Freitag, 2. März 2018


Unser Drehtag hatte über 6 Stunden gedauert. Ich war platt. Die Interviews waren für mich sehr kräftezehrend gewesen weil ich mich mit vielen Themen/Punkten auseinandersetzen und dazu Stellung nehmen musste die einfach sehr belastend für mich sind.

Bei wem von Müdigkeit oder Erschöpfung nichts zu merken war: war Jonathan. Wir hatten den Eindruck dass IHM der Drehtag sehr gut gefallen hatte – er hatte regelrecht mit der Kamera geschäkert und gespielt. Der kleine Mann liebt es schon sehr wenn er im Mittelpunkt steht!! 8o)))

Wann der Bericht ausgestrahlt werden würde stand noch nicht fest: das Material musste gesichtet, geschnitten und mit einem „Kommentator vertont“ werden. Die Info über den Ausstrahlungstermin bekämen wir aber rechtzeitig.

Es hat circa zwei Wochen gedauert und dann bekamen wir einen Anruf: am heutigen Abend würde unser Bericht ausgestrahlt werden.

AUFREGUNG!!!
..Familie und Freunde informieren….bei Facebook einen Hinweis posten…eine Aufnahme am Fernseher programmieren damit wir den Bericht häufiger anschauen könnten..UND: eine Flasche Sekt kaltstellen!! Den würden wir uns zur Feier des Tages genehmigen.

Nun hieß es abwarten. Ich hasse warten. Ich bin ungeduldig – schon immer und von Natur aus. Habe ich von meinem Vater. LOL

Aber auch dieser Tag ging irgendwie vorbei und der Beginn der Sendung „Maintower“ rückte näher. Wir platzierten uns vor dem Fernseher und schossen noch schnell ein Selfie: für unsere Redakteurin, um ihr zu zeigen wie wir die Ausstrahlung des gemeinsamen Berichts zelebrierten.

Dann ging es los. Die Titelmelodie war zu hören und die Vorschau der Sendung begann. Und da war Jonathan!!!! Verrückt…..

Schon die Worte der Moderatorin in der Vorschau „Jonathan aus Hadamar ist kleinwüchsig. Wie seine Familie diese besondere Herausforderung meistert!“ trieben mir direkt Tränen in die Augen. Für mich war es schon immer sehr ergreifend zu hören wie andere Menschen -mit objektivem Blick- unser Leben beurteilen, wie sie es sehen.

In solchen Momenten wie dem als die Moderatorin davon spricht dass unser Leben eine „Herausforderung“ ist, wird mir SO SEHR bewusst wie ANDERS bei uns alles ist. ANDERS nicht nur im positiven Sinn. Das tägliche Leben mit Jonathan ist ein Kampf…ein Kampf an vielen Fronten: in erster Linie ein Kampf gegen die Angst wegen seiner frühen Sterblichkeit. Aber auch ein Kampf um jeden Erfolg, jeden Fortschritt des kleinen Mannes. Ein Kampf um unser Familienleben – und um unsere Ehe, die durch die großen Einschränkungen in unserer Freizeitgestaltung zu zweit leidet.

Dazu kommt noch das ich auch immer sehr nah am Wasser gebaut bin wenn Menschen uns Komplimente darüber machen wie gut wir unsere Situation meistern – damit kann ich überhaupt nicht umgehen, um ehrlich zu sein. Denn wir haben ja keine Wahl, oder??? Jonathan ist da, er lebt und er hat Freude am Leben. ER kämpft. Was bleibt UNS denn dann anderes übrig als diesen Weg mit ihm zu gehen und ihn für Jonathan so angenehm wie möglich zu gestalten??? Für mich ist das, was wir tun und wie wir es tun einfach selbstverständlich. Und wenn ich dafür Komplimente erhalte dann weiß ich nicht wie ich darauf reagieren soll….

Während wir also den Bericht schauten vergoss ich aus diesen Gründen einige Tränen. (Was ich übrigens bis heute immer wieder tue wenn ich den Bericht ansehe!)

