Verstehe einer die deutsche Bürokratie. Wir tun es
nicht.
Der Bericht der Tageszeitung im Online-Portal
Irgendwann in diesen Tagen bekam ich eine Nachricht
von unserer Redakteurin der Tageszeitung: unser Bericht wäre nun im
Online-Portal der Zeitung zu sehen.
Aber eine Sache müsste sie mir an der Stelle noch sagen….man
hatte sich dagegen entschieden die Interviews mit Marvin und meinem Mann im
Bericht zu zeigen, auch wäre kein „Erzähler“ eingesetzt worden – sondern nur
ich selbst wäre zu hören….was der Tatsache geschuldet wäre das ich einfach
alles so gut und in einer so ruhigen Art erklärt hätte.
Es war ein komisches Gefühl für mich und es macht
mich auch heute noch ein wenig traurig…die Zeitung hatte damit eine Priorität
gesetzt die ich selber so nicht sah: sie hatten MICH zur wichtigsten Person in
diesem Bericht gemacht. Eigentlich denke ich aber, das hätte Jonathan sein
sollen….UND AUSSERDEM….leisten mein Mann und Marvin jeden Tag GENAUSO VIEL WIE
ICH. Sie haben es verdient ebenfalls gehört zu werden und ihre Sicht der Dinge
schildern zu können.
Diese Entscheidung der Redakteure hatte für uns
alle einen sehr bitteren Beigeschmack. Grade für Marvin war es sehr
deprimierend! Er war schon im Fernsehbericht mit nur zwei Sätzen zu sehen
gewesen OBWOHL er ein langes Interview gegeben hatte. Und nun wurde er schon
wieder rausgeschnitten…hmmm….
Trotzdem….schauten wir uns den Bericht natürlich
an! Keine Frage!!!
Was soll ich sagen…er war GANZ ANDERS gemacht als
unser Fernsehbericht – schon allein weil er kürzer war.
ABER….diese Bilder….die Nahaufnahmen von Jonathan…sein
Blick der perfekt eingefangen wurde und einen glauben machte das man bis in
seine Seele blicken könne…und ja: meine ruhige Erzählstimme im Hintergrund.
Dieser Bericht war einfach PERFEKT. Er rührte mich zu Tränen!!! Und das tut er
bis heute…jedes Mal wenn ich ihn ansehe.
Auch wenn der bittere Beigeschmack bleibt das „meine
Männer“ leider nicht in der Form gewürdigt wurden wie ich das gerne gesehen
hätte.
(Ende 2017 stellte sich heraus das dieser Bericht,
obwohl erst im Oktober im Online-Portal der Zeitung veröffentlicht, einer der
erfolgreichsten und am häufigsten gesehenen Berichte des Kalenderjahres war!!)
Fußball-Benefizturnier
Es war irgendwann im Sommer als ein Freund meines
Mannes eine Nachricht schickte: er würde gerne mal bei uns vorbeikommen und
etwas besprechen.
Wir haben uns auf einen Termin für einen Besuch
verständigt - und dann saß er in unserem Wohnzimmer.
Er sagte das er unsere Facebook-Seite und den Blog
verfolge, er stellte viele Fragen über Jonathan und dazu wofür wir Geld
benötigen würden. Und dann sagte er einen Satz der sich in mein Gedächtnis
eingebrannt hat wie wenige andere Sätze: „Ich möchte euch helfen. Ich kann nur
Fußball, also wird es ein Benefizfußball-Turnier geben.“
Ich war sprachlos. Und hatte Tränen in den Augen.
Wir haben an diesem Tag noch ein paar Dinge
besprochen: welche Informationen über Jonathan und welche Bilder durften für
die „Werbung“ für das Event verwendet werden??? WO wollten wir Werbung machen??
Und auch bei dieser Veranstaltung sollte es eine Tombola geben: welche
Sponsoren könnten wir begeistern Preise umsonst zur Verfügung zu stellen??
Zuerst war nur von einem Tag die Rede: ein
Fußballturnier mit „Familientag“: also Essen, Livemusik, Tombola und
Kinderbelustigung. Dafür bräuchte man auch ein Zelt, denn das Wetter könnte ja
schlecht sein.
