Freitag, 15. Juni 2018


Wir haben seit dem vergangenen Sommer wirklich unfassbar viel Unterstützung für unseren Traum „Delphintherapie“ bekommen.

Dadurch haben wir auch viele tolle Menschen kennengelernt - denn ein weiterer Punkt den wir sehr ernst nehmen: wenn es gewünscht ist, finden IMMER persönliche Spendenübergaben statt - damit die Spender sehen wohin ihr Geld geht, damit sie uns ihre Fragen stellen und sich mit eigenen Augen davon überzeugen können das Jonathan eben ein sehr besonderes Kind ist.

Anfang 2018 hatten wir einige Anfragen bezüglich Spendenübergaben: von der Karnevalsgesellschaft die den Kreppelverkauf gemacht hatte, von dem Duo das das Benefizkonzert gespielt hatte, von der katholischen Frauengemeinschaft unseres Ortes UND von unserer Kirchengemeinde. Der Pfarrer hatte sich gemeldet und uns mitgeteilt dass die Gemeinde, gemeinsam mit einer Stiftung, gerne Jonathan mit einer größeren Summe unterstützen würde.

Ich kam ins Schwitzen!!! Wann sollte ich die Zeit finden diese ganzen Spendenübergaben –in einem anständigen Rahmen und mit ein wenig Zeit!- zu vereinbaren??? Mittlerweile hatten wir mit Jonathan von Montag bis Samstag Therapietermine und Marvin hatte ebenfalls seine Hobbies zu denen er gefahren werden musste….

Aber dann hatte ich eine Idee!! Es würde eine „Massenspendenübergabe“ geben. Ich würde einfach alle auf einmal einladen und….naja: im Wohnzimmer stapeln müssen, aber egal!
Außerdem hatte ich unsere Redakteurin der Tageszeitung angerufen und gefragt ob sie zu diesem Termin auch kommen und dann in der Zeitung darüber berichten würde. Das wollte sie sehr gerne und so….saßen irgendwann Anfang März unfassbar viele Menschen in unserem Wohnzimmer!! Manche von ihnen wollten gar nicht mit aufs Foto, wir hatten  also noch mehr Besucher als man dann in der Zeitung sehen konnte. LOL…

Es war ein sehr schöner Termin. Wir haben so viel gelacht und gequatscht! Und obwohl sich zu Beginn des Termins die Leute alle untereinander nicht kannten, hat sich jeder mit jedem unterhalten – irgendwie war das so ein Gefühl von: „Wir kennen uns zwar nicht, aber wir sind aus demselben Grund hier.“
Es war definitiv die richtige Entscheidung diese ganzen Menschen gemeinsam zu uns einzuladen. Und ich hoffe das haben sie alle genauso gesehen. 8o))

Besonders gerührt hat uns an diesem Nachmittag ein Präsent das der Vertreter unserer Kirchengemeinde dabei hatte: er hatte ein Ei bemalt. Mit den Noten des Liedes ALL YOU NEED IS LOVE.
Für mich war und ist dieses Geschenk ein ganz starkes Symbol!!! Der Liedtext passt so gut zu Jonathan und das Osterei steht natürlich für die Taufe in der Osternacht, für den Moment als wir unseren kleinen Sohn Gott anvertraut haben. Das Ei liegt seit damals geschützt in einer Dose, damit es nur ja nicht kaputt geht! Aber ab und an hole ich es heraus, betrachte es und bekomme immer wieder Gänsehaut…….


Nur wenige Tage später hatten wir die nächste Spendenübergabe. Auch sie war sehr besonders, denn: wir bekamen Geld von einer Gruppe von Kommunionkindern aus einem ein paar Kilometer entfernten Ort.

Bei diesen Kindern war es Usus das sie am Rosenmontag in ihrem Ort von Haus und zu Haus gingen und „Eier sammelten“. Also heutzutage sammeln sie eher Geld und Süßigkeiten. 8o) Normalerweise geht die Hälfte des gesammelten Geldes dann an einen guten Zweck und die andere Hälfte dürfen die Kinder selber behalten.

