Unser
Drehtag hatte über 6 Stunden gedauert. Ich war platt. Die Interviews waren für
mich sehr kräftezehrend gewesen weil ich mich mit vielen Themen/Punkten
auseinandersetzen und dazu Stellung nehmen musste die einfach sehr belastend
für mich sind.
Bei wem
von Müdigkeit oder Erschöpfung nichts zu merken war: war Jonathan. Wir hatten
den Eindruck dass IHM der Drehtag sehr gut gefallen hatte – er hatte regelrecht
mit der Kamera geschäkert und gespielt. Der kleine Mann liebt es schon sehr
wenn er im Mittelpunkt steht!! 8o)))
Wann der
Bericht ausgestrahlt werden würde stand noch nicht fest: das Material musste
gesichtet, geschnitten und mit einem „Kommentator vertont“ werden. Die Info
über den Ausstrahlungstermin bekämen wir aber rechtzeitig.
Es hat circa
zwei Wochen gedauert und dann bekamen wir einen Anruf: am heutigen Abend würde
unser Bericht ausgestrahlt werden.
AUFREGUNG!!!
..Familie
und Freunde informieren….bei Facebook einen Hinweis posten…eine Aufnahme am
Fernseher programmieren damit wir den Bericht häufiger anschauen könnten..UND:
eine Flasche Sekt kaltstellen!! Den würden wir uns zur Feier des Tages
genehmigen.
Nun hieß
es abwarten. Ich hasse warten. Ich bin ungeduldig – schon immer und von Natur
aus. Habe ich von meinem Vater. LOL
Aber auch
dieser Tag ging irgendwie vorbei und der Beginn der Sendung „Maintower“ rückte
näher. Wir platzierten uns vor dem Fernseher und schossen noch schnell ein
Selfie: für unsere Redakteurin, um ihr zu zeigen wie wir die Ausstrahlung des
gemeinsamen Berichts zelebrierten.
Dann ging
es los. Die Titelmelodie war zu hören und die Vorschau der Sendung begann. Und
da war Jonathan!!!! Verrückt…..
Schon die
Worte der Moderatorin in der Vorschau „Jonathan aus Hadamar ist kleinwüchsig.
Wie seine Familie diese besondere Herausforderung meistert!“ trieben mir direkt
Tränen in die Augen. Für mich war es schon immer sehr ergreifend zu hören wie
andere Menschen -mit objektivem Blick- unser Leben beurteilen, wie sie es
sehen.
In
solchen Momenten wie dem als die Moderatorin davon spricht dass unser Leben
eine „Herausforderung“ ist, wird mir SO SEHR bewusst wie ANDERS bei uns alles
ist. ANDERS nicht nur im positiven Sinn. Das tägliche Leben mit Jonathan ist
ein Kampf…ein Kampf an vielen Fronten: in erster Linie ein Kampf gegen die
Angst wegen seiner frühen Sterblichkeit. Aber auch ein Kampf um jeden Erfolg,
jeden Fortschritt des kleinen Mannes. Ein Kampf um unser Familienleben – und um
unsere Ehe, die durch die großen Einschränkungen in unserer Freizeitgestaltung zu
zweit leidet.
Dazu
kommt noch das ich auch immer sehr nah am Wasser gebaut bin wenn Menschen uns
Komplimente darüber machen wie gut wir unsere Situation meistern – damit kann
ich überhaupt nicht umgehen, um ehrlich zu sein. Denn wir haben ja keine Wahl,
oder??? Jonathan ist da, er lebt und er hat Freude am Leben. ER kämpft. Was
bleibt UNS denn dann anderes übrig als diesen Weg mit ihm zu gehen und ihn für
Jonathan so angenehm wie möglich zu gestalten??? Für mich ist das, was wir tun
und wie wir es tun einfach selbstverständlich. Und wenn ich dafür Komplimente
erhalte dann weiß ich nicht wie ich darauf reagieren soll….
Während
wir also den Bericht schauten vergoss ich aus diesen Gründen einige Tränen.
(Was ich übrigens bis heute immer wieder tue wenn ich den Bericht ansehe!)