Nach einigen Wochen kam aus den Reihen des Sportvereins
die Idee dass Event über ZWEI Tage zu veranstalten. Das Zelt müsste ja sowieso
gestellt werden und dann könnte man doch Samstag UND Sonntag etwas aufziehen.
Ich dachte ich träume!!
Nun ja… mit der Planung, Organisation und
Durchführung hatten wir nichts zu tun – das hat alles der Sportverein
übernommen. Wir bekamen nur regelmäßige Updates.
Und die hauten mich immer wieder um!!! So
erreichten mich im Laufe der Wochen Informationen dazu was alles organisiert
war und stattfinden würde:
Kinderschminken…Ponyreiten..Hüpfburg…kostenloses
Quadfahren von und mit einem „Kinder-Quadclub“…die Tombola mit exklusiven
Preisen…Livemusik mit mehreren Bands…. am ersten Tag würde ein Kinderturnier
stattfinden unter Teilnahme von Harry Karger… eine Party am ersten Abend im
Zelt…am zweiten Tag würde es dann ein Erwachsenenturnier geben…
Wahnsinn….ich war bei jedem Update einfach nur
sprachlos und …dankbar…
Grade die Updates über den ZWEITEN TAG waren die,
die unser Leben nachhaltig verändern sollten – doch das wusste ich damals noch
nicht.
Ich erinnere mich das unser Freund anrief und total
aufgeregt erzählte: „Am Erwachsenenturnier nehmen die KREISLIGALEGENDEN teil
und die bringen IKKE HÜFTGOLD mit!! Außerdem haben sie RALF OHRMANN als Coach
gewinnen können! Ist das nicht KRASS?“ Jaaaaa….also…ich freute mich mal ganz
doll mit und legte dann nachdenklich auf….hmmm….ich hatte ehrlich gesagt
überhaupt keine Ahnung wer die Kreisligalegenden, Ikke Hüftgold oder Ralf
Ohrmann waren. Ich war wohl irgendwie nicht „up to date“!
Aber….es mussten ja Menschen sein die die Euphorie
rechtfertigten die unser Kumpel an den Tag legte, also…wollte ich mich beim
Turnier (an dem wir natürlich vor Ort sein würden!) nicht blamieren. Und habe
deswegen im Internet recherchiert. Schon allein um die Menschen dann vor Ort zu
ERKENNEN.
Was soll ich sagen??? JETZT war ich wirklich
sprachlos wer da zu UNSEREM Benefizevent erscheinen würde!!
Ralf Ohrmann..Fitness-Guru und Personal Coach
einiger Fußball-Nationalspieler…
Die Kreisligalegende…Tobi Sergeo. Tobi verwaltet
auch eine der erfolgreichsten Facebook-Fußballseiten überhaupt:
„Kreisligafussball – das Bier gewinnt“….und brachte eine Truppe junger Fußballer
mit die für diese Facebook-Seite antraten.
Ikke Hüftgold…Mallorca-Partyschlager-Gott…der
erfolgreichste männliche Mallorca-Künstler aller Zeiten…Produzent…Besitzer
eines eigenen Plattenlabels…UND: Besitzer einer Gartenbaufirma….
(Und jetzt muss ich kurz abschweifen weil die Welt
hier bei uns im Westerwald einfach so klein ist!!
Diese Gartenbaufirma…hatten wir nur einige Monate
vorher engagiert um unseren Rasen neu einzusäen und ich hatte mich, als wir die
Rechnung bekamen, köstlich darüber amüsiert wie jemand der eine Gartenbaufirma
besitzt nur „DISTEL“ heißen kann. Und nun stellte ich bei meinen Recherchen
über IKKE HÜFTGOLD fest…das ER der Besitzer eben dieser Firma war! Verrückt!
Lach…)
Ich las mir von allen Herren, inklusive Harry
Karger, die Vita im Internet durch und sah mir Bilder an. Schließlich wollte
ich sie ja erkennen und vielleicht auch Themen haben über die wir reden
könnten!
Die Zeit verflog, der große Tag war da!
Tag 1 unseres Benefizfußballturniers.
Ich war so dermaßen aufgeregt an diesem Tag, bekam
kaum Luft als wir losfuhren.