Es war aber auch wirklich ein wundervoller Beitrag geworden. Er zeigte unser Familienleben genauso wie es war. Die Krankheit und die Herausforderungen des Alltags wurden geschildert, aber es wurde nicht auf die Tränendrüse gedrückt. Wir waren alle begeistert.

Marvin allerdings war noch von einer anderen Tatsache als nur dem Bericht begeistert…nachdem wir „uns“ zu Ende angeschaut hatten sagte er total trocken: „Auf unserem Fernseher ist Jonathan größer als in echt!“…lol…


Ein ganz besonderer Geburtstag…
Zwei Wochen nach Ausstrahlung unseres Berichts bei Maintower feierten wir Geburtstag. Und zwar einen ganz besonderen Geburtstag: mein Opa wurde 100!!!!
Und das war noch nicht alles: mein Mann hat am gleichen Tag wie mein Opa Geburtstag, er wurde 39 (schade eigentlich das er nicht 40 wurde, das wäre irgendwie cooler gewesen).

Normalerweise unternehmen wir an unseren Geburtstagen immer etwas was dem Geburtstagskind Spaß macht. Leider gilt das nicht für den Geburtstag meines Mannes: denn an diesem Tag sind wir IMMER, und in diesem Jahr natürlich GANZ UNBEDINGT!, bei meinem Opa – der zu diesem Zeitpunkt auch noch in seiner eigenen Wohnung lebte!

Bevor ihr nun aber „Mitleid“ mit meinem Mann bekommt: für ihn ist es kein Opfer seinen Geburtstag in diesem Rahmen zu begehen.
Zum einen habe ich eine sehr große Familie. Eine sehr große und laute Familie. Es ist wirklich IMMER Stimmung in der Bude. Zum anderen ist mein Opa trotz seines hohen Alters geistig noch fit und interessiert auch an „modernen“ Themen. Er weiß dass mein Mann ITler ist und so unterhält er sich mit meinem Mann immer über „Hardware“ und „Software“, was mein Mann ausgesprochen „COOOL!“ findet.

Und an noch einem anderen Thema ist mein Opa interessiert: an der Medizin. Er hat Medizin studiert und bis heute ist das seine große Leidenschaft - natürlich hat er auch Wissen in diesem Bereich!

Jonathan und sein Gendefekt sind also Themen die immer besprochen werden wenn wir meinen Opa sehen.

An diesem Tag konnte ich einen vorwärts robbenden Jonathan präsentieren und mein Opa war BEGEISTERT: „Kind, ich hätte NIE gedacht das er das mal können wird! Das ist fantastisch!!“

Auch der Rest meiner Familie war beeindruckt von der Entwicklung die Jonathan im letzten Jahr vollzogen hatte (die meisten meiner Tanten und Onkel sehe ich nur einmal im Jahr wenn mein Opa Geburtstag hat: weil sie einfach überall verstreut leben).

Die anfänglichen Berührungsängste die der ein oder andere aus der Verwandtschaft noch vor einem Jahr gehabt hatte waren spätestens dann verflogen als Jonathan durchs Wohnzimmer robbte, sich lässig auf die Seite legte und alle beobachtete. 8o)))


Ein Besuch mit „Folgen“
Am nächsten Tag erwarteten wir Besuch: ein Schulkamerad von mir (mit dem ich zu Schulzeiten befreundet gewesen war – ihn über die Jahre aber aus den Augen verloren hatte) hatte mich „wiedergefunden“ und durch ein Telefonat mit mir von Jonathan und seiner Krankheit erfahren. Jetzt wollte er vorbei kommen und den kleinen Mann in „echt“ kennenlernen.

(An der Stelle muss ich erwähnen das dieser Schulkamerad heute Musiker ist: er hat eine Band; singt und spielt Klavier im Duett mit einer Partnerin und tritt auch solo als Keyboard-Begleitung für andere Musiker auf - z.B. im ZDF-Fernsehgarten.)

