Freitag, 6. Oktober 2017

Doch eine Ablenkung nahte an diesem Nachmittag: die Clowndoktoren waren auf Station! Wir hörten sie schon auf dem Flur vor den Zimmern Mundharmonika spielen, wir hörten ihr Lachen und auch das einiger Kinder.

Es dauerte dann auch nicht lange und die Tür zu unserem Zimmer ging auf und sie kamen herein. Eine Frau und ein Mann, beide total lustig angezogen: bunt und mit Scherzartikeln ausgerüstet, ein Kuscheltier und eine Mundharmonika dabei. Geschminkt und natürlich mit Clownsnasen.

Ich werde nie Jonathans Gesichtsausdruck vergessen: er starrte die beiden mit offenem Mund an und ich hätte echt viel darum gegeben seine Gedanken in diesem Moment zu kennen!! Er kannte nur „richtige“ Ärzte, hat er sich gefragt warum die beiden so komisch aussehen???

Der Gesichtsausdruck der beiden Doktoren als sie Jonathan erblickten war aber auch lustig. Sie waren begeistert und sagten er sei total süß; waren aber auch verwirrt weil er sie so neugierig betrachtete und doch so klein war, das man im ersten Moment glaubte er sei grade erst geboren worden.

Wir klärten die beiden Clowns auf und sagten ihnen das Jonathan schon über ein Jahr, aber kleinwüchsig sei. Daraufhin haben sie angefangen ihn zu belustigen: für ihn zu singen, Mundharmonika zu spielen und ihm auch ihre Scherzartikel vorgeführt.

Wieviel Joni davon wirklich erfassen konnte weiß ich nicht, aber er hat die beiden die ganze Zeit staunend betrachtet und war ruhig – also hat es ihm zumindest gefallen, denke ich.

Ich war wirklich begeistert von dieser kurzen Ablenkung, wobei ich dabei auch mehr an die etwas größeren Kinder hier auf Station dachte. Wenn man am Ende wochenlang hier liegen und sich langweilen muss…wie schön muss es für diese Kinder sein wenn ein Clown sich Zeit nimmt sie zum Lachen zu bringen!! Und außerdem ist lachten ja die beste Medizin – sagt man.
(Wer sich für dieses Projekt interessiert kann DIE CLOWNDOKTOREN googlen!)

Die Clowns waren weg, und Jonathans Pupille immer noch so riesig wie vorher. Das konnte doch gar nicht sein!! Die OP war schon STUNDEN vorbei und das andere Auge auch wieder ok…warum dieses eine nicht?? Ich war wirklich richtig nervös!! Schließlich war das nicht die erste Untersuchung bei der diese Tropfen verwendet wurden – aber so eine Reaktion hatten wir danach wirklich noch nie!

In der ganzen Aufregung hatte ich total vergessen dass unser Chirurg ja versprochen hatte noch einmal nach uns zu sehen - und er kam auch. Ich war total erleichtert, jetzt konnte ich IHN ja fragen ob das mit den Pupillen noch im normalen Bereich war.

Der Chirurg fand das Ganze nicht so besorgniserregend wie ich. Er meinte das es schon mal sein kann das die Pupille mehrere Stunden braucht um sich wieder zurückzubilden, wir sollten uns nicht verrückt machen. Allerdings sollten wir Bescheid geben wenn sie am nächsten Morgen immer noch derart vergrößert sei. Ok: ich war beruhigt.

Und er teilte uns noch etwas mit was mich sehr freute! Aber auch überraschte!

Nachdem er Jonathans Hoden und Leiste untersucht und uns noch einige Fragen bezüglich Nahrungsaufnahme, Fieber und Stuhlgang gestellt hatte sagte er: „Wenn alles so bleibt…können Sie morgen nach der Visite nach Hause gehen!“

WHAT??? Nach Hause??? Einen Tag nach der OP??? Echt jetzt??? …das ging mir in dem Moment durch den Kopf... Hammer!! Dabei hatten wir drei oder vier Tage Klinikaufenthalt eingeplant. Mein Mann hatte genug Klamotten dabei und auch Zeitschriften, Laptop und Filme.

Aber natürlich würden wir uns nicht beschweren wenn er das alles umsonst mitgenommen hätte und es nicht bräuchte! 8o))

Irgendwann bin ich dann nach Hause gefahren. Mit guten Nachrichten für Marvin: vielleicht durfte sein Bruder schon am nächsten Tag nach Hause!! Das wäre ja echt super!!

Am nächsten Morgen kam ich in die Klinik. Aufgeregt!! War alles gut?? Würden wir gehen dürften???

Jonathan war fit, er hatte auch relativ gut geschlafen in der Nacht: er war zwar ein paarmal wach geworden und hatte geweint – sicherlich vor Schmerzen. Aber nachdem er dann Schmerzmittel bekommen hatte war es auch wieder ok gewesen. Seine Temperatur war ein wenig erhöht, aber man konnte nicht wirklich von Fieber sprechen. Also alles soweit super!!

Jetzt hieß es waren auf die Visite. Und hoffen das wir gehen durften. Ich war schon sehr nervös. Die ganze Zeit hatte ich die Diskussionen mit der Ärztin im Kopf die uns mit/nach den Rota-Viren nicht entlassen wollte. Würde das am Ende heute wieder so kommen??

