Silvester
…haben
wir in diesem Jahr so unspektakulär gefeiert wie noch nie….nämlich irgendwie
gar nicht.
Wir
hatten Fingerfood vorbereitet weil uns das an unserer Halloween-Party so gut
geschmeckt hatte. Und dann haben wir traditionell auch wieder „Dinner for one“
angeschaut. Ein paar Brettspiele gespielt, nachdem Jonathan im Bett war. Und
dann…wurden Marvin und ich müde…der junge Mann ist auf der Couch eingeschlafen
– das ist sonst immer mir vorbehalten. Und deswegen habe ich mich zu ihm gelegt
und auch die Augen zugemacht.
Mein Mann
hat uns kurz vor Mitternacht geweckt, wir sind auf die Straße gegangen und haben
unser kleines Feuerwerk angezündet und angestoßen. Dann sind wir wieder
reingegangen und wollten eigentlich noch das Tischfeuerwerk anzünden das wir
für Marvin gekauft hatten. Aber er war zu müde und hatte gar keine Lust dazu:
er wollte lieber ins Bett und schlafen.
Ein sehr
merkwürdiges Silvesterfest. Hatten wir in der Form auch noch nicht. So
vollkommen unspektakulär…
Eine
weitere OP
Am 3.1.
stand eine weitere (geplante) OP an, diesmal aber zum Glück nur ambulant.
Bei der
OP des Leistenbruchs hatten die Augenärzte den Augenhintergrund untersucht.
Aufgrund dessen das bei MOPD eine verstärkte Neigung zu Glaukomen besteht
sollten wir das häufiger kontrollieren lassen, was nur unter Vollnarkose
möglich ist - weil Jonathan sonst nicht richtig still hält.
Und diese
Kontrolle war nun geplant. Gleichzeitig sollte noch ein Gerstenkorn entfernt
werden das sich am linken oberen Augenlid gebildet hatte.
Dass die
OP überhaupt stattfinden konnte grenzte auch an ein Wunder – fast hätten uns
mal wieder Klinikvorschriften einen Strich durch die Rechnung gemacht…
Mit den
Augenärzten war beim letzten Termin alles besprochen worden. Zwischen den
Jahren sollte dann noch der Termin mit den Anästhesisten stattfinden.
Es war
Erkältungszeit und wir versuchen immer Jonathan (soweit das möglich ist) vor
Infekten zu schützen. Außerdem sollte die OP in der Klinik stattfinden in der
Jonathan zur Welt gekommen und die ersten 5 Monate seines Lebens verbracht
hatte, in der Klinik in der schon mal eine Operation unter Beteiligung der
Augenklinik und natürlich auch der Anästhesisten stattgefunden hatte.
Von daher
habe ich mir unseren medizinischen Ordner geschnappt und bin allein zum Termin
beim Anästhesisten gefahren.
Und wurde
im Vorzimmer heruntergeputzt: „Wo ist das Kind? Das geht so gar nicht! Ohne das
Kind kann hier kein Narkosegespräch stattfinden!“
Ich war
wirklich etwas irritiert weil ich die Problematik nicht verstand. Jonathan war
doch hier bekannt und es gab Unterlagen über ihn. Musste man ihn SEHEN um eine
Narkose BESPRECHEN zu können???
Nachdem
ich der Dame erklärt hatte WARUM Jonathan nicht dabei war, nämlich wegen seines
schlechten Immunsystems, wurde eine Anästhesistin herbeigerufen die beurteilen
sollte ob man das Gespräch auch ohne „das Kind“ führen könne. Ich habe dieser
Dame auch erklärt warum Jonathan nicht anwesend ist und sie fand das zum Glück nicht
so problematisch wie die Dame am Empfang….Juchuuuu! Also: ab zum
Anästhesie-Gespräch, ich hatte schon geglaubt die Fahrt sei umsonst gewesen.
Wir haben
über die Grunderkrankung geredet, über den Bluthochdruck und die
Herzfrequenzabfälle die zu Klinikzeiten verstärkt vorhanden gewesen waren.
Das bei
der letzten OP keine Komplikationen aufgetreten waren (außer dass es schwierig
gewesen war den Zugang für die Narkose zu legen) konnte die Ärztin im Computer nachlesen.
Da
Jonathan nicht dabei war hat sie mir erklärt dass er am Tag der OP gewogen
werden müsse um zu ermitteln wie viel Narkosemittel er benötige. Außerdem
sollte ich noch eine aktuelle Aufstellung der Blutwerte von unserem Kinderarzt
mitbringen. Das war ja alles kein Problem!
Am
Operationstag sind mein Mann und ich dann morgens mit Jonathan in die Klinik
gefahren. Marvin war an diesem Tag bei seinen Großeltern, es waren ja noch
Ferien und mitnehmen wollten/konnten wir ihn nicht.
Als wir
durch die Türen der Klinik traten ging mir mal wieder der Hals zu…die Gerüche,
die Geräusche…die ganze lange Zeit die wir mit Jonathan hier verbracht hatten –
alles wieder da und so greifbar.
