Wir haben seit dem vergangenen Sommer wirklich
unfassbar viel Unterstützung für unseren Traum „Delphintherapie“ bekommen.
Dadurch haben wir auch viele tolle Menschen
kennengelernt - denn ein weiterer Punkt den wir sehr ernst nehmen: wenn es
gewünscht ist, finden IMMER persönliche Spendenübergaben statt - damit die
Spender sehen wohin ihr Geld geht, damit sie uns ihre Fragen stellen und sich
mit eigenen Augen davon überzeugen können das Jonathan eben ein sehr besonderes
Kind ist.
Anfang 2018 hatten wir einige Anfragen bezüglich
Spendenübergaben: von der Karnevalsgesellschaft die den Kreppelverkauf gemacht
hatte, von dem Duo das das Benefizkonzert gespielt hatte, von der katholischen
Frauengemeinschaft unseres Ortes UND von unserer Kirchengemeinde. Der Pfarrer
hatte sich gemeldet und uns mitgeteilt dass die Gemeinde, gemeinsam mit einer
Stiftung, gerne Jonathan mit einer größeren Summe unterstützen würde.
Ich kam ins Schwitzen!!! Wann sollte ich die Zeit
finden diese ganzen Spendenübergaben –in einem anständigen Rahmen und mit ein
wenig Zeit!- zu vereinbaren??? Mittlerweile hatten wir mit Jonathan von Montag
bis Samstag Therapietermine und Marvin hatte ebenfalls seine Hobbies zu denen
er gefahren werden musste….
Aber dann hatte ich eine Idee!! Es würde eine
„Massenspendenübergabe“ geben. Ich würde einfach alle auf einmal einladen
und….naja: im Wohnzimmer stapeln müssen, aber egal!
Außerdem hatte ich unsere Redakteurin der
Tageszeitung angerufen und gefragt ob sie zu diesem Termin auch kommen und dann
in der Zeitung darüber berichten würde. Das wollte sie sehr gerne und so….saßen
irgendwann Anfang März unfassbar viele Menschen in unserem Wohnzimmer!! Manche
von ihnen wollten gar nicht mit aufs Foto, wir hatten also noch mehr Besucher als man dann in der Zeitung
sehen konnte. LOL…
Es war ein sehr schöner Termin. Wir haben so viel
gelacht und gequatscht! Und obwohl sich zu Beginn des Termins die Leute alle
untereinander nicht kannten, hat sich jeder mit jedem unterhalten – irgendwie
war das so ein Gefühl von: „Wir kennen uns zwar nicht, aber wir sind aus
demselben Grund hier.“
Es war definitiv die richtige Entscheidung diese
ganzen Menschen gemeinsam zu uns einzuladen. Und ich hoffe das haben sie alle
genauso gesehen. 8o))
Besonders gerührt hat uns an diesem Nachmittag ein
Präsent das der Vertreter unserer Kirchengemeinde dabei hatte: er hatte ein Ei
bemalt. Mit den Noten des Liedes ALL YOU NEED IS LOVE.
Für mich war und ist dieses Geschenk ein ganz
starkes Symbol!!! Der Liedtext passt so gut zu Jonathan und das Osterei steht
natürlich für die Taufe in der Osternacht, für den Moment als wir unseren
kleinen Sohn Gott anvertraut haben. Das Ei liegt seit damals geschützt in einer
Dose, damit es nur ja nicht kaputt geht! Aber ab und an hole ich es heraus,
betrachte es und bekomme immer wieder Gänsehaut…….
Nur wenige Tage später hatten wir die nächste
Spendenübergabe. Auch sie war sehr besonders, denn: wir bekamen Geld von einer
Gruppe von Kommunionkindern aus einem ein paar Kilometer entfernten Ort.
Bei diesen Kindern war es Usus das sie am
Rosenmontag in ihrem Ort von Haus und zu Haus gingen und „Eier sammelten“. Also
heutzutage sammeln sie eher Geld und Süßigkeiten. 8o) Normalerweise geht die
Hälfte des gesammelten Geldes dann an einen guten Zweck und die andere Hälfte
dürfen die Kinder selber behalten.
