Freitag, 19. Januar 2018

Ostervorbereitungen und Ostern
Ich finde Traditionen wichtig. Egal wie alt die Kinder sind, es gibt Dinge die einfach dazugehören: und zu Ostern gehört es Eier zu färben. Also wird das in unserem Haus jedes Jahr zelebriert. Auch wenn Marvin es mittlerweile nicht mehr ganz so spannend findet….

In diesem Jahr jedoch war etwas anders…Jonathan färbte mit! 8o))) Mit unserer „Frühfördertante“ hatte er ja schon mit Fingerfarben gematscht und es hatte ihm Spaß gemacht. Also dachte ich dass er dann auch mit Fingerfarben Ostereier bemalen könnte!! Um einfach dabei zu sein und dasselbe zu tun wie sein Bruder!

Gesagt getan.

Nachdem ich Eier gekocht und den Tisch mit einer Wachstischdecke „gesichert“ hatte, haben Marvin und ich Eier traditionell ins bunte Farbbad getaucht. Mein Mann und Jonathan haben sich Fingerfarben geschnappt und ein Ei mit roter Farbe bemalt. Naja….also Jonathan hat nicht NUR das Ei bemalt – sondern auch meinen Mann. Der hatte sich aber glücklicherweise auf meinen Ratschlag hin schon mal das T-Shirt ausgezogen. Sein Gesicht sah trotzdem ziemlich….farbig aus! 8o))) Irgendwann nachdem das Ei genug bemalt war und Jonathan immer noch SEHR VIEL Fingerfarbe an den Händen übrig hatte, haben wir einfach Papier geholt und ihn das bemalen lassen. So hatten wir ein prima Geschenk für die Großeltern! 8o))

Und dann war auch schon der Ostersonntag da. Obwohl Marvin schon so groß ist…findet er es immer noch toll wenn er seine Ostereier, die Schokolade und eine Kleinigkeit zum Spielen…suchen darf! In diesem Jahr hat schon wieder das Wetter nicht mitgespielt und so wurde wieder alles in der Wohnung versteckt. Also: die Sachen für Marvin. Die für Jonathan nicht, denn er hat den Sinn und Zweck einer Geschenkesuche noch nicht verstanden. 8o)

Marvins Ohren haben geglüht vor Aufregung, er ist durch jeden Raum gelaufen und hat sich genau umgeschaut und auch tatsächlich alles entdeckt. Jonathan hat seine Ostergeschenke dann im Wohnzimmer bekommen: ein großes Polizeiauto von TutTut und…die allererste Schokolade.
(Die durfte Jonathan nach dem Abendbrot probieren und was soll ich sagen? Er hat sie zwar offensichtlich lecker gefunden, aber sie blieb nicht drin…..lol….)

Nachdem die Kinder nun glücklich waren haben wir alles Notwendige zusammen gepackt und sind zum Osteressen zu meinen Eltern gefahren. Vor einem Jahr hatten wir am Ostersonntag auch schon zusammen gegessen: damals gab es allerdings Essen vom Partyservice, denn genau ein Jahr zuvor hatten wir alle gemeinsam Jonathans Taufe gefeiert. So schnell verging die Zeit, unfassbar!! Ich erinnere mich sehr gerne an die Zeremonie: an die dunkle Kirche, nur mit Kerzen erleuchtet - an die Gefühle als der Pfarrer unseren Jungen getauft und meinen Mann und ich mich gesegnet hat. Jetzt war schon wieder ein Jahr vergangen…ein Jahr in dem wir so viel erlebt hatten!!!

Hätte mir an diesem Ostersonntag 2017 jemand gesagt das sich unser Leben in ein paar Wochen komplett verändern sollte und das unser Jahr 2017 mit Abstand das aufregendste und emotionalste Jahr unseres Lebens werden würde – ich hätte ihm nicht geglaubt. Und doch ist genau DAS passiert…..

