Doch eine
Ablenkung nahte an diesem Nachmittag: die Clowndoktoren waren auf Station! Wir
hörten sie schon auf dem Flur vor den Zimmern Mundharmonika spielen, wir hörten
ihr Lachen und auch das einiger Kinder.
Es
dauerte dann auch nicht lange und die Tür zu unserem Zimmer ging auf und sie
kamen herein. Eine Frau und ein Mann, beide total lustig angezogen: bunt und
mit Scherzartikeln ausgerüstet, ein Kuscheltier und eine Mundharmonika dabei.
Geschminkt und natürlich mit Clownsnasen.
Ich werde
nie Jonathans Gesichtsausdruck vergessen: er starrte die beiden mit offenem
Mund an und ich hätte echt viel darum gegeben seine Gedanken in diesem Moment
zu kennen!! Er kannte nur „richtige“ Ärzte, hat er sich gefragt warum die
beiden so komisch aussehen???
Der
Gesichtsausdruck der beiden Doktoren als sie Jonathan erblickten war aber auch
lustig. Sie waren begeistert und sagten er sei total süß; waren aber auch
verwirrt weil er sie so neugierig betrachtete und doch so klein war, das man im
ersten Moment glaubte er sei grade erst geboren worden.
Wir
klärten die beiden Clowns auf und sagten ihnen das Jonathan schon über ein
Jahr, aber kleinwüchsig sei. Daraufhin haben sie angefangen ihn zu belustigen:
für ihn zu singen, Mundharmonika zu spielen und ihm auch ihre Scherzartikel
vorgeführt.
Wieviel Joni
davon wirklich erfassen konnte weiß ich nicht, aber er hat die beiden die ganze
Zeit staunend betrachtet und war ruhig – also hat es ihm zumindest gefallen,
denke ich.
Ich war
wirklich begeistert von dieser kurzen Ablenkung, wobei ich dabei auch mehr an
die etwas größeren Kinder hier auf Station dachte. Wenn man am Ende wochenlang
hier liegen und sich langweilen muss…wie schön muss es für diese Kinder sein
wenn ein Clown sich Zeit nimmt sie zum Lachen zu bringen!! Und außerdem ist
lachten ja die beste Medizin – sagt man.
(Wer sich
für dieses Projekt interessiert kann DIE CLOWNDOKTOREN googlen!)
Die
Clowns waren weg, und Jonathans Pupille immer noch so riesig wie vorher. Das
konnte doch gar nicht sein!! Die OP war schon STUNDEN vorbei und das andere Auge
auch wieder ok…warum dieses eine nicht?? Ich war wirklich richtig nervös!!
Schließlich war das nicht die erste Untersuchung bei der diese Tropfen
verwendet wurden – aber so eine Reaktion hatten wir danach wirklich noch nie!
In der
ganzen Aufregung hatte ich total vergessen dass unser Chirurg ja versprochen hatte
noch einmal nach uns zu sehen - und er kam auch. Ich war total erleichtert,
jetzt konnte ich IHN ja fragen ob das mit den Pupillen noch im normalen Bereich
war.
Der
Chirurg fand das Ganze nicht so besorgniserregend wie ich. Er meinte das es
schon mal sein kann das die Pupille mehrere Stunden braucht um sich wieder
zurückzubilden, wir sollten uns nicht verrückt machen. Allerdings sollten wir
Bescheid geben wenn sie am nächsten Morgen immer noch derart vergrößert sei.
Ok: ich war beruhigt.
Und er
teilte uns noch etwas mit was mich sehr freute! Aber auch überraschte!
Nachdem
er Jonathans Hoden und Leiste untersucht und uns noch einige Fragen bezüglich
Nahrungsaufnahme, Fieber und Stuhlgang gestellt hatte sagte er: „Wenn alles so
bleibt…können Sie morgen nach der Visite nach Hause gehen!“
WHAT???
Nach Hause??? Einen Tag nach der OP??? Echt jetzt??? …das ging mir in dem
Moment durch den Kopf... Hammer!! Dabei hatten wir drei oder vier Tage
Klinikaufenthalt eingeplant. Mein Mann hatte genug Klamotten dabei und auch
Zeitschriften, Laptop und Filme.
Aber
natürlich würden wir uns nicht beschweren wenn er das alles umsonst mitgenommen
hätte und es nicht bräuchte! 8o))
Irgendwann
bin ich dann nach Hause gefahren. Mit guten Nachrichten für Marvin: vielleicht
durfte sein Bruder schon am nächsten Tag nach Hause!! Das wäre ja echt super!!
Am
nächsten Morgen kam ich in die Klinik. Aufgeregt!! War alles gut?? Würden wir
gehen dürften???
Jonathan
war fit, er hatte auch relativ gut geschlafen in der Nacht: er war zwar ein
paarmal wach geworden und hatte geweint – sicherlich vor Schmerzen. Aber
nachdem er dann Schmerzmittel bekommen hatte war es auch wieder ok gewesen.
Seine Temperatur war ein wenig erhöht, aber man konnte nicht wirklich von
Fieber sprechen. Also alles soweit super!!
Jetzt
hieß es waren auf die Visite. Und hoffen das wir gehen durften. Ich war schon
sehr nervös. Die ganze Zeit hatte ich die Diskussionen mit der Ärztin im Kopf
die uns mit/nach den Rota-Viren nicht entlassen wollte. Würde das am Ende heute
wieder so kommen??