Zudem stand
heute wieder eine OP auf dem Plan und ich war MEGA aufgeregt und hatte Angst
dass etwas schief gehen könnte. Zwar waren nur circa 20 Minuten angesetzt, aber
auch dabei konnte viel passieren.
Mein Mann
war die Ruhe selbst. Er hat Jonathan auf dem Arm herum getragen und belustigt
während wir warteten – ich hätte dafür überhaupt keinen Nerv gehabt, ich hatte
mit mir selber mehr als genug zu tun. Die Zeit verging, und niemand holte uns
ab. Dabei war es schon eine halbe Stunde später als vereinbart!! Mein Magen tat
weh…
Irgendwann
wurden wir dann aber abgeholt. Eine junge Ärztin kam zu uns, holte die
Blutwerte von Jonathan ab die uns unser Kinderarzt ausgehändigt hatte und
schaute sich das Gerstenkorn noch einmal an.
Dann
wurden wir in einen Raum geführt in dem wir Jonathan ausziehen und ihm einen
OP-Kittel anziehen sollten. Das gestaltete sich aber etwas schwierig, weil…es
keinen Kittel in seiner Größe gab!! Der kleinste Kittel war RIESIG für ihn…wir
haben die Ärmel gefühlte 10Mal umgeschlagen, der Kittel selber war ungefähr
doppelt so lang wie Jonathan! Wir konnten ihn komplett darin einwickeln wie in
eine Decke…8o))
Anschließend
habe ich mich noch umgekleidet um Jonathan in den OP-Bereich zu bringen. Mein
Mann musste warten, es durfte nur einer von uns hinein.
Ich bin
mit dem kleinen Mann in eine Art Aufwachraum gegangen, dort kamen dann 3
Anästhesisten und noch ein paar Ärzte zu mir und haben mir Fragen gestellt.
Über die Krankheit an sich: scheinbar hatte sich herum gesprochen dass heute
ein Kind mit seltenem Gendefekt hier war. Ich habe alle Fragen so gut ich
konnte beantwortet, noch einmal darauf hingewiesen das das Legen eines Zugangs
bei Jonathan nicht ganz so einfach war und ihn dann einer Anästhesistin in die
Arme gedrückt. Habe ihm TSCHÜSS gesagt und bin gegangen.
Es war
sehr schwer ihn einfach dort, bei Fremden, so zurückzulassen! Aber manchmal
muss man eben Dinge tun die man nicht mag…
Zurück in
die Schleuse und wieder die normalen Klamotten anziehen und dann zu meinem Mann
in den Wartebereich…und jetzt hieß es mal wieder: warten…..ätzend!!
Irgendwie
dauerte es länger als wir gedacht hatten. Ich wurde unruhig. War doch etwas
schief gegangen? Oder hatte man im Augenhintergrund etwas Beunruhigendes
gefunden???
Ich hatte
eine Zeitung zum Lesen dabei, konnte mich aber überhaupt nicht konzentrieren
und gab schließlich auf es zu versuchen. Rutschte auf meinem Stuhl hin und
her….und hoffte dass bald jemand kommen und uns gute Nachrichten bringen würde.
Irgendwann
öffnete sich die Tür und der Arzt den wir bei der letzten OP schon als Koryphäe
im Glaukombereich kennengelernt hatten kam heraus. Endlich! Er kam zu uns und
sagte das soweit alles ok sei: er habe die Untersuchung ohne Probleme
durchführen können. Und im Augenhintergrund etwas gesehen…er sei zwar
eigentlich sicher dass es KEIN Glaukom sei, aber er wisse momentan nicht genau
WAS es sei. Und somit wäre dann eine erneute regelmäßige Kontrolle notwendig.
Augeninnendruck und sonstiges sei alles ok, da bestünde kein Grund zur Sorge.
Aktuell werde noch das Gerstenkorn entfernt, in wenigen Minuten könnten wir
dann zu unserem Sohn.
Na, zum
Glück! Auch das hatten wir dann offensichtlich gut hinter uns gebracht! Ich war
erleichtert. Jetzt fiel mir das Warten nicht mehr so schwer, ich wusste ja
schon dass das Schlimmste geschafft war und es Jonathan gut ging.
Es
dauerte dann auch nicht mehr lange und die junge Ärztin die morgens das
Gerstenkorn untersucht hatte kam zu uns. Alles ok: einer von uns dürfte nun zu
Jonathan.
Ich
brauchte meinen Mann nur anzuschauen und er wusste das ich diejenige sein
wollte die hinein ging. Also wieder in die Schleuse und Kittel überstreifen und
dann durfte ich zu meinem Baby…
Was uns
keiner gesagt hatte und uns beide schockte: er hatte einen riesigen Verband auf
dem Auge. Mit Mullbinden. Das Auge war gar nicht mehr zu sehen und weil der
Kopf so klein ist – war auch der halbe Kopf verschwunden. Darauf war ich in
keinster Weise vorbereitet! Ich hätte nicht gedacht dass die Entfernung eines
Gerstenkorns solch einen Verband nötig macht.