Aber zuerst…feierten wir nichts ahnend Jonathans zweiten Geburtstag. 8o)

Der 2.te Geburtstag..
..begann mit einem Kuchen, Kerzen und einem Lied. Wie jedes Geburtstagskind in unserer Familie bekam auch Jonathan einen Kuchen: ich hatte mich wirklich schwer ins Zeug gelegt und ihm einen Kuchen in WinniePooh-Form gebacken und ihn mit Lebensmittelfarben glasiert – das ALLERERSTE Mal in meinem Leben das ich DAMIT gearbeitet hatte! Das Ergebnis war dann auch kein Meisterwerk, aber Jonathan konnte den Kuchen sowieso nicht essen – es ging allein um die Geste….(Und wer mich kennt weiß was diese Geste bedeutet denn ich HASSE backen! Und kochen übrigens auch….)

Aber ich hatte beschlossen ihm einen ganz besonderen Kuchen zu schenken mit zwei Kerzen darauf und den sollte er auch schon morgens direkt nach dem Aufwachen bekommen. DENN: im letzten Jahr hatten wir seinen Geburtstag nicht feiern können wie wir es uns vorgestellt hatten – da lag Jonathan nach einem Krampfanfall im Krankenhaus. Deswegen wollten wir das dieses Jahr alles PERFEKT war…naja: vielleicht nicht wirklich PERFEKT, aber perfekt so wie wir es uns vorstellten!

Also sind Marvin und ich morgens ins Schlafzimmer marschiert (da schlief Jonathan mit meinem Mann), den Kuchen mit den brennenden Kerzen in der Hand und haben lauthals (und vermutlich sehr falsch!) HAPPY BIRTHDAY gesungen. Jonathan hat vielleicht Augen gemacht! 8o) Er hat ja sowieso sehr große Augen, aber in diesem Moment schienen sie noch größer zu sein.

Er hat den Kuchen angestarrt und uns…und wusste gar nicht wie ihm geschieht. Dann haben wir ihm geholfen die Kerzen auszupusten und uns stellvertretend für ihn etwas gewünscht. Was….das verrate ich nicht, denn sonst geht es ja nicht in Erfüllung! 8o))

Ich hatte ja bereits erwähnt das wir an unseren Geburtstagen immer Ausflüge machen die sich das Geburtstagskind wünscht. Nun gut: DAS war bei Jonathan etwas schwierig weil er ja nicht sprechen und somit seine Wünsche nicht äußern konnte. Also musste an der Stelle der Familienrat tagen und beschließen welcher Ausflug für den kleinen Mann geeignet und machbar war.

Wer genau den Vorschlag gemacht hat weiß ich gar nicht mehr, aber wir waren uns schnell einig: das „Schmetterlings-Schloß Sayn“ sollte es sein! 8o))

Das Schloß Sayn, im Landkreis Mayen-Koblenz gelegen, befindet sich heute im Besitz der Fürsten zu Sayn-Wittgenstein-Sayn und hat eine lange Geschichte vorzuweisen. Im Garten, oder mehr: der Parkanlage!, befindet sich ein Schmetterlingshaus. Und dorthin führte uns unser heutiger Ausflug.

Das Schmetterlingshaus war wunderschön angelegt: mit kleinen Seen und Flüßen über die Brücken führten, verschlungene Wege direkt durch die ganze Vegetation – so waren die Schmetterlinge überall um einen herum. Und nicht nur Schmetterlinge: es gab auch Schildkröten, Fische, einen Leguan, Vögel und Gottesanbeterinnen.

Es war nicht riesig, das hatten wir schon vorher gewusst – wenn man sich Zeit ließ die Hinweistafeln zu lesen und alles genau zu betrachten, auch mal ein paar Minuten Rast auf einer Bank einlegte um die Schmetterlinge zu beobachten…dann war man nach circa eineinhalb Stunden komplett durch. Aber für Jonathans Ausflug war DAS genau richtig! Es gab nämlich genug Input für ihn mit den Farben, Gerüchen, Geräuschen und auch der Wärme die hier herrschte. Und dann ist auch noch ein Schmetterling auf ihm gelandet….er war in der Bauchtrage und der Schmetterling hat auf seinem Arm Platz genommen! Jonathan hat so irritiert geschaut, das war dermaßen lustig!!! 8o))

Wir sind Mittagessen gegangen und während unser Geburtstagskind in seinem Wagen geschlafen hat, konnte der Rest der Familie das Schloss besichtigen. Daran hatte dann besonders Marvin Spaß, er ist geschichtlich nämlich so wahnsinnig interessiert!

