…und schon wieder ist Weihnachten…
Obwohl der Dezember so ohne Termine sehr entspannt
für uns war – nahte der Heilige Abend dann doch viel schneller als erwartet.
Für Jonathan war es der dritte Weihnachtsabend den er erleben durfte.
Wie immer wenn ein „Jahrestag“ bevorsteht wurde ich
ein paar Tage vor Weihnachten nachdenklich…ein wenig melancholisch…aber auch
dankbar…
Wer hätte vor drei Jahren geahnt dass wir SO VIELE
Weihnachtsfeste mit Jonathan würden feiern dürfen??? Im DURCHSCHNITT werden
MOPD1-Kinder nur 9 Monate alt….immer wieder halte ich mir vor Augen welches
Glück ich habe das Jonathan so fit ist und so viel Zeit mit uns verbringen
darf. Gesund, wohlgemerkt. Denn obwohl zu seiner Grunderkrankung auch ein
schlechtes Immunsystem gehört ist er doch sehr selten krank und wenn – dann ist
es nicht gravierend.
Aber eins muss ich an der Stelle zugeben….es ist
aus GENAU DEM GRUND SCHWIERIG den kleinen Mann an Festen wie Weihnachten und
Geburtstag NICHT mit Geschenken zu überhäufen!!! Man ist so dankbar und
glücklich…und will IHM eine Freude machen und seine Augen strahlen sehen!!!..
..es ist ja bei gesunden Kindern schon schwierig in
der heutigen Zeit die Messlatte ein wenig tiefer zu legen: es gibt einfach zu
viele Eltern die RIESIGE Geschenke machen (eine Konsole, ein Handy…alles im
Wert von mehreren hundert Euro). Und dann kommt das eigene Kind das „nur“ ein
Geschenk für 80€ erhalten hat und ist der „Looser“ und das Gespött in der
Schule…ganz schön schwierig damit umzugehen und dem eigenen Kind die Charakterstärke
zu geben damit klarzukommen!!
Bei Jonathan kommt für uns immer unfreiwillig der
Gedanke dazu: wer weiß ob er nächstes Jahr noch Weihnachten mit uns feiert….und
dann ist es extrem schwer sich ein Limit zu setzen. Aber wir versuchen das
konsequent durchzuziehen …mein Mann und ich massregeln uns an der Stelle immer
gegenseitig damit es nicht ausufert mit den Geschenken!! 8o))
Denn ehrlich: wie soll man einem Kind (das geistig
noch nicht mal so verständig ist wie seine Altersgenossen!) erklären warum es
so viele Spielsachen bekommt?? Wie soll es dann den Umgang mit Geld und Werten
lernen??? Und klar: ich weiß gar nicht ob Jonathan JEMALS begreifen wird was
Geld ist….aber wir müssen VERSUCHEN ihn so normal wie möglich zu erziehen!!!
Es gibt Verbote bei uns…und es gibt Regeln…genau
wie bei Marvin in dem Alter!!! Ich orientiere mich gerne an der Aussage einer
Freundin, selbst Mutter eines behinderten Kindes: „Irgendwo hört der
Behindertenbonus dann auch auf!“
Diese Aussage darf vermutlich nur jemand machen der
selber betroffen ist, aber JA!!!! Irgendwo hört der Bonus einfach auf. Man kann
ein Kind nicht von vorne bis hinten „betütteln“ und in Watte packen nur weil es
anders ist. Wie soll es dann lernen das es genauso viel wert ist wie ein
gesundes Kind?? Wie soll es dann lernen das es alles das erreichen kann was
gesunde Kinder erreichen?? EBEN!! Und darum….läuft es bei uns wie es läuft und
wir finden das gut so.
Also: Weihnachten. Und Weihnachtsgeschenke.
Die gab es natürlich. Doch bevor diese ausgepackt
werden durften…klingelte es an der Tür….8o))
Marvin war total perplex. Wer klingelte denn am
HEILIGEN ABEND bei uns?? Auch noch kurz vor der Bescherung (auf die er sowieso
schon sehnsüchtig wartete und sie nicht hinauszögern wollte!).
