Da die
Humangenetikerin die Vermutung MOPD Typ 1 geäußert hatte fingen mein Mann und
ich an im Internet zu recherchieren, wir wollten genauer wissen was das für
eine Krankheit war und was uns erwartet wenn sich der Verdacht bestätigt.
Grundsätzlich
war diese Recherche ein Schock!! Neben diversen gesundheitlichen Problemen die
mit diesem Gendefekt zwangsläufig einhergehen war die geringe Lebenserwartung
das schlimmste für uns: nur 9 Monate im Durchschnitt!! Ich war am Boden
zerstört…konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen…war wie in Watte gepackt und
nahm meine Umgebung nur durch einen Nebel wahr. GENAU DAS war doch der Grund
warum ich kein behindertes Kind wollte!! Wieso passierte das nun also
ausgerechnet MIR??? Wie sollte ich DAS Marvin beibringen??? Er hatte schon
seinen Vater verloren, nun also auch noch seinen Bruder???
Drei
Tage…drei Tage lang bin ich nicht in die Klinik gefahren. Habe mich zu Hause
verkrochen, habe geweint…habe gehadert mit meinem Schicksal…hätte Jonathan
gerne einfach „umgetauscht“…wollte ungeschehen machen was passiert ist, ihn
verleugnen...(ich bin nicht stolz darauf, aber genauso war es nun mal!).
Ich habe
in diesen Tagen nicht mit vielen Menschen geredet, aber die mit denen ich
gesprochen habe sagten Dinge wie: „Das schaffst Du schon!! Du bist doch stark,
hast schon ganz andere Situationen im Leben gemeistert! So schlimm ist ein
behindertes Kind doch gar nicht…und wir sind auch immer für Dich da!“ (Sätze in
dieser Art hatte ich auch von den Schwestern in der Klinik schon gehört nachdem
wir erfahren hatten das Jonathan behindert sein wird: „Man wächst mit seinen
Aufgaben und man lernt auch ein solches Kind zu lieben!! ….wenn es mal
schwierig wird dann kann man sich Hilfe holen durch eine entsprechende
Einrichtung, da kann man zur Not das Kind auch betreuen lassen.“)
…ich habe
diese Sätze gehört und ich wußte daß sie gut gemeint waren. Das diese Menschen
mir zeigen wollten das sie an meiner Seite stehen und mich unterstützen. Das
sie mir Optionen aufzeigen sollten die ich TROTZDEM noch habe, das mein Leben
trotz allem noch lebenswert und schön sein kann. Aber…mir ging, wenn ich sowas hörte, immer
nur durch den Kopf: „Woher willst Du das denn wissen??? Du kannst doch nicht in
mich hineinblicken und weißt gar nicht wie schlimm diese Situation für MICH
ist!! ICH bin diejenige die in Zukunft tagtäglich damit leben muß – nicht DU!!!
Als Außenstehender hat man ja gut reden!!!“
Zu diesem
Zeitpunkt war ich felsenfest davon überzeugt das ich dieser Situation NICHT
gewachsen war!!! Ich würde mich NIEMALS damit arrangieren können ein
behindertes Kind zu haben…NIEMALS!! Mein Leben würde so ganz anders sein als
bisher..
Mein Mann
hat mich dann wortwörtlich „in den Arsch getreten“. Er hat mir gesagt das ich
genau ZWEI Möglichkeiten habe: entweder ich fahre in die Klinik und kümmere
mich um Jonathan…oder wir geben ihn zur Adoption frei – aber dann müsse ICH die
Papiere dafür besorgen. Nun ja…mein Mann weiß eben welche Worte ich brauche und
mir wurde bewußt: mein Kind ist da und es LEBT!!!! Es ist nicht so wie ich es
mir vorgestellt habe, es ist behindert und unser gemeinsamer Weg wird nicht
leicht – aber es ATMET und es LEBT und es WILL AUCH LEBEN…es ist EGAL was ICH
wollte oder was ICH mir vorgestellt habe, nicht ICH konnte entscheiden – die
Situation ist jetzt wie sie ist und NIEMAND auf der Welt wird es mehr ändern
können….also bin ich am nächsten Tag zu Jonathan gefahren…
Und von
diesem Moment an habe ich mein Schicksal angenommen und begonnen ihn
bedingungslos zu lieben!! 8o)))
(Ein Wort
noch zu meinem Mann und seinem Umgang mit dieser Situation. Von Anbeginn der
Schwangerschaft an hat er gesagt das er sein Kind annehmen wird wie auch immer
es ist – ER brauche keine Vorsorgeuntersuchungen. Als dann feststand das der
Kleine behindert sein wird hat mein Mann einen Satz zu mir gesagt der seitdem
viele Menschen, vor allem einige Schwestern auf unserer Station!, zum Weinen
gebracht hat: „Es ist mir egal wie er sein wird – und wenn er nur mit einem
Hammer auf Holzklötzchen hauen kann und sonst nichts…dann setze ich mich eben
dazu und hämmere auch auf Holzklötzchen!“ …ich habe heute noch den größten
Respekt vor dieser seiner Einstellung. Rückblickend kann ich sagen: mein Mann
hat die Situation wirklich bedingungslos angenommen und NIE, auch nur EINEN
TAG, mit seinem Schicksal gehadert. Die Aussage mit der Adoption war NIEMALS
ernst gemeint von ihm: er hat gewußt das er mich so dazu bewegen wird in die
Klinik zu fahren und mich um Jonathan zu kümmern!)
