Freitag, 29. Dezember 2017

Silvester
…haben wir in diesem Jahr so unspektakulär gefeiert wie noch nie….nämlich irgendwie gar nicht.

Wir hatten Fingerfood vorbereitet weil uns das an unserer Halloween-Party so gut geschmeckt hatte. Und dann haben wir traditionell auch wieder „Dinner for one“ angeschaut. Ein paar Brettspiele gespielt, nachdem Jonathan im Bett war. Und dann…wurden Marvin und ich müde…der junge Mann ist auf der Couch eingeschlafen – das ist sonst immer mir vorbehalten. Und deswegen habe ich mich zu ihm gelegt und auch die Augen zugemacht.

Mein Mann hat uns kurz vor Mitternacht geweckt, wir sind auf die Straße gegangen und haben unser kleines Feuerwerk angezündet und angestoßen. Dann sind wir wieder reingegangen und wollten eigentlich noch das Tischfeuerwerk anzünden das wir für Marvin gekauft hatten. Aber er war zu müde und hatte gar keine Lust dazu: er wollte lieber ins Bett und schlafen.

Ein sehr merkwürdiges Silvesterfest. Hatten wir in der Form auch noch nicht. So vollkommen unspektakulär…

Eine weitere OP
Am 3.1. stand eine weitere (geplante) OP an, diesmal aber zum Glück nur ambulant.

Bei der OP des Leistenbruchs hatten die Augenärzte den Augenhintergrund untersucht. Aufgrund dessen das bei MOPD eine verstärkte Neigung zu Glaukomen besteht sollten wir das häufiger kontrollieren lassen, was nur unter Vollnarkose möglich ist - weil Jonathan sonst nicht richtig still hält.

Und diese Kontrolle war nun geplant. Gleichzeitig sollte noch ein Gerstenkorn entfernt werden das sich am linken oberen Augenlid gebildet hatte.

Dass die OP überhaupt stattfinden konnte grenzte auch an ein Wunder – fast hätten uns mal wieder Klinikvorschriften einen Strich durch die Rechnung gemacht…

Mit den Augenärzten war beim letzten Termin alles besprochen worden. Zwischen den Jahren sollte dann noch der Termin mit den Anästhesisten stattfinden.

Es war Erkältungszeit und wir versuchen immer Jonathan (soweit das möglich ist) vor Infekten zu schützen. Außerdem sollte die OP in der Klinik stattfinden in der Jonathan zur Welt gekommen und die ersten 5 Monate seines Lebens verbracht hatte, in der Klinik in der schon mal eine Operation unter Beteiligung der Augenklinik und natürlich auch der Anästhesisten stattgefunden hatte.

Von daher habe ich mir unseren medizinischen Ordner geschnappt und bin allein zum Termin beim Anästhesisten gefahren.

Und wurde im Vorzimmer heruntergeputzt: „Wo ist das Kind? Das geht so gar nicht! Ohne das Kind kann hier kein Narkosegespräch stattfinden!“

Ich war wirklich etwas irritiert weil ich die Problematik nicht verstand. Jonathan war doch hier bekannt und es gab Unterlagen über ihn. Musste man ihn SEHEN um eine Narkose BESPRECHEN zu können???

Nachdem ich der Dame erklärt hatte WARUM Jonathan nicht dabei war, nämlich wegen seines schlechten Immunsystems, wurde eine Anästhesistin herbeigerufen die beurteilen sollte ob man das Gespräch auch ohne „das Kind“ führen könne. Ich habe dieser Dame auch erklärt warum Jonathan nicht anwesend ist und sie fand das zum Glück nicht so problematisch wie die Dame am Empfang….Juchuuuu! Also: ab zum Anästhesie-Gespräch, ich hatte schon geglaubt die Fahrt sei umsonst gewesen.

Wir haben über die Grunderkrankung geredet, über den Bluthochdruck und die Herzfrequenzabfälle die zu Klinikzeiten verstärkt vorhanden gewesen waren.

Das bei der letzten OP keine Komplikationen aufgetreten waren (außer dass es schwierig gewesen war den Zugang für die Narkose zu legen)  konnte die Ärztin im Computer nachlesen.

Da Jonathan nicht dabei war hat sie mir erklärt dass er am Tag der OP gewogen werden müsse um zu ermitteln wie viel Narkosemittel er benötige. Außerdem sollte ich noch eine aktuelle Aufstellung der Blutwerte von unserem Kinderarzt mitbringen. Das war ja alles kein Problem!

Am Operationstag sind mein Mann und ich dann morgens mit Jonathan in die Klinik gefahren. Marvin war an diesem Tag bei seinen Großeltern, es waren ja noch Ferien und mitnehmen wollten/konnten wir ihn nicht.

Als wir durch die Türen der Klinik traten ging mir mal wieder der Hals zu…die Gerüche, die Geräusche…die ganze lange Zeit die wir mit Jonathan hier verbracht hatten – alles wieder da und so greifbar.