Aber die Kleinen hatten sich entschieden: in diesem
Jahr würde ALLES gespendet werden - und zwar an Jonathan.
Als ich über Facebook von einer der Mütter über
diese Spendensammlung informiert wurde, habe ich ganz schön schwer geschluckt!
Also…ich bin ja IMMER EXTREM emotional und dauernd am Heulen vor Rührung…aber
wenn dann auch noch KINDER so etwas für uns machen – das ist dann noch mal eine
Spur bewegender. Das Kinder in dem Alter an ANDERE MENSCHEN denken und dafür
SELBST auf etwas verzichten, das ist sicherlich nicht an der Tagesordnung!!
Zudem waren die Kinder über 6 Stunden zu Fuß im Ort unterwegs um uns dieses
Geld zu sammeln und sie hatten sich mega-süße Spendendosen gebastelt mit
Bildern von Jonathan drauf.
Die Mutter hätte mich eigentlich gar nicht fragen
müssen ob ich bereit wäre mit Jonathan in der Kommunionstunde vorbeizukommen
damit die Kinder ihn persönlich kennenlernen können – das war MIR in dem Falle
sowieso eine Herzensangelegenheit!!
Allerdings habe ich darum gebeten das, sollte eins
der Kinder krank sein (Schnupfen oder einen anderen Infekt haben), dieses Kind
beim Termin dann nicht anwesend wäre. Wir hatten immer noch Grippesaison und
ich hatte eine panische Angst davor das Jonathan sich irgendwo damit anstecken
könnte. Mir wurde an der Stelle aber Vorsicht versprochen.
Und so…haben Jonathan, Marvin und ich uns
nachmittags zu unserem Termin aufgemacht. Kaum hatten wir geparkt sah ich
lauter kleine Gesichter aus dem Fenster schauen und hörte schon ein SCHREIEN
und KREISCHEN….Marvin sagte nur „O Gott! MÄDCHEN!“…lach…
Wir sind reingegangen – und so ein Gewusel und
Geschreie habe ich selten erlebt. Lach….die Kinder waren alle total aufgeregt
und die Mädchen euphorisch: „Ist der
SÜSS!!! Darf ich ihn mal halten?“
Zuerst haben wir uns aber alle an einen Tisch
gesetzt und ich habe ein wenig über Jonathan erzählt und Fragen beantwortet.
Als ich den Kindern erklärte dass der kleine Mann einen „Gendefekt“ hat wurde
ich sofort gefragt was das bedeutet. Auf diese Frage wollte ich dieselbe
Antwort geben wie im Kindergarten: „Gott hat ihn einfach so gemacht wie er ist:
anders.“ Aber Marvin kam mir zuvor und sagte: „Stell Dir vor Du hast ein
Lego-Set und möchtest das aufbauen, aber ein Stein der wichtig ist fehlt. Dann
sieht das Set nach dem Aufbauen anders aus als es sollte. DAS ist ein
Gendefekt.“
Ich war sprachlos….mein Großer erklärte so mühelos
und auf bildliche Weise den Bauplan des Lebens. Tränen standen in meinen Augen
und als ich die Mütter anschaute, die als Betreuer in der Kommuniongruppe
waren, sah ich dass es ihnen genauso ging. Eine sagte nur „Wow! Das hat er aber
gut erklärt!“
Die Kinder hatten auch direkt verstanden, mit
Marvins Antwort konnten sie etwas anfangen. Tja, und nun gab es kein Zurück
mehr: alle wollten Joni halten. Lach…
Natürlich habe ich mir ein wenig „Sorgen“ gemacht. Ich
wusste ja nicht ob eines der Kinder vielleicht schon eine Krankheit, wie
Grippe!, in sich hatte….aber….ich musste und wollte diese Angst ignorieren!
Denn diese Jungs und Mädchen hatten so viel für uns getan – sie hatten diesen
kurzen Moment der Freude mehr als verdient.
Also: Augen zu und durch!! 8o)))
Das Strahlen in den Augen der Kinder als sie den
kleinen Mann in den Arm nehmen durften…hat mir gezeigt das ich genau das
Richtige tue. So ein Glück sprach aus ihren kleinen Gesichtern….selten war ich
so ergriffen bei einer Spendenübergabe wie an diesem Tag!!
