Jonathan
in der Presse
Meine
Vermutung das mein neues Lebensjahr spannend werden würde bewahrheitete sich
als sich eines Tages unsere lokale Tageszeitung (NASSAUISCHE NEUE PRESSE) dazu
entschloss über uns zu berichten: über
Jonathan und meinen Blog….eine Tageszeitung mit nicht geringer Auflage!!
Ich
schwebte wie auf Wolken!! Mit SO einer Reaktion hatte ich wirklich nicht
gerechnet: über uns würde in der Tageszeitung berichtet werden!! WIE GEIL WAR
DAS DENN BITTE???
Wir haben
mit der Reporterin einen Termin ausgemacht an dem sie uns besuchen kommen
würde. Vorher war bei uns Ausnahmezustand: Wohnung putzen, aufräumen…welche
Klamotten ziehen wir an??? Müssen wir zum Friseur??? Ich schminkte mich
sorgfältig…schließlich wollte die Reporterin Fotos machen und da die in die
ZEITUNG kamen wollte man ja gut aussehen, nicht wahr!!
Wir waren
aufgeregt ohne Ende!!! Okay: ICH war aufgeregt….meine Männer eher nicht so. LOL
Und dann
klingelte es. Ich öffnete und vor der
Tür stand eine attraktive, junge Frau. Schon auf den ersten Blick war sie mir
total sympathisch! Dieser Eindruck sollte sich im Laufe unserer
„Zusammenarbeit“ noch bestätigen.
Das
„Interview“ dauerte annähernd zwei Stunden, war aber ungezwungen. Ich erzählte
ihr auch Dinge und sagte „Das möchte ich nicht erwähnt haben!“…und sie schrieb
es nicht. Das baute ein großes Vertrauensverhältnis zwischen uns auf.
Sie
fotografierte, zeigte uns die Bilder und ließ uns selbst aussuchen was wir in
der Zeitung gedruckt sehen wollten – sehr sehr cool!!
Eine
Aussage von ihr an diesem Nachmittag sollte unser komplettes Leben verändern –
und das meine ich genauso wie ich es schreibe!!!
Sie
fragte: „Gibt es schon ein Spendenkonto für Jonathan das wir erwähnen
können?“..und wir sagten „Nein!“. Sie meinte wir sollten schleunigst eines
eröffnen, es würden bestimmt Spenden erfolgen. Ich wiegelte noch ab und sagte
das das nie unser Gedanke war: wir wollten einfach nur helfen mit unserem Blog.
Die Reporterin schaute mich sehr intensiv an und fragte: „Haben Sie denn keine
Träume für Ihren Sohn?“…und aus mir platzte es heraus: „Doch klar! Wir möchten
reiten gehen weil die Orthopädin und die Physiotherapeutin sagen das wäre gut
für ihn! Aber das ist zu teuer für uns!“…“Na, sehen Sie! Sie WERDEN reiten
gehen!!“, kam von ihr zurück…ich schaute meinen Mann an und mein Kopf
schwirrte.
Ich schwöre:
bis zu diesem Moment hatten wir nie daran gedacht das unser Schritt in die
Öffentlichkeit uns finanzielle Möglichkeiten für Jonathan eröffnen könnte die
wir einfach nicht hatten…aktuell kann ich nicht arbeiten gehen, mein Mann ist
Alleinverdiener. Wir haben zwei Kinder und ein Haus gekauft. Und…entgegen dem
was Eltern gesunder Kinder vielleicht denken…kommt die Krankenkasse leider
nicht in voller Höhe für alle notwendigen Therapien auf, so dass wir einiges
selber zahlen müssen. Deswegen waren die Kosten einer Reittherapie einfach
nicht drin.
Aber wenn
die Reporterin so sicher war das wir ein Konto angeben sollten, dann wollten
wir das auch machen. Einen Versuch war es wert, oder??? Also gingen wir in den
folgenden Tagen zur Bank und eröffneten ein Konto, nur für Jonathan. Denn eins
war mir von Anfang an wichtig: wir wollten „durchsichtig“ bleiben. Spenden für
Jonathan: werden auch für Jonathan verwendet!! Dessen soll jeder sicher sein
der uns unterstützt, also geht es für uns GAR NICHT das wir UNSERE Bankdaten
angeben.
Ich
teilte der Reporterin die Bankverbindung mit. Sie erklärte mir daraufhin das es
über uns nicht nur EINEN, sondern ZWEI Zeitungsartikel geben würde!!! Einen der
sich mehr mit dem Thema Blog beschäftigen sollte und einen der von Jonathan und
seiner Krankheit erzählte. Wow!!! Gleich zwei Artikel auch noch!!! Und einer
davon in der Samstagsausgabe….als sie uns allerdings sagte WANN die Artikel
erscheinen würden war ich ein wenig traurig: GENAU in unserem Urlaub. Wir wären
also an beiden Tagen nicht zu Hause und könnten uns die Zeitung nicht kaufen um
uns druckfrisch selbst darin zu sehen…
Aber auch
das war kein Problem: wir würden per Email eine PDF-Datei bekommen und könnten
dann einfach dort hineinschauen. Prima!!
