Exkurs
beendet. 8o))
Zurück zu
unserem Tag im Playmobil-Funpark.
Wir haben
also unseren Ausweis das erste Mal vorgezeigt. Jonathan selber ist zwar bei den
meisten Unternehmungen aufgrund seines Alters sowieso noch kostenlos, aber
durch den Ausweis haben wir nun auch eine Begleitperson frei. Das heißt, wir
sparen ein bisschen Geld bei den Eintritten. Was mich total gefreut hat!!
Ja:
wahrscheinlich kommen jetzt wieder die NEIDER die es uns nicht gönnen und uns
vorwerfen das wir uns bereichern oder so etwas in der Art…
Aber ganz
ehrlich: ist mir egal! Wir leben jeden Tag mit dieser Krankheit, wir müssen so
viel aushalten und so viel Leid ertragen…wir dürfen uns auch mal an solchen
kleinen Dingen erfreuen und einen positiven Nutzen aus (sorry!) dieser ganzen
Scheiße ziehen!!
Und nun
waren wir im Park!! Marvin und ich kannten ihn ja schon wie unsere
Hosentaschen, wir waren schon so oft hier gewesen. Aber diesmal…hatten wir Joni
dabei und wir konnten ihm alles zeigen. Marvin war total aufgekratzt!! 8o))
Zuerst
ist man an der Baustelle. Hier ist es sehr laut, na klar: da wird ja auch
gearbeitet!! Ganz viele Kinder haben Steine geschaufelt, in Eimer gefüllt und
dann in Metallschächte geschüttet (gut: man hätte für die Schächte beim Bau
auch ein anderes Material nehmen können – aber das hätte dann natürlich nicht
so einen Lärm gemacht!).
Jonathan
war sehr fasziniert von dem RIESENGROSSEN Baustellenfahrzeug das hier als
Nachbau aus Holz und zum Klettern steht. Wir haben Jonathan und Marvin dann ins
Führerhaus gesetzt: es sah so lustig aus! Das riesige Auto und der winzige
Jonathan! 8o)
Ja, und
dann ging es weiter durch den Park. Jonathan hat sich nicht für alles
interessiert, irgendwann war auch einfach die Konzentration bei ihm weg. Er
musste zwischendurch essen, Medikamente nehmen und natürlich auch mal schlafen.
In der Zeit waren wir dann eben in den Klettergärten oder bei den
Wasserspielplätzen: so kam Marvin auch auf seine Kosten.
Was
Jonathan aber noch sehr gut gefallen hat waren die Wasserstraßen für die 1-3
Jährigen. Man muss sich das so vorstellen: ein Platz, komplett eingefasst mit
Hecken. Überdacht mit einem Sonnensegel. Und dann steht da quasi eine lange
Reihe „Tische“ aus Metall, eigentlich eher wie eine Rinne gebaut. Und die sind
mit Wasser gefüllt in dem Playmobil-1-2-3-Spielzeug herumschwimmt. Die Kinder
können sich dann an die Tische stellen und damit spielen. Und nach Herzenslust
planschen und Wasser spritzen. Im Sommer bei Hitze unschätzbar!
Es WAR
warm und so sind wir mit Jonathan dorthin gegangen. Es waren einige Eltern mit
ihren Kindern da die spielten. Ich habe Jonathan mitgenommen, mich an einen
Tisch gekniet und ihn darüber gehalten. Er hat sich ein Boot geschnappt, es hin
und her geschoben und hatte wahnsinnigen Spaß dabei!! Er wollte das Boot auch
gar nicht mehr loslassen!!! (Wir haben es dann später im Shop für zu Hause
gekauft.)
Aber mal
wieder: standen wir komplett im Mittelpunkt. Wir wurden begafft…Elternpaare
steckten die Köpfe zusammen und begannen zu tuscheln, ein Pärchen war sich
nicht zu schade dabei sogar mit dem Finger auf uns zu zeigen. NORMALERWEISE
wäre ich mal wieder zu ihnen gegangen und hätte ihnen erklärt das Jonathan
kleinwüchsig ist, aber trotzdem das Recht hat an diesen Wasserstraßen zu
spielen – auch wenn es anders aussieht weil er nicht davor stehen kann. Doch an
diesem Tag hatte ich einfach KEINE LUST mich mit irgendwem zu unterhalten oder
RECHENSCHAFT abzulegen. Ich habe es ignoriert, wollte einfach meine Ruhe haben…
Das wurde
allerdings schwierig als es zum Mittagessen ging. Wir haben Jonathan ein
Gläschen gegeben und er hat vom Löffel gegessen. Dabei saß er in einem kleinen
Stühlchen. Am Nachbartisch saß auch ein Elternpaar die ein Kleinkind fütterten
und sie beobachteten uns sehr genau und begannen ebenfalls zu tuscheln.