Und ich…. war hin und weg von den im Schloss ausgestellten Brautkleidern der Prinzessinnen zu Wittgenstein. DAS waren Brautkleider!!! Meine Güte!!! Ich meine mich zu erinnern das bei einem besonders schönen Modell vermerkt war es habe 20.000€ gekostet….(zum Vergleich: unsere komplette Hochzeit hat nicht mal ein VIERTEL gekostet!)

Vollgepackt mit diesen ganzen Eindrücken ging es dann auch wieder nach Hause wo Jonathan noch seine Geburtstagsgeschenke aufpacken durfte: den Flughafen von den TutTut-Babyflitzern und ein Buch, außerdem ganz kleine – und für seine Finger geeignete- Holzrasseln (die ihm Marvin gekauft hatte).

Es wartete aber auch eine Überraschung vor unserer Haustür: ein mit Helium gefüllter Luftballon an dem ein kleiner TutTut-Traktor hing…8o)

Dieses Geschenk war von meiner Freundin: von Anja, die ich durch Jonathans Geburt näher kennengelernt und ganz feste in mein Herz geschlossen habe….sie ist immer für mich da, bis heute. Sie geht diesen nicht leichten Weg mit mir gemeinsam, total unaufgeregt und ohne Vorurteile oder negative Worte. Und sie ist einer der GANZ wenigen Menschen die ALLES für mich tun – ohne eine Gegenleistung dafür zu ERWARTEN. Sie tut das alles weil sie empathisch und in der Lage ist zu helfen…meine/unsere Freude scheinen ihr Lohn genug zu sein.

Seit über zwei Jahren ist sie ganz eng an meiner Seite und manchmal kann ich immer noch nicht fassen dass ICH solch einem Menschen begegnet bin und ihn MEINE FREUNDIN nennen darf.
DANKE SÜSSE!! DU BIST EIN GANZ BESONDERER MENSCH FÜR MICH GEWORDEN….


Auch dieser Tag neigte sich nun dem Ende entgegen: wir hatten Jonathans zweiten Geburtstag gefeiert…verrückt! Wer hätte das vor zwei Jahren gedacht??? Die Prognosen waren so schlecht gewesen, aber nun saßen wir hier. Mit einem fröhlichen kleinen Jungen der eine wahre Kämpfernatur hatte und allen Voraussagen trotzte. Wenn man sich das vor Augen hielt…..war das schon ganz schön ergreifend!!

Und irgendwie stimmte mich das auch ein wenig melancholisch. Wir hatten schon viel mehr mit Jonathan erreicht als man uns prophezeit hatte…wir hatten ihn schon viel länger bei uns als der Altersdurchschnitt der Kinder vermuten ließ. Wie viel Zeit mit ihm blieb uns noch??? Wenn ich es hätte erfahren können…würde ich es wissen wollen??? Oder lieber nicht?? Keine Ahnung….

Aber ich wollte etwas mit ihm unternehmen: ich wollte mit ihm in den Zoo fahren. In DEN Zoo in dem ich mit Marvin an SEINEM 2.ten Geburtstag gewesen war. Es war so ein Gefühl….ich musste alles sofort erledigen, ich hatte Angst sonst keine Gelegenheit mehr dazu zu bekommen. Schwachsinnig vermutlich…aber so war es.

Also haben wir ein Wochenende ausgewählt an dem wir Zeit hatten und an dem das Wetter auch super war und sind in den Zoo gefahren. Erst mit dem Auto bis zu einem Park&Ride-Parkplatz und dann mit der Bahn in den Zoo. Und das erste was wir sehen als wir vor dem Zoo ankommen ist…ein PINKES Fahrrad! Und das wo Jonathan doch so auf PINK steht. Das war ein Zeichen! 8o)))

Wir hatten einen wunderschönen, entspannten Tag im Zoo – bei traumhaftem Wetter. Wir wurden weder angestarrt noch angesprochen….wir konnten einfach SEIN und GENIESSEN.