Es war
aber auch wirklich ein wundervoller Beitrag geworden. Er zeigte unser
Familienleben genauso wie es war. Die Krankheit und die Herausforderungen des
Alltags wurden geschildert, aber es wurde nicht auf die Tränendrüse gedrückt.
Wir waren alle begeistert.
Marvin allerdings
war noch von einer anderen Tatsache als nur dem Bericht begeistert…nachdem wir
„uns“ zu Ende angeschaut hatten sagte er total trocken: „Auf unserem Fernseher
ist Jonathan größer als in echt!“…lol…
Ein ganz
besonderer Geburtstag…
Zwei
Wochen nach Ausstrahlung unseres Berichts bei Maintower feierten wir
Geburtstag. Und zwar einen ganz besonderen Geburtstag: mein Opa wurde 100!!!!
Und das
war noch nicht alles: mein Mann hat am gleichen Tag wie mein Opa Geburtstag, er
wurde 39 (schade eigentlich das er nicht 40 wurde, das wäre irgendwie cooler
gewesen).
Normalerweise
unternehmen wir an unseren Geburtstagen immer etwas was dem Geburtstagskind
Spaß macht. Leider gilt das nicht für den Geburtstag meines Mannes: denn an
diesem Tag sind wir IMMER, und in diesem Jahr natürlich GANZ UNBEDINGT!, bei
meinem Opa – der zu diesem Zeitpunkt auch noch in seiner eigenen Wohnung lebte!
Bevor ihr
nun aber „Mitleid“ mit meinem Mann bekommt: für ihn ist es kein Opfer seinen
Geburtstag in diesem Rahmen zu begehen.
Zum einen
habe ich eine sehr große Familie. Eine sehr große und laute Familie. Es ist wirklich
IMMER Stimmung in der Bude. Zum anderen ist mein Opa trotz seines hohen Alters
geistig noch fit und interessiert auch an „modernen“ Themen. Er weiß dass mein
Mann ITler ist und so unterhält er sich mit meinem Mann immer über „Hardware“
und „Software“, was mein Mann ausgesprochen „COOOL!“ findet.
Und an
noch einem anderen Thema ist mein Opa interessiert: an der Medizin. Er hat
Medizin studiert und bis heute ist das seine große Leidenschaft - natürlich hat
er auch Wissen in diesem Bereich!
Jonathan
und sein Gendefekt sind also Themen die immer besprochen werden wenn wir meinen
Opa sehen.
An diesem
Tag konnte ich einen vorwärts robbenden Jonathan präsentieren und mein Opa war
BEGEISTERT: „Kind, ich hätte NIE gedacht das er das mal können wird! Das ist
fantastisch!!“
Auch der
Rest meiner Familie war beeindruckt von der Entwicklung die Jonathan im letzten
Jahr vollzogen hatte (die meisten meiner Tanten und Onkel sehe ich nur einmal
im Jahr wenn mein Opa Geburtstag hat: weil sie einfach überall verstreut
leben).
Die
anfänglichen Berührungsängste die der ein oder andere aus der Verwandtschaft
noch vor einem Jahr gehabt hatte waren spätestens dann verflogen als Jonathan
durchs Wohnzimmer robbte, sich lässig auf die Seite legte und alle beobachtete.
8o)))
Ein
Besuch mit „Folgen“
Am
nächsten Tag erwarteten wir Besuch: ein Schulkamerad von mir (mit dem ich zu
Schulzeiten befreundet gewesen war – ihn über die Jahre aber aus den Augen
verloren hatte) hatte mich „wiedergefunden“ und durch ein Telefonat mit mir von
Jonathan und seiner Krankheit erfahren. Jetzt wollte er vorbei kommen und den
kleinen Mann in „echt“ kennenlernen.
(An der
Stelle muss ich erwähnen das dieser Schulkamerad heute Musiker ist: er hat eine
Band; singt und spielt Klavier im Duett mit einer Partnerin und tritt auch solo
als Keyboard-Begleitung für andere Musiker auf - z.B. im ZDF-Fernsehgarten.)