Zudem stand heute wieder eine OP auf dem Plan und ich war MEGA aufgeregt und hatte Angst dass etwas schief gehen könnte. Zwar waren nur circa 20 Minuten angesetzt, aber auch dabei konnte viel passieren.

Mein Mann war die Ruhe selbst. Er hat Jonathan auf dem Arm herum getragen und belustigt während wir warteten – ich hätte dafür überhaupt keinen Nerv gehabt, ich hatte mit mir selber mehr als genug zu tun. Die Zeit verging, und niemand holte uns ab. Dabei war es schon eine halbe Stunde später als vereinbart!! Mein Magen tat weh…

Irgendwann wurden wir dann aber abgeholt. Eine junge Ärztin kam zu uns, holte die Blutwerte von Jonathan ab die uns unser Kinderarzt ausgehändigt hatte und schaute sich das Gerstenkorn noch einmal an.

Dann wurden wir in einen Raum geführt in dem wir Jonathan ausziehen und ihm einen OP-Kittel anziehen sollten. Das gestaltete sich aber etwas schwierig, weil…es keinen Kittel in seiner Größe gab!! Der kleinste Kittel war RIESIG für ihn…wir haben die Ärmel gefühlte 10Mal umgeschlagen, der Kittel selber war ungefähr doppelt so lang wie Jonathan! Wir konnten ihn komplett darin einwickeln wie in eine Decke…8o))

Anschließend habe ich mich noch umgekleidet um Jonathan in den OP-Bereich zu bringen. Mein Mann musste warten, es durfte nur einer von uns hinein.

Ich bin mit dem kleinen Mann in eine Art Aufwachraum gegangen, dort kamen dann 3 Anästhesisten und noch ein paar Ärzte zu mir und haben mir Fragen gestellt. Über die Krankheit an sich: scheinbar hatte sich herum gesprochen dass heute ein Kind mit seltenem Gendefekt hier war. Ich habe alle Fragen so gut ich konnte beantwortet, noch einmal darauf hingewiesen das das Legen eines Zugangs bei Jonathan nicht ganz so einfach war und ihn dann einer Anästhesistin in die Arme gedrückt. Habe ihm TSCHÜSS gesagt und bin gegangen.

Es war sehr schwer ihn einfach dort, bei Fremden, so zurückzulassen! Aber manchmal muss man eben Dinge tun die man nicht mag…

Zurück in die Schleuse und wieder die normalen Klamotten anziehen und dann zu meinem Mann in den Wartebereich…und jetzt hieß es mal wieder: warten…..ätzend!!

Irgendwie dauerte es länger als wir gedacht hatten. Ich wurde unruhig. War doch etwas schief gegangen? Oder hatte man im Augenhintergrund etwas Beunruhigendes gefunden???
Ich hatte eine Zeitung zum Lesen dabei, konnte mich aber überhaupt nicht konzentrieren und gab schließlich auf es zu versuchen. Rutschte auf meinem Stuhl hin und her….und hoffte dass bald jemand kommen und uns gute Nachrichten bringen würde.

Irgendwann öffnete sich die Tür und der Arzt den wir bei der letzten OP schon als Koryphäe im Glaukombereich kennengelernt hatten kam heraus. Endlich! Er kam zu uns und sagte das soweit alles ok sei: er habe die Untersuchung ohne Probleme durchführen können. Und im Augenhintergrund etwas gesehen…er sei zwar eigentlich sicher dass es KEIN Glaukom sei, aber er wisse momentan nicht genau WAS es sei. Und somit wäre dann eine erneute regelmäßige Kontrolle notwendig. Augeninnendruck und sonstiges sei alles ok, da bestünde kein Grund zur Sorge. Aktuell werde noch das Gerstenkorn entfernt, in wenigen Minuten könnten wir dann zu unserem Sohn.

Na, zum Glück! Auch das hatten wir dann offensichtlich gut hinter uns gebracht! Ich war erleichtert. Jetzt fiel mir das Warten nicht mehr so schwer, ich wusste ja schon dass das Schlimmste geschafft war und es Jonathan gut ging.

Es dauerte dann auch nicht mehr lange und die junge Ärztin die morgens das Gerstenkorn untersucht hatte kam zu uns. Alles ok: einer von uns dürfte nun zu Jonathan.

Ich brauchte meinen Mann nur anzuschauen und er wusste das ich diejenige sein wollte die hinein ging. Also wieder in die Schleuse und Kittel überstreifen und dann durfte ich zu meinem Baby…

Was uns keiner gesagt hatte und uns beide schockte: er hatte einen riesigen Verband auf dem Auge. Mit Mullbinden. Das Auge war gar nicht mehr zu sehen und weil der Kopf so klein ist – war auch der halbe Kopf verschwunden. Darauf war ich in keinster Weise vorbereitet! Ich hätte nicht gedacht dass die Entfernung eines Gerstenkorns solch einen Verband nötig macht.
Die Schwester die mich kurz informierte teilte mir mit, dass Jonathan eine richtige Wunde am Auge habe und diese auch blutet. Deswegen wäre es am besten wenn der Verband bis zum folgenden Tag am Auge bleiben könnte. WHAT???