Ja, und dann…erlebten wir einen unbeschreiblichen
Tag!! Ich denke..den werden wir alle NIE mehr im Leben vergessen!!
An diesem ersten Tag fand das Jugendturnier statt.
Es waren unfassbar viele Kindermannschaften angereist, der Sportplatz war
erfüllt vom Lachen und Schreien unzähliger Kinder.
Zwei Mannschaften haben mich besonders beeindruckt.
Die eine war eine Mannschaft die extra mehr als
70km angereist war um dabei zu sein. Einige der Jungs hatten irgendwann den Mut
zu mir zu kommen und mir Fragen über Jonathan zu stellen, ihn zu begrüßen und
ihm auch mal die Hand zu geben.
Ein Junge rührte mich zu Tränen als er sagte das er
uns bei Facebook folgt weil Jonathan so toll ist und ob ich ihm erlauben würde
ein Selfie mit Jonathan zu machen…mein Gott….sollten Jungs in dem Alter nicht
ROCKSTARS anhimmeln??? Oder FUSSBALLER??? Aber dieser Bub…der himmelte MEINEN
SOHN an…das war einfach…rührend…und natürlich durfte er sein Foto machen!!
Die andere Mannschaft…war die Jugendmannschaft des
veranstaltenden Sportvereins. Diese Kinder hatten doch tatsächlich von ihrem
Taschengeld eine Spendenaktion gemacht – für Jonathan. Das Geld war von den
Eltern aufgestockt worden und befand sich in einem kleinen Tresor den die Jungs
und Mädchen uns ganz verschämt überreichten. Sie waren so aufgeregt und wussten
gar nicht was sie uns sagen sollten….aber trotzdem waren sie so sicher dass sie
mit dieser Aktion das Richtige taten….DAS hat mich noch Tage später immer
wieder zu Tränen gerührt…unfassbar wie Kinder sein können!!! Ich glaube…die
Eltern aller dieser Kinder haben wirklich ganze Arbeit bei der Erziehung geleistet
– HUT AB!!!
Auch sehr beeindruckt waren wir von der Offenheit
der Besucher des Turniers. NOCH NIE vorher hatten wir so viele Fragen gestellt
bekommen, waren wir mit so viel OFFENHEIT und so WENIG BERÜHRUNGSÄNGSTEN
empfangen worden wie hier.
Fast jeder der mit mir sprach hatte entweder meinen
Blog gelesen oder folgte uns bei Facebook – oder sogar beides. Jeder wusste
über uns Bescheid.
Ganz ehrlich…es war ein bisschen ein Gefühl als
wären wir „Promis“…lach…einige Wochen vor dieser Veranstaltung hatte ich Marvin
noch gefragt wann man denn seiner Meinung nach berühmt ist…und er sagte: „Wenn
man um ein Selfie gebeten wird, Mama!“..tja…an diesem Tag wurden wir MEHRFACH
um Selfies gebeten…8o))
Nach einigen Stunden verließen wir das
Turnier…voller Glückshormone…total aufgedreht und mit einem Dauergrinsen im
Gesicht.
Und dann startete Tag 2 des Turniers.
Schon ganz früh fuhren wir los, wir wollten vor Ort
sein bevor es richtig los ging um einfach allen Helfern in Ruhe DANKE sagen zu
können.
Eine Fotografin war schon vor Ort, sie würde heute
Fotos machen die man dann käuflich erwerben konnte. Die erste Live-Band baute
grade auf und wir konnten noch kurz reden. Am Getränkeausschank und am Essensstand
nahmen die Helfer schon ihre Plätze ein. Das DRK war mit einem Rettungswagen
vor Ort, die Helfer waren heute ehrenamtlich im Einsatz: als Spende für
Jonathan. Wir haben allen HALLO und DANKE gesagt, hatten Jonathan dabei auf dem
Arm und haben Fragen beantwortet.
Bis…unser Kumpel kam und uns bat mit ins Zelt zu
kommen, man wolle uns sprechen.
…dieser Moment der dann folgte hat unser –und vor
allem Jonathans!- Leben verändert.
