Vorbereitungen
für die Entlassung
Jetzt
wurde es also wirklich ernst!! Mein Herz hämmerte, ich war so AUFGEREGT!!!
Freute mich…und hatte auch ein bißchen Angst um ehrlich zu sein!
Bisher
waren wir unter dauernder Beobachtung gewesen was Jonathans Blutwerte,
Medikamentengaben, Herzfrequenz oder auch den Blutdruck anging – wenn er nach
Hause kam waren wir komplett allein für ihn verantwortlich!! Und ich kann aus
meiner Erfahrung sagen, ich habe ja schon ein „gesundes“ Kind: das hier war
eine ganz andere Hausnummer!! Zu Anfang der Schwangerschaft hatte mein Mann
immer gesagt: „Du kennst Dich aus, Du hast ja alles schon mal erlebt: das ist
dann kein Problem und Du bringst mir alles bei!“…ja…hatten wir uns so gedacht.
Doch nun war ich zum zweiten Mal Mutter und ALLES war NEU und ANDERS. Also
konnte ich meinem Mann GAR NICHTS beibringen, wir lernten gemeinsam die
Fürsorge für ein besonderes Kind.
Das fing
schon damit an das wir Jonathan im Krankenhaus kurz vor der Entlassung
gemeinsam baden durften – nur mein Mann und ich, ganz alleine. Es war ein sehr
schöner Moment, das muß ich betonen!! Ein Stück „Normalität“ das andere Eltern
eines knapp 5 Monate alten Babys sicherlich gar nicht mehr wirklich wahrnehmen.
Aber für uns war es einfach nur…toll!! Aber…und jetzt muß ich bei der
Erinnerung ein wenig schmunzeln!!! Es war gar nicht so einfach ihn zu baden…im
Gegensatz zu Marvin der schon bei der Geburt 54cm und 3700g hatte, war Jonathan
an diesem Tag nur knapp 38cm lang und brachte ca 1800g auf die Waage, seine
Arme und Beine waren so unglaublich dünn und dann: HASSTE er es zu baden!!! Er
hat geschrien und sich gewunden, war glitschig vom Wasser und wir hatten Angst
ihn zu fest zu drücken…es war eine ganz schöne Herausforderung und wir haben
beide ziemlich geschwitzt. Wobei…das könnte natürlich auch an der Wärmelampe
gelegen haben die genau über uns hing…8o)))
Aber für
eins war meine Erfahrung mit meinem ersten Sohn dann doch wichtig: ich habe meinem
Mann ein paar Tage vor der Entlassung gesagt das wir uns am besten mal mit
unserem Autositz/MaxiCosi beschäftigen sollten. Damit, wie wir Jonathan darin
transportieren wollen, denn er war ja ziemlich klein! Einen „Frühchenadapter“
hatten wir, dann haben wir uns ein Plüschtier gesucht das ungefähr 38cm Länge
hatte und haben versucht es in dem Sitz anzuschnallen. Nun ja...trotz Frühchenadapter...es
hat nicht geklappt! Das Plüschtier war viel zu klein: nach oben und unten war
zu viel Luft, die Gurte waren selbst in der kleinsten/engsten Stufe viel zu
weit. Ich war entsetzt!! Wir mußten von der Kinderklinik bis nach Hause knapp
80km fahren: da kann man das Baby doch nicht so transportieren!! Das ist ja
total gefährlich!!
Ich
dachte zuerst an einen Transport im Krankenwagen, den hätten wir dann eben
bezahlt. Aber mein Mann sagte –zu Recht!- es müsse doch eine Lösung geben -
denn wir müssten ja mit ihm zu Hause auch Auto fahren: zum Arzt, zum Einkaufen…
Mein Mann
fing an im Internet zu recherchieren. Und ist auf den BKMF gestoßen: den
BUNDESVERBAND FÜR KLEINWÜCHSIGE MENSCHEN UND IHRE FAMILIEN. Dorthin hat er eine
Mail geschickt und dann mit einem sehr netten Mann telefoniert der uns erklärt
hat wie wir unter zu Hilfenahme von Mulltüchern und Pampers Jonathan so
„verankern“ können das er sicher in seinem Autositz sitzen kann. An dieser
Stelle: ein großes Dankeschön an diesen Verband!! Sie standen uns oft mit Rat
und Tat zur Seite und viele Probleme hätten wir ohne die Hilfe des BKMF nicht
lösen können.
So: nun
war also auch dieses Hindernis aus der Welt geschafft!! Jetzt konnten wir den
Sitz benutzen, hatten Jonathans Bett und Wickeltisch hergerichtet, alle
Medikamente und Hilfsmittel zu Hause, Fläschchen ausgekocht und wir hatten auch
Kleidung für ihn.