Die
Schwester die mich kurz informierte teilte mir mit, dass Jonathan eine richtige
Wunde am Auge habe und diese auch blutet. Deswegen wäre es am besten wenn der
Verband bis zum folgenden Tag am Auge bleiben könnte. WHAT???
Also wir
hatten ja schon eine Untersuchung an den Augen hinter uns gebracht und ich
wusste somit ziemlich genau wie schlimm es gewesen war als er nicht richtig
gesehen hatte wegen der Pupillenerweiternden Tropfen…wenn jetzt einen Tag lang
das eine Auge komplett abgeklebt bleiben sollte: PROST MAHLZEIT…
Noch war
Jonathan nicht wach, er jammerte ein wenig vor sich hin – aber im Schlaf…ich
habe mich an sein Bett gesetzt und seine Hand gesucht um sie zu halten und zu
streicheln. Er war eingepackt wie ein kleiner Eskimo: in Tücher und Decken…
Es
dauerte nicht lange und er wurde wach. Jammerte und weinte. Ich habe ihn auf
den Arm genommen und die Schwester kam um seine Werte zu kontrollieren. Da wir
ganz allein in dem Raum waren habe ich sie gefragt ob mein Mann vielleicht
ausnahmsweise dazu kommen darf, er wäre sowieso derjenige von uns der Jonathan
viel besser beruhigen könnte wenn er weinte. Weil wir wirklich komplett allein
im Raum waren und die Schwester offensichtlich auch ein wenig fasziniert von
Jonathan war…ist sie meinen Mann holen gegangen.
Rückwirkend
betrachtet hatten wir in solchen OP-Situationen wirklich immer Glück und
durften GEMEINSAM an Jonathans Bett sitzen. Was diese Momente für mich erträglicher
macht…ich bin ja eher der hippelige, ungeduldige und manchmal auch unruhige
Typ: und das ist in solchen Momenten oftmals nicht gut. Mein Mann ist der
ruhige, leise und EXTREM geduldige Part in unserer Beziehung und er holt mich
dann immer auf den Boden zurück und beruhigt mich…8o))
Jonathan
hat an diesem Vormittag wieder extrem geweint und ständig versucht den Verband
von seinem Auge zu ziehen. Wir haben ihm zwar immer gesagt das er den Verband
drauf lassen muss – aber, um ehrlich zu sein: das versteht er ja leider nicht.
Also mussten wir ihm die Hände festhalten, was auch nicht unbedingt dazu führte
das er besser gelaunt gewesen wäre.
Ich
konnte ihn ja auch verstehen! Man wird aus der Narkose wach und das eine Auge
„ist weg“. Und er verstand nicht warum es weg war und das es wiederkommen
würde. Alles was er tun konnte um seinen Unmut zu äußern war eben
schreien….also schrie er.
(Hatten
wir ja schon mal erlebt, als er die OP am Hodenhochstand gehabt und man ihm die
Pupillenerweiternden Tropfen gegeben hatte.)
Am späten
Vormittag durften wir Jonathan Milch geben und danach beruhigte er sich ein
wenig und schlief wieder ein. Seine Werte wurden noch mehrfach kontrolliert und
waren immer gut, also durften wir relativ schnell wieder nach Hause fahren.
Erfreulich: wir hatten uns eigentlich nach unseren diversen
Krankenhauserfahrungen auf einen längeren Aufenthalt eingestellt.
Als wir im
Anmeldebereich auf unsere Entlassungspapiere warteten, haben wir mit dem Handy
Fotos für unsere Eltern gemacht und sie ihnen geschickt. Alle waren total
geschockt vom Anblick unseres kleinen Zwerges: ein RIESEN-Pflaster auf dem
Auge….und das auch noch etwas blutig. Sah schon schlimm aus.
Auf der
Heimfahrt hat Jonathan geschlafen, er war noch total erledigt von der OP. Als
wir zu Hause ankamen wachte er aber sofort auf und schien so erleichtert wieder
hier zu sein. Das ist ein Verhalten das ich schon öfter bei ihm beobachtet
habe: wenn wir aus der Klinik heimkommen (vom stationären oder auch nur
ambulanten Aufenthalt) dann betrachtet er seine Umgebung so aufmerksam und
scheint erleichtert zu sein. Er ist aufgedreht und möchte alles erkunden: wie
um sich zu versichern das er wirklich wieder hier ist.
Wir haben
ihn dann auch den Boden zum Spielen gelegt um in Ruhe sein Essen machen und
alles ausräumen zu können.
Was soll
ich sagen? Es hat keine 15 Minuten gedauert und das Pflaster war abgerissen. Jonathan
kann sehr hartnäckig sein wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat – und
offensichtlich hatte er sich in den Kopf gesetzt dass das Pflaster
runtermusste….
Das Auge
sah gar nicht so schlimm aus: es war nur ein kleines Loch auf dem Augenlid zu
sehen wo das Gerstenkorn gewesen war. Und das Loch war ein wenig blutig. Aber
ansonsten…sah man nichts.
Und
Jonathan war hoch zufrieden dass er nun wieder beide Augen benutzen konnte!!
8o))