Allerdings war das eher ein absichtlich sehr lautes Tuscheln damit wir auch
hören konnten was sie sagten: „Wie kann man ein so kleines Kind schon zwingen
ein Gläschen zu essen?? Das ist ja voll die Quälerei und auch nicht normal!“…
Ich hatte
einfach keinen Bock auf Erklärungen. Auch das habe ich ignoriert!! Aber ein
Appell an alle Eltern: nicht immer sind die Dinge wie sie scheinen – und
manchmal ist es besser den Mund zu halten wenn man nicht gefragt wird!!
Aufgeregt
haben mich die Kommentare ja schon, wenn ich ehrlich sein soll!
Mit der
Diagnose MOPD I zu leben ist sowieso schon eine wahnsinnige Herausforderung –
man kann auch sagen: psychische Belastung. Dabei geht es mir nicht um die
Krankheit an sich: mit Kleinwuchs und geistigen Einschränkungen habe ich mich
mittlerweile abgefunden. Aber die Tatsache dass das eigene Kind nur eine sehr
begrenzte Lebenserwartung hat bestimmt einfach den Alltag. Die Gedanken. Es tut
weh. Sehr weh. Man kann das auch nicht einfach so vergessen, dieses Wissen ist
immer da und begleitet einen überall hin. Manchmal sehe ich meinen Jungen an
und dann bekomme ich keine Luft mehr – weil die Angst ihn zu verlieren dann
einfach übermächtig wird.
Und weil
man das alles psychisch auf Dauer so nicht aushalten kann schaffen wir uns
„Auszeiten“ in denen wir etwas „normales“ zusammen unternehmen. Um auf andere
Gedanken zu kommen, aber auch um ein paar Stunden ein Leben zu führen wie
andere Eltern es auch führen. Und wenn wir dann dauernd angestarrt werden oder
mitbekommen wie andere über uns tuscheln – dann trägt das nicht dazu bei das
wir uns entspannen oder „normal“ fühlen können. Aber mit der Zeit lernt man den
Ärger und die Traurigkeit in solchen Momenten einfach runterzuschlucken. Das
ist allerdings ein Lernprozess: es ist schwierig und dauert auch bis man es
schafft auf diese Art mit solchen Situationen umzugehen.
Wir
MÜSSEN mit diesen Situationen klarkommen, aber…wie jemand „Außenstehender“ es
erlebt sich mit Jonathan in der Öffentlichkeit zu bewegen sollte mir an diesem
Nachmittag vor Augen geführt werden.
Nach dem
Tod von Marvins Vater war ich mit Marvin zu einer Mutter-Kind-Kur im
Schwarzwald. Dort hatten wir eine junge Frau mit Tochter kennengelernt. Ihre
Tochter ist exakt am selben Tag wie Marvin geboren und über diese Tatsache
kamen wir ins Gespräch. Schnell haben wir gemerkt dass wir uns gut verstehen.
Wir waren dann in den drei Wochen Kur häufiger zusammen unterwegs und haben uns
versprochen dass wir auch in Kontakt bleiben wenn wir zu Hause sind. Das
verspricht man sich mit „Urlaubsbekannten“ ja gerne und meistens klappt es
nicht. Aber bei uns schon! Wir sind seit damals befreundet. Getroffen wird sich
mindestens einmal im Jahr: immer dann wenn wir im Playmobil-Funpark sind, denn
die Familie wohnt nur ein paar Kilometer entfernt. Und deswegen waren wir auch
an diesem Nachmittag verabredet.
Natürlich
hatte ich bereits Fotos von Jonathan geschickt und auch die Diagnose erläutert.
Ein paar
Tage vor dem Treffen habe ich dann noch einmal darauf hingewiesen das Jonathan
WIRKLICH SEHR SEHR KLEIN ist…sie sollten sich bitte nicht erschrecken wenn wir
uns treffen! (Das sagen wir eigentlich immer wenn wir jemanden treffen wollen
der Jonathan noch nicht kennt. Aber meistens sind die Leute trotzdem geschockt
weil er so winzig ist. Man kann es sich einfach nicht vorstellen, man muss es
sehen!)
Mein
Handy klingelte: meine Freundin und ihre Tochter waren da. Wir verabredeten
einen Treffpunkt. Als die beiden dann auf mich zukamen konnte ich sehen das die
Mutter schon etwas betroffen war weil sie sich Jonathan so klein nicht
vorgestellt hatte…die Tochter aber war einfach nur euphorisch! „Mei, is der
süß!!“ sagte sie unaufhörlich in ihrem reizenden fränkischen Dialekt. 8o) „Darf
ich ihn mal anfassen?? Darf ich ihn halten?? Mei, is der niedlich!“…lach…es war
so herzerwärmend wie schockverliebt sie war. …und bis heute ist, wenn ich das
mal sagen darf!!