Und dann
war der große Tag gekommen.
Ich kann
gar nicht genau beschreiben was in mir vorging an diesem Tag! In der Nacht
vorher hatte ich kaum geschlafen, ich war so aufgeregt!! Nach fast 5 Monaten
durfte mein Baby endlich nach Hause kommen, dahin wo es hingehörte – zu seiner
Familie.
Wir sind
zum ersten Mal mit „Gepäck“ durch die Türen der Frühchenstation gegangen:
ansonsten darf man Gegenstände wegen der Keime nicht mitbringen, muß sie im
Spind lassen. Doch heute wartete Jonathan in einem Zimmer allein auf uns, damit
wir keine anderen Kinder in Gefahr brachten mit der Kleidung und dem Autositz.
Es war
ein unfassbares Gefühl zu wissen das wir heute zum letzten Mal auf dieser
Station sind!! Natürlich war auch ein bißchen Wehmut dabei: wir hatten zu
einigen Schwestern über die Monate eine sehr enge Bindung aufgebaut, hier war
für lange Zeit unser Zuhause gewesen…Jonathans erstes Zuhause. Ohne die
aufopfernde Betreuung der Ärzte, Schwestern und Pfleger hätte unser Junge es
vielleicht gar nicht bis hierher geschafft!!! Und auch für mich war das
Pflegepersonal auf dieser Station eine Stütze gewesen: es hat natürlich Momente
gegeben in denen ich auf der Station geweint habe, in denen ich das Gefühl
hatte es keinen Tag länger auszuhalten..zu verzweifeln an dieser Situation.
Dann hat man mich hier aufgefangen, mir neue Kraft gegeben. Die Pflege hatte
sich nicht nur auf Jonathan erstreckt, sondern auch auf uns…
Und von
einigen fiel uns deswegen der Abschied sehr schwer. Besonders von der Schwester
die Jonathan zur Welt gebracht hatte. Sie war von Anfang an ein so wichtiger
Mensch für mich: abgesehen davon das sie unfassbar sympathisch ist war sie bei
meiner Entbindung dabei, hatte Jonathan noch vor mir gesehen und ihn ins Leben
„geschupst“…ich konnte mit ihr darüber reden, sie Dinge fragen die ich nicht
mitbekommen hatte (mein Mann war und ist bei diesem Thema außen vor, er hat es
ja leider nicht rechtzeitig zur Geburt ins Krankenhaus geschafft). Ohne sie
hätte ich die Eindrücke dieser (nicht schönen) Geburt mit Sicherheit nicht so
gut verkraftet und nicht so gut aufarbeiten können. Außerdem habe ich wenige
Menschen außerhalb unserer Familie erlebt in deren Augen ein solches Strahlen
steht wenn sie mein Kind betrachten, die ihn so bedingungslos annehmen und
lieben…Deswegen bin ich sehr froh und dankbar das wir bis heute in Kontakt
stehen: sie besucht Jonathan so oft es ihr möglich ist. DANKE DAS ES DICH IN
UNSEREM LEBEN GIBT!!
Ein
weiteres Bindeglied zu unserer Zeit in der Klinik ist ein Pfleger der
Frühchenstation. Mit ihm war ich schon Jahre bevor Jonathan sich ankündigte
befreundet und er ist mit ein Grund warum wir uns ausgerechnet dieses
Krankenhaus ausgesucht haben: denn er ist ein Mensch dem ich vom ersten Moment
unserer Bekanntschaft an mein vollstes Vertrauen geschenkt habe. Als die Ärzte
die Vermutung äußerten daß wir ein Frühchen bekommen würden stand für mich
sofort fest das ich in das Krankenhaus gehen möchte in dem er arbeitet – bei
ihm würde ich mich geborgen und gut betreut fühlen. Auch er ist heute noch an
unserer Seite und hilft uns wo er kann. DANKE…AUCH WENN ES EIN ZU KLEINES WORT
FÜR DAS IST WAS DU FÜR UNS GETAN HAST! ICH WEISS DAS ES NICHT IMMER EINFACH FÜR
DICH WAR…GRADE DESWEGEN WERDEN WIR DIR DAS NIE VERGESSEN!!
Diese
beiden für uns so wichtigen Menschen waren am Tag unserer Entlassung auf
Station, und sie haben mir einen Wunsch erfüllt:
Sie haben
sich gemeinsam in die Ausgangstür gestellt nachdem ich mit meinem Mann und
Jonathan hindurch gegangen war – beim Blick zurück haben sie uns gewunken….und
dieses Bild, diesen Eindruck habe ich mitgenommen und trage ihn bis heute in
meinem Herzen. Ein gutes Bild…ein schöner Eindruck…und ein würdiger Abschluß
nach dieser wirklich wirklich harten Zeit!!