Aber die Kleinen hatten sich entschieden: in diesem Jahr würde ALLES gespendet werden - und zwar an Jonathan.

Als ich über Facebook von einer der Mütter über diese Spendensammlung informiert wurde, habe ich ganz schön schwer geschluckt! Also…ich bin ja IMMER EXTREM emotional und dauernd am Heulen vor Rührung…aber wenn dann auch noch KINDER so etwas für uns machen – das ist dann noch mal eine Spur bewegender. Das Kinder in dem Alter an ANDERE MENSCHEN denken und dafür SELBST auf etwas verzichten, das ist sicherlich nicht an der Tagesordnung!! Zudem waren die Kinder über 6 Stunden zu Fuß im Ort unterwegs um uns dieses Geld zu sammeln und sie hatten sich mega-süße Spendendosen gebastelt mit Bildern von Jonathan drauf.

Die Mutter hätte mich eigentlich gar nicht fragen müssen ob ich bereit wäre mit Jonathan in der Kommunionstunde vorbeizukommen damit die Kinder ihn persönlich kennenlernen können – das war MIR in dem Falle sowieso eine Herzensangelegenheit!!

Allerdings habe ich darum gebeten das, sollte eins der Kinder krank sein (Schnupfen oder einen anderen Infekt haben), dieses Kind beim Termin dann nicht anwesend wäre. Wir hatten immer noch Grippesaison und ich hatte eine panische Angst davor das Jonathan sich irgendwo damit anstecken könnte. Mir wurde an der Stelle aber Vorsicht versprochen.

Und so…haben Jonathan, Marvin und ich uns nachmittags zu unserem Termin aufgemacht. Kaum hatten wir geparkt sah ich lauter kleine Gesichter aus dem Fenster schauen und hörte schon ein SCHREIEN und KREISCHEN….Marvin sagte nur „O Gott! MÄDCHEN!“…lach…

Wir sind reingegangen – und so ein Gewusel und Geschreie habe ich selten erlebt. Lach….die Kinder waren alle total aufgeregt und die Mädchen  euphorisch: „Ist der SÜSS!!! Darf ich ihn mal halten?“

Zuerst haben wir uns aber alle an einen Tisch gesetzt und ich habe ein wenig über Jonathan erzählt und Fragen beantwortet. Als ich den Kindern erklärte dass der kleine Mann einen „Gendefekt“ hat wurde ich sofort gefragt was das bedeutet. Auf diese Frage wollte ich dieselbe Antwort geben wie im Kindergarten: „Gott hat ihn einfach so gemacht wie er ist: anders.“ Aber Marvin kam mir zuvor und sagte: „Stell Dir vor Du hast ein Lego-Set und möchtest das aufbauen, aber ein Stein der wichtig ist fehlt. Dann sieht das Set nach dem Aufbauen anders aus als es sollte. DAS ist ein Gendefekt.“

Ich war sprachlos….mein Großer erklärte so mühelos und auf bildliche Weise den Bauplan des Lebens. Tränen standen in meinen Augen und als ich die Mütter anschaute, die als Betreuer in der Kommuniongruppe waren, sah ich dass es ihnen genauso ging. Eine sagte nur „Wow! Das hat er aber gut erklärt!“

Die Kinder hatten auch direkt verstanden, mit Marvins Antwort konnten sie etwas anfangen. Tja, und nun gab es kein Zurück mehr: alle wollten Joni halten. Lach…

Natürlich habe ich mir ein wenig „Sorgen“ gemacht. Ich wusste ja nicht ob eines der Kinder vielleicht schon eine Krankheit, wie Grippe!, in sich hatte….aber….ich musste und wollte diese Angst ignorieren! Denn diese Jungs und Mädchen hatten so viel für uns getan – sie hatten diesen kurzen Moment der Freude mehr als verdient.

Also: Augen zu und durch!! 8o)))
Das Strahlen in den Augen der Kinder als sie den kleinen Mann in den Arm nehmen durften…hat mir gezeigt das ich genau das Richtige tue. So ein Glück sprach aus ihren kleinen Gesichtern….selten war ich so ergriffen bei einer Spendenübergabe wie an diesem Tag!!