Bis
dahin….vergingen aber noch fast zwei Wochen….
Und
wieder Urlaub in Holland…
Eigentlich
wollte ich in diesem Jahr keinen Sommerurlaub machen. Aus einem einzigen Grund:
mein Elterngeld war zu Ende…wir hatten ein Haus gekauft. Ich hatte ein wenig
Angst dass das Geld nicht reichen würde. Also hatten wir eigentlich geplant im
Sommer zu Hause zu sein und den ein oder anderen Tagesausflug zu machen.
Doch dann
erhielt mein Mann unverhoffter Weise eine Bonuszahlung. Und meinte direkt:
„Komm, damit fahren wir DOCH in Urlaub! War doch schön in Holland letztes Jahr!
Schau doch mal ob es noch ein Ferienhaus in dem Ort gibt!“ …also schaute ich
nach. Und fand auch etwas: sehr nah am Strand und am Supermarkt. Wir waren im
letzten Jahr auf unserem täglichen Weg zum Strand sogar immer an diesem Haus
vorbeigekommen und erkannten es auf den Bildern. Die Lage war toll und der
Preis…ok. Nicht billig…aber ok. Also buchten wir.
Als fest
stand das wir nun doch für eine Woche ans Meer fahren würden habe ich mich
gefreut…war ja doch irgendwie schön mal rauszukommen!
Wie das
mit dem Packen bei uns so läuft: brauche ich nicht noch einmal zu erzählen, das
war wie im Jahr zuvor! 8o)) Auch die Fahrt nach Holland verlief genau
gleich…alles war prima und wir kamen relativ schnell am Urlaubsort an, fanden
die Unterkunft sofort und luden das Auto aus. Der Schlüssel war für uns
hinterlegt worden und so erkundeten wir allein unser neues Zuhause….
Ja….und
hier hatten wir dann doch den GROSSEN Unterschied zum Vorjahresurlaub: damals
waren wir in einer Luxusunterkunft gewesen, riesig und wunderschön
eingerichtet. In diesem Jahr…nun ja…ich sage mal so: wir nannten unsere
Ferienwohnung liebevoll „unsere Bruchbude“.
Türen
hingen schief in den Angeln…der Fußboden (PVC) schlug Wellen (beim Staubsaugen
hat mein Mann fast den kompletten Bodenbelag aus dem Wohnzimmer aufgesaugt weil
er nicht festgeklebt war) …die Wände sahen teilweise feucht aus…in die Schränke
im Schlafzimmer wollte man nicht hineinsehen: da bekam man Alpträume weil sie
so dunkel und dreckig waren und man erwartete jeden Moment von einer Ratte oder
schlimmerem angefallen zu werden. Das absolute Highlite aber war das Bad. Zum
einen gab es hier kein Waschbecken, dafür war das Bad zu klein. Das Waschbecken
befand sich im Elternschlafzimmer…ging Marvin also nachts aufs Klo, dann kam er
anschließend zu uns um Hände zu waschen…..(und wenn der ein oder andere jetzt
sagt: Hände waschen in der Küche!...keine gute Idee!!! Der Wasserhahn hier war
SO LOCKER, den hatte ich mehr als einmal in der Hand beim Abspülen!)….der Clou
am Bad war aber: zog man an der Klospülung….tanzte der Abfluss in der Dusche
Samba! Und das meine ich wörtlich! Er kam aus seiner Verankerung und tanzte
wild in der Dusche umher. Als ich das zum ersten Mal sah war ich fassungslos
und starrte mit offenem Mund in die Dusche – mein erster Gedanke war wirklich
das Ratten aus dem Abfluss hochkommen, doch dann habe ich gemerkt das es nur
mit der Klospülung zusammenhing.
Mein Mann
wollte ausziehen. Ich sagte ihm dass es doch gar nicht sooo schlimm sei, es
ging BESTIMMT auch schlimmer.
Es ging
schlimmer…..
Nachdem
ich die erste Maschine Wäsche gewaschen hatte (wir hatten extra darauf geachtet
das unsere Unterkunft Waschmöglichkeiten hatte um nicht soo viele Kleider
mitnehmen zu müssen)..wäre ICH am liebsten ausgezogen!!! 40 Grad,
Feinwäsche….dauerte…ACHTUNG:TROMMELWIRBEL!!!!....ungelogen fast 6 Stunden!!! In
Worten: SECHS STUNDEN!!! Ich war wieder fassungslos….Wie KANN eine Maschine 6
Stunden brauchen um Feinwäsche zu waschen??? Keine Ahnung…..
