Freitag, 9. Februar 2018

Jonathan in der Presse
Meine Vermutung das mein neues Lebensjahr spannend werden würde bewahrheitete sich als sich eines Tages unsere lokale Tageszeitung (NASSAUISCHE NEUE PRESSE) dazu entschloss über uns zu berichten:  über Jonathan und meinen Blog….eine Tageszeitung mit nicht geringer Auflage!!

Ich schwebte wie auf Wolken!! Mit SO einer Reaktion hatte ich wirklich nicht gerechnet: über uns würde in der Tageszeitung berichtet werden!! WIE GEIL WAR DAS DENN BITTE???

Wir haben mit der Reporterin einen Termin ausgemacht an dem sie uns besuchen kommen würde. Vorher war bei uns Ausnahmezustand: Wohnung putzen, aufräumen…welche Klamotten ziehen wir an??? Müssen wir zum Friseur??? Ich schminkte mich sorgfältig…schließlich wollte die Reporterin Fotos machen und da die in die ZEITUNG kamen wollte man ja gut aussehen, nicht wahr!!

Wir waren aufgeregt ohne Ende!!! Okay: ICH war aufgeregt….meine Männer eher nicht so. LOL

Und dann klingelte es.  Ich öffnete und vor der Tür stand eine attraktive, junge Frau. Schon auf den ersten Blick war sie mir total sympathisch! Dieser Eindruck sollte sich im Laufe unserer „Zusammenarbeit“ noch bestätigen.

Das „Interview“ dauerte annähernd zwei Stunden, war aber ungezwungen. Ich erzählte ihr auch Dinge und sagte „Das möchte ich nicht erwähnt haben!“…und sie schrieb es nicht. Das baute ein großes Vertrauensverhältnis zwischen uns auf.

Sie fotografierte, zeigte uns die Bilder und ließ uns selbst aussuchen was wir in der Zeitung gedruckt sehen wollten – sehr sehr cool!!

Eine Aussage von ihr an diesem Nachmittag sollte unser komplettes Leben verändern – und das meine ich genauso wie ich es schreibe!!!
Sie fragte: „Gibt es schon ein Spendenkonto für Jonathan das wir erwähnen können?“..und wir sagten „Nein!“. Sie meinte wir sollten schleunigst eines eröffnen, es würden bestimmt Spenden erfolgen. Ich wiegelte noch ab und sagte das das nie unser Gedanke war: wir wollten einfach nur helfen mit unserem Blog. Die Reporterin schaute mich sehr intensiv an und fragte: „Haben Sie denn keine Träume für Ihren Sohn?“…und aus mir platzte es heraus: „Doch klar! Wir möchten reiten gehen weil die Orthopädin und die Physiotherapeutin sagen das wäre gut für ihn! Aber das ist zu teuer für uns!“…“Na, sehen Sie! Sie WERDEN reiten gehen!!“, kam von ihr zurück…ich schaute meinen Mann an und mein Kopf schwirrte.

Ich schwöre: bis zu diesem Moment hatten wir nie daran gedacht das unser Schritt in die Öffentlichkeit uns finanzielle Möglichkeiten für Jonathan eröffnen könnte die wir einfach nicht hatten…aktuell kann ich nicht arbeiten gehen, mein Mann ist Alleinverdiener. Wir haben zwei Kinder und ein Haus gekauft. Und…entgegen dem was Eltern gesunder Kinder vielleicht denken…kommt die Krankenkasse leider nicht in voller Höhe für alle notwendigen Therapien auf, so dass wir einiges selber zahlen müssen. Deswegen waren die Kosten einer Reittherapie einfach nicht drin.

Aber wenn die Reporterin so sicher war das wir ein Konto angeben sollten, dann wollten wir das auch machen. Einen Versuch war es wert, oder??? Also gingen wir in den folgenden Tagen zur Bank und eröffneten ein Konto, nur für Jonathan. Denn eins war mir von Anfang an wichtig: wir wollten „durchsichtig“ bleiben. Spenden für Jonathan: werden auch für Jonathan verwendet!! Dessen soll jeder sicher sein der uns unterstützt, also geht es für uns GAR NICHT das wir UNSERE Bankdaten angeben.

Ich teilte der Reporterin die Bankverbindung mit. Sie erklärte mir daraufhin das es über uns nicht nur EINEN, sondern ZWEI Zeitungsartikel geben würde!!! Einen der sich mehr mit dem Thema Blog beschäftigen sollte und einen der von Jonathan und seiner Krankheit erzählte. Wow!!! Gleich zwei Artikel auch noch!!! Und einer davon in der Samstagsausgabe….als sie uns allerdings sagte WANN die Artikel erscheinen würden war ich ein wenig traurig: GENAU in unserem Urlaub. Wir wären also an beiden Tagen nicht zu Hause und könnten uns die Zeitung nicht kaufen um uns druckfrisch selbst darin zu sehen…

Aber auch das war kein Problem: wir würden per Email eine PDF-Datei bekommen und könnten dann einfach dort hineinschauen. Prima!!