„Gott wird schon dafür Sorge tragen das Jonathan sich nicht mit irgendwas ansteckt – Gott wird belohnen was diese Kinder für uns gemacht haben weil DAS Nächstenliebe, und damit gelebtes Christentum, ist.“….an diesem Gedanken hielt ich mich fest. Der Gedanke half mir in diesem Moment.

JA: ich bin gläubig. SEHR. Und zwar IMMER NOCH…trotz all dessen was mir im Leben widerfahren ist.  

Marvin hat so seine Zweifel was Glauben angeht. Er hat seinen Weg zur Religion noch nicht gefunden – und ich möchte dass er ihn allein findet. Ich möchte ihm nicht einen Weg vorgeben den er dann geht ohne wirklich davon überzeugt zu sein.

Aus MEINEM Glauben mache ich keinen Hehl und wann immer Marvin Fragen oder Zweifel hat: reden wir über seine und meine Ansichten.

Auch an diesem Nachmittag nach der Spendenübergabe war so ein Moment. Klar: wir waren zu Besuch in einer KOMMUNIONGRUPPE gewesen! Marvin und ich sind evangelisch, er muss sich mit dem Thema Konfirmation erst in einigen Jahren befassen. Wenn er dann aber auf andere Kinder trifft die sich mit der Thematik Kirche schon beschäftigen oder beschäftigt haben, dann kommen bei Marvin immer sehr viele Fragen – oft auch sehr tiefgründige… wie auf der Heimfahrt im Auto.

„Mama, WARUM glaubst Du eigentlich?“
Uff….das war eine Frage die ich nicht in einem Satz beantworten konnte und über die ich auch erst kurz nachdenken musste. Dann sagte ich zu Marvin:
„Weil der Glaube mir HOFFNUNG gibt. Weil ich mich dadurch an dem Gedanken festhalten kann das wir Menschen in unserem Leben nicht alles bestimmen können – manche Dinge sind einfach vorherbestimmt und lassen sich durch NICHTS was wir tun ändern. Schau Dir Jonathan an….ich habe alle Untersuchungen machen lassen die wir Menschen erfunden haben – und alle diese Untersuchungen haben gezeigt das er komplett gesund ist. Dann kam er zur Welt….und war NICHT gesund. KEIN MENSCH hat es gemerkt – das Schicksal hat sich durchgesetzt. Wir Menschen sind sehr sehr klein und unwichtig in dieser Welt und können nicht wirklich etwas bestimmen.
GLAUBE ist für mich die Kunst mit dem zu leben was das Schicksal für mich bereithält – ohne daran zu verzweifeln oder aufzugeben, sondern einfach den Sinn darin zu finden und das Beste daraus zu machen. Und so lange ich GLAUBE…habe ich auch HOFFNUNG diesen Weg im Leben zu finden und glücklich zu werden, bzw zu bleiben!
Dabei glaube ich NICHT das Gott ein alter Mann mit grauem Bart ist der auf einer Wolke sitzt und auf uns herunterschaut.
Ich glaube aber das es eine höhere MACHT gibt, eine BESTIMMUNG, das SCHICKSAL….oder KARMA.“

Ja….so ist es – zumindest für MICH!!! Ich denke aber das jeder anders GLAUBT oder auch andere Beweggründe hat.  
Mir ist es egal ob jemand Gott, Allah oder verschiedene Gottheiten anbetet….alle Menschen die glauben sind in diesem Glauben vereint. Sie alle beten weil es ihnen dadurch besser geht. Oder weil sie nach einem Ziel streben das sie versuchen durch Gebete zu verwirklichen.

In der heutigen Zeit, in der wir Zugang zu so vielen Medien haben in denen Propaganda für und gegen Religionsgruppieren gemacht wird….in denen oftmals die Einwanderer als „die Bösen“ dargestellt werden die an allem schuld und für alles schlechte verantwortlich sind….finde ich es extrem schwierig meinen Kindern die richtigen Werte fürs Leben mitzugeben. Sie in der heutigen Zeit zu Toleranz und Akzeptanz gegenüber ALLEN MENSCHEN zu erziehen während die Medien so oft Hass schüren ist für mich eine sehr große Herausforderung!