Die Visite kam recht früh am Vormittag. Der Chirurg (der Medizinstudent) und eine mir fremde Ärztin betraten das Zimmer. Zuerst untersuchten sie gemeinsam unseren „Zimmergenossen“, ein kleines Baby das auch am vorhergehenden Tag operiert worden war. Das Handy des Chirurgen klingelte und er verließ das Zimmer. Die Ärztin teilte den anderen Eltern mit das sie noch ein paar Tage bleiben müssten, die Wunden und das Fieber müssten weiterhin kontrolliert werden.

Mir rutschte das Herz in die Hose. Na toll! Ich hatte die Vermutung dass bei dem Baby dieselbe OP gemacht worden war wie bei Jonathan (mit Sicherheit wusste ich es aber nicht weil wir uns mit den Eltern nicht verständigen konnten. Sie sprachen kein Deutsch oder Englisch.). Wenn das Baby also bleiben musste – dann wir bestimmt auch!

Auf jeden Fall kam die Ärztin dann zu uns, begrüßte uns und wollte mit der Untersuchung beginnen. Da ich glaubte, eher von unserem Chirurgen als von ihr entlassen zu werden, fragte ich sie ob es ok sei wenn wir auf den Arzt warten würden – und er selber die Untersuchung vornehmen würde. Ich hatte ein wenig Bedenken ob sie sich davon „auf den Fuß getreten fühlen würde“, aber das war nicht der Fall. Wir warteten also einfach ein paar Minuten und dann kam der Chirurg zu uns.

Er begrüßte uns, lachte und sagte: „Wissen Sie wer das grade an meinem  Handy war?“…wir wussten das natürlich nicht, woher auch! 8o)) „Es war Dr. …(der andere Chirurg). Er hat zu mir gesagt DU BIST DOCH GRADE BEIM KLEINEN JONATHAN, WIE GEHT ES IHM DENN?...woher weiß er das ich grade bei Ihnen bin? Er ist auf einem Kongress in Amerika! Ich glaube er hat eine Kamera in mein Handy eingebaut und überwacht mich! Big brother is watching you!“ Dann lachte er schallend, und wir auch! Das war auch echt ein witziger Zufall, oder?? Und wieder mal ein Zeichen dafür wie sehr sich dieser Arzt für unseren Sohn interessiert! Es imponiert mir aber auch echt immer wieder aufs Neue!

Doch nun mussten wir ernst werden und der Arzt Jonathan untersuchen. Wie genau der Genitalbereich nach dieser OP aussah werde ich nicht schildern. Zum einen als Schutz für Jonathan…zum anderen aber auch als Schutz für alle Männer die diesen Blog lesen! Ich glaube die hätten richtige körperliche Schmerzen wenn ich die Hoden eingehender beschreiben würde. 8o))

Der Arzt war jedenfalls mit dem Gesamtbild zufrieden. Es war keine Entzündung vorhanden, Jonathan hatte immer noch kein Fieber – nur etwas erhöhte Temperatur, er hatte gegessen und getrunken und die Windeln waren voll.

„Alles super! Sie können nach Hause gehen! In 10 Tagen zum Kinderarzt: der soll dann die Wundpflaster entfernen die SIE bitte so lange drauf lassen. Ansonsten: sind Sie ja geübt mit Medikamentengaben gegen Fieber, und sollte Sie irgendetwas beunruhigen: melden Sie sich. Packen Sie schnell alles ein, wir wissen ja das Jonathan Kliniken nicht leiden kann und bevor er wieder die Nahrung verweigert…“

Wow!!!!! Das war mal eine Aussage!!! Mir fiel ein Stein vom Herzen, ich war so glücklich. Endlich mal ein Arzt der uns verstand und uns auch etwas zutraute. Der uns vertraute. Das war schon ein toller Moment!!

Ich bat noch um ein Foto: mein Sohn und unser Chirurg. Als Erinnerung an DIESEN Klinikaufenthalt. Da das Foto kurz vor der Entlassung entstanden ist schaue ich es auch bis heute gerne an!! 8o))

Und dann nichts wie heim! Alles zusammen packen: wir mussten zweimal laufen…aber egal. Böse Blicke von unseren Zimmergenossen. Wir dürfen gehen und sie mussten bleiben. Ganz ehrlich? In diesem Moment war mir das egal. In diesem Moment war ich einfach nur egoistisch und froh hier raus zu kommen!!

Zu Hause….ein tolles Gefühl!!
Wir hatten jetzt Anfang Juli 2016 und in den vergangenen zwei Monaten hatten wir 3 Krankenhausaufenthalte, 2 davon ungeplant!, gehabt. Das zehrt an den Nerven…grade mit einem solchen Kind wie Jonathan, bei dem man nie weiß wie er OPs und Krankheiten verkraftet.


Aber jetzt lag das hinter uns und wir hofften – und glaubten – das jetzt Ruhe einkehren würde. Das wir unser Leben zu viert nun endlich mal uneingeschränkt genießen könnten…und wir sollten Recht behalten!