Mich hat
die Situation Demut gelehrt. Demut davor das ich ÜBERHAUPT NICHTS in meinem
Leben selber entscheiden kann! Ich, die geglaubt hat das eine Fruchtwasseruntersuchung
die 100%ige Möglichkeit ist eine Behinderung auszuschließen und mein Leben so
zu leben wie ICH mir das vorstelle, wurde eines besseren belehrt: das alles
wird an viel höherer Stelle entschieden. Ich kann nur versuchen das anzunehmen
und das Beste daraus zu machen! Kopf hoch und nach vorne blicken!!! Rumjammern
bringt nichts, es ändert sich dadurch NICHTS!!
Ein Satz
den mein Sohn Marvin und ich uns nach dem Tod seines Vaters immer wieder
gegenseitig gesagt haben wenn wir traurig waren („Das Leben ist kein Ponyhof!“)
bekam nun wieder einen Platz in unserem Alltag. Wurde ein Ansporn für uns.
Wurde ein Halt: wir fühlen als Familie alle das Gleiche, und zusammen schaffen
wir das!!
Als mir
das alles klar geworden war…habe ich mich erneut mit der Krankheit
auseinandergesetzt. Denn auch wenn die Hoffnung noch vorhanden war das die
Ärzte und die Humangenetikerin sich getäuscht hatten – tief in meinem Inneren
wußte ich daß sie Recht hatten. Dafür mußte ich nur lesen was laut Internet die
Anzeichen dieser Erkrankung waren:
-ein
kleiner Kopf
-diverse
Hirnfehlbildungen wie: fehlender Balken, multiple Zysten und fehlende Gyrierung
des Gehirns
-kurze
Oberarm- und Oberschenkelknochen
-eine
prominente (sprich: große und auffällige) Nase
-prominente
Augen
-das
Fehlen von Haaren und Augenbrauen
-zu
kleine und zu dicke Hände und Füße: die Hände sehen aus wie kleine
Maulwurfspfötchen (der Zeigefinger und der kleine Finger sind jeweils nach
innen gebogen) und die Füße wie die der Comicfigur Pumuckl (ein sehr steiler
Rist und eine zu ausgeprägte Ferse)
-kurze
und spitz zulaufende Finger mit sehr stark gebogenen Nägeln
-das
fast permanente Runzeln der Stirn
All das
traf auf Jonathan zu! Als ich dann auch noch auf ein Foto eines MOPD-Babys
gestoßen bin…war ich mir absolut sicher. Dieses Baby war unserem Baby wie aus
dem Gesicht geschnitten. Es war beängstigend und faszinierend zugleich. Wenn
ich nicht gewußt hätte das das auf dem Foto nicht mein Sohn sein KANN – dann
hätte ich es geglaubt.
Also
suchten wir weiter nach Berichten, vor allen Dingen wollte ich andere
Betroffene finden. Ich wollte REDEN! Mit anderen betroffenen Müttern, sie
fragen wie für sie die Zeit war nachdem sie diese Diagnose bekommen hatten…wie
das Leben mit einem solchen Kind ist…wie sie mit der Angst umgehen das jeder
Tag der letzte Tag mit ihrem Baby sein kann.
Doch die
Recherche gestaltete sich sehr schwierig: es gab kaum Internetseiten über MOPD TYP
1 und wenn, dann waren sie auf Englisch und legten nicht viel mehr als die oben
genannten Fakten dar. Es gab keine Berichte von betroffenen Familien, es gab
keine YouTube-Kanäle und keine Zeitungsberichte. Das mag einfach daran liegen
das diese Krankheit das erste Mal vor über 200 Jahren in der Medizin
beschrieben wurde und es seitdem WELTWEIT nur 40 Betroffene in 30 Familien
gegeben hat. Es gibt also kaum Vergleichsfälle, viele Facetten dieser Krankheit
sind schlichtweg unerforscht.