ICH wurde nach dem Motto „Jeder Mensch ist gleich und gleich viel wert, egal welche Hautfarbe oder Religion er hat!“ erzogen. Und DAS obwohl meine Eltern nicht besonders religiös waren/sind. Aber hat diese Einstellung denn überhaupt nur etwas mit Religion zu tun??? NEIN…es ist eine Einstellung die von RESPEKT zeugt. Leider…empfinde ich in der heutigen Zeit viele Menschen als sehr RESPEKTLOS.

Jonathan ist anders. Für jeden sichtbar anders. Trotzdem sollte er in einer aufgeklärten Gesellschaft die sich selbst als TOLERANT bezeichnet und sich INKLUSION groß auf die Fahne geschrieben hat doch RESPEKTVOLL behandelt werden!!
Nur leider ist das sehr oft nicht der Fall.
Es fängt mit Äußerungen an die wir in seinem ersten Lebensjahr auf dem Weihnachtsmarkt zu hören bekamen:
„Wo ist denn da das Batteriefach, das ist doch kein echtes Baby.“….(Ja, ich habe diese Aussage hier schon einmal erwähnt und mir schwirrt sie immer noch durch den Kopf – auch nach dieser langen Zeit! Denn sie war sehr verletzend.)

…es geht weiter mit Äußerungen wie:
„Haben Sie denn vor der Geburt nicht gewusst dass er behindert ist? Hat man das nicht festgestellt?“
Diese Frage höre ich tatsächlich sehr oft…und jedes Mal steigt dann Wut in mir hoch. Denn ich frage mich in diesen Momenten: Was möchte man mir mit dieser Aussage mitteilen???
Das ich „die Chance“ gehabt hätte ihn abzutreiben wenn ich von der Behinderung gewusst hätte??? Das ich ihn hätte besser abtreiben SOLLEN weil er ja KRANK ist??? Dass Jonathan weniger wert ist und kein Anrecht auf sein Leben hat weil er ANDERS ist???

…und gipfelt in Schuldzuweisungen:
„Na, Sie werden in der Schwangerschaft wohl Alkohol getrunken oder Drogen genommen haben – denn SONST wäre SOWAS ja nicht passiert.“ (Auch diese Aussage habe ich hier schon erwähnt und es ist die Aussage die mich bis heute am meisten verletzt hat. Weil sie ein persönlicher Angriff und auch noch völlig unbegründet war.)

Ich finde solche Aussagen weder Jonathan noch mir gegenüber fair oder respektvoll.
Natürlich hätte ich mir ein gesundes Kind gewünscht und ich habe mir mein Leben auch ganz anders ausgemalt. Aber nun ist es wie es ist und wir versuchen das Beste daraus zu machen.

Was nicht immer einfach ist!!!
Denn wir haben immer den Gedanken an die nicht sehr hohe Lebenserwartung im Kopf….wir haben einfach unfassbar viele Termine mit Jonathan und kämpfen hart um jeden Entwicklungsschritt…wir kämpfen um sehr viele Medikamente und Hilfsmittel mit der Krankenkasse.

Ich würde mir einfach wünschen das die Menschen uns –und auch ALLEN ANDEREN BEHINDERTEN!- mit mehr Respekt und Toleranz entgegentreten. Und das Eltern ihren Kindern in der Erziehung wieder verstärkt diese Tugenden vermitteln. Auch wenn das in der heutigen Zeit nicht so einfach ist.

Aber wenn man sich als Eltern dieser Herausforderung stellt und seinen Kindern diese Tugenden vermittelt….dann erntet man später die Früchte dessen: sei es weil eine Kommunionsgruppe so uneigennützig handelt…oder sei es weil das eigene Kind seine Mitmenschen voller Respekt behandelt. Und Respektvoller Umgang in unserer Gesellschaft – ist es nicht das was wir alle wollen????