Wir betraten das Zelt, das an diesem Tag den
Fußballmannschaften zum Umziehen diente. Und…vor mir standen einige Männer die
alle weiße T-Shirts anhatten und darauf war…JONATHANS FOTO aus dem Blog. Ich
war einfach nur sprachlos!!! Sie hatten einen Hashtag „erfunden“ und diesen
ebenfalls auf die Shirts gedruckt: „KEEP FIGHTING JONATHAN“. Ich wusste nicht
was ich sagen sollte, mir standen Tränen in den Augen weil mich von so vielen
Männeroberkörpern MEIN SOHN ansah…was die sich für eine Arbeit für das Turnier
gemacht hatten!!...ich habe zu meinem Mann nur sagen können: „Schau mal, die
haben alle Jonis Bild auf dem Shirt…krass!“
DIESE MÄNNER waren von der Facebook-Seite KREISLIGAFUSSBALL….und
einen, der in der hintersten Ecke saß, habe ich auch sofort erkannt: Ikke
Hüftgold. Ich habe ihm gewunken und gesagt: „Dich kenne ich!“….dann kam er auch
schon zu uns und stellte uns gefühlte 1000 Fragen über Jonathan. Er zeigte
wahnsinniges Interesse und dann…fragte er mich ob er den Kleinen halten dürfe.
Durfte er. Und ab diesem Moment….waren er und Joni „in love“.
Sowas habe ich bei unserem Zwerg NOCH NIE erlebt,
ich schwöre es. Er himmelte Ikke (oder Matthias, wie er für mich heißt) an…er
verschlang ihn mit den Augen…er schmiegte sich an ihn und plapperte in seiner
eigenen Sprache…hatte nur noch Augen für diesen großen Mann mit der tiefen
Stimme. Und umgekehrt…war da ebenfalls so viel Liebe. In jeder freien Minute
dieses Tages kam Matthias zu uns und nahm Jonathan auf den Arm, redete mit ihm
oder mir.
Mir trieb es die Tränen in die Augen als ich
Jonathan in diesen Momenten auf Matthias` Arm so vollkommen glücklich und in
sich ruhend gesehen habe. Ich verstand zwar nicht was zwischen den beiden da
passierte, aber Jonathan strahlte – und alles andere interessierte mich nicht.
(Bis heute stehen wir in regelmäßigem Kontakt mit
Matthias. Jede Sprachnachricht von ihm bringt Jonathan zum Strahlen. Machen wir
Videos von IKKE an –die pädagogisch sicherlich NICHT wertvoll sind! LOL- hüpft,
„tanzt“ und gluckst Jonathan vor Glück. Ich kann einfach gar nicht in Worte
fassen wie dankbar ich diesem Mann bin das er mein Kind so glücklich macht! Wir
wissen das Jonathan kein so langes Leben haben wird wie wir, und aus diesem
Grund hatte und hat es für uns schon immer oberste Priorität den kleinen Kerl
glücklich zu machen - komme was wolle: Hauptsache er hat Spaß und lacht!!! Seit
dem Fußballturnier hat Matthias einen ganz entscheidenden Anteil am Glück in
Jonathans Leben. Und dafür werde ich ihm immer dankbar sein.)
Kurz darauf traf auch Ralf Ohrmann ein. Ein total
sympathischer Mann der ebenfalls großes Interesse an Jonathan zeigte, viele Fragen
stellte und….eine sehr großzügige Spende für uns mitbrachte. RALF: ICH ZIEHE
DEN HUT VOR DIR UND BEDANKE MICH AUF DIESEM WEG ERNEUT!
Ralf hat das Team der Kreisligalegenden
offensichtlich gut gecoacht, denn zum einen wurden sie Zweiter des Turniers –
zum anderen kam der Torschützenkönig aus dieser Mannschaft. (Nein, es war nicht
Ikke – obwohl der tatsächlich NICHT schlecht Fußball spielte!!! Böse Zungen
sagten nach dem Turnier das er sogar besser kickt als singt….LOL… Der
Torschützenkönig war Tobi Sergio der mit sieben Treffern einfach total abräumte!)
Jonathans Papa hat ebenfalls mit einer Mannschaft
am Turnier teilgenommen: „Jonathans Invalidentruppe“ haben sie sich genannt….nun
ja…diese Truppe landete unter „ferner liefen“. Aber wie lautet der Spruch noch
mal: „DABEI IST ALLES!“…lol…