Der Zoo war groß und bei Jonathan reichte die Konzentration nicht für alle Tiergehege. Manche Tiere hat er gar nicht wahrgenommen. Aber die Gorillas: die hatten es ihm angetan!!

Das Menschenaffenhaus ist neu gebaut, ohne Gitter – nur mit Glas. Kein gekachelter Boden wie früher: es gibt richtige Erde und Lehm, mit Blättern bedeckt und Bäume zum Klettern und tropische Temperaturen und viele Verstecke. So optimal an den natürlichen Lebensraum angepasst wie es einem Zoo nur möglich ist - würde ich sagen. Und dafür belohnten die Tiere dann auch indem sie Nachwuchs bekamen.

Kleine Gorillas sind nicht anders als kleine Kinder: sie haben nur Unfug im Kopf, toben herum und ärgern die Erwachsenen…8o)

Als wir im Menschenaffenhaus waren, tobten zwei kleine Gorilla-Kinder direkt an der Glasscheibe herum: spielten Verstecken und bewarfen sich gegenseitig mit Stroh. Machten dabei ein Riesengetöse und „lachten“ auch??? Hörte sich jedenfalls so an. Auf jeden Fall war Jonathan sehr fasziniert!! Er hat die Affenbabys fixiert und sie bei allem beobachtet was sie gemacht haben, bewegt hat er sich überhaupt nicht mehr – selbst am Schnuller hat er nicht mehr genuckelt.

Wir haben uns ein wenig über ihn kaputt gelacht weil er diese kleinen drolligen Wesen so angehimmelt hat…und ich hätte gerne seine Gedanken gehört! Hat er gespürt dass diese Tiere uns so unfassbar ähnlich sind??? Hätte er gerne mit ihnen mitgespielt??? …leider werden wir das nie erfahren. Aber in diesem Moment im Menschenaffenhaus wusste ich das wir alles richtig gemacht hatten damit dem Zoo einen Besuch abzustatten! Diese wenigen Minuten der Freude und Faszination bei Jonathan waren den Aufwand des Tages wert gewesen….

Bald danach traten wir die Heimfahrt an, wieder mit der Bahn zum Park&Ride-Parkplatz. Wir waren mit unserem Reha-Buggy unterwegs und schon in der Bahn fiel mir eine Frau auf die mit drei Kindern unterwegs war, und eins dieser Kinder saß ebenfalls in einem Reha-Buggy.

Lustigerweise stieg diese Familie an derselben Haltestelle aus wie wir und dann…Zufälle gibt´s!...hatten sie auch noch ihr Auto GENAU NEBEN UNS geparkt. Das war für mich der Moment die Frau anzusprechen, was ich sonst nicht so gerne mache – weiß ich doch selber dass es sehr nervig sein kann immer und überall angequatscht zu werden. Aber in dem Falle fand ich dass es Schicksal war….

Der Frau war natürlich auch schon aufgefallen das Jonathan nicht gesund war und so hat sich sehr schnell ein sehr intensives Gespräch entwickelt. Es brauchte gar nicht vieler Worte, wir verstanden uns auch so. Ich erwähnte „Physiotherapie“ und SIE wusste genau Bescheid. Sie erwähnte die Blicke von Fremden wenn man unterwegs war und ICH wusste Bescheid.

Das ist ein Punkt am Leben mit einem behinderten Kind: man sieht andere Familien mit behinderten Kindern und man ist direkt auf demselben Level. Ist sich direkt nah. Man sieht sich an und es bedarf fast keiner Worte, man WEISS einfach wie es ist und man fühlt sich diesen Menschen direkt verbunden. Wie eine geheime Gruppe der man beigetreten ist – na gut: wohl eher in der man sich den Beitritt Tag für Tag hart erkämpft!! Aber auch  eine Gruppe in der es keine bösen Kommentare und keinen Neid gibt. Es ist fast als habe man eine „neue Familie“ gefunden…und die sollten wir auch sehr bald finden! Denn…..



…dieser Tag sollte einer der letzten Tage unseres „alten Lebens“ sein…wenige Tage nach unserem gemeinsamen Zoobesuch habe ich eine Entscheidung getroffen die unser aller Leben komplett verändert hat….