Dann
fiel mir wieder ein was unsere Humangenetikerin gesagt hatte: sie hatte vor
circa zwei Jahren ein Kind in der gleichen Klinik betreut das diese Krankheit
auch hatte!!! Wenn dieses Kind also in der gleichen Klinik war…dann wohnte die
Familie vielleicht auch nicht so weit weg??? Ich hatte richtiges Herzklopfen:
vielleicht könnte ich bald mit einer anderen Mutter reden die mich VOLLKOMMEN
verstehen würde?? Von der ich lernen könnte und mit der ich mich austauschen
könnte wie mit niemandem sonst. Doch natürlich, der Datenschutz!…bekam ich im
Krankenhaus keine Auskünfte über diese Familie. Ich habe dann meine
Kontaktdaten aufgeschrieben und die Humangenetikerin gebeten diese an die betroffene
Familie weiterzugeben damit SIE MICH kontaktieren könnten. Es sei mir ein
großes Anliegen!! Und dann hieß es in dem Punkt: abwarten was passiert und ob
sich jemand meldet….
Doch
zunächst ging für uns die Zeit in der Kinderklinik weiter.
Jonathan
machte uns Sorgen: bei Bluttests (die regelmäßig durchgeführt wurden) stellten
die Ärzte fest das Jonathans Blut „sauer“ wurde – sprich: sein PH-Wert war
nicht gut, er verlor Elektrolyte. Also bekam er oral täglich mehrere Male
verschiedene Elektrolyte zugeführt – aber an seinem Blut änderte sich dadurch
nur minimal etwas: er blieb „sauer“. Nun testete man seinen Urin und stellte
fest daß er über diesen scheinbar unkontrolliert Elektrolyte ausschied. Die
Ärzte hatten keine Ahnung warum das so war, sie vermuteten eine
Stoffwechselstörung. Also wurden Tests veranlaßt – die jedoch ohne Ergebnis
blieben, am Stoffwechsel lag es also nicht. Sollten es etwa die Nieren sein?? Die
Ärzte wußten es nicht…
Da wir
irgendetwas tun MUSSTEN und nicht einfach tatenlos herumsitzen konnten…und da
wir im Gegensatz zu den Ärzten etwas mehr Zeit hatten im Internet zu surfen:
haben wir das getan. Und sind tatsächlich auf einen interessanten Bericht aus
England gestoßen! (Zum Glück sind sowohl mein Mann als auch ich des englischen
mächtig sonst hätten wir nicht begriffen wie wichtig dieser Bericht für uns
ist!) Darin erzählte eine Mutter von ihrer an MOPD Typ 1 erkrankten Tochter die
zeitlebens unter einem unkontrollierten Elektrolytverlust gelitten habe!! Da
dieses Mädchen scheinbar bisher die Einzige beschriebene MOPD-Patientin mit
Elektrolytverlust war, haben die Ärzte einiges ausprobiert um ihr zu helfen –
doch nichts hat gefruchtet. Schließlich wurde der Kleinen ein Port gelegt über
den sie einmal wöchentlich in der Klinik per Infusion eine Elektrolytlösung
erhalten hat. Sie wurde damit immerhin 7 Jahre alt!
Wir haben
diesen Bericht ausgedruckt und unserer Stationsärztin gegeben, die zum Glück
auch Englisch spricht. Sie hat sofort erkannt wie immens wichtig dieser Bericht
für uns ist und sich mit einem Nephrologen (Nierenarzt) kurzgeschlossen. Kurze
Zeit schwebte wohl auch bei uns der Gedanke an einen Port im Raum, doch zu
diesem Zeitpunkt hatte Jonathan (wenn ich mich richtig erinnere!) noch keine
1,5 Kilogramm und dieser Eingriff wäre für ihn ungeheuer gefährlich gewesen. Aber
zu unserem wahnsinnigen Glück hatte der Nephrologe dann eine Idee: es gebe ein
Medikament das (laienhaft ausgedrückt) dazu führe das die Elektrolyte besser im
Körper gespeichert würden, dieses Medikament sei in den USA auf dem Markt und
könne für uns beschafft werden: es nennt sich CALCITRIOL. Und was soll ich
sagen??? Es hat funktioniert!!! 8o))) Seit Jonathan dieses Medikament
regelmäßig einmal am Tag bekommt kann sein Körper die Elektrolyte (die wir aber
trotzdem weiterhin täglich oral verabreichen müssen) besser speichern. Leider
habe ich bis heute keine Ahnung wie der Nephrologe heißt oder wo er arbeitet,
aber an dieser Stelle sei Ihnen gesagt: VIELEN DANK!! Ich weiß nicht ob mein
Sohn ohne Sie heute noch bei mir wäre!