Ich ging zur Tür….davor stand: der
Weihnachtsmann!!! (Ihr erinnert euch? Unser Geschenk vom Nikolaus!). Eigentlich
wollte ich ihm zwei kleine Päckchen zustecken, für jedes Kind eins – so wie ich
das vom Nikolausbesuch gewohnt war. Doch er winkte nur ab und sagte dass er
selber etwas mitgebracht habe…..
BITTE was?? Auch das war Teil des Geschenks für
uns….ich war gerührt. Er sagte dass er schon von uns gelesen habe und
eigentlich…an diesem Abend gar nicht arbeiten würde. ABER….unser Schicksal habe
ich ihn so gerührt das er sich extra in sein „Kostüm“ geschmissen habe und nur
für uns circa 50km gefahren sei. Unfassbar…..jetzt standen mir Tränen in den
Augen. Was lernten wir nur für tolle Menschen kennen???
Nun ja…er klingelte mit seinem Glöckchen und ging
ins Wohnzimmer. Jonathan war perplex und Marvin…nicht weniger…lach…damit hatte
unser Großer ja ÜBERHAUPT nicht gerechnet!!! Zumal er auch schon lange nicht
mehr an den Weihnachtsmann glaubt.
Marvin war um Worte verlegen als der Weihnachtsmann
sich zu ihm auf die Couch setzte und sehr intensiv mit ihm redete: der Nikolaus
hatte ihm wohl verraten wo Marvins Schwächen lagen und nun klopfte der Heilige
Mann die einzelnen Punkte ab und fragte was Marvin seit Nikolaus schon
verbessert habe….natürlich war das alles sehr humorvoll verpackt und sollte
Marvin nicht blamieren. Wir lachten sehr viel, es war einfach ein köstlicher
Moment Marvin so überrumpelt und SPRACHLOS zu sehen – das kommt nicht oft vor
bei ihm!!! LOL
Dann widmete sich der Weihnachtsmann dem kleinen
Jonathan. Der hatte einen Heidenrespekt vor dem Mann mit Bart und rotem Anzug.
Erst einmal erkundete der kleine Kerl das Glöckchen und läutete es ein wenig.
Nach einiger Zeit hatte er dann genug Vertrauen sich auf den Schoß des
Weihnachtsmannes setzen zu lassen und ließ sich sein Geschenk überreichen: er
bekam ein Plüschtier. Marvin einen
Autoteppich für seine HotWheels-Autos.
Großes Staunen bei Mama und Papa: auch sie bekamen
ein Geschenk!! Equipment für´s Handy….8o))
Der Weihnachtsmann war wirklich sehr lange bei uns.
Es war WUNDERSCHÖN. Wunderschön. Es hat mich so gerührt das dieser Mann an
diesem Tag zu uns gekommen ist – freiwillig. Um unseren Kindern eine Freude zu
machen…ein unvergesslicher Abend.
DANKESCHÖN LIEBER WEIHNACHTSMANN!!!
Nachdem wir ihn verabschiedet hatten begann unsere
Bescherung. Wie immer mit einem Lied -das in diesem Jahr nur von mir- mit der
Flöte begleitet wurde. Schiefe Töne und schiefer Gesang…so startet traditionell
UNSER Weihnachtsabend….lach….
Marvin bekam einen Zauberkasten, Bücher und
Yu-Gi-Oh-Karten. Jonathan ein Plüschtier das ihm alles nachplappert, die
Parkgarage von den Tut-Tut-Babyflitzern und einen Stapelturm. Papa
Konzertkarten und Mama ein Brettspiel und Bücher. Ich denke: wir waren alle
sehr zufrieden!! 8o))
Die Weihnachtsfeiertage verbrachten wir mit unseren
Familien: am 1.Feiertag kamen meine Eltern und Geschwister zu uns, am
2.Feiertag besuchten wir die Eltern meines Mannes, seine Schwester mit Familie
und eine Tante waren auch dabei. Gutes Essen und schöne Stunden die wir zusammen
mit unseren Liebsten verbringen konnten -und in denen viel gelacht wurde. So
stelle ich mir Weihnachten vor!!!