Und dann
sind wir durch den Park gelaufen. Die beiden „großen“ Kinder wollten zu den
Muscheln um im Wasser zu planschen. Danach sollte es zur Ritterburg gehen. Also
immer quer durch den Park. Und irgendwann sagte meine Freundin dann zu mir:
„Merkst Du das die Leute alle starren??? Aber echt alle!! Das ist ja VOLL
SCHLIMM!! Das täte ich keine 5 Minuten aushalten!“ …ja…so wirkt das auf
Außenstehende.
Ich habe
ihr gesagt dass ich das natürlich merke, ich bin ja nicht blind. Aber mir bleibt
nichts anderes übrig als es auszuhalten – es sei denn ich möchte mich mit
Jonathan zu Hause einschließen. Sie war wirklich sehr betroffen. Hatte sie sich
doch keine Vorstellung davon gemacht wie sehr unser Leben sich verändert hatte.
An diesem
Abend sind wir dann in den Biergarten gegangen und haben noch zusammen gegessen
-ihr Freund kam von der Arbeit aus dann auch noch dazu- und natürlich wollten
die beiden dann wissen wie unser Leben sich so verändert hat durch Jonathans
Geburt.
Nun…das
ist eine Frage die wir in der Tat sehr häufig gestellt bekommen.
Jeder der
selbst Kinder hat weiß ja wie sich das Leben durch die Geburt eines Babys
verändert:
Alles
dreht sich nur um das kleine Menschlein – man richtet seinen kompletten
Tagesablauf nach den Bedürfnissen seines Babys aus. Kann nicht mehr so einfach
entscheiden wann man selbst essen oder duschen gehen möchte – das sind Dinge
die eben nur dann gehen, wenn das Baby zufriedengestellt und ruhig ist.
Man geht
am Wochenende nicht mehr gemeinsam ins Kino oder in die Disko, ja in den ersten
Jahren vermutlich gar nicht mehr gemeinsam aus. Man muss erstmal einen
Babysitter finden und dann…muss man innerlich auch erstmal so weit sein das
Baby bei einem Sitter lassen zu WOLLEN! Das ist ein Prozess der nicht so
schnell von Statten geht – bei den meisten Eltern jedenfalls nicht, es gibt
aber sicherlich auch Ausnahmen.
Themen
über die man früher in der Partnerschaft geredet hat (zum Beispiel über Politik
oder auch über den Job) geraten ins Hintertreffen hinter „Nahrungsaufnahme“ und
„Verdauung“. Das ist ja auch irgendwie verständlich: denn einer der beiden
Elternteile ist zu Hause um sich in Vollzeit um das Baby zu kümmern, da hat man
nicht so viele Themen über die man reden könnte!!
Die
Prioritäten verschieben sich – vollkommen. Man möchte das das Baby glücklich
ist, man tut alles dafür: nimmt sich selbst nicht mehr so wichtig. Wenn man
shoppen geht kommt man auf einmal mit 5 Tüten für das kleine Menschlein heim
und stellt zu Hause fest das man für sich selber mal wieder nichts gekauft hat
– was vor einem Baby undenkbar war!! Oder??
Die
Nächte sind unruhig. Kaffee wird der beste Freund den man hat. Und die
Hausarbeit bleibt liegen weil man jede Minute des Tages in der das Baby schläft
dazu nutzt um sich selber aufs Ohr zu hauen.
Der
Freundeskreis verändert sich oftmals. Man lernt über Spielkreise oder durch die
Rückbildung neue Leute kennen. Gut: man hat jetzt halt auch nur noch ein Thema
über das man gerne redet…das Baby…und die Freunde von „vorher“ die selber keine
Kinder haben…sind mit ihrer Geduld einem zuzuhören auch irgendwann am Ende
angekommen.
Aber bei
all dem weiß man doch: die Situation wird sich in ein paar Jahren wieder
ändern!!
Man geht
zurück in den Job und hat wieder spannende Themen für Diskussionen mit dem
Partner. Man wird einen Babysitter haben und gemeinsame Abende genießen können.
Das Abenteuer Baby wird irgendwann Alltag sein und man sich selbst wieder
wichtiger nehmen wollen – und können.
So ist es
normalerweise. So war es auch bei mir und Marvins Papa.
Aber so
ist es nicht mit Jonathan.
Das was
mir immer als erstes einfällt wenn ich zu den Veränderungen in meinem Leben befragt
werde sind die wahnsinnig vielen Termine die ich mit Jonathan wahrnehmen muss.