Jetzt
hatten wir dieses Problem aus der Welt geschafft und atmeten durch. Ich muß
sagen: wirklich gravierende Probleme hatten wir mit Jonathan zu Klinikzeiten ansonsten
nicht. Natürlich hatte er viele Probleme die Frühchen eben haben: er hat
mehrere Bluttransfusionen gebraucht, er hatte eine beginnende Netzhautablösung
in einem Auge, er hatte häufig Herzfrequenzabfälle, einen Leistenbruch, ein
Foramen Ovale: ein Loch in der Herzscheidewand das sich bei ihm selbst
geschlossen hat, konnte seine Körpertemperatur nicht halten und hatte zu Beginn
Probleme seine benötigte Milchmenge selbstständig zu trinken (wir reden heute
noch über den einstmaligen REKORD von 8ml die er selbstständig getrunken hat).
Aber das ist alles typisch für Frühchen! Ansonsten konnten wir nicht klagen: es
gab keine Hirnblutungen, keine Herzstillstände, keinen nekrotisierenden Darm –
er war stabil und kämpfte sich Tag für Tag weiter ins Leben! 8o))
Natürlich
hat er kaum zugenommen und ist auch fast nicht gewachsen: am 14.06.2015, mit
circa 7 Wochen, hat er erst 1 Kilo auf die Waage gebracht und hatte etwas über
30cm Körperlänge.
Und das
war ein Punkt über den ich mir Gedanken zu machen begann: das wir lange – SEHR
LANGE- hier sein würden war mir klar! Aber normalerweise wurden die Babys erst
mit 2,5 Kilo von der Frühchenstation entlassen. Wenn er also knapp 7 Wochen
brauchte um 500g zuzunehmen – wie lange sollte es dann dauern bis er nochmal
1,5 Kilo zugelegt hätte und wir heim dürften???? Aber hier gab die
Stationsärztin Entwarnung: natürlich müsse man bei uns andere Maßstäbe setzen
als bei „normalen“ Frühchen. Auf das Gewicht werde bei Jonathan weniger
Augenmerk gelegt „sonst sind Sie in zwei Jahren noch hier!“.
Allerdings
müsse er für eine Entlassung nach Hause in der Lage sein seine Körpertemperatur
alleine zu halten, seine Nahrung allein aufnehmen können, er dürfe keine Herzfrequenzabfälle
mehr haben, seine Blutwerte müssten gut sein und….mein Mann und ich müssten in
der Lage sein ihm Magensonden (durch die Nase) zu legen, zu ziehen und zu
benutzen damit die Medikamentengabe auch sichergestellt sei.
Mittlerweile
bekam er 3 verschiedene Elektrolyte und die jeweils 3x am Tag, zusätzlich das
schon erwähnte Calcitriol, Vitamin D und Eisen. Manchmal wurde die Magensonde
auch genutzt um ihm seine Milch zu „sondieren“, wenn er einfach zu müde und
erschöpft war allein zu trinken.
Also…lernten
mein Mann und ich eben Magensonden legen – an unserem eigenen Kind….einfach war
es nicht, das soll hier mal gesagt sein! Jonathan hat natürlich geschrien und
sich gewunden: angenehm war es für ihn mit Sicherheit auch nicht wenn jemand
ohne Medizinische Vorkenntnis versucht einen Schlauch durch Nase und Rachen bis
in den Magen zu schieben – zwischendurch auch mal „hängen bleibt“ und von vorne
beginnen muß. Natürlich hatten wir vor
der Praxis theoretische Einweisungen: haben WUNDERSCHÖNE Schaubilder gemalt
bekommen… (Der Betreffende wird jetzt wissen daß er gemeint ist!) Wurden
aufgebaut das das gar nicht sooo schwierig sei und wir das schon schaffen
würden – wir wollten ja schließlich auch heim mit unserem Kind! Aber Theorie
und Praxis sind bekanntermaßen was ganz anderes…Während ich mit der Sonde
„arbeitete“ war ich immer ruhig und habe versucht alles um mich herum
auszublenden, gar nicht daran zu denken das das MEIN KIND ist….danach
allerdings hat mein Herz geklopft, mein Mund war trocken und ich war PATSCHNASS
geschwitzt! (Von unserem Lieblingspfleger wurde ich mal aufgezogen und gefragt:
„Hast Du ein Wechsel-Shirt im Spind?“). Aber nach ein paar Wochen: ging auch
das. Wir konnten nun Sonden legen, ziehen und benutzen, wenn man will schafft
man eben alles – und ein weiterer Meilenstein auf dem Weg nach Hause war
geschafft.