Ich
freute mich wirklich sehr auf diesen Besuch!! In den vergangenen Jahren hatte
ich mich oft gefragt wie es ihm ergangen war und was er machte – früher waren
wir Freunde gewesen und als solchen habe ich ihn ganz oft vermisst.
Tja…und
dann stand er vor mir. Nach zig Jahren sahen wir uns das erste Mal wieder –
aber es fühlte sich an als hätten wir uns erst vor ein paar Tagen gesehen und
gesprochen: die Vertrautheit von früher war sofort wieder da.
Und so
fiel es mir auch SEHR leicht ganz offen mit ihm über Jonathan -und das Leben
das wir nun führten- zu reden. Ich habe ihm von den Herausforderungen und
Ängsten erzählt die uns jeden Tag begleiten, von den Prognosen der Ärzte und
von unseren Träumen für Jonathan.
Er hat
sich alles ganz ruhig angehört und mir auch einige Fragen gestellt. Er hat
Jonathan auf den Arm genommen und mit ihm gekuschelt.
Dann hat
er mich angesehen und aus tiefstem Herzen gesagt: „Jonathan ist so ein süßer
Kerl, ich möchte euch helfen! Ich werde ein Benefizkonzert für euch spielen!“
Wir
hatten so lange keinen Kontakt gehabt und trotzdem bot er uns direkt diese
großartige Möglichkeit für Jonathan an. Ich wusste in diesem Moment zwar nicht
genau was ich sagen sollte, weil ich einfach total überwältigt und gerührt war
– aber ich wusste: er war ein wirklicher Freund!!!
Das
Konzert würde allerdings nicht sofort stattfinden können weil er aktuell zu
viele Engagements und keine Zeit hatte, aber wir würden einen Termin zu Beginn
des kommenden Jahres finden. Und jetzt natürlich auch in Kontakt bleiben!!!
(…das tun
wir auch bis heute. Und vielleicht weil wir älter und reifer sind als zu
Schulzeiten…vielleicht weil wir beide viele Rückschläge im Leben einstecken
mussten…vielleicht auch aufgrund meiner aktuellen Situation mit Jonathan an der
ich ihn SEHR offen teilhaben lasse….ist unsere Freundschaft um einiges tiefer
und intensiver geworden als sie es jemals war.)
Kurztrip
mit (fast) der ganzen Familie
Wiederum zwei
Wochen später feierten mein Vater und meine Schwester an zwei
aufeinanderfolgenden Tagen ihre Geburtstage. Und diese beiden Tage lagen dieses
Jahr auf einem Wochenende.
Also
hatten wir beschlossen etwas zu tun was wir tatsächlich (warum auch immer!)
vorher noch NIE gemacht hatten: wir würden mit der kompletten Familie einen
Kurzurlaub machen!!!
Mit der
kompletten Familie?? Naja, nicht ganz!!
Meine
Eltern, meine Geschwister sowie Marvin und ich würden gemeinsam an den Chiemsee
reisen – aber mein Mann und Jonathan würden zu Hause bleiben….
Der
ursprüngliche Plan war das auch sie mitkommen sollten, aber als wir es logisch
überdachten stellten wir fest: Marvin hatte freitags noch Schule, dann
Mittagessen und Hausaufgaben. Die Fahrt dauerte circa 6 Stunden - bis wir dann
am Zielort ankämen wäre es später Abend. Den nächsten Tag, Samstag, hätten wir
zwar komplett zur Verfügung – aber am Sonntag müssten wir spätestens nach dem
Mittagessen wieder zurückfahren weil Montag natürlich Schule war!
Für
Jonathan wäre dieser Wochenendausflug nur Stress gewesen: mindestens 12 Stunden
Autofahrt für nur einen vollen Tag „Urlaub“. Aus diesem Grund entschlossen wir
uns dazu dass Marvin und ich allein fahren würden….
Enttäuschung
bei der restlichen Familie: wir würden also NICHT alle zusammen das Wochenende
verbringen – aber die Gründe verstanden hat trotzdem jeder.