Bis dahin….vergingen aber noch fast zwei Wochen….

Und wieder Urlaub in Holland…
Eigentlich wollte ich in diesem Jahr keinen Sommerurlaub machen. Aus einem einzigen Grund: mein Elterngeld war zu Ende…wir hatten ein Haus gekauft. Ich hatte ein wenig Angst dass das Geld nicht reichen würde. Also hatten wir eigentlich geplant im Sommer zu Hause zu sein und den ein oder anderen Tagesausflug zu machen.

Doch dann erhielt mein Mann unverhoffter Weise eine Bonuszahlung. Und meinte direkt: „Komm, damit fahren wir DOCH in Urlaub! War doch schön in Holland letztes Jahr! Schau doch mal ob es noch ein Ferienhaus in dem Ort gibt!“ …also schaute ich nach. Und fand auch etwas: sehr nah am Strand und am Supermarkt. Wir waren im letzten Jahr auf unserem täglichen Weg zum Strand sogar immer an diesem Haus vorbeigekommen und erkannten es auf den Bildern. Die Lage war toll und der Preis…ok. Nicht billig…aber ok. Also buchten wir.

Als fest stand das wir nun doch für eine Woche ans Meer fahren würden habe ich mich gefreut…war ja doch irgendwie schön mal rauszukommen!

Wie das mit dem Packen bei uns so läuft: brauche ich nicht noch einmal zu erzählen, das war wie im Jahr zuvor! 8o)) Auch die Fahrt nach Holland verlief genau gleich…alles war prima und wir kamen relativ schnell am Urlaubsort an, fanden die Unterkunft sofort und luden das Auto aus. Der Schlüssel war für uns hinterlegt worden und so erkundeten wir allein unser neues Zuhause….

Ja….und hier hatten wir dann doch den GROSSEN Unterschied zum Vorjahresurlaub: damals waren wir in einer Luxusunterkunft gewesen, riesig und wunderschön eingerichtet. In diesem Jahr…nun ja…ich sage mal so: wir nannten unsere Ferienwohnung liebevoll „unsere Bruchbude“.

Türen hingen schief in den Angeln…der Fußboden (PVC) schlug Wellen (beim Staubsaugen hat mein Mann fast den kompletten Bodenbelag aus dem Wohnzimmer aufgesaugt weil er nicht festgeklebt war) …die Wände sahen teilweise feucht aus…in die Schränke im Schlafzimmer wollte man nicht hineinsehen: da bekam man Alpträume weil sie so dunkel und dreckig waren und man erwartete jeden Moment von einer Ratte oder schlimmerem angefallen zu werden. Das absolute Highlite aber war das Bad. Zum einen gab es hier kein Waschbecken, dafür war das Bad zu klein. Das Waschbecken befand sich im Elternschlafzimmer…ging Marvin also nachts aufs Klo, dann kam er anschließend zu uns um Hände zu waschen…..(und wenn der ein oder andere jetzt sagt: Hände waschen in der Küche!...keine gute Idee!!! Der Wasserhahn hier war SO LOCKER, den hatte ich mehr als einmal in der Hand beim Abspülen!)….der Clou am Bad war aber: zog man an der Klospülung….tanzte der Abfluss in der Dusche Samba! Und das meine ich wörtlich! Er kam aus seiner Verankerung und tanzte wild in der Dusche umher. Als ich das zum ersten Mal sah war ich fassungslos und starrte mit offenem Mund in die Dusche – mein erster Gedanke war wirklich das Ratten aus dem Abfluss hochkommen, doch dann habe ich gemerkt das es nur mit der Klospülung zusammenhing.

Mein Mann wollte ausziehen. Ich sagte ihm dass es doch gar nicht sooo schlimm sei, es ging BESTIMMT auch schlimmer.

Es ging schlimmer…..
Nachdem ich die erste Maschine Wäsche gewaschen hatte (wir hatten extra darauf geachtet das unsere Unterkunft Waschmöglichkeiten hatte um nicht soo viele Kleider mitnehmen zu müssen)..wäre ICH am liebsten ausgezogen!!! 40 Grad, Feinwäsche….dauerte…ACHTUNG:TROMMELWIRBEL!!!!....ungelogen fast 6 Stunden!!! In Worten: SECHS STUNDEN!!! Ich war wieder fassungslos….Wie KANN eine Maschine 6 Stunden brauchen um Feinwäsche zu waschen??? Keine Ahnung…..
Wer jetzt denkt das es nun aber wirklich NICHT schlimmer geht….doch: geht es! Sonntag Morgen….ich stand auf und wollte mir Kaffee machen…doch die Kaffeemaschine ging nicht an. Stecker drin? Ja….Wasser in der Maschine? Ja…komisch….die anderen Geräte in der Küche gehen auch nicht….im Wohnzimmer: ebenfalls kein Strom…und irgendwie: war es auch kalt oder nicht? Richtig: die Heizung war auch aus…und damit das warme Wasser! Prima!!! Und das am Sonntag.