Auch die „Geschenkeflut“ der Großeltern für die
Kinder hielt sich in Grenzen – das war sehr nach unserem Geschmack!!! 8o))
…mein Mann und ich..hatten in diesem Jahr mit
unseren Eltern etwas vereinbart. Normalerweise bekommen wir von ihnen auch immer
Weihnachtsgeschenke. In diesem Jahr…hatten wir sie gebeten uns nur Geld zu
geben. Und DAS: wollten wir spenden. An die Organisation WALKING WITH GIANTS in
Liverpool.
Eine Organisation der wir uns unlängst
angeschlossen hatten: sie ist gegründet worden um Familien von Kindern mit
PRIMORDIALEN KLEINWUCHSFORMEN (wozu auch MOPD1 gehört) zu vernetzen.
Aktuell leben weltweit in den verschiedenen Formen
circa 200 Kinder weltweit – und ungefähr 140 Familien sind Mitglied bei WWGF.
Und nun eben auch wir.
Es gibt einen geschlossenen Chatroom bei Facebook
in dem wir unsere Fragen stellen und über Probleme diskutieren können. In dem
wir einfach auch mal reden können wenn es uns nicht so gut geht. HIER…versteht
uns JEDER!!! Diese Organisation ist unsere „Familie“….ich denke man kann
niemandem der nicht in so einer Situation ist wirklich begreiflich machen wie
es sich anfühlt mit Gleichgesinnten reden zu können… aber der Begriff FAMILIE
ist schon verdammt nah dran.
Einmal im Jahr wird eine „Convention“ (ein Treffen)
in Liverpool organisiert und jede Familie die möchte: kann kommen. Fünf Tage
lang sind wir alle zusammen, sehen uns „in live“ und können miteinander reden.
Auch, und grade!, die Kinder haben Gleichgesinnte um sich….es sind Ärzte vor
Ort die man sprechen kann und die einem Tipps und Ratschläge zur medizinischen
Versorgung geben können. Das ist grade für Familien aus „ärmeren“ Ländern sehr
wichtig, sehen die doch ansonsten so gut wie nie einen qualifizierten Arzt weil
sie ihn nicht bezahlen können – oder weil es in dem entsprechenden Land einfach
keinen Mediziner gibt der gut genug geschult ist.
….wir haben Mitglieder aus der ganzen Welt:
Rumänien, Kroatien, Algerien, Afrika….und nicht jeder hat das Geld für diese
Reise. Obwohl sie grade für diese Menschen oft existentiell wichtig wäre.
Ja, und…um auf das Thema zurückzukommen…mein Mann
und ich hatten uns entschieden unser Weihnachtsgeld dieser Organisation zu
geben und damit vielleicht jemandem zu ermöglichen nach Liverpool zu kommen –
oder wenigstens einen kleinen Teil dazu beizutragen.
Also haben wir unser Geld gespendet….ich habe
nichts vermisst weil ich an der Stelle „weniger“ Weihnachtsgeschenke bekommen
habe – und ich denke meinem Mann geht es genauso. Uns geht es doch eigentlich
recht gut! Wir bekommen so viel Unterstützung in den unterschiedlichsten Formen….wir
haben so viele Menschen um uns herum die diesen Weg mit uns gehen. Wir sind
glücklich. AUCH und TROTZ Jonathans Diagnose. Und es befriedigt uns auch einmal
in der Position zu sein das WIR ANDEREN helfen können…..“geben“ ist oftmals
besser als „nehmen“. Und von der Gründerin der Organisation kamen so liebe
Worte per Mail als sie erfuhr was wir gemacht hatten: das hat mich wirklich
sehr gerührt.