Ich freute mich wirklich sehr auf diesen Besuch!! In den vergangenen Jahren hatte ich mich oft gefragt wie es ihm ergangen war und was er machte – früher waren wir Freunde gewesen und als solchen habe ich ihn ganz oft vermisst.

Tja…und dann stand er vor mir. Nach zig Jahren sahen wir uns das erste Mal wieder – aber es fühlte sich an als hätten wir uns erst vor ein paar Tagen gesehen und gesprochen: die Vertrautheit von früher war sofort wieder da.

Und so fiel es mir auch SEHR leicht ganz offen mit ihm über Jonathan -und das Leben das wir nun führten- zu reden. Ich habe ihm von den Herausforderungen und Ängsten erzählt die uns jeden Tag begleiten, von den Prognosen der Ärzte und von unseren Träumen für Jonathan.

Er hat sich alles ganz ruhig angehört und mir auch einige Fragen gestellt. Er hat Jonathan auf den Arm genommen und mit ihm gekuschelt.

Dann hat er mich angesehen und aus tiefstem Herzen gesagt: „Jonathan ist so ein süßer Kerl, ich möchte euch helfen! Ich werde ein Benefizkonzert für euch spielen!“

Wir hatten so lange keinen Kontakt gehabt und trotzdem bot er uns direkt diese großartige Möglichkeit für Jonathan an. Ich wusste in diesem Moment zwar nicht genau was ich sagen sollte, weil ich einfach total überwältigt und gerührt war – aber ich wusste: er war ein wirklicher Freund!!!

Das Konzert würde allerdings nicht sofort stattfinden können weil er aktuell zu viele Engagements und keine Zeit hatte, aber wir würden einen Termin zu Beginn des kommenden Jahres finden. Und jetzt natürlich auch in Kontakt bleiben!!!

(…das tun wir auch bis heute. Und vielleicht weil wir älter und reifer sind als zu Schulzeiten…vielleicht weil wir beide viele Rückschläge im Leben einstecken mussten…vielleicht auch aufgrund meiner aktuellen Situation mit Jonathan an der ich ihn SEHR offen teilhaben lasse….ist unsere Freundschaft um einiges tiefer und intensiver geworden als sie es jemals war.)


Kurztrip mit (fast) der ganzen Familie
Wiederum zwei Wochen später feierten mein Vater und meine Schwester an zwei aufeinanderfolgenden Tagen ihre Geburtstage. Und diese beiden Tage lagen dieses Jahr auf einem Wochenende.

Also hatten wir beschlossen etwas zu tun was wir tatsächlich (warum auch immer!) vorher noch NIE gemacht hatten: wir würden mit der kompletten Familie einen Kurzurlaub machen!!!

Mit der kompletten Familie?? Naja, nicht ganz!!
Meine Eltern, meine Geschwister sowie Marvin und ich würden gemeinsam an den Chiemsee reisen – aber mein Mann und Jonathan würden zu Hause bleiben….

Der ursprüngliche Plan war das auch sie mitkommen sollten, aber als wir es logisch überdachten stellten wir fest: Marvin hatte freitags noch Schule, dann Mittagessen und Hausaufgaben. Die Fahrt dauerte circa 6 Stunden - bis wir dann am Zielort ankämen wäre es später Abend. Den nächsten Tag, Samstag, hätten wir zwar komplett zur Verfügung – aber am Sonntag müssten wir spätestens nach dem Mittagessen wieder zurückfahren weil Montag natürlich Schule war!

Für Jonathan wäre dieser Wochenendausflug nur Stress gewesen: mindestens 12 Stunden Autofahrt für nur einen vollen Tag „Urlaub“. Aus diesem Grund entschlossen wir uns dazu dass Marvin und ich allein fahren würden….

Enttäuschung bei der restlichen Familie: wir würden also NICHT alle zusammen das Wochenende verbringen – aber die Gründe verstanden hat trotzdem jeder.