Zuhause
Das
Gefühl nach einer so langen und aufreibenden Zeit durch die Türen der Klinik zu
gehen – und zwar MIT unserem Sohn…ich habe keine Worte dafür. Und werde
vermutlich auch nie Worte dafür finden. Wahrscheinlich kann das auch nur jemand
100% nachvollziehen der ähnliches erlebt hat.
Mir
liefen Tränen über die Backen und ich war UNENDLICH ERLEICHTERT.
Jetzt nur
noch: NACH HAUSE!!! Zu MARVIN!!! Meine Jungs sollten sich endlich kennenlernen,
spüren, riechen….
Die
Autofahrt war mir noch nie so lang vorgekommen wie an diesem Tag! Am liebsten
hätte ich Flügel an meinem Auto ausgeklappt damit es schneller geht. 8o))
Und dann:
endlich!!! Nach fast 5 Monaten!!! Durch die Haustüre in die Wohnung und da kam
Marvin schon angerannt (er war eine halbe Stunde vorher von seinem Opa nach
Hause gebracht worden wo er den Tag verbracht hatte). Ich weiß nur noch das er
in Dauerschleife „Mein Bruder!!! Mein Bruder!!“ gerufen hat…dann hat er sich
neben das MaxiCosi gesetzt, Jonathan angefasst und…geweint…
Da ist
mir wirklich sehr deutlich bewußt geworden wie sehr auch ER gelitten hat in
dieser Zeit! Wie hart es sein muß ein Geschwister zu haben das man nicht
kennt…das aber die Eltern voll in Beschlag nimmt – und um das sich fast alles
im täglichen Leben dreht!!
Ich hatte
vorher ein bißchen Angst wie die Beziehung der beiden werden würde: erstens
waren sie 9 Jahre auseinander und zweitens war Jonathan jetzt schon ein paar
Monate alt und Marvin kannte ihn gar nicht – hatte das der Bindung geschadet???
Als ich nun sah wie erleichtert auch Marvin war seinen Bruder bei sich zu
haben…wie er Jonathan ansah…wie er ihn liebevoll in den Arm nahm und
anhimmelte…da wußte ich das ich mir keine Sorgen zu machen brauchte!! Und bis
heute ist er ein SUPER großer Bruder!!
Mein Mann
hatte ein paar Tage Urlaub genommen (seine Elternzeit begann erst in einigen
Wochen) so daß wir die erste Zeit zu Hause wirklich alle gemeinsam genießen
konnten.
Es war
alles sehr aufregend….und unglaublich schön!!! Füttern, Medikamente geben,
Blutdruck messen: es hat alles wunderbar geklappt, wir hatten in der Klinik ja
auch geübt!!
Was wir
aber direkt beschlossen haben als wir heimkamen: wir versuchen mal ohne die
Magensonde klarzukommen!! Wir hatten es beide gehasst sie zu legen und
zumindest ich hatte auch ein wenig Angst das zu Hause ohne die „Aufsicht“ und
„Kontrolle“ von erfahrenem Fachpersonal machen zu müssen. Also haben wir
überlegt wie wir die Medikamente am sinnvollsten verabreichen könnten und uns
dann entschieden sie in ein wenig Saft zu geben und die Mischung dann mit der
Spritze direkt in den Mund zu spritzen. Wir haben für uns beschlossen: wenn das
drei Tage lang funktioniert OHNE daß wir die Sonde brauchen – dann wird sie
gezogen…
Über alle
Medikamentengaben, Mahlzeiten und Blutdruckmessungen haben wir Buch geführt um
uns einen Überblick zu verschaffen: wie viel Nahrung nimmt Jonathan auf? Wann
müssen wir welche Medikamente geben und haben wir dabei den Abstand zu den
Mahlzeiten korrekt eingehalten??? Manche Medikamente müssen auch zu bestimmten
Uhrzeiten (im 12-Stunden- oder 24-Stunden-Takt) gegeben werden: haben wir heute
daran gedacht???? Ist sein Blutdruck höher wenn er grade gegessen hat??? Wie
ist sein Blutdruck überhaupt, wirkt das Medikament???
(Es hat
eine Zeit gedauert das alles zu verinnerlichen: heute geht das ohne darüber
nachzudenken!!)
Nach drei
Tagen haben wir festgestellt das wir die Sonde nicht benutzt haben: also raus
mit dem Ding!! Sieht sowieso „scheiße“ aus: so ein Schlauch im Gesicht!! 8o))
Wenn wir
da schon gewußt hätten was wir zwei Wochen später in der Klinik erfahren haben!