Tja, und bald (im Sommer 2018) werden wir nach
Liverpool reisen und 50 andere Familien mit einem Schicksal wie dem unseren kennenlernen.
Und irgendeiner von ihnen….hat dann unsere Unterstützung bekommen. Das macht
mich unfassbar glücklich. Familie eben, oder???
Silvester
…und schon wieder neigte sich ein Jahr dem Ende
entgegen.
Ich erstellte für unsere Facebook-Seite einen
Jahresrückblick und dabei wurde mir so deutlich vor Augen geführt WAS in diesem
(fast) vergangenen Jahr bei uns alles passiert war!!! Es geballt in einem
kurzen Video vor mir zu sehen führte mir vor Augen das unser Leben heute, am
Jahresende, nicht mehr dasselbe war das es noch am Jahresanfang gewesen war….
Mein Blog war durch die Decke gegangen…Jonathan war
bei Facebook…es gab Zeitungsberichte….und Fersehberichte über uns….wir hatten
unfassbar viele Benefizveranstaltungen bekommen…Einzelspenden…wir hatten so
viele tolle Menschen kennengelernt….
WIR HATTEN UNS VERÄNDERT: wir hatten eine neue
Sichtweise aufgezeigt bekommen. Nächstenliebe gibt es in unserer Gesellschaft nämlich
doch noch und wir waren unserem Umfeld nicht gleichgültig! Diese Erkenntnis war
und ist für uns wichtig weil sie uns die Kraft gibt unser tägliches Leben
besser bewältigen zu können……
Was sich nicht verändert hatte war unsere Art den
Silvesterabend zu feiern! „Same procedure as last year!“: Fingerfood, Deko, „Dinner
for one“ im Fernsehen, Brettspiele und ein paar Raketen um Mitternacht.
Jonathan war fast drei Jahre alt - als Marvin in
diesem Alter war hatte er um Mitternacht mit uns das Feuerwerk angeschaut. Das
habe ich meinem Mann erzählt und ihn gefragt ob wir Jonathan nicht auch mal
wecken sollten? Damit er die bunten Raketen anschauen kann??
Wir überlegten: Jonathan schlief sowieso jede Nacht
so schlecht, wenn wir ihn noch weckten und es dann „aufregend“ für ihn war das
Feuerwerk anzuschauen – würde er danach überhaupt wieder einschlafen können??
Oder würden ihm die Raketen am Ende Angst machen wegen des Lärms???
Bevor wir zu einer Entscheidung gekommen waren nahm
Jonathan uns diese ab: er wurde nämlich um 23.30 Uhr von alleine wach und DAS
haben wir dann mal als Zeichen genommen das er offensichtlich dabei sein
wollte. Er durfte wach bleiben, wurde dick eingepackt und dann sind wir alle
vier zusammen nach draußen gegangen.
Jonathan fand es SUPER!!!! Er wusste gar nicht wohin
er zuerst schauen sollte als am Himmel vor und hinter und neben uns überall die
bunten Raketen explodierten. Auch die Lautstärke schockte ihn überhaupt nicht.
Was vielleicht auch daran lag das Marvin neben ihm stand und auch ganz ruhig
war: der kleine Mann orientiert sich ja immer sehr gerne an seinem großen
Bruder!
Nach einer halben Stunde war das Feuerwerk um uns
herum vorbei, auch wir hatten ein paar Raketen gezündet – Jonathans Augen
wurden klein und so haben wir ihn dann auch ins Bett gebracht. Wo er ganz ohne
Probleme wieder eingeschlafen ist…..also: alles richtig gemacht! 8o)
Und so endete das Jahr 2017 für uns mit dem ersten
Feuerwerk für unseren kleinen Mann.
Mal sehen ob das kommende Jahr genauso viele
Überraschungen und Freude für uns bereithalten wird wie es im vergangenen Jahr
der Fall gewesen ist!!!