Die
Visite kam recht früh am Vormittag. Der Chirurg (der Medizinstudent) und eine
mir fremde Ärztin betraten das Zimmer. Zuerst untersuchten sie gemeinsam
unseren „Zimmergenossen“, ein kleines Baby das auch am vorhergehenden Tag
operiert worden war. Das Handy des Chirurgen klingelte und er verließ das
Zimmer. Die Ärztin teilte den anderen Eltern mit das sie noch ein paar Tage
bleiben müssten, die Wunden und das Fieber müssten weiterhin kontrolliert
werden.
Mir
rutschte das Herz in die Hose. Na toll! Ich hatte die Vermutung dass bei dem
Baby dieselbe OP gemacht worden war wie bei Jonathan (mit Sicherheit wusste ich
es aber nicht weil wir uns mit den Eltern nicht verständigen konnten. Sie
sprachen kein Deutsch oder Englisch.). Wenn das Baby also bleiben musste – dann
wir bestimmt auch!
Auf jeden
Fall kam die Ärztin dann zu uns, begrüßte uns und wollte mit der Untersuchung
beginnen. Da ich glaubte, eher von unserem Chirurgen als von ihr entlassen zu
werden, fragte ich sie ob es ok sei wenn wir auf den Arzt warten würden – und
er selber die Untersuchung vornehmen würde. Ich hatte ein wenig Bedenken ob sie
sich davon „auf den Fuß getreten fühlen würde“, aber das war nicht der Fall.
Wir warteten also einfach ein paar Minuten und dann kam der Chirurg zu uns.
Er begrüßte
uns, lachte und sagte: „Wissen Sie wer das grade an meinem Handy war?“…wir wussten das natürlich nicht,
woher auch! 8o)) „Es war Dr. …(der andere Chirurg). Er hat zu mir gesagt DU
BIST DOCH GRADE BEIM KLEINEN JONATHAN, WIE GEHT ES IHM DENN?...woher weiß er
das ich grade bei Ihnen bin? Er ist auf einem Kongress in Amerika! Ich glaube
er hat eine Kamera in mein Handy eingebaut und überwacht mich! Big brother is
watching you!“ Dann lachte er schallend, und wir auch! Das war auch echt ein
witziger Zufall, oder?? Und wieder mal ein Zeichen dafür wie sehr sich dieser
Arzt für unseren Sohn interessiert! Es imponiert mir aber auch echt immer
wieder aufs Neue!
Doch nun
mussten wir ernst werden und der Arzt Jonathan untersuchen. Wie genau der
Genitalbereich nach dieser OP aussah werde ich nicht schildern. Zum einen als
Schutz für Jonathan…zum anderen aber auch als Schutz für alle Männer die diesen
Blog lesen! Ich glaube die hätten richtige körperliche Schmerzen wenn ich die
Hoden eingehender beschreiben würde. 8o))
Der Arzt
war jedenfalls mit dem Gesamtbild zufrieden. Es war keine Entzündung vorhanden,
Jonathan hatte immer noch kein Fieber – nur etwas erhöhte Temperatur, er hatte
gegessen und getrunken und die Windeln waren voll.
„Alles
super! Sie können nach Hause gehen! In 10 Tagen zum Kinderarzt: der soll dann
die Wundpflaster entfernen die SIE bitte so lange drauf lassen. Ansonsten: sind
Sie ja geübt mit Medikamentengaben gegen Fieber, und sollte Sie irgendetwas
beunruhigen: melden Sie sich. Packen Sie schnell alles ein, wir wissen ja das
Jonathan Kliniken nicht leiden kann und bevor er wieder die Nahrung
verweigert…“
Wow!!!!!
Das war mal eine Aussage!!! Mir fiel ein Stein vom Herzen, ich war so
glücklich. Endlich mal ein Arzt der uns verstand und uns auch etwas zutraute.
Der uns vertraute. Das war schon ein toller Moment!!
Ich bat
noch um ein Foto: mein Sohn und unser Chirurg. Als Erinnerung an DIESEN
Klinikaufenthalt. Da das Foto kurz vor der Entlassung entstanden ist schaue ich
es auch bis heute gerne an!! 8o))
Und dann
nichts wie heim! Alles zusammen packen: wir mussten zweimal laufen…aber egal.
Böse Blicke von unseren Zimmergenossen. Wir dürfen gehen und sie mussten bleiben.
Ganz ehrlich? In diesem Moment war mir das egal. In diesem Moment war ich
einfach nur egoistisch und froh hier raus zu kommen!!
Zu
Hause….ein tolles Gefühl!!
Wir
hatten jetzt Anfang Juli 2016 und in den vergangenen zwei Monaten hatten wir 3
Krankenhausaufenthalte, 2 davon ungeplant!, gehabt. Das zehrt an den
Nerven…grade mit einem solchen Kind wie Jonathan, bei dem man nie weiß wie er
OPs und Krankheiten verkraftet.
Aber
jetzt lag das hinter uns und wir hofften – und glaubten – das jetzt Ruhe einkehren
würde. Das wir unser Leben zu viert nun endlich mal uneingeschränkt genießen
könnten…und wir sollten Recht behalten!