Wir gehen zur Physiotherapie, wir machen Frühförderung, wir machen (bald) Logopädie,
wir gehen zum Osteopaten und müssen auch sehr regelmäßig zum Kinderarzt.
Therapeutisches Reiten. Regelmäßige Arztbesuche beim Kardiologen, Orthopäden
und in der Sehschule. Und dann natürlich noch die Termine „die mal so nebenbei“
kommen: mal ein Termin bei der Humangenetikerin oder im Zentrum für seltene
Erkrankungen. Ein Termin im Sanitätshaus oder mit dem Reha-Team um Hilfsmittel
zu besprechen oder anzupassen. Ach ja: und wegen dem Pflegegrad bekommen wir
auch noch mindestens zweimal im Jahr Besuch von einem „Unabhängigen Dienst der
Krankenkasse“, dieser prüft ob uns der Pflegegrad noch zusteht.
So: das
ist unsere Terminliste. Seid ihr schon gestresst oder schwitzt, weil ihr
überlegt wie man das alles unter einen Hut bringen soll?? Dann lasst euch
gesagt sein das ich noch einen Sohn habe! Der möchte mittags etwas zu Essen auf
dem Tisch haben wenn er aus der Schule kommt. Und oftmals braucht er Hilfe bei
den Hausaufgaben. Auch er hat Termine und muss zu bestimmten Uhrzeiten irgendwohin
gefahren werden. Und nicht zu vergessen: auch er möchte Aufmerksamkeit und
„quality time“ mit mir. Eine Gradwanderung!! Und wer ein gesundes und ein
krankes Kind hat und erzählt dass er beide Kinder vollkommen gleich behandelt –
sorry, aber der lügt! Das ist schlichtweg unmöglich!! Man hat nämlich nur zwei
Hände….aber weil ich weiß das es so ist versuche ich natürlich alles um Marvin
so wenig wie möglich zu benachteiligen. Das allerdings wiederum bedeutet das
ich mich „vernachlässigen“ muss: denn mein Tag hat ja auch nur 24 Stunden. Ich
komme nicht oft dazu mich mit einem Buch zu verkriechen und mal ein wenig zu
schmökern – obwohl das meine Lieblingsbeschäftigung ist!! Oder mich mal in die
Badewanne zu legen und zu entspannen….
…und der
Punkt ist: während Eltern eines gesunden Kindes wissen das sie innerhalb
weniger Jahre wieder in ein relativ normales Leben zurückkehren können werden
mein Mann und ich nie mehr ein normales Leben führen können. Jedenfalls nicht
so lange Jonathan bei uns ist – was hoffentlich noch sehr lange der Fall sein
wird!!
Er wird
mit den Jahren nicht selbstständiger werden, oder jedenfalls nur unwesentlich.
Aufgrund seiner Erkrankung wird er weder körperlich noch geistig in der Lage
sein sich um sich selber zu kümmern. Das werden Zeit seines Lebens immer wir
tun müssen. Und seine Bedürfnisse werden Zeit seines Lebens immer Vorrang vor
unseren Bedürfnissen haben.
Wegen der
epileptischen Anfälle die Jonathan hatte trauen unsere Eltern und Geschwister
sich nicht für uns den Babysitter zu machen. Was wir durchaus verstehen
können!!! Das ist nicht der Punkt! Es ist eine riesige Verantwortung auf ihn
aufzupassen und wenn man sich dem nicht gewachsen fühlt - ist es sinnvoller das
auch zu sagen. Aber für unser tägliches Leben bedeutet das: mein Mann und ich
können nicht zusammen ausgehen. Nie. Einer muss immer bei den Kindern sein. Das
ist mitunter sehr belastend. An einer Ehe zu arbeiten und daran festzuhalten
wenn man nie gemeinsame Zeit allein
hat…es ist eine große Herausforderung!!
Uns steht
zwar wegen des Pflegegrades die Betreuung durch einen medizinischen Dienst zu –
aber soweit unseren kleinen Jungen in den Händen von FREMDEN zu lassen…sind wir
trotz allem noch nicht. Vielleicht irgendwann einmal. Aber nicht so bald.
Die
beiden einzigen Abende in den letzten zwei Jahren die mein Mann und ich
gemeinsam außer Haus verbringen konnten verdanken wir zwei ganz lieben Menschen
mit medizinischem Hintergrund. Jeder von ihnen war einen Abend lang bei uns um
Joni zu sitten, und dafür sind die beiden jeweils eine ganz schön weite Strecke
gefahren.
DANKE!!!
WIR SIND EUCH WIRKLICH DANKBAR!! UND WIR WISSEN DAS IHR DAS WIEDERHOLEN WERDET
SOBALD ES EURE ZEIT EINMAL ERLAUBT.