„Gott wird schon dafür Sorge tragen das Jonathan
sich nicht mit irgendwas ansteckt – Gott wird belohnen was diese Kinder für uns
gemacht haben weil DAS Nächstenliebe, und damit gelebtes Christentum, ist.“….an
diesem Gedanken hielt ich mich fest. Der Gedanke half mir in diesem Moment.
JA: ich bin gläubig. SEHR. Und zwar IMMER
NOCH…trotz all dessen was mir im Leben widerfahren ist.
Marvin hat so seine Zweifel was Glauben angeht. Er
hat seinen Weg zur Religion noch nicht gefunden – und ich möchte dass er ihn
allein findet. Ich möchte ihm nicht einen Weg vorgeben den er dann geht ohne
wirklich davon überzeugt zu sein.
Aus MEINEM Glauben mache ich keinen Hehl und wann
immer Marvin Fragen oder Zweifel hat: reden wir über seine und meine Ansichten.
Auch an diesem Nachmittag nach der Spendenübergabe
war so ein Moment. Klar: wir waren zu Besuch in einer KOMMUNIONGRUPPE gewesen!
Marvin und ich sind evangelisch, er muss sich mit dem Thema Konfirmation erst
in einigen Jahren befassen. Wenn er dann aber auf andere Kinder trifft die sich
mit der Thematik Kirche schon beschäftigen oder beschäftigt haben, dann kommen
bei Marvin immer sehr viele Fragen – oft auch sehr tiefgründige… wie auf der
Heimfahrt im Auto.
„Mama, WARUM glaubst Du eigentlich?“
Uff….das war eine Frage die ich nicht in einem Satz
beantworten konnte und über die ich auch erst kurz nachdenken musste. Dann
sagte ich zu Marvin:
„Weil der Glaube mir HOFFNUNG gibt. Weil ich mich
dadurch an dem Gedanken festhalten kann das wir Menschen in unserem Leben nicht
alles bestimmen können – manche Dinge sind einfach vorherbestimmt und lassen
sich durch NICHTS was wir tun ändern. Schau Dir Jonathan an….ich habe alle
Untersuchungen machen lassen die wir Menschen erfunden haben – und alle diese
Untersuchungen haben gezeigt das er komplett gesund ist. Dann kam er zur
Welt….und war NICHT gesund. KEIN MENSCH hat es gemerkt – das Schicksal hat sich
durchgesetzt. Wir Menschen sind sehr sehr klein und unwichtig in dieser Welt
und können nicht wirklich etwas bestimmen.
GLAUBE ist für mich die Kunst mit dem zu leben was
das Schicksal für mich bereithält – ohne daran zu verzweifeln oder aufzugeben,
sondern einfach den Sinn darin zu finden und das Beste daraus zu machen. Und so
lange ich GLAUBE…habe ich auch HOFFNUNG diesen Weg im Leben zu finden und glücklich
zu werden, bzw zu bleiben!
Dabei glaube ich NICHT das Gott ein alter Mann mit
grauem Bart ist der auf einer Wolke sitzt und auf uns herunterschaut.
Ich glaube aber das es eine höhere MACHT gibt, eine
BESTIMMUNG, das SCHICKSAL….oder KARMA.“
Ja….so ist es – zumindest für MICH!!! Ich denke
aber das jeder anders GLAUBT oder auch andere Beweggründe hat.
Mir ist es egal ob jemand Gott, Allah oder
verschiedene Gottheiten anbetet….alle Menschen die glauben sind in diesem
Glauben vereint. Sie alle beten weil es ihnen dadurch besser geht. Oder weil
sie nach einem Ziel streben das sie versuchen durch Gebete zu verwirklichen.
In der heutigen Zeit, in der wir Zugang zu so
vielen Medien haben in denen Propaganda für und gegen Religionsgruppieren
gemacht wird….in denen oftmals die Einwanderer als „die Bösen“ dargestellt
werden die an allem schuld und für alles schlechte verantwortlich sind….finde
ich es extrem schwierig meinen Kindern die richtigen Werte fürs Leben
mitzugeben. Sie in der heutigen Zeit zu Toleranz und Akzeptanz gegenüber ALLEN
MENSCHEN zu erziehen während die Medien so oft Hass schüren ist für mich eine
sehr große Herausforderung!