Wer jetzt
denkt das es nun aber wirklich NICHT schlimmer geht….doch: geht es! Sonntag Morgen….ich
stand auf und wollte mir Kaffee machen…doch die Kaffeemaschine ging nicht an.
Stecker drin? Ja….Wasser in der Maschine? Ja…komisch….die anderen Geräte in der
Küche gehen auch nicht….im Wohnzimmer: ebenfalls kein Strom…und irgendwie: war
es auch kalt oder nicht? Richtig: die Heizung war auch aus…und damit das warme
Wasser! Prima!!! Und das am Sonntag.
Ich habe
unserem Vermieter, den wir bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gesehen hatten,
eine Email geschrieben und habe gebetet dass er sie schnell lesen möge. Hat er
auch…und innerhalb von 30 Minuten war er da um nachzusehen was los war.
Gemeinsam und mit englisch/deutscher Verständigung hatten wir den Fehler bald
gefunden: unser Boiler hatte sich abgeschaltet…warum auch immer. Vielleicht
hatte er auch einfach keinen Bock mehr auf diese Bruchbude.
Aber ein Gutes
hatte dieser Urlaub: wir können heute noch lustige Geschichten davon erzählen!!
8o)
Naja, und
es war nicht alles NUR schlecht!!!
Wir
hatten einen tollen Tag im Amsterdamer Zoo. Wir haben endlich die Rennstrecke
gefunden und gesehen!! Die Kellner in unserem Lieblingslokal am Strand haben
uns wiedererkannt und sogar noch mit Namen ansprechen können. Wir hatten
insgesamt schon recht schöne Tage hier, das Wetter hat diesmal allerdings nicht
mitgespielt….
Ein paar
Tage bevor unser Urlaub zu Ende war erschien der erste Zeitungsartikel. Ich bin
morgens schon im Morgengrauen aus dem Bett gestiegen und habe meine Emails
gecheckt: die Reporterin hatte mir geschrieben das ich direkt im Online-Portal
der Zeitung schauen könnte. Was ich auch umgehend gemacht habe.
Und da
waren wir!!! Mit Foto und langem Text und fetter Überschrift:
„Mutter schreibt Blog über ihren
schwerbehinderten Sohn
Jonathan soll nicht vergebens
leben“
Wow!!!
Ich hatte erstmal Tränen in den Augen. Überhaupt war der ganze Text so toll
geschrieben. So einfühlsam. So liebevoll. So wahr, aber ohne auf die
Tränendrüse zu drücken.
Und dann
kamen auch schon die ersten SMSen von Freunden und Bekannten. Die Klickzahlen
für meinen Blog gingen nach oben. Nachrichten über das Kontaktformular
erreichten uns. ...was für eine Resonanz! Hätte ich NIE gedacht….
Wir
genossen die restlichen Urlaubstage. Am letzten Tag den wir in Holland
verbrachten erschien der zweite Artikel über uns:
„Jonathan ist ein
Geschenk“
Das Foto
dazu war seitenfüllend groß und obwohl wir es selbst ausgesucht hatten liefen
mir die Tränen als ich es sah, als ich es mit den Augen eines „Fremden“ zu
sehen versuchte der heute die Zeitung aufblätterte: Marvin und Jonathan beim
Schmusen.
Auch
dieser Artikel war unfassbar schön geschrieben. Unser Kinderarzt war interviewt
worden und hatte auf unseren Wunsch hin zur medizinischen Seite dieser
Krankheit Stellung genommen. Und auch Jonathans Kontonummer war abgedruckt
worden – allerdings nur in der Papierausgabe, im Onlineartikel erschien sie
nicht.
Das fand
ich aber überhaupt nicht schlimm!! Ich sagte an diesem Tag noch zu meinem Mann:
„Naja, wenn wir so 200€ bekommen – dann freue ich mich schon riesig!! Davon
können wir vielleicht nicht dauerhaft reiten gehen, aber ein paar neue
Musikinstrumente für Joni wären drin und ein paar Physiomatten für unsere
Übungen!“ ….zu diesem Zeitpunkt hatte ich wirklich ÜBERHAUPT keine Ahnung WAS
ALLES noch auf uns zukommen würde….
Unser
Urlaub war nun vorbei und wir machten uns auf den Heimweg…gut gelaunt und
irgendwie auch…naja: ein bisschen stolz!! Man erlebt es schließlich nicht alle
Tage dass man zwei seitenfüllende Zeitungsartikel über sich selber lesen kann.
Ich war
echt SEHR GESPANNT wie es mit meinem Blog weitergehen würde…ob sich jetzt noch
mehr Menschen bei mir meldeten und mir Feedback gaben??? Würde JETZT vielleicht
negatives Feedback dabei sein, jetzt wo die Zeitung meinen Blog bekannter
gemacht hatte und ihn mehr Menschen lesen würden??
Was an
diesem Tag auf dem Heimweg noch passierte…damit hatte ich in meinen kühnsten
Träumen nicht gerechnet…..