Jetzt
stand: man glaubt es kaum! Die Entlassung an! Wir bekamen Rezepte – VIELE
Rezepte! Für Spritzen, Sonden, Medikamente und Nahrung…und haben alles schon
mal in der Apotheke bestellt. Die Fläschchen wurden ausgekocht, die Bettwäsche
gewaschen, die Kleidung für Jonathan…..
…ja: was
war eigentlich mit der Kleidung für Jonathan?? Der kleine Mann hatte nur knapp
37 cm…selbst wenn man im Geschäft Kleidung in Größe 42 FAND: sie war an Armen
und Beinen viel zu lang, denn seine Oberarm- und Oberschenkelknochen waren ja
verkürzt. Und dann waren diese Mini-Klamotten immer aus dickem Nikkistoff, wenn
man das umkrempeln wollte hatte er einen Arm der dreimal so dick war wie
normal! Also, was tun??? Nähen kann ich leider nicht und auch niemand den ich
kenne. Letztendlich haben wir tatsächlich einen Anbieter von so kleiner
Kleidung im Internet gefunden: Kleidung in Größe 38. 8o) Wir mussten es teuer
bezahlen - aber wir hatten passende Kleidung!
Nun waren
wir gerüstet und der Tag der Entlassung rückte näher! 8o)) Herzklopfen! Besonders
bei Marvin: der hatte seinen Bruder bis dahin noch nie gespürt, berührt oder
gerochen.
Auch für
mich wurde es mittlerweile höchste Eisenbahn diese Station mit meinem Sohn zu
verlassen. Ich glaube es waren jetzt knapp 4,5 Monate vergangen (auch wenn sich
das hier im Blog alles so komprimiert und kurz anhört!). Und ich war am Ende
der Belastbarkeit angekommen…Diese Zerreißprobe zwischen zu Hause (Marvin) und
Klinik (Jonathan), die Gerüche und Geräusche in der Klinik, der SEHR begrenzte
Bewegungsradius - den man einfach hat wenn das Kind an einer
Sauerstoffüberwachung hängt, das Gefühl das man nicht selbst für das eigene
Kind entscheiden darf sondern immer „Anweisungen“ von den Ärzten und Schwestern
bekommt…und natürlich ganz stark auch das Gefühl das die Familie nicht komplett
ist weil einer nie dabei ist…das alles wurde langsam zu viel für mich. Immer
öfter habe ich die komplette Autofahrt von der Klinik nach Hause (immerhin
knapp 80km) geweint…war unruhig und aufgedreht…bin durch die Wohnung
getigert…habe keinen Schlaf gefunden… Die Gesamtsituation ist mir über den Kopf
gewachsen, doch als ich hörte das ich mein Baby bald mitnehmen darf habe ich
die letzten Kräfte mobilisiert und auf diesen Tag hingearbeitet!!!
Doch
dann….wurde die Entlassung verschoben, denn es gab Probleme mit Jonathans Herz
und seinem Blutdruck. Letzterer war zu hoch, bei ihm wurde mittlerweile
mindestens dreimal am Tag Blutdruck gemessen. Beim Herzen war aufgefallen das
eine Herzkammer deutlich größer war als die andere und bevor wir mit ihm nach
Hause gehen durften sollte ein Kardiologe sich ein Bild machen.
Dieser
kam einige Tage später spätabends, mein Mann war noch in der Klinik und konnte
kurz mit ihm sprechen. Unsere Erinnerung ist in diesem Punkt ein wenig
verschwommen, aber letztendlich hat Jonathan ein weiteres Medikament bekommen
das seinen Blutdruck stabil halten sollte, wir sollten halbjährlich in die
Kardiologie-Sprechstunde des Arztes zur Kontrolle kommen und: wir würden ein
Blutdruckmessgerät benötigen um auch zu Hause regelmäßig kontrollieren zu
können wie die Werte sich unter dem Einfluß des Medikaments veränderten. Das
mußte natürlich bestellt werden und das: dauerte….