Ich habe unserem Vermieter, den wir bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gesehen hatten, eine Email geschrieben und habe gebetet dass er sie schnell lesen möge. Hat er auch…und innerhalb von 30 Minuten war er da um nachzusehen was los war. Gemeinsam und mit englisch/deutscher Verständigung hatten wir den Fehler bald gefunden: unser Boiler hatte sich abgeschaltet…warum auch immer. Vielleicht hatte er auch einfach keinen Bock mehr auf diese Bruchbude.

Aber ein Gutes hatte dieser Urlaub: wir können heute noch lustige Geschichten davon erzählen!! 8o)

Naja, und es war nicht alles NUR schlecht!!!

Wir hatten einen tollen Tag im Amsterdamer Zoo. Wir haben endlich die Rennstrecke gefunden und gesehen!! Die Kellner in unserem Lieblingslokal am Strand haben uns wiedererkannt und sogar noch mit Namen ansprechen können. Wir hatten insgesamt schon recht schöne Tage hier, das Wetter hat diesmal allerdings nicht mitgespielt….

Ein paar Tage bevor unser Urlaub zu Ende war erschien der erste Zeitungsartikel. Ich bin morgens schon im Morgengrauen aus dem Bett gestiegen und habe meine Emails gecheckt: die Reporterin hatte mir geschrieben das ich direkt im Online-Portal der Zeitung schauen könnte. Was ich auch umgehend gemacht habe.
Und da waren wir!!! Mit Foto und langem Text und fetter Überschrift:

      „Mutter schreibt Blog über ihren schwerbehinderten Sohn
                Jonathan soll nicht vergebens leben“

Wow!!! Ich hatte erstmal Tränen in den Augen. Überhaupt war der ganze Text so toll geschrieben. So einfühlsam. So liebevoll. So wahr, aber ohne auf die Tränendrüse zu drücken.

Und dann kamen auch schon die ersten SMSen von Freunden und Bekannten. Die Klickzahlen für meinen Blog gingen nach oben. Nachrichten über das Kontaktformular erreichten uns. ...was für eine Resonanz! Hätte ich NIE gedacht….

Wir genossen die restlichen Urlaubstage. Am letzten Tag den wir in Holland verbrachten erschien der zweite Artikel über uns:

                        „Jonathan ist ein Geschenk“

Das Foto dazu war seitenfüllend groß und obwohl wir es selbst ausgesucht hatten liefen mir die Tränen als ich es sah, als ich es mit den Augen eines „Fremden“ zu sehen versuchte der heute die Zeitung aufblätterte: Marvin und Jonathan beim Schmusen.

Auch dieser Artikel war unfassbar schön geschrieben. Unser Kinderarzt war interviewt worden und hatte auf unseren Wunsch hin zur medizinischen Seite dieser Krankheit Stellung genommen. Und auch Jonathans Kontonummer war abgedruckt worden – allerdings nur in der Papierausgabe, im Onlineartikel erschien sie nicht.

Das fand ich aber überhaupt nicht schlimm!! Ich sagte an diesem Tag noch zu meinem Mann: „Naja, wenn wir so 200€ bekommen – dann freue ich mich schon riesig!! Davon können wir vielleicht nicht dauerhaft reiten gehen, aber ein paar neue Musikinstrumente für Joni wären drin und ein paar Physiomatten für unsere Übungen!“ ….zu diesem Zeitpunkt hatte ich wirklich ÜBERHAUPT keine Ahnung WAS ALLES noch auf uns zukommen würde…. 

Unser Urlaub war nun vorbei und wir machten uns auf den Heimweg…gut gelaunt und irgendwie auch…naja: ein bisschen stolz!! Man erlebt es schließlich nicht alle Tage dass man zwei seitenfüllende Zeitungsartikel über sich selber lesen kann.

Ich war echt SEHR GESPANNT wie es mit meinem Blog weitergehen würde…ob sich jetzt noch mehr Menschen bei mir meldeten und mir Feedback gaben??? Würde JETZT vielleicht negatives Feedback dabei sein, jetzt wo die Zeitung meinen Blog bekannter gemacht hatte und ihn mehr Menschen lesen würden??


Was an diesem Tag auf dem Heimweg noch passierte…damit hatte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet…..