Also wir hatten ja schon eine Untersuchung an den Augen hinter uns gebracht und ich wusste somit ziemlich genau wie schlimm es gewesen war als er nicht richtig gesehen hatte wegen der Pupillenerweiternden Tropfen…wenn jetzt einen Tag lang das eine Auge komplett abgeklebt bleiben sollte: PROST MAHLZEIT…

Noch war Jonathan nicht wach, er jammerte ein wenig vor sich hin – aber im Schlaf…ich habe mich an sein Bett gesetzt und seine Hand gesucht um sie zu halten und zu streicheln. Er war eingepackt wie ein kleiner Eskimo: in Tücher und Decken…

Es dauerte nicht lange und er wurde wach. Jammerte und weinte. Ich habe ihn auf den Arm genommen und die Schwester kam um seine Werte zu kontrollieren. Da wir ganz allein in dem Raum waren habe ich sie gefragt ob mein Mann vielleicht ausnahmsweise dazu kommen darf, er wäre sowieso derjenige von uns der Jonathan viel besser beruhigen könnte wenn er weinte. Weil wir wirklich komplett allein im Raum waren und die Schwester offensichtlich auch ein wenig fasziniert von Jonathan war…ist sie meinen Mann holen gegangen.

Rückwirkend betrachtet hatten wir in solchen OP-Situationen wirklich immer Glück und durften GEMEINSAM an Jonathans Bett sitzen. Was diese Momente für mich erträglicher macht…ich bin ja eher der hippelige, ungeduldige und manchmal auch unruhige Typ: und das ist in solchen Momenten oftmals nicht gut. Mein Mann ist der ruhige, leise und EXTREM geduldige Part in unserer Beziehung und er holt mich dann immer auf den Boden zurück und beruhigt mich…8o))

Jonathan hat an diesem Vormittag wieder extrem geweint und ständig versucht den Verband von seinem Auge zu ziehen. Wir haben ihm zwar immer gesagt das er den Verband drauf lassen muss – aber, um ehrlich zu sein: das versteht er ja leider nicht. Also mussten wir ihm die Hände festhalten, was auch nicht unbedingt dazu führte das er besser gelaunt gewesen wäre.

Ich konnte ihn ja auch verstehen! Man wird aus der Narkose wach und das eine Auge „ist weg“. Und er verstand nicht warum es weg war und das es wiederkommen würde. Alles was er tun konnte um seinen Unmut zu äußern war eben schreien….also schrie er.
(Hatten wir ja schon mal erlebt, als er die OP am Hodenhochstand gehabt und man ihm die Pupillenerweiternden Tropfen gegeben hatte.)

Am späten Vormittag durften wir Jonathan Milch geben und danach beruhigte er sich ein wenig und schlief wieder ein. Seine Werte wurden noch mehrfach kontrolliert und waren immer gut, also durften wir relativ schnell wieder nach Hause fahren. Erfreulich: wir hatten uns eigentlich nach unseren diversen Krankenhauserfahrungen auf einen längeren Aufenthalt eingestellt.

Als wir im Anmeldebereich auf unsere Entlassungspapiere warteten, haben wir mit dem Handy Fotos für unsere Eltern gemacht und sie ihnen geschickt. Alle waren total geschockt vom Anblick unseres kleinen Zwerges: ein RIESEN-Pflaster auf dem Auge….und das auch noch etwas blutig. Sah schon schlimm aus.

Auf der Heimfahrt hat Jonathan geschlafen, er war noch total erledigt von der OP. Als wir zu Hause ankamen wachte er aber sofort auf und schien so erleichtert wieder hier zu sein. Das ist ein Verhalten das ich schon öfter bei ihm beobachtet habe: wenn wir aus der Klinik heimkommen (vom stationären oder auch nur ambulanten Aufenthalt) dann betrachtet er seine Umgebung so aufmerksam und scheint erleichtert zu sein. Er ist aufgedreht und möchte alles erkunden: wie um sich zu versichern das er wirklich wieder hier ist.

Wir haben ihn dann auch den Boden zum Spielen gelegt um in Ruhe sein Essen machen und alles ausräumen zu können.

Was soll ich sagen? Es hat keine 15 Minuten gedauert und das Pflaster war abgerissen. Jonathan kann sehr hartnäckig sein wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat – und offensichtlich hatte er sich in den Kopf gesetzt dass das Pflaster runtermusste….

Das Auge sah gar nicht so schlimm aus: es war nur ein kleines Loch auf dem Augenlid zu sehen wo das Gerstenkorn gewesen war. Und das Loch war ein wenig blutig. Aber ansonsten…sah man nichts.


Und Jonathan war hoch zufrieden dass er nun wieder beide Augen benutzen konnte!! 8o))