ICH wurde nach dem Motto „Jeder Mensch ist gleich
und gleich viel wert, egal welche Hautfarbe oder Religion er hat!“ erzogen. Und
DAS obwohl meine Eltern nicht besonders religiös waren/sind. Aber hat diese
Einstellung denn überhaupt nur etwas mit Religion zu tun??? NEIN…es ist eine
Einstellung die von RESPEKT zeugt. Leider…empfinde ich in der heutigen Zeit
viele Menschen als sehr RESPEKTLOS.
Jonathan ist anders. Für jeden sichtbar anders.
Trotzdem sollte er in einer aufgeklärten Gesellschaft die sich selbst als
TOLERANT bezeichnet und sich INKLUSION groß auf die Fahne geschrieben hat doch
RESPEKTVOLL behandelt werden!!
Nur leider ist das sehr oft nicht der Fall.
Es fängt mit Äußerungen an die wir in seinem ersten
Lebensjahr auf dem Weihnachtsmarkt zu hören bekamen:
„Wo ist denn da das Batteriefach, das ist doch kein
echtes Baby.“….(Ja, ich habe diese Aussage hier schon einmal erwähnt und mir
schwirrt sie immer noch durch den Kopf – auch nach dieser langen Zeit! Denn sie
war sehr verletzend.)
…es geht weiter mit Äußerungen wie:
„Haben Sie denn vor der Geburt nicht gewusst dass
er behindert ist? Hat man das nicht festgestellt?“
Diese Frage höre ich tatsächlich sehr oft…und jedes
Mal steigt dann Wut in mir hoch. Denn ich frage mich in diesen Momenten: Was
möchte man mir mit dieser Aussage mitteilen???
Das ich „die Chance“ gehabt hätte ihn abzutreiben wenn
ich von der Behinderung gewusst hätte??? Das ich ihn hätte besser abtreiben
SOLLEN weil er ja KRANK ist??? Dass Jonathan weniger wert ist und kein Anrecht
auf sein Leben hat weil er ANDERS ist???
…und gipfelt in Schuldzuweisungen:
„Na, Sie werden in der Schwangerschaft wohl Alkohol
getrunken oder Drogen genommen haben – denn SONST wäre SOWAS ja nicht
passiert.“ (Auch diese Aussage habe ich hier schon erwähnt und es ist die
Aussage die mich bis heute am meisten verletzt hat. Weil sie ein persönlicher Angriff
und auch noch völlig unbegründet war.)
Ich finde solche Aussagen weder Jonathan noch mir
gegenüber fair oder respektvoll.
Natürlich hätte ich mir ein gesundes Kind gewünscht
und ich habe mir mein Leben auch ganz anders ausgemalt. Aber nun ist es wie es
ist und wir versuchen das Beste daraus zu machen.
Was nicht immer einfach ist!!!
Denn wir haben immer den Gedanken an die nicht sehr
hohe Lebenserwartung im Kopf….wir haben einfach unfassbar viele Termine mit
Jonathan und kämpfen hart um jeden Entwicklungsschritt…wir kämpfen um sehr
viele Medikamente und Hilfsmittel mit der Krankenkasse.
Ich würde mir einfach wünschen das die Menschen uns
–und auch ALLEN ANDEREN BEHINDERTEN!- mit mehr Respekt und Toleranz
entgegentreten. Und das Eltern ihren Kindern in der Erziehung wieder verstärkt
diese Tugenden vermitteln. Auch wenn das in der heutigen Zeit nicht so einfach
ist.
Aber wenn man sich als Eltern dieser
Herausforderung stellt und seinen Kindern diese Tugenden vermittelt….dann
erntet man später die Früchte dessen: sei es weil eine Kommunionsgruppe so
uneigennützig handelt…oder sei es weil das eigene Kind seine Mitmenschen voller
Respekt behandelt. Und Respektvoller Umgang in unserer Gesellschaft – ist